
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Die Sache mag mit der Arbeitsteilung begonnen haben. Während Rrts Weib nach Stellen suchte, um die letzte Mammutkeule zum Dörren aufzuhängen, schleppten Uga und seine Gevatter das nächste tote Tier in die Höhle. Schöner Mist. Abgesehen von der jetzt schon versaubeutelten Trennkost – einmal bis Neumond Salate mit maximal Gürteltierstreifen, aber kein Mammut, kein Säbelzahntiger, auch kein Wollnashorn für zwischendurch – stapelten sich die Knochen kniehoch in der Abseite. Nggr wollte ja noch etwas daraus basteln. Irgendwann. Und schon schlich sich der fatale Gedanke ein, dass eigentlich die Bedürfnisse des einzelnen Stammesmitglieds im Hintergrund standen. Du bist nichts, Deine Sippe ist alles. Jedenfalls merkte der einzelne Mensch, so er sich als Mensch wahrnahm, dass er als ebendieser nicht viel galt. Höchstens als Störfaktor.
Der Schritt zwischen Steinzeit und Kapitalismus ist erfahrungsgemäß auf verhaltensrelevantem Terrain eher klein. Was wäre dies für eine schöne Welt, gäbe es keine Menschen, genauer: die Leute. Soziale Einbindung in der Reihenhaussiedlung ja, aber verdammt noch mal ohne diese Nachbarn, die offensichtlich beim Hirnschadenkaraoke den ersten Platz davongetragen haben. Ein Supermarkt ohne die ganzen Knalltüten mit ihren Drahtkörben voller Mist, ohne Verkäufer, die sowieso nie da sind, wenn man sie braucht – überhaupt das Arbeitsleben, wie schön könnte mancher Beruf sein ohne dieses Gefrett. Dachdecker, Bäckereifachverkäufer, Kfz-Mechatroniker, traumhafte Tätigkeiten wären das ohne die lästigen Kunden. Säße man im Callcenter und kein Schwein riefe an, es wäre das Paradies auf Erden. Erst recht auf der Autobahn könnte sich die Verheißung erfüllen: weit und breit keine anderen Blechkiste, heidewitzka! da kachelt der Bekloppte erst recht und mit Vergnügen ganz links in den Sonnenuntergang. Weil er es kann.
Die Welt ist nicht gerecht – abgesehen von Heimwerkermärkten, die haben das Problem mit zu viel sichtbarem Personal schon ganz gut im Griff – und zum Schluss stirbt man auch noch. Aber der Mensch mit seiner Neigung, die Dinge so gründlich wie irgend möglich anzugehen, er hat sich aus der Gleichung des Lebens schon so gut wie weggekürzt und genießt ein System, das ihm die Mühen der schiefen Ebene abnimmt. Der Mensch wird nicht gerade ausgerottet. Er stört nur gewaltig.
Das Gesundheitssystem popelt sich viele schöne Luftschlösser zusammen, die öffentlich finanzierte Gedönstherapie formerly known as Arbeitsamt sägt an der eigenen Personaldecke, weil die Däumchen zum Drehen nicht mehr ausreichen, Finanzämter erfinden automatisierte Transportwege vom Posteingang zum Aktenschredder, damit wenigstens die Geräuschkulisse der Beschäftigung erhalten bleibt. Ansonsten schwiemelt der Dumpfknecht sein Menschen hassendes Programm vor sich her, schiebt Unerwünschte ab, baut Zäune – Stacheldrahthersteller sind auch am Aktienmarkt – und kommt endlich auf die Idee.
Oder die Idee kommt auf ihn, denn was da als Wirtschaft grassiert, kann längst nicht mehr von den Primaten oder ihren minderbegabten Nachfahren entworfen worden sein, es kam mit Sicherheit unter einem radioaktiven Stein hervorgekrochen und hat sich vegetativ vermehrt. Es ist ein System, dessen einziger Zweck auf seiner eigenen Vergrößerung beruht, das sich in einzelnen Bereichen folgerichtig krebsgleich selbst zuwuchert und frisst und dabei den Menschen, jene Reprise des Überflüssigen, nach Kräften eliminiert. Er nervt als nörgelnder Verbraucher, bremst als Subjekt und Objekt von Arbeits- und Sozialrecht, er ist Sand im Getriebe der hirnlosen Beschleunigung und verführt zu seltsamen Ideen. Die Wirtschaft möchte gerne mehr Kostgänger rausschmeißen, als überhaupt am Fließband stehen. Sie muss sich, schwer genug, mit dem Machbaren begnügen.
Was könnte das Geld an Weltkriegen vom Zaun brechen, gäbe es keine Banken, keine Börsen, in denen quengelnde Kasper hockten, was könnten Börsen und Banken verbrechen, stünden nicht immer Menschen im Weg mit Grundbedürfnissen wie Atmen oder Kalorienzufuhr. Was gäbe es nicht an Parteipolitik ohne diese stänkernden Stümper, was könnte man diesen Planeten zupflastern mit Autos und je zehn Parkplätzen pro Wagen, mit Kernkraftwerken und Tiefbahnhöfen, Flugplätzen und Autobahnen, mit Techniksupermärkten und Kinokomplexen, Truppenübungsplätzen und Bürokomplexen, die zusammen mehr Fußballfelder ergäben, als man je hochkant aufs Saarland stapeln könnte. Gäbe es den Menschen nicht, das Kapital könnte sich alles unter den Nagel reißen. Doch gäbe es ihn tatsächlich nicht, wen sollen dann die Soldaten totschießen? So rettet er zuletzt doch noch Arbeitsplätze und – es sei ihm verziehen – den Aktienkurs. Am Ende wird’s doch nicht ohne ihn gehen. Noch nicht. Aber wir arbeiten daran.
Satzspiegel