„Wir haben zwanzig Sturmgewehre, achtzigtausend Schuss Munition, Plastiksprengstoff, dazu diverse Baseballkeulen und…“ „Einer seiner ehemaligen Nachbarn hat einen Bruder, der Schlagball in der Schule gespielt hat. Das sollten wir auf jeden Fall im Untersuchungsbericht berücksichtigen.“
„Gut, dann haben wir diverse Anleitungen zum Bau von Brandsätzen und…“ „Meine Güte, die kann man sich doch aus dem Internet runterladen.“ „Das kann man mit Kinderbildern auch, und sind die etwa legal?“ „Ich bitte Sie, der Vergleich hinkt doch!“ „Ach?“ „Na, gehen Sie doch mal mit einem Stapel nackter Kinder zum Staatsanwalt und sagen Sie, dass Sie nur das Vaterland retten wollten – das glaubt der Ihnen nie!“ „Und mit den Brandsätzen glaubt man das?“ „Es sind bisher noch keine in der Garage gefunden worden. Im Keller auch nicht. Da müssen wir für den Angeklagten wohl oder übel annehmen, dass er von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht hat?“ „Bitte wovon!?“ „Er war eben der Meinung, dass man Brandsätze schmeißen darf, wenn einem die Politik der Bundesregierung nicht passt.“
„Entschuldigen Sie mal, verstehe ich das richtig, dass Sie Brandsätze als politisches Instrumentarium bezeichnen und Anschläge befürworten?“ „Aber nein, ich sehe es als Meinungsfreiheit.“ „Sie sind ja wohl mit dem Klammerbeutel gepudert – das ist immer noch Staatsrecht!“ „Regen Sie sich doch nicht gleich auf, die protestieren doch gegen den Staat?“ „Aber nur, weil Sie eine andere Meinung als die Regierung haben…“ „Was sollen die denn sonst tun, auf die Bundeskanzlerin schießen? Das ist doch viel zu riskant, außerdem ist es bestimmt illegal.“
„Was ist eigentlich mit den Hakenkreuzfahnen und mit der Reichskriegsflagge?“ „Ach, das werden wohl Sammlerstücke sein. Ich habe mal gehört, da bekommen Sie heute noch eine ganze Menge Geld, wenn es Originale sind.“ „Die Wehrmachtspistolen sicherlich auch.“ „Wie gesagt, Sammlerstücke.“ „Die beiden Waffen waren in funktionsfähigem Zustand.“ „Sage ich ja, Qualitätsware – da kriegen Sie mindestens das Doppelte wie für nachgemachte Teile.“ „Wir haben es hier aber nicht mit einem Andenkensammler zu tun, Menschenskinder! Der Mann hat in seiner Garage jede Menge Material für einen gewaltsamen Umsturz gehortet!“ „Jetzt regen Sie sich doch nicht so auf. Haben Sie mal von dem Kerl gelesen, der einen echten Weltkriegspanzer auf seinem Grundstück gebunkert hatte? Das nenne ich einen fetten Fisch! Und selbst den würde ich nicht als Gefahr ansehen.“ „Haben Sie jetzt komplett den Verstand verloren?“ „Wieso? Was wollen Sie denn mit einem einzigen Panzer anrichten? Einen ganzen Staatsstreich? Also bitte!“
„Gut, dann die Sturmgewehre.“ „Das scheint mir auch schwierig. Der Mann muss sehr viel Geld gehabt haben, und wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Erkenntnisse, woher die Mittel stammen.“ „Vermutlich von einem Waffenhändler.“ „Nein, ich meine die finanziellen Mittel. Wie leicht kann einem da ein Fall von Steuerhinterziehung durch die Lappen gehen.“ „Sind das wirklich Ihre einzigen Sorgen?“ „Es ist doch unsere Aufgabe, uns für das Gemeinwohl einzusetzen, oder?“ „Aber genau deshalb müssen wir doch herausfinden, wer ihm die Waffen geliefert hat.“ „Ich schätze, es war eines dieser neuen Kombi-Angebote. Kauf heute ein Smartphone, dann kriegst Du gratis ein Tablet dazu.“ „Und das sagt uns was?“ „Wenn wir den finden, der ihm die Munition verkauft hat, finden wir auch den, der ihm die Waffen dazu liefert.“ „Genialer Plan.“ „Ja, nicht wahr?“ „Ach, egal.“
„Gut, dann wären wir ja mit den Ermittlungen soweit fertig. Haben wir noch was auf dem Zettel für heute?“ „Mich würde noch interessieren, warum es zwanzig Sturmgewehre waren.“ „Denken Sie doch mal scharf nach: haben wir Geld gefunden?“ „Was hat das damit zu tun?“ „Wir haben kein Geld gefunden. Was kostet Geld?“ „Jetzt hören Sie schon auf mit den dämlichen…“ „Waffen. Waffen kosten Geld, und was hat der Mann mit seinem Geld gemacht? Waffen gekauft. Jetzt hat er was?“ „Waffen natürlich.“ „Und kein Geld. Also wird er was machen?“ „Ihnen den Schädel einschlagen, wenn Sie nicht Ihre gottverdammte…“ „Genau, einen Bankraub wird er verüben. Damit besorgt er sich dann neues Geld, er braucht ja auch wieder Munition.“ „Ich geb’s auf. Ich gebe es wirklich und wahrhaftig…“ „Und wir müssen jetzt einfach nur eine Fahndung rausgeben nach einem Mann, der in Kürze einen Riesenbanküberfall mit mindestens zwanzig Tätern durchführt. Bankräuber geschnappt, Beweismaterial gesichert, der Kopf der Bande ist uns schon vorab bekannt und wird auspacken, wenn wir ihm rechtzeitig einen Deal vorschlagen – das wird ein fantastischer Schachzug gegen das organisierte Verbrechen!“ „Und den Täter lassen wir erstmal laufen.“ „Natürlich, sonst kann er doch den Bankraub gar nicht begehen. Manchmal habe ich den Eindruck, Ihnen fehlt so ein bisschen das kriminalistische Gespür. Dabei machen Sie das hier doch schon ein paar Jahre?“
„Gut. Gut, gut, gut. Und was machen wir dann mit dem Plastiksprengstoff?“ „Ach so, ja.“ „Wir haben Plastiksprengstoff in relevanter Menge, Zündkapseln, Kabel, das ganze Programm. Was machen wir damit?“ „Nee, lassen Sie mal. Da müssen Sie sich keine Sorgen machen.“ „Warum das jetzt nicht? Bei den Mengen? Bei dieser Zusammenstellung?“ „Ich habe den Mann gefragt. Er hat mit glaubhaft versichert, dass er keinerlei kriminelle Absichten damit verfolgt hat. Machen Sie sich locker: es gibt keine Gefahr von rechts.“
Satzspiegel