Buche gebeizt

16 03 2016

„Heitla!“ Der kleine Glatzkopf mit dem braunen Käppi riss den rechten Arm in die Höhe. Dann trat er einen Schritt vor, öffnete die Tür und dienerte. In diesem Möbelhaus wurde doch noch Wert gelegt auf Sitte und Anstand.

Sie trugen alle braune Käppis, nur nicht die Kunden. „Föhrer“, stellte sich der junge Mann mit militärischer Knappheit vor. „Karlheinz Föhrer, ich bin hier der Abteilungsleiter im Verkauf.“ Die leise bellende Betonung auf der ersten Silbe des Wortes Verkauf signalisierte mir, dass ich es mit einer geschulten Fachkraft zu tun hatte. „Das Programm ist ganz auf Geschmack und Bedürfnisse einer deutsch-nationalen Kundschaft ausgerichtet, die in den vier Wänden ihrer Heimstatt ein echtes Volksempfinden erleben wollen. Folgen Sie mir, ich werde Ihnen unser aktuelles Programm zeigen.“

Das Küchenensemble Brunhilde mit integrierter Kochgelegenheit stand gleich um die Ecke. „Eine Bank mit Tisch“, erläuterte der stolze Föhrer, „dazu einzeln zukaufbare Stühle, eine doppelhohe Kühleinheit, und kochen können Sie auch.“ Unter der Spüle befand sich eine Aussparung für den Gummischlauch. „Praktisch“, lobte ich das Ding. „Ohne Gas im Hintergrund ist doch so recht kein Eintopfsonntag denkbar.“ Er reckte seine Brust heraus. „Und bedenken Sie, ein doppelter Kühler – da passen zwei Kästen Bier hinein! Da muss eine Hausgemeinschaft wie die Dame und Herren aus Zwickau bloß einmal in den Keller pro Tag!“ Ich nickte anerkennend; er klopfte auf das Bänkchen. „Behalten Sie’s im Hinterkopf, damit hat es seine Bewandtnis.“

Ordnung war auch in der Schlafstube zu spüren. „Unser Ehedoppelbett Eva überzeugt durch sein wehrmachtstaugliches Stahlrohrgestell, echt Krupp!“ Ich federte ein bisschen: die Matratze schien zur Nachzucht neuen Kanonenfutters für die Ostfront durchaus geeignet. Dennoch blieb eine leichte Unzufriedenheit. „Hätte man der Bettstatt nicht besser den Namen Lebensborn verpassen sollen?“ Der Verkaufsleiter lief ein wenig rot an. „Das Marketing macht natürlich unsere Geschäftsleitung“, stotterte er. „Die Führung hatte einmal beschlossen, die besten Erzeugnisse mit den hervorragendsten deutschen Namen zu bewerben – ich verstehe Ihren Vorschlag, aber wir dürfen das Bett leider nicht anders nennen.“ Er rang die Hände und schien sichtlich unangenehm berührt. „Haben Sie das auch in einer etwas kleineren Variante?“ „Warten Sie mal…“ Er drehte sich einmal um sich selbst, entdeckte aber nichts Passendes. „Wir hätten da ein Modell auf Lager, das kann ich Ihnen nur im Katalog zeigen.“ Flink blätterte er einen Ordner auf, in dem er mir eine Art Jugendzimmer mit Klappbett empfahl. „Das Modell Buchenwald – weil Buche gebeizt, aber eben nur als Furnier – ist auch ohne Nachweis erhältlich. Wenn Sie also noch nicht verheiratet sind oder aber noch im Haus Ihrer Eltern wohnen müssen.“ „Versteht sich“, nickte ich, „für Volk ohne Raum.“ Er zeigte mir ein paar hübsche Vergrößerungen. „Wenn Sie mal schauen möchten: an der Unterseite lässt sich tagsüber ein netter Wandbehang anbieten, beispielsweise eine Reichskriegsflagge. Oder ein paar Lichtbilder vom letzten Brandanschlag. Wie Sie möchten.“

Viel war nicht los. Irgendwie war das Haus auch anders als andere Geschäfte. Überall standen sie, die Verkäufer mit ihren braunen Käppis. Keiner kam auf den Gedanken, sich vor den wenigen Kunden zu verstecken.

Und da waren wir auch schon beim zentralen Ausstellungsstück, der Schrankwand aus deutscher Eiche. Wie ein gewaltiger Sarg für ein Dutzend Frontkämpfer starrte das Möbel in den Raum, trutzig wie der Endsieg des rechten Winkels. „Unser Modell Adolf“, wisperte der andächtige Föhrer, als befände er sich vor einem Altar. „Sie können diese Klappen alle einzeln…“ Doch da klemmte etwas. Er zog und zerrte und rüttelte an der Sperrholzverkleidung. „Immer feste“, ermutigte ich ihn. „Arbeit macht frei!“ Mit leisem Knirschen gab das Schloss nach. Er tupfte sich den Schweiß von der Stirn. „Wenn Sie hier einmal schauen möchten.“ Hinten im Barfach befand sich ein kleiner Ausschnitt, gerade groß genug für ein paar Zigarettenschachteln. Doch ich sollte mich da geirrt haben. „Denken Sie an die Sitzbank, dieses Teil wird mit der gleichen Sonderausstattung an den national gesonnenen Kunden geliefert.“ Ich begriff. „Es passen wirklich beide Teile rein?“ Er nickte. „Sie müssen nur möglichst flach sein, am besten lassen Sie sie in Folie verschweißt. Dann passen sie direkt nebeneinander.“ Ich blieb skeptisch. „Und wenn man nun wirklich einmal darin lesen will?“ Altklug blickte er zurück. „Also bitte, Mein Kampf besitzt man. Das muss man nicht auch noch lesen.“

Und dann öffnete er die hintere Tür, die nur das Personal durchqueren durfte. „Sie würden das nie zu Gesicht bekommen, aber heute will ich mal nicht so sein. Unser Unternehmen schafft kontinuierlich neue Arbeitsplätze, um unsere deutschen Kunden zufriedenzustellen.“ Da saßen sei an den langen Tischen, füllten nach einer Liste Kunststoffbeutel mit Schrauben und Nägeln und kleinen Leimtuben, bevor sie sie in die Kartons mit den Spanplatten schmissen. Ich war irritiert. Föhrer nickte. „Lauter Neger. Wir haben sie größtenteils aus den Kolonien, und wir machen gute Erfahrungen mit ihnen.“ Ich war verwirrt. „Aber sie nehmen Deutschen die Jobs weg.“ Er lächelte. „Die Arbeit erfordert durchaus Intelligenz. Haben Sie eine Ahnung, wie lange das bei unseren deutsch-nationalen Kollegen dauert?“