In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCXC)

30 04 2016

Als Lucie die Schweine in Doges
zum Füttern gebracht hatte, zog es
sie jählings hinunter.
Sie wurde dann munter
recht schnell auf dem Boden des Troges.

Santiago übt sich in Belén
frühmorgens ein Stündchen im Zen.
„Dass ich mich entspanne,
führt oft zu der Panne,
dass ich danach einfach verpenn.“

Dass Sylva die Kühe in Zahne
recht seltsam fürs Futter verplane,
empört deren Mutter.
„Sie füttert für Butter
die einen, die andern für Sahne!“

Erasto, ein Kellner in Same,
bediente vorzüglich die Dame.
Er war rührend tätig,
doch schwieg er auch stetig,
da ihm längst entfallen ihr Name.

Es hängte Kristýna in Esche
ins Gärtchen ganz hinten die Wäsche.
Dort nimmt sie genüsslich
der Nachbar ab, schließlich
bemerkt sie’s. Und schon gibt es Dresche.

Es fragte sich Lajos in Döge,
wenn einer beruflich oft flöge,
doch selber Pilot sei
und dies kein Verbot sei,
ob der steuertechnisch betröge.

In Vratislavs Sänfte in Blauenschlag
galt dieses: „Wenn ich einmal Frauen trag,
spar ich kein Gestöhne –
nur nicht meine Schöne,
die trag ich zum Zoo, da sie Pfauen mag.“





Viermal Sieben

29 04 2016

Freitagstexter

Gibt feinen Sand. Und ja, Hildegard zieht mir für diesen Kalauer gerade die Gartenschaufel über, das hieße überhaupt siebenmal Sieben, und den Spruch hätte ihre Grundschullehrerin schon gebracht, und dann immer der Freitagstexter. Und ich müsste ja auch wieder mal witzig sein, und ich solle mir jetzt nicht einbilden, dass ich den Pokal vom vielfrass wegen meiner besonders geistreichen Betextung bekommen hätte, das läge nur am Bild, und diesen Pokal müsste auch mal einer aufstellen, aber nicht sie – noch jemand eine Tasse Tee? Herzlich willkommen!

Ich will es diesmal eher kurz machen, die Frühlingsdekoration kommt in diesem Jahr auch nicht ohne Schneekugeln aus, und da am Klapppodest inzwischen eine kleine Vitrine für die vom Wortmischer verfassten Regeln des heiteren Wettstreits angebracht ist – Herr Breschke wollte handwerklich eingreifen, ließ sich aber dazu überreden, nur seinen Akkuschrauber zu verleihen – werden auch die alten und neuen Liebhaber rasch fündig.

Ein kleiner Termin in der nächsten Woche wird hoffentlich den gewohnten Zeitplan nicht mehr als nötig strapazieren. Am Dienstag, den 3. Mai um 23:59 Uhr wird der neue quantenmechanische Küchenwecker ein alarmierendes Piepsen von sich geben, um die letzte Minute einzuläuten, und dann wird der bunte Reigen der Kommentare einer eigehenden Prüfung unterzogen.

Auch hier habe ich meinen Gewohnheitsdealer James Vaughan (CC BY-NC-SA 2.0) um visuelle Unterstützung gebeten. Diesmal ohne Blasenwurf auf der Netzhaut. Klick macht groß.





Weniger ist mehr

28 04 2016

„… dass die geplante Vereinfachung des Arbeitslosengeldes sich nicht ausreichend in der Praxis widerspiegeln werde. Nahles habe dazu alle ihre Ideen…“

„… um ein bedauerliches Missverständnis handle. Einerseits gehe es nicht um das ALG II, sondern um dessen Verwaltung, zum anderen habe Nahles noch nie auch noch nie ansatzweise eine…“

„… den Bezug der Lohnersatzleistung erstmals auch für zwölf statt sechs Monate beantragen könne. Dies sei zwar bisher auch möglich und werde zu 41% auch bewilligt, die Ministerin habe sich allerdings aus familiären Gründen in dieser Legislatur noch nicht damit beschäftigt, welches Ressort ihr am…“

„… die Sanktionen gegen Erwerbslose unter 25 nicht gesetzeskonform gestalten wolle. Nahles befürchte eine plötzliche absolute Mehrheit der Sozialdemokraten und wolle daher in Kooperation mit CSU und AfD eine marktkonforme…“

„… den Bundeshaushalt nicht durch zusätzliche Sozialleistungen zu schmälern. Die Ministerin habe daher statt des gesetzlich festgeschriebenen Prinzips Fordern und Fördern das Motto Weniger ist mehr als neues…“

„… eine Bewilligung der ALG-II-Leistungen nur dann für zwölf Monate erfolgen könne, wenn die Empfänger nicht durch wechselnde Summen aus beruflicher Tätigkeit im Sinne aufstockender Leistungen regelmäßig neu bewertet würden. Das Ministerium werde diesen Umstand so schnell wie möglich auf ein normales Maß…“

„… müsse man alleinerziehenden Müttern tageweise die Leistungen für ihre Kindern kürzen, wenn diese sich beim Kindsvater aufhielten. Unstrittig sei im Ministerium ebenso, dass Miete und Nebenkosten weiter anfielen, zum Wohl des Leistungsträgers aber…“

„… bei verstorbenen oder nicht auffindbaren Vätern eine Härtefallregelung beantragen könnten, die nach einer Prüfzeit von mindestens 36 Monaten die…“

„… die JobCenter einen regelmäßigen zweiwöchentlichen Aufenthalt beim anderen Elternteil unterstellen dürften, der von den Leistungsberechtigten widerlegt werden könne, wenn pro Tag zwei anerkannte Zeugen und ein…“

„… möglicherweise im Krankheitsfall eines Kindes die Regelsätze um die Anteile für die Lebensmittel, Hygieneartikel und die Abnutzung mechanischer Spielzeuge zu…“

„… stehe es den Müttern natürlich offen, den Anteil der Kindsväter an den Unterhaltskosten auf dem zivilen Klageweg…“

„… könne man die ALG-II-Leistungen nur dann für ein ganzes Jahr bewilligen, wenn das JobCenter davon ausginge, dass der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den kommenden zwölf Monaten keine Arbeit finde. Nahles habe erklärt, sie wolle sich persönlich dafür einsetzen, dies zum Regelfall in der…“

„… einer Privatklage generell gute Chancen beschieden seien. Das Sozialministerium weise jedoch vorsorglich darauf hin, dass die auf dem juristischen Weg erstrittenen Bezüge unmittelbar verrechnet würden mit den bisherigen…“

„… um eine unglückliche Formulierung gehandelt habe, die nur durch die Videoaufzeichnung der Lügenpresse habe verbreitet werden können. Nahles lasse danach ihr Kind auch an zehn von zehn Wochenenden beim Vater, um sich ihre Karriere nicht durch dieses verdammte…“

„… bisher nur berufstätige Empfänger von Hartz IV in grundrechtsschädigender Form schikaniert worden seien. Dass alleinerziehende Mütter nun ebenfalls unter verfassungswidrigem Generalverdacht des Sozialbetrugs stünden, sehe Nahles als epochalen Erfolg; die SPD habe die Erziehungsarbeit fast in die Nähe einer sozial als verantwortliches Handeln begreifbare Tat…“

„… das volle Kindergeld nur dann zahlen wolle, wenn die Mutter Bürgerin eines EU-Staates sei. Im Falle einer längeren Urlaubsreise, in der die Heimatunterkunft deutschbürtiger Erwerbsloser wenigstens tageweise nicht zu Aufenthaltszwecken genutzt werde, wolle der Träger nun auch die sozialverträgliche Kürzung des…“

„… in den Arbeitsagenturen durch die langfristige Bewilligung der Transferleistung mehr Personalkapazität für die Arbeitsförderung frei werde. Nahles habe dies aus ihrer mehrwöchigen Beschäftigung mit Dingen, die irgendwie auch mit ihrem Amt zu tun haben könnten…“

„… aber den Besuch bei Freunden sozial ausgegrenzter Bevölkerungsteile nicht behindern wolle, wenn die Leistungsempfänger eine amtlich beglaubigte Kekspauschale pro Kind und Quartal in den…“

„… dies als geistig behindert zu bezeichnen. Da Leistungsbewilligung und Arbeitsförderung in zwei vollkommen unabhängigen Abteilungen geschehe, könne schon verwaltungsrechtlich keine andere Verteilung des Arbeitsaufkommens…“

„… um dem Motto gerecht zu werden keine durch einen Ausbildungsberuf qualifizierte Person mit fachlich relevantem Hintergrundwissen mit der Aufgabe betraut habe, sondern direkt Nahles in die Erarbeitung des…“

„… sich bei Schulausflügen in einem Maße von erwartungsgemäß kostenintensiven Leistungen der Gastronomiebranche ernährten, dass man Müttern viermal im Jahr die Regelsätze für Unterkunft und Verpflegung um mindestens…“

„… auch zwölf Monate danach auf dem zweiten Arbeitsmarkt keine statistisch messbare Chance habe. Nach Aussage der Staatsanwältin habe sich Nahles mit mehreren Schwerlastgurten am Dachbalken des…“





Feigenblatt

27 04 2016

„Weiß ich jetzt auch nicht, irgendwas mit Rente, Altersarmut, rot, halbfett, zwanzig Punkt. Muss man sehen können, sonst haben wir keinen Umsatz. Denken Sie an die Auflage, die beginnt beim Titel.

So, jetzt bin ich wieder bei Ihnen. Chef vom Dienst ist echt eine Herkulesarbeit. Eigentlich bin ich hier nur eine Art Hausmeister, für den Inhalt ist die Redaktion zuständig, für die Herstellung der Verlagsleiter und für den Anzeigenteil dieser eine Typ von dieser einen Partei, die immer gegen die Arbeitslosen hetzt, weil wir nie mehr als zwanzig Prozent Rendite machen, aber wenn’s in die Hose geht, dann werde ich gefeuert. Meistens ist auch wieder keiner greifbar, die müssen gegen das Ende der Printmedien dreitägige Konferenzen auf den Malediven veranstalten oder im Fernsehen die ungezügelte Gier freier Mitarbeiter beweinen. Da ist der Tag ausgefüllt, und wenn Sie gerade Ihre Blutalkoholkonzentration wieder gepegelt kriegen, dann kommt Heiko Maas.

Keine Ahnung, wie man so was hinkriegt, vielleicht haben sie einer Laborratte das Großhirn abgesaugt, das Vieh wurde verstrahlt, und dann haben sie es bei der SPD in die Recyclingtonne gekloppt. Keine sexistische Werbung – haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie man das macht? Ich will das nicht wissen. Keine sexistische Werbung, und als würde das nicht schon reichen, will er die herabwürdigende unter Strafe stellen. Haben Sie eine leise Ahnung, was ich seither mit den Deppen aus der Anzeigenabteilung durchmache? Dagegen ist ein SPD-Parteitag das Paradies auf Erden!

Sie können gerne mal gucken: Unterwäsche. Damenunterwäsche. Die kaufen Damen ab und zu für Herren, manche auch für andere Damen, und manche kaufen die für sich selbst. Sollen wir den Modellen alle einen Kittel anziehen, damit sich die Kinderschutzbeauftragte keine Erkältung holt? Ich finde das ja lächerlich, aber die Anzeigenabteilung will das ab sofort boykottieren. Das sei alles ganz schlimm frauenfeindlich.

Abgastest, wie viele Marken haben wir jetzt? Gelb hinterlegen, nee: grau, Feinstaubfarbe, haben Sie da? Ich will das sehen! Schicken Sie gleich an die… oder hier, warten Sie mal: Damenparfüm in einer Flasche für Haushaltsreiniger. Sie finden das witzig? Spiel mit sexuell konnotierten Klischees der Produkte, Ironisieren des Snobeffekts durch dessen Entgegnung im Pseudotrash, Trivialisierung des Zitats bei gleichzeitigem Aufbrechen der stereotyp gekoppelten Produkt-Verpackung-Identifikation? Sparen Sie sich den Werbemüll, ich finde das schlicht und ergreifend widerlich. Ich muss es aber abdrucken, weil die Anzeigenabteilung das letzte Wort hat. Und die lassen sich gerne von Werbern einwickeln, wenn’s denn in Geld ist.

Haben Sie mal Reklame für Heimwerkermärkte gesehen? für Schwingschleifer? Kettensägen? Das nenne ich diskriminierend! Ich jedenfalls fühle mich diskriminiert, wenn da so ein Höhlenmensch durch den Schlamm rutscht, nur um den Nachbarn zu beweisen, dass er für seinen Garten den Spaten von der richtigen Marke gekauft hat. Die Botschaft ist doch: wenn Sie mit dem falschen Chromosom auf die Welt gekommen sind, verwandeln Sie sich in Ihrer Freizeit zu einem unzurechnungsfähigen Troglodyten, der Sachbeschädigung zur Kunstform erklärt. Wollen Sie das sehen? Ich schon mal nicht.

Warten Sie eben, das kommt ein Fax rein aus der Medienredaktion. Irgendwas mit Topmodels. Können wir natürlich nicht bringen, sonst macht die Konkurrenz gleich wieder eine Kampagne gegen uns daraus. Sie sehen, das hat früher oder später Auswirkungen auf den redaktionellen Teil, weil wir immer mit der Schere im Kopf arbeiten. Das darf man aber nicht Zensur nennen, die ist nämlich in Deutschland per Grundgesetz verboten. Dass man sich selbst zum Konsumobjekt degradiert, damit der kapitalistische Warenfetischismus die ausgebeutete Klasse nochmals moralisch erniedrigt – vergessen Sie’s. Das toleriert die SPD nur, wenn Sie Hartz IV kassieren. Wir machen hier eine Zeitschrift für den internen SPD-Hausgebrauch: ein Feigenblatt.

Ich muss gerade eben zweigleisig – nein, so war das nicht gemeint – aber wenn Obama schon mal in Europa ist, wollen die Anzeigenleute natürlich die perfekt abgestimmte Reklame. Also auf das, was seine Frau trägt. Das ist aber nicht sexistisch, wenn Sie das nur richtig einordnen. Sie ist ja nicht die Präsidentin. Wenn wir die Bundeskanzlerin auf die Farbe ihrer Hosenanzüge reduzieren würden, dann könnte der Anzeigenleiter… also ich würde dann meinen Hut nehmen können.

AfD-Artikel, die können Sie schon gar nicht mehr schreiben. Die Parteispitze steht hier schon mit den Mistgabeln im Anschlag vor dem Haus. Wenn Sie keine sexistischen Sachen mehr bringen, dann knicken Sie ein vor dieser linksgrünen Altparteienmafia, die das ganze Volk zu paternalistisch-gleichgeschalteten Gutmenschen umerzieht – und wenn Sie sie doch drucken, dann sind Sie ein Schwein, das die Frühsexualisierung verschwulter Kinder zur Verweiblichung der wehrfähigen Christenrasse… ach, ich will mich jetzt nicht über Höcke aufregen.

Warten Sie mal eben, wir müssen den Andruck terminieren. Heidi Klum weg, dann machen wir den Produktcheck Würfelzucker, irgendwas mit Job und Erziehung, aber nichts mit Frauen und so, das geht in dieser Ausgabe gar nicht, und dann… – Haben Sie noch einen Augenblick Zeit? hm, Titel? Weiß ich auch nicht. Ach egal. Titten gehen immer.“





103

26 04 2016

„… sich Bundespräsident Gauck gegen eine Abschaffung des Paragrafen ausgesprochen habe, der die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter…“

„… bestätigt, dass der Bundespräsident weder Gesetzgebungskompetenz habe noch dass es seine Aufgabe sei, sich zur Regierungspolitik einzulassen. Mit Befremden nehme Karlsruhe zur Kenntnis, dass der…“

„… aus Schloss Bellevue zu vernehmen sei, dass dies eine Frage des Respekts sei. Oft und gerade von türkischstämmigen Mitbürgern habe Gauck die selbstbewusste Forderung nach mehr Respekt…“

„… den Paragrafen noch in dieser Legislatur, möglicherweise schon in diesem Sommer zu streichen. Der türkische Botschafter habe dies als unverhohlene Aufforderung bezeichnet, den Präsidenten vorher noch zu…“

„… könne aber nur die Beibehaltung aller strafrechtlichen Regelungen aus seiner Sicht die moralische Rechtfertigung untermauern, dass man nach seiner rechtskräftigen Verurteilung dennoch seine eigene Unschuld im Sinne der Freiheit eines Christenmenschen…“

„… der türkische Präsident die Einstellung deutscher Kulturveranstaltungen in Dresden gefordert habe. Das Bundespräsidialamt sehe dennoch keine Gefahr, dass PEGIDA auch weiterhin wöchentlich für mehr Toleranz zwischen deutschen und türkischen Nazis…“

„… nach einem Rechtsgutachten des Kanzleramts keine Zivilklage erheben könne, da die Türkei als Militärstaat…“

„… fordere Gauck mehr Mitgefühl für den türkischen Amtskollegen. Er selbst habe während seiner Zeit in der DDR gelegentlich Erkrankungen an Strafverfolgungswahn…“

„… habe Maas bereits mit Facebook Verhandlungen geführt und sei zu einer Einigung gekommen, gemäß derer eine Abschaffung des bewussten Paragrafen keine Änderung in der Reaktion auf beleidigende Äußerungen…“

„… einer Abschaffung grundsätzlich zustimme, wobei Gabriel statt einer schnellen Lösung einer Absenkung der Höchststrafe in drei Schritten…“

„… lehne die AfD-Vorsitzende jede Änderung des deutschen Strafrechts ab. Zum einen sei nur eine sinnlose Strafverschärfung mit ihr zu machen, zum anderen könne man nicht riskieren, dass sich deutsche Staatsbürger abfällig über den russischen Präsidenten äußern könnten, ohne langjährige Haftstrafen zu…“

„… nicht bestätigen könne. Nach ersten Meldungen habe die Religionsbehörde bereits die Nennung des Namens oder seiner Bestandteile als Gotteslästerung…“

„… sei Gauck davon überzeugt, dass er selbst das beste Beispiel für einen Präsidenten sei, der auch im Ausland respektiert werde. Er selbst sei noch nie von ausländischen Staatsoberhäuptern beleidigt worden, weshalb man auch fürderhin den Paragrafen…“

„… nicht daran interessiert sei. Putin habe wissen lassen, er suche sich selbst aus, wer ihn beleidigen dürfe, Petry gehöre nicht zu den…“

„… eine Beleidigungsklage des türkischen Präsidenten noch nicht bestätigt sei. Gauck sei auch in diesem Fall nicht bereit, über das deutsche Strafrecht zu diskutieren, da für eine etwaige Strafanzeige ja nicht der Paragraf im deutschen…“

„… sich kurzfristig ergeben habe. Gabriel werde in Ankara auf Wunsch auch vor dem Parlament mitteilen, dass das Land einen beeindruckenden Präsidenten…“

„… wenn er sich zum Nachfolger des Propheten erkläre. Gauck wolle dies nicht kommentieren, weise aber darauf hin, dass die deutsche Justiz sich nun auch in ihrer Verantwortung zum Schutz sämtlicher religiöser Bekenntnisse sehen müsse, um eine Schmähung ausländischer Staatsoberhäupter nach dem Blasphemieparagrafen…“

„… das Bundeskanzleramt die Regelungen über die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen nicht gefährdet sehe, jedoch die Beleidigung des Türkentums nicht als weiteren Straftatbestand im deutschen…“

„… im Sinne der Völkerverständigung den Text des Paragrafen zu verändern. Da sich zahlreiche Parteigänger des türkischen Präsidenten kollektiv beleidigt gefühlt hätten, schlage Gauck vor, den Tatbestand der Fremdvolksverhetzung in den…“

„… werde Höcke auf dem AfD-Parteitag eine Änderung des Programmentwurfs einbringen. Die Beleidigung durch Türkentum sei als…“

„… es sich um keinen Eingriff in das Staatsrecht handle. Juristen hätten Gauck laientauglich erklärt, dass die Abmahnung ein Instrument des üblichen gewerblichen Rechtsschutzes sei, wenn er sich in der Kampagne für eine weitere Amtszeit mit dem Titel Bürger-King auf nicht lizenzierten Bechern der Marke…“

„… die Religionsbehörde eingeschritten sei, um die Schmähung des Präsidenten durch das in ganz Deutschland frei verkäufliche alkoholische Getränk Kleiner Feigling rechtlich zu…“

„… das persönliche Erscheinen des Beklagten angeordnet habe. Der türkische Botschafter wolle sich vorerst nicht äußern, fordere aber die deutsche Justiz auf, Erdoğan als Ersttäter am unteren Ende des Strafrahmens von §185 StGB zu…“





Lernprozess

25 04 2016

„Wir wollten das ja alles nicht! Ehrlich, nach den Erlebnissen mit der Zwickauer Terrorzelle, da hatte der Verfassungsschutz genug, und wir wollten das nicht mehr! Das müssen Sie uns glauben! Keiner wollte das, dass da noch mehr Menschen sterben, oder dass sich noch mehr radikalisieren, oder dass die Polizei im Dunklen tappt und stattdessen die Bevölkerung drangsaliert und zum Sündenbock wird. Der Innenminister hat doch alles Notwendige nicht nicht getan.

Nein, das war kein Versprecher. Das war Teil eines groß angelegten Lernprozesses. Weil man aus Fehlern lernt, und wir hatten schließlich genug Auswahl. Daher mussten wir erst einmal Erfahrung sammeln mit rechtsextremistischem Terror in Ostdeutschland, und das Bundesinnenministerium und der Generalbundesanwalt haben uns jede Gelegenheit dazu gegeben. Wir durften uns das selbst einteilen, es gab keinen Druck, Lernkontrolle fand nicht statt – also ungefähr so, wie man das im Bundesinnenministerium mit dem rechten Terror bisher auch gehandhabt hat.

Zwischenzeitlich hatten wir einige kleinere Schwierigkeiten mit der Transparenz, und dann kam uns das Timing dazwischen. Wir hätten die Terrorgruppe von Freitag eigentlich schon früher hops nehmen wollen, aber dann kam Paris, dann kam Brüssel, und die Kollegen waren erst einmal so beschäftigt, die konnten nicht auch noch in ihrer Verbrecherkartei nachgucken, ob sie die Leutchen aus Freital auch schon kennen würden. Da hat der Bundesinnenminister rein menschlich schon ganz menschliche Qualitäten gezeigt. Er hätte ja auch zu den Beamten sagen können, hier, jetzt gucken Sie mal nach, was Sie in den letzten Jahren alles getan haben, vielleicht sind da Akten aus Versehen auch mal nicht geschreddert worden, man weiß es nicht, der de Maizière kann auch nicht überall sein, aber dann haben wir zur allgemeinen Zufriedenheit herausfinden können, dass keiner etwas wusste. Und am besten für uns war natürlich, dass nicht wir diejenigen waren, die keine Ahnung hatten. Das ist auch beamtenrechtlich von immenser Bedeutung.

Deshalb mussten wir in Freital auch völlig anders reagieren als in Zwickau. Beim NSU haben wir dem Verfassungsschutz blind vertraut, dass die etwas herauskriegen. Blind waren sie dann auch, und ob sie etwas herausgekriegt haben, das durften sie uns leider nicht auf die Nase binden. Ist ja klar, es war eben der Verfassungsschutz. Deshalb haben wir den Fehler nicht ein zweites Mal gemacht, sondern wir haben einen Beamten in die Terrorzelle eingeschleust, damit wir Informationen aus erster Hand verwerten können.

Doch, wir hatten Informationen. Wir wussten, wann der erste Anschlag auf ein Flüchtlingsheim stattfinden würde, das hat uns in Lage versetzt, aus der Anschlagsplanung theoretische Erkenntnisse zu abstrahieren, damit wir wissen, wie man so einen Anschlag plant, damit man dann auch vorbereitet ist, wenn er tatsächlich stattfindet. Wir haben diese Erkenntnisse dann auch gleich praktisch genutzt, um unsere Erfolgsbilanz zu erhöhen und unseren Sicherheitsauftrag im Dienste der Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen. Wir haben bei dem Anschlag mitgemacht.

Das wurde uns so empfohlen. Wenn man einen Terroranschlag aufklären will, muss man denken wie ein Terrorist. Der Bundesinnenminister zum Beispiel versteht die auch. Der versteht einfach jedes geistig zurückgebliebene Arschloch.

Gut, so ganz ohne Kontrolle ging es jetzt auch nicht. Wir hatten schon die Anweisung, vorerst an den Tätern vorbei zu ermitteln. Einerseits auch aus Selbstschutz, wenn in der Bevölkerung wieder der Verdacht aufkäme, dass wir eine zu große Nähe zu den Rechtsterroristen hätten, das kann man sich ja nicht gefallen lassen. Dann aber andererseits auch, damit die mutmaßlichen Täter genügend Straftaten begehen können, um sie irgendwann vor Gericht stellen zu können. Das fängt ja heute mit einem Taschendieb an, den müssen Sie direkt wieder auf freien Fuß setzen, aber Steuerhinterzieher, die werden natürlich sofort weggesperrt. Da muss man als Polizei auch mal im Sinne einer korrekten Justiz tätig werden, also vier, fünf Morde, sonst kommen die Täter wieder mit zehn Jahren davon, und das kann’s ja auch nicht sein.

Sie sehen, es steht und fällt letztlich mit der Gesetzgebung, und dafür mussten wir den Terror zunächst einmal nicht bekämpfen, weil es sonst gar keine Notwendigkeit für eine neue Gesetzgebung gegeben hätte, aber da die ja notwendig war, haben wir die rechten Terroristen sehr erfolgreich nicht bekämpft, weil wir ja vorher, als wir noch keine Gesetzgebung brauchten, die Rechtsextremisten zum Teil gar nicht hätten bekämpfen können, und es darum ist es jetzt eben notwendig, dass wir eine neue gesetzliche Grundlage haben, falls wir den Rechtsextremismus doch bekämpfen müssen. Weil der ja eine Folge dessen ist, dass man ihn nicht mit einer gesetzlichen Grundlage bekämpfen kann. Sie sehen, der Bundesinnenminister geht planvoll vor.

Also Sie schreiben jetzt in Ihren Bericht, dass wir in enger Abstimmung mit Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz eigenständig gehandelt haben. Wir melden uns dann in den nächsten Tagen wieder bei Ihnen mit exklusivem Material. Es gibt da noch eine kommunistische Gruppe in Sachsen, sind Sie eventuell interessiert?“





Gehorsames Vorauseilen

24 04 2016

für Robert Gernhardt

Hier stünde an sich ein Gedicht,
ein kritisches, doch steht’s hier nicht,
weil alles, das wahrscheinlich schmäht,
hier schon aus Vorsicht gar nicht steht,
damit kein Arschloch vor Gericht
was sagen kann. Drum steht’s hier nicht.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCLXXXIX)

23 04 2016

Alonso montiert in Algete
im Schutze der Dunkelheit Drähte,
zum Illuminieren
von Fenstern und Türen,
bis kurz vor dem Anfang der Fete.

Herr Papuschek prüfte in Lockenhaus.
Er zog sich dazu stets die Socken aus,
Sein Weg weit ihn führte,
denn er kontrollierte
die Güte des Bodens des Trockenbaus.

Dass Serafín sich Getafe
im Zoo als ein tanzender Affe
verkleidet, erstaunte
die Menge; sie raunte,
was dies Tier beim Fegen so schaffe.

Benigno in Alubijid,
der dichtete Fenster mit Kitt
recht flink und lebendig,
doch auch unvollständig.
Es wackelte auf Schritt und Tritt.

Cèsar fährt in Guadalupe
trotz Sehstörung. Bremse und Hupe
und Gas funktionieren.
Den Rest kann er spüren
mit einer unhandlichen Lupe.

Abdullah verlegt in Riad
den Teppich. Der ist noch nicht glatt.
Die bellende Beule
macht er mit der Keule
im Zentrum des Raumes schnell platt.

Es lud sich Enric in Autol
den Wagen bis an das Dach voll.
Der ließ sich deswegen
vorerst noch bewegen.
Dann stand er für Stunden beim Zoll.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCXXVIII): Christliche Werte

22 04 2016
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Alle Jahre wieder vergisst einer den Stöpsel des Abendlandes rechtzeitig zu ziehen, und dann quillt die Suppe über den Rand. Einigen nationalistischen Aktivisten schwillt das Meinungsorgan und es verschafft sich am Gehirn vorbei Freiheit, meist nur das, was es dafür hält. Die Armee der geistig nicht besonders Waffenfähigen marschiert auf, um allen anderen Liebe und Frieden einzuprügeln. Genau so muss das sein, sonst kapiert keiner die christlichen Werte.

Schon bei oberflächlicher Betrachtung sieht man, dass das Konstrukt einer Tugendgesellschaft um einen hohlen Kern aufgebaut ist. Wesentliche Bestandteile einer religiösen Ethik – übrigens fast jeder religiösen Ethik – sucht der Beknackte stets vergeblich. Nicht mit der Lupe, sondern vergeblich, weil in der Regel reaktionäre Zombies eine leicht nach Moder müffelnde Monströsität mitlaufen lassen wollen. Für Liebe und Frieden, vulgo: die christliche Tugend der Nächstenliebe ist hier kein Platz, weil sie dem Raster der Kreuzfixierten zuwiderliefen. Wert kommt von Wertung, und das hier verkauft dem putzigerweise komplett säkularen Pöbel eine Tütensuppe aus Abwertung, die nur aus der eigenen Perspektive wie eine Aufwertung aussieht – kann man den Neger diskriminieren, ist man selbst eine Stufe höher als er. Wie aber in einer auf Abwertung fußenden Gesellschaftsordnung die Tugenden des Christentums funktionieren sollen ohne Selbsterhöhung, jenen perfide in Blasphemie abkippenden Kernwert konservativer Pharisäer, das bleibt das schmutzige Geheimnis ihrer Erfinder.

Nun hat das Christentum in seiner Geschichte und in seinem Einfluss auf gängige Moral durchaus ein paar Vorstellungen zusammengeschwiemelt, die sich trefflich kritisieren lassen. Dass die Frau als Wurfinstrument und Küchenpersonal dem Manne zu dienen hat, dass der Herrscher immer recht hat, dass Homosexualität widernatürlich ist und durch säkularisiertes Recht ausgegrenzt werden muss aus dem Gehege der bürgerlichen Ehe, das alles wird heftig befehdet. Freilich zeigt der Schwärmer mit zitternden Fingern auf andere Glaubensformen, um sie – Zeichen seiner Nächstenliebe – für reaktionär und zivilisationsfeindlich zu erklären, während er selbst die Auswüchse einer religiös verbrämten Doppelmoral für glaubenskonform und damit jeder Kritik entzogen hält.

Die Schizophrenie dieser praktizierenden Brauchtumsterroristen zeigt sich vor allem daran, dass sie ihre eigenen verquasten Vorstellungen für Werte halten – als wäre Nostalgie sittsam und sich nach dem Stuhlgang die Finger zu waschen ein von der Glaubenskongregation abgesegnetes Ritual, das Agnostikern eigentlich verboten werden müsste. Ansonsten lassen sich die Andächtigen nur mit der protestantischen Leistungsethik fotografieren, wohl wissend, dass auch sie nur ein vom Kapitalismus getriggerter Bastard der Allmachtsfantasien ist, wie sie jahrhundertelang im Gier und Jetzt das Leben derer zerstört haben, die (Wertung? Wertung) aus lauter göttlicher Vorsehung unter den 99 Prozent geboren wurden. Was Konsens ist, Rechtsstaat und Toleranz, wurde nicht von Religionären erkämpft, sondern gegen sie. Das Mäntelchen der Selbstliebe ist zu kurz, um es aus Barmherzigkeit zu teilen, die Religion, jene Turnübung gegen Existenzangst, wird durch derart dialektischen Dünnsinn zum Trigger ebendieser Denkphobie. Wenn der eigene Laden Frauen wie Haustiere behandelt, heißt das ja noch lange nicht, dass die anderen das auch dürfen.

Und so hält die an historischer Verquickung von Staat und Kirche eingenordete patriotische Fraktion tapfer fest an Pseudowerten, die nicht einmal Tugenden sind: kapitalistische Gesellschaftsnorm, Nationalismus, gruppenbezogener Menschenhass, alles, was helfen könnte, eine imaginäre Kultur zu propagieren, die die Werte der Aufklärung entweder missachtet oder zur eigenen Abgrenzung braucht.

Nachgerade niedlich, wenn das Zentrum des Christentums verteufelt wird: der Pazifismus wird auf dem Altar aggressiver Ichsucht geschnetzelt, damit er nicht am Ende zur Rücksichtnahme auf Andersdenkende gerät. Wie gut, dass sie sich auf eine größtenteils von jeder Sachkenntnis ungetrübte Zucht konfessionsfreier Nulpen verlassen können, die ihnen den Schmadder in Bausch und Bogen abkaufen. Denn wer sich einreden lässt, es gebe innerhalb religiöser Zusammenhänge überhaupt so etwas wie einen Wert, geschweige denn Werte, der lässt sich auch eintrichtern, die einen – die eigenen nämlich – seien wertvoller als die anderen. Trägt die Klosterfrau also Katholenburka, ist das normal, das Kopftuch einer Sachbearbeiterin jedoch hat vor dem Sado-Zubehör an der Dienststellenwand kein Bleiberecht verdient. Man tut die Augen auf und sieht Grützbirnen, die langsam kapiert haben, dass die Gegenwart nicht mehr die Vergangenheit ist, und sich für die Zukunft warmhassen. Ein guter Anlass, um einmal kritisch über Gewaltlosigkeit zu diskutieren.





Ressourcenorientiert

21 04 2016

Es roch nach Sandelholz und Reinigungsmittel. Die wohlbekannten Plakate an der Wand sahen aus, als fänden hier Motivationskurse statt. Oder wenigstens Reparaturen für Motivationstrainer. Nicht einmal die Dame am Empfang interessierte sich für mich. Das also war das Institut, in dem die Innovation des Menschen stattfand.

„Minnichkeit?“ Er errötete schlagartig; nichts hatte sich geändert. In der Agentur Trends & Friends war er noch die rechte Hand von Mandy Schwidarski gewesen, die allerdings ein halbes Jahr lang keine Gehälter mehr zahlte, bevor sie von der Bildfläche verschwand. „Ich habe hier die Personalabteilung unter mir“, erklärte er mit stark gedämpftem Stolz. „Da kann ich mich endlich selbst verwirklichen. Natürlich nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, Sie verstehen.“ Ich verstand. Darum ging es ihm ja.

Die Prospekte hatten mich neugierig gemacht. „Die öffentlichen Stellen sind freilich immer ein bisschen skeptisch“, erläuterte Minnichkeit, „wenn sie einen Alternativheiler oder sonst irgendeine Art von privatmedizinischer Kapazität vor sich sehen. Das Schlimmste ist noch immer das offizielle Verdikt, wissen Sie?“ Ich wusste, wie bei einem nicht genügend Eingeweihten, natürlich nur wenig, nicht zu sagen gar nichts. „Sie reden immerzu von selbst ernannten Gurus.“ Das klang auf der einen Seite schlimm, auf der anderen aber auch recht logisch. „Sie müssen zugeben“, tröstete ich, „solange es hierzulande keinen Diplom-Guru mit ordentlichem Abschluss gibt, werden die Leute sich nicht mit einem Freizeittherapeuten abgeben.“ Er strahlte. „Genau das war meine Idee!“

Das Diplom sah genau so falsch wie imposant aus; vermutlich ließ sich beides auch nicht trennen. „Hier können Sie einen anerkannten Abschluss in allen bekannten und unbekannten Heiltechniken machen, der auch anerkannt wird.“ „Von wem denn bitte“, fragte ich. „Von uns“, gab Minnichkeit wortkarg zurück. „Wir stellen das Diplom ja aus, da müsse wir auch wissen, was dafür verlangt wird.“ Es handelte sich also um eine rein privat verliehene Urkunde, die man für ein paar Monatsbeiträge bekam. „Selbstverständlich“, antwortete er. „Dafür fragen wir auch nicht nach der Ausbildung oder was Sie mit Ihrem Heilverfahren anstellen wollen. Das ist im Vergleich ein enormer Fortschritt.“

Das Programm des Instituts gab ihm recht, Mittwochs von zehn bis zwölf übten die Eleven karmisches Pendeln nach Doktor Hakamushi Schmidtbauer, Freitags jedoch Auramassage mit feinstofflicher Gymnastik; letzterer Kurs war nur zugelassen für Gottgläubige und Angehörige von Angehörigen, die das Reich der Herrenrasse noch erlebt hatten, notfalls als Eingesperrte.

„Sie brauchen einfach nur eine Methode“, erklärte Minnichkeit. „Wir bestätigen Ihnen dann, dass es sich um eine anerkannte Methode handelt, indem wir selbst sie anerkennen.“ Das leuchtete mir spontan ein, in den Wirtschaftswissenschaften wird ja größtenteils ähnlich verfahren. „Was genau haben Sie denn vor?“ „So genau weiß ich das noch gar nicht“, bekannte ich. Er war nicht unzufrieden. „Das klingt nach klientenorientierter Beratung“, stellte Minnichkeit fest, „man weiß eigentlich immer erst hinterher, was man für ihn getan hat.“

Das Prospektmaterial sah recht esoterisch aus. Es wimmelte von systemisch-ganzheitlichen Strategien, teils mit und ohne gestalttherapeutisches Malen ohne und mit Klangschalen und Ohrkerzen. „Haben Sie das schon einmal gemacht?“ Ich verneinte. „Früher wollte ich einmal Homöopathie unterrichten, aber dann wurden die Kosten fürs Leitungswasser zu hoch.“ Er notierte sich ein paar Zeilen auf seinem Personalbogen. „Könnten Sie sich vorstellen, sich auf ein Krankheitsbild zu spezialisieren?“ Ich überlegte. „Männergrippe?“ Minnichkeit machte sich wieder eine Notiz. „Das müsste gehen, der Markt ist da noch nicht so überlaufen.“

Nach kurzer Recherche breitete der ehemalige Direktionsassistent auch schon den Entwurf meines neuen Geschäfts vor mir aus. „Ich rate Ihnen zu einer ressourcenorientierten Beratung.“ „Das trifft sich gut“, stellte ich fest, „ich hätte nämlich wenig Zeit, meine Klienten alle einzeln zu untersuchen.“ Er lächelte. „Bei Männergrippe fällt das ohnehin weg, die meisten kommen bereits mit einer fertigen Diagnose zu Ihnen. Selbst ist der Mann.“ Ich betrachtete den Plan. Mir blieb dabei nur noch, darauf zu warten, bis der Kunde einigermaßen gesund war. „Mehr als ein Heilpraktiker werden Sie nicht leisten müssen, und Sie müssen nicht einmal besonders viel von der Grippe verstehen.“ „Als klientenorientierter Berater werde ich natürlich jeden Schnupfen sehr individuell behandeln – bis zu zwei Wochen lang.“

Da kam auch schon das Diplom aus dem Drucker. Minnichkeit steckte es in einen großen Umschlag. „Gratuliere“, rief er aus. „Das können Sie sich im Beratungszimmer gleich an die Wand hängen.“ Er hüstelte ein bisschen. „Trinken Sie“, riet ich ihm, „und nachts selbstverständlich strenge Bettruhe. Wenn es nicht besser wird, kommen Sie mich gerne besuchen, sobald ich die Praxis eröffnet habe.“