„Sie müssen auch mal mitdenken. Wenn in einem Ort so eine Asylantenunterkunft abgefackelt wird, mit Hakenkreuzschmierereien und allem drum und dran, kann das ja durchaus wirtschaftliche Gründe haben. Sie müssen nicht hinter jedem Mordversuch immer gleich niedere Beweggründe vermuten. Wir sind ganz normale Bürger hier, nur halt ab und zu ein bisschen besorgter.
Freilich sind das wirtschaftliche Gründe. Gucken Sie sich doch mal das Haus da an. Das war die reine Angst, dass man dieses Gebäude, wo die Asylanten hätten untergebracht werden sollen, dass man das eventuell als Luxushotel hätte herrichten können, und dann hätte die öffentliche Hand viel größere Steuereinnahmen davon gehabt als bei so einer Unterkunft. Doch, als Luxushotel. Das war ja mal ein richtiges, also ein Gasthof. Gut, eher ein Nebengebäude. Also ein Stall, ja. Aber man fackelt doch nicht einfach so einen Stall ab, den kann man doch hinterher wieder aufbauen, zum Beispiel eben als Luxushotel. In der Region gibt es doch keine gehobenen Beherbergungsbetriebe, da muss man doch erst einmal Anreize schaffen, dass sich der internationale Tourismus da etabliert – aber doch nicht diese temporären Gäste, die für länger bleiben und keine Deutschen sind!
Sie müssen die Befürchtungen der Einwohner doch mal ernst nehmen, und die sind halt nun mal wirtschaftlicher Natur. Wenn Sie als Mitglieder der dörflichen Volksgemeinschaft, völkischen Dorf… – also Sie sind da geboren und haben noch keinen Anschluss an die ortsansässige Jungnazigruppe gefunden, da kommt bei Ihnen doch automatisch die Existenzangst. Sie bauen nie Beziehungen auf, und das kann dazu führen, dass Sie keine Lehrstelle bekommen, keinen Arbeitsplatz, dann müssen Sie von Hartz IV leben, und dann geraten Sie am Ende in schlechte Gesellschaft. Da wird man doch mal aktiv im Sinne der nationalen Sache, oder nicht?
Damit wir uns nicht falsch verstehen, wir sind gar keine Nazis, wir sind nur sehr besorgt, dass die Heimat hier einen Werteverlust erleidet. Das fängt doch schon damit an, dass Ihr Haus nicht mehr so viel wert ist, wenn in Sichtweite die Asylanten da einziehen. Oder direkt daneben. Dann verhält man sich doch als vernünftig denkender Deutscher rein rational und sorgt dafür, dass die Asylanten nicht in der direkten Nachbarschaft siedeln, sondern ein bisschen weiter weg. Das ist reiner Bestandsschutz. Dazu wird Ihnen jeder Investmentbanker raten.
Jetzt lassen Sie mal die Kirche im Dorf, wir sind wirklich nur besorgte Bürger, mit brennender Sorge sogar. Momentan treibt uns vor allem die Sorge um, dass die ganzen Schwarzafrikaner möglicherweise Ebola einschleppen und sich dann der Landkreis daran infiziert, und dann können die alle nicht arbeiten – gut, von denen arbeitet keiner, aber die Asylanten waren eh aus dem Iran, aber das wäre natürlich ein enormer wirtschaftlicher Schaden, weil wir denen ja immer weiter Asylhilfe zahlen müssten. Da muss man doch mal einschreiten, oder wie stellen Sie sich das vor?
Wir werden hier ja nicht gerade gefördert, das müssen Sie immer auf dem Schirm haben, also müssen wir schon zur Selbsthilfe greifen. Unser größtes Problem ist ja die Massenabwanderung, und das kriegt man nur in den Griff, wenn man die Zuwanderung ebenso massiv bekämpft. Dass die uns alle ruinieren werden, das liegt doch auf der Hand, wirtschaftlich gesehen. Wenn Sie hier eine Million Fremde bei sich aufnehmen, und die Ortschaften sind hier wirklich nicht groß, das würde man doch schon merken, dann müssen Sie sich auch nicht wundern, dass Sie in der Bäckerei keine Brötchen mehr kriegen. Wobei wir mittlerweile so strukturschwach sind, hier gibt es nicht einmal eine Bäckerei, weil die ganzen Einwanderer kommen und dadurch die Abwanderung anhält.
Natürlich kommt einem das irgendwann schon mal komisch vor, wenn das erklärt wird mit dem allgemeinen Strukturwandel. Da müssen Sie auch mal mitdenken, da ja die Umvolkung quasi im Preis mit inbegriffen. Die alte Ordnung raus, die neue Ordnung rein. Das erzeugt früher oder später schon Argwohn, dass hier durch verstärkte Ansiedlung von Asylanten möglicherweise im Landkreis ein Spaßbad gebaut werden könnte – doch, das ist ein Grund, weil die Asylanten dann nämlich nicht reingelassen werden, und dann haben die da das Spaßbad stehen, und im Ort sind so viele Leute, die sich das nicht leisten können, und dann muss man das aus Frust anzünden, und dann gilt man gleich wieder als politisch unkorrekt, aber in Ergebnis ist das doch viel kostspieliger und deshalb haben wir halt jetzt schon die Brandsätze geschmissen, noch bevor dieses Spaßbad gebaut wurde. Land der Frühaufsteher, das war vielleicht gestern, aber wir sorgen dafür, dass Sie schon nachts kein Auge mehr zukriegen!
Also erzählen Sie mir nicht, dass wir hier immer nur der DDR hinterhertrauern, das stimmt so nämlich nicht. Auch unter Adolf war ja nicht alles schlecht. Die Wirtschaft eben, da müssen wir noch ran. Sie müssen nun nicht denken, dass wir alle wie die Elite Steuerhinterziehung betreiben können, da läuft ja nichts, aber so ein Versicherungsbetrug ab und zu, das hilft letztlich dem Bruttosozialprodukt auf die Beine. Im Herbst brennt’s, pünktlich zum Frühjahr kann man die Bude wieder herrichten, und dann kommt wieder der Herbst. Und wenn dadurch irgendwann kein Geld mehr da ist für diese ganzen Asylanten, dann ist doch jedem gedient. Oder nicht?“
Satzspiegel