Wo die Liebe hinfällt

3 07 2016

für Kurt Tucholsky

Jetzt schaun Sie sich die Schulzes an!
die kleine Frau! den großen Mann!
Da fragt man doch, wie küsst der?
Stellt sie sich dazu auf den Stuhl?
erdrückt er sie des Nachts im Pfuhl?
Und dürr, mein Gott, was isst der?
Das frisst die Kleine ihm wohl weg,
die Arme sind ja ganz aus Speck,
und diese dünnen Haare!
Wie hält der Mann es mit ihr aus,
sechs Kinder und dies große Haus –
und das schon zwanzig Jahre!
Wenn man nicht kriegt,
  was man doch liebt,
    dann liebt man das,
      was man wird kriegen,
denn wo die Liebe hinfällt,
  wird sie siegen.

Auch Meierbiers, welch eine Schmach,
sie geht keinem Gewerbe nach –
na gut, man sagt, sie putzte.
Sie tut das sicher nur fürs Geld.
Dass dieser Mann nicht auf sich hält,
weil es ihm schließlich nutzte!
Er braucht doch die Almosen nicht,
er ist Assessor beim Gericht –
gelehrt und wohl belesen!
Ach, kein gescheiter Mensch, der glaubt,
dass sie nur ihre Möbel staubt,
dies unerhörte Wesen!
Wenn man nicht kriegt,
  was man doch liebt,
    dann liebt man das,
      was man wird kriegen,
denn wo die Liebe hinfällt,
  lernt sie fliegen.

Es hat mal wieder nicht gereicht.
Wenn er sich von der Brautschau schleicht,
ist Sigmar nicht recht glücklich.
Zwar könnte er… – Doch niemals, nein!
das kann nicht seine Zukunft sein,
und wäre auch nicht schicklich!
Da steht sie, seine Angela,
nicht mehr so hübsch, wie’s früher war,
doch zum Verloben reicht es.
Sie haben sich kein bisschen lieb,
doch sie ist alles, was ihm blieb.
Dem Gang zum Abgrund gleicht es.
Wenn man nicht kriegt,
  was man doch liebt,
    dann liebt man das,
      was man wird kriegen,
denn wo die Liebe hinfällt,
  bleibt sie liegen.