„Super!“ „Da hat sich die jahrelange Arbeit ja echt gelohnt.“ „Wenn wir so weitermachen, dann haben wir es bis zur Wahl ein Stück weit fast geschafft.“ „Und das nennen Sie einen Erfolg?“ „Klar, was denken denn Sie?“ „Uns geht’s gut!“ „Richtig gut sogar!“ „Weil die Arbeitslosenzahlen im Sommer um ein paar Tausend absinken, machen Sie so einen Aufriss? Haben Sie noch alle Latten am Zaun!?“
„Also ich bitte Sie – Arbeitslosenzahlen…“ „Hihi, er ist leicht zu beeindrucken!“ „Hähä!“ „Geht es hier nicht um die Arbeitslosenzahlen?“ „Mein lieber Freund, Sie haben eines vermutlich grundlegend nicht verstanden. Nämlich alles.“ „Worum geht es denn dann?“ „Diese Frage!“ „Ach was, er ist einfach nur nicht vom Fach.“ „Oder war ein paar Jahrzehnte nicht in Deutschland.“ „Oder in einer deutschen Behörde.“ „Und wo ist da der Unterschied?“ „Sie haben doch mit der Verkündung der Arbeitslosenzahlen…“ „Um die geht’s doch gar nicht.“ „Mein Güte, ist der begriffsstutzig!“ „Es geht um die Statistik.“ „Um was!?“ „Es geht hier um die Arbeitslosenstatistik. Wer hier Arbeit hat oder welche Arbeit, was er verdient und warum, das interessiert bei uns doch kein Schwein.“ „Und was machen Sie dann den ganzen Tag?“ „Wir sind sehr engagiert dabei, die Arbeitslosenstatistik für den politischen Erfolg unserer Arbeit zu bearbeiten.“ „Wir legen hier nämlich das Maß aller Dinge fest.“ „Und an dem messen wir dann, wie groß unser Erfolg ist.“ „Sie beurteilen also selbst, ob Sie erfolgreich sind?“ „Natürlich, wir sind da ganz und gar unabhängig.“ „Von der Regierung?“ „Auch. Aber zunächst mal von der Realität.“
„Sie meinen also beispielsweise Erwerbslose über 58, die nicht mehr in der Statistik erscheinen?“ „Richtig, die kann man ja rausrechnen.“ „Man muss doch so eine Erhebung nicht künstlich aufblähen.“ „Und je weniger Arbeitslose es gibt, desto weniger muss man für sie auch einsetzen.“ „Haben Sie eine Ahnung, was man da für eine Mörderkohle sparen kann?“ „Vielleicht würden Sie ja noch mehr sparen, wenn Sie die Arbeitslosen über 58 einfach mal fördern?“ „Damit sie uns die Statistik versauen?“ „Eben, die kriegen doch nur noch Teilzeitjobs.“ „Befristet!“ „Und dann müssen wir denen das Gehalt aufstocken, weil es nicht reicht.“ „Machen Sie uns bloß den Erfolg nicht kaputt, Sie!“
„Gucken Sie mal hier, das ist nämlich ganz neu.“ „Krankheitstage?“ „Sommergrippe.“ „Ist der Abteilungsleiterin schon im Winter eingefallen.“ „Also wenn ein Arbeitsloser einen Tag im Monat krank gemeldet ist, wird er für den ganzen Monat aus den Arbeitslosenzahlen…“ „Sta-tis-tik!“ „Mein Gott, dann eben Statistik! da wird er dann für den ganzen Monat rausgestrichen, wenn er nur einen Tag krank war?“ „Theoretisch hätten wir ihm an dem einen Tag einen Job vermitteln können, aber er musste ja unbedingt arbeitsunfähig sein.“ „Da kann man nichts machen.“ „Dann vermitteln Sie ihm den Job doch einfach einen Tag später?“ „Das ist nicht unsere Aufgabe.“ „Eben, der soll sich selbst eine Arbeit suchen!“
„Und die geförderten Verhältnisse?“ „Da zahlen wir für zwei Jahre den Lohn.“ „Das ist doch ein reiner Mitnahmeeffekt.“ „Deshalb werden solche Leute auch hinterher sofort wieder entlassen.“ „Und dann zählen sie noch mal zwei Jahre lang als nicht arbeitslos?“ „Wir haben zwei Jahre lang kein Arbeitslosengeld für ihn gezahlt.“ „Sie haben sogar noch mehr bezahlt für ihn.“ „Aber er war zwei Jahre lang nicht arbeitslos, da ist er raus, und wir haben kein Arbeitslosengeld bezahlt. Die zählen dann doppelt.“ „Sie rechnen eine Person mehrfach in Ihre Arbeitslosenzahlen ein!?“ „Nein. Wer das behauptet, ist ein Lügner.“ „Gut, in Ihre Statistik.“ „Ja, da kommen wir der Sache schon näher.“
„Das haben wir jetzt nämlich so weit gebracht, dass wir einen ganz neuen Schlüssel entwerfen können. Nehmen Sie mal die Akte hier.“ „Der ist 59 Jahre alt.“ „Sehen Sie?“ „Dann fällt der eh raus.“ „Aber er ist in einer Umschulungsmaßnahme, und das können wir dann auf die Gesamtzahl umlegen.“ „Dann wird einfach jemand anders…“ „Wir haben so viele Arbeitslose, da kann man sich gar nicht mehr um Einzelschicksale kümmern.“ „Sind Sie etwa sozialromantisch veranlagt?“ „Pah, der ist bestimmt in der CDU.“ „Das eine muss das andere ja nicht ausschließen.“ „Und jetzt war er einen Tag lang krank?“ „Sehen Sie, der Mann setzt sich für die Belange der Arbeiterschaft ein: gleich noch einer aus der Statistik raus.“ „Der kriegt dann zur Belohnung einen Ein-Euro-Job.“ „Das bringt doch nichts.“ „Ja, ihm nicht.“ „Aber warum…“ „Uns schon. Da muss er nur eine Woche drinbleiben, aber das rechnen wir nach angefangenen Tagen.“ „Und dann?“ „Können wir noch einen von der Sorte aus der Statistik rauskegeln.“ „Und wenn ihn dann noch der Kollege als schwer vermittelbar einstuft…“ „… oder wenn wir ihn unter Sanktionsandrohungen zwingen können, freiwillig in Rente zu gehen…“ „… dann behalten seine statistischen Kennwerte natürlich bis zum normalen Renteneintrittsalter ihre Gültigkeit.“ „Der wird uns noch zehn Jahre lang den Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt sichern!“
„Also jedes Tief ist für Sie ein ganz neuer, bewundernswerter Rekord, den so keiner für möglich gehalten hätte.“ „Richtig.“ „Exakt so!“ „Und dann, ehe man sich versieht, ist die Zahl noch niedriger.“ „Das dürfen wir…“ „Mit einigem Stolz, mein Lieber!“ „… durchaus so sagen, ja.“ „Und was die Bürgerinnen und Bürger…“ „Sag ich doch: romantische Anflüge, der Bengel.“ „Igitt!“ „Dann habe ich Sie verstanden.“ „Echt?“ „Echt. Im Kern sind Sie wirklich Sozialdemokraten.“
Satzspiegel