Heißluftnummer

31 08 2016

„Also die Zahl stimmt.“ „Die muss stimmen!“ „Auf jeden Fall.“ „Und wenn die jetzt nicht stimmt?“ „Wie, nicht stimmt?“ „Ja wenn die jetzt eben nicht stimmt.“ „So weit wollen wir mal nicht denken.“

„100.000 neue Jobs, das ist eigentlich gar nicht vorstellbar.“ „Schwierig ist es schon, aber Koch hat die damals versprochen.“ „Naja, eher angekündigt.“ „Und Bouffier hat das bestätigt.“ „Dann muss es ja alles absolut der Wahrheit entsprechen.“ „Vergessen Sie nicht, wir reden hier von einer Entwicklung bis 2020.“ „Aber die neue Landebahn war doch schon 2011 eröffnet worden.“ „Na, da fängt es doch schon mal an: wer hat die denn gebaut?“ „Das kann man jetzt so gar nicht sagen, die Jobs sind doch…“ „Hat sich die Landebahn Nordwest etwa selbst gebaut?“ „So dürfen Sie nicht rechnen.“ „Das führt doch jetzt zu nichts.“ „Der Frankfurter Flughafen sollte nur für die hessische CDU gut aussehen, mehr nicht.“ „Aber er hat doch kaum zu mehr Jobs geführt.“ „Das sagen Sie.“ „Ich sehe hier aber keine neuen Jobs!“ „Man kann den Flughafen ja auch nicht aus der gesamten Arbeitsmarktbilanz trennen, das müssen Sie doch einsehen.“ „Das heißt, wenn ein Flughafenangestellter sich einen neuen Rasenmäher kauft…“ „… schafft er damit einen neuen Job im Gartencenter. So einfach ist das mit der hessischen Wirtschaft.“

„Wie kommt das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung eigentlich auf die Idee, dass der Einfluss einer Flughafeninfrastruktur auf den Arbeitsmarkt statistisch nicht nachweisbar sei?“ „Haben die das gesagt?“ „Man hätte da mal die Wirtschaftswissenschaftler von der Goethe-Uni fragen sollen.“ „Eben, das hätte da auch ein paar mehr Arbeitsplätze schaffen können.“ „Fakt ist aber nun mal, dass es dieses Gutachten gab.“ „Das kann ja auch sein, es interessiert nur halt niemanden.“ „Das ist der Punkt, nach der Veröffentlichung hat die hessische Landesregierung das Gutachten auch schnell in der Schublade verschwinden lassen.“ „Das wäre ja ein Skandal!“ „Wäre? das ist einer!“ „Schlimm!“ „So ganz ohne ein Gutachten!“ „Es gab ja dann doch noch eins. Das Kölner Institut für Verkehrswissenschaften hielt 72.000 Arbeitsplätze für möglich.“ „Sehen Sie?“ „Das sind nun mal keine 100.000 Jobs, sondern nur…“ „Können Sie eigentlich immer nur meckern?“ „Aber…“ „Es gab ein wissenschaftliches Gutachten, was wollen Sie denn jetzt noch haben?“

„Es wurden ja sogar 80 Prozent von Offenbach als Fläche ausgewiesen, auf der nicht mehr gebaut werden darf.“ „Sehen Sie, der Denkmalschutz!“ „Das wird Touristen nach Frankfurt locken.“ „Und die werden jede Menge Geld dalassen.“ „Was ganz bestimmt zu vielen neuen Arbeitsplätzen in der Gastronomie führt.“ „Und in Schuhgeschäften.“ „Wieso Schuhgeschäfte.“ „Wo sollen sich Touristen denn sonst neue Schuhe kaufen, etwa in der Metzgerei?“ „Wer sagt denn, dass die sich in Frankfurt überhaupt neue Schuhe kaufen?“ „Meine Güte, dann eben in Offenbach!“

„Wir könnten ja auch mal externe Faktoren mit in die Kalkulation nehmen.“ „Klingt gut.“ „Zum Beispiel die vielen Schallschutzmonteure für die Häuser in der Einflugschneise.“ „Also für die, die noch da wohnen.“ „Für die anderen haben sie halt neue Möbelpacker angestellt.“ „Win-Win!“ „Und dann die Umweltbranche nicht zu vergessen.“ „Wieso das denn?“ „Da wurden doch jede Menge Abgase rausgepustet, trotz Nachtflugverbot.“ „Aber um das festzustellen, muss man erst mal die Abgase messen und die schädlichen Folgen für die Umwelt ausrechnen.“

„Und die Einkaufsmöglichkeiten?“ „Sie meinen die Geschäfte im Flughafen?“ „Die sind doch nicht der Rede wert.“ „Das liegt aber nur daran, dass man seine Sonnenmilch oder die Limo nicht mehr mit in den Flieger nehmen darf.“ „Also von der Kaufkraft her könnte rein theoretisch Umsatz gemacht werden.“ „Dazu bräuchte man dann auch die nötige Personaldecke.“ „Es gibt doch aber auch Geschäfte mit Selbstbedienung.“ „Wollen Sie uns hier etwa die Bilanz versauen!?“ „Nein, ich meinte ja nur.“ „Das sind dann quasi virtuelle Arbeitsplätze.“ „Das gibt es?“ „Im Wahlkampf gibt es eine Menge.“ „Das passt ja zur CDU.“ „Wegen des Flughafens?“ „Weil sie daraus eine Heißluftnummer machen.“

„Da hat doch dieser eine Wirtschaftsprüfer so viele Jobs geschaffen.“ „Die waren nur aus dem Rhein-Main-Gebiet zusammengezogen worden.“ „Linke Tasche, rechte Tasche.“ „Logisch, ist ja auch ein Wirtschaftsprüfer.“ „Es waren schon 80.000 alleine beim Fraport.“ „Es sollten aber schon vor einem Jahr 94.000 Jobs sein.“ „Und wie ist das noch bis 2020 zu schaffen.“ „Wenn es wie bis jetzt größtenteils Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor werden, die dem hessischen Steuerzahler auf der Tasche liegen, dann könnte man mit Teilzeit schon viel erreichen.“ „Oder auf drei Monate befristen.“ „Das wären pro Arbeitsplatz schon vier neue Jobs in einem Jahr.“ „Ob man damit nicht auch den neuen Hauptstadtflughafen…“ „Haben Sie noch alle Tassen im Schrank!?“

„Also die Zahl muss jetzt einfach mal stimmen, sonst müssen wir die Statistik etwas frisieren.“ „Wieso denn?“ „Weil… die CDU will doch auch die nächste…“ „Wieso denn?“ „Wir können Koch jetzt als Lügner hinstellen, der ist ja raus, aber wenn wir Bouffier…“ „Wieso denn?“ „Was denn: wieso? Was fragen Sie denn immer so blöde!?“ „Warum denn frisieren, die Zahl stimmt. Die Jobs gibt es längst.“ „Was?“ „Wie bitte!?“ „Die gibt es längst. Allerdings in China.“





Heile, heile Gänschen

30 08 2016

„… trotzdem die gesetzlichen Bestimmungen für Heilpraktiker nicht verändern wolle. Durch die Deregulierung der Gesundheitsdienstleistungen erhoffe sich die Bundesregierung einen großen Aufschwung und mehr Arbeitsplätze im…“

„… sich mehrere Berufsverbände gemeldet hätten, die wegen mangelnder medizinischer Kompetenz ebenfalls Interesse besäßen, sich in den nichtärztliche Heilberufen…“

„… es keine Evaluation der Heilpraktiker in der Bundesrepublik gebe, weil die Zulassung nur einen Hauptschulabschluss erfordere. Die meisten der Absolventen seien intellektuell nicht in der Lage, den doppelseitigen Fragebogen vollständig zu…“

„… einen Gesetzesentwurf vorlege, der den Einsatz standardisierter Globuli verlange. Nur so könne sich der Verbraucher vor Scharlatanen…“

„… die Friseurinnung nicht in ihrer traditionell hergebrachten Rolle als Bader und Kurpfuscher unterstützen wolle. Vor allem ihr Wunsch, nicht aus reiner Gewinnerzielungsabsicht, sondern aus einem sozial motivierten Idealismus heraus zu handeln, sei in den vielen Heilpraktikerverbindungen nur sehr schwer inhaltlich zu…“

„… man nur suchen müsse, um entsprechende Parallelen zu finden. Der Beruf des Fliesenlegers weise große Ähnlichkeit zu den Verfahren in der Kinderheilkunde, in Tropenmedizin und Augenheilkunde auf, weshalb die Innung auf die standardisierte Verleihung eines Dr. med. nach der erfolgreich abgeschlossenen Lehre für…“

„… keinesfalls geeignet sei, herzchirurgische Eingriffe wie Bypass-Operationen zu übernehmen. Das Fleisch verarbeitende Gewerbe poche auf die Beschränkung der Fachkräfte einschließlich des Fleischfachverkäufers für derartige Maßnahmen, die nicht durch den Einsatz von Saisonkräften oder fachfremden…“

„… sich das Bundesgesundheitsministerium vehement gegen den Import von Homöopathika aus Drittstaaten wehre. Ohne eine strenge Kontrolle der Wirkstoffe könne es in Deutschland keine…“

„… der Fischereiausschuss im EU-Parlament zu Leistungsschutzrecht und Netzneutralität befragt worden sei. Daher müsse er sich auch mit einer einheitlichen Regelung zur Krebsbehandlung im…“

„… auf den Prüfstand stellen müsse. So sei der tatsächliche Nutzen von Wirkstoffen wie Graphit oder Holzkohle noch nicht nachgewiesen, obwohl er für kostenintensive…“

„… rechtliche Schritte angedroht habe. Kein Elektriker dürfe die Galvanotherapie ausüben, ohne vorher eine Ausbildung zum Metallbauer Fachrichtung Konstruktionstechnik zu…“

„… internationale Studien über den Einsatz homöopathischer Mittel nicht erfolgreich seien. Die französischen Kollegen hätten dieselbe Medikation bei Fersenschmerz in Verbindung mit schizoiden Schüben verabreicht, der in Deutschland für Patienten mit chronischem Nasenjucken und schwerer sexueller…“

„… fordere der Verband der Homöopathen, die Krankenkassen sollten nur noch da für eine schulmedizinische Therapie zahlen, wo noch keine Todesfälle…“

„… stets davor gewarnt habe, dass es zu einer Zweiklassenmedizin des nichtberuflichen Hilfspersonals kommen werde. So sei die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie derzeit von verbandsinternen Auseinandersetzungen zwischen den Kfz-Mechatronikern und dem…“

„… könne RTL den gesamten psychiatrischen Fachbereich in eigener Regie…“

„… die Prüfungsordnung viel zu rigide gehandhabt werde. So sei es für viele Interessenten immer noch möglich, ohne vorherige Ausbildung die Prüfung zum Heilpraktiker zu bestehen, während andererseits zahlreiche Absolventen privater Kurse die Prüfung nicht…“

„… viel besser geeignet seien, Substanzen ohne Wirkung und Geschmack zu produzieren. Die Herstellung von Placebos in vielen Konsistenzen sei für die Konditoren eine der leichteren…“

„… bleibe bei seiner Aussage, dass eine Doppelmitgliedschaft im Bundesverband Deutscher Bühnenmagier sowie einem Heilpraktikerverband auf keinen Fall…“

„… angemahnt habe, dass das Lied Heile, heile Gänschen weder von Tierzüchtern noch von der Geflügelindustrie als…“

„… werde die Innung der Maler und Lackierer sich erst nach einem verbandsinternen Votum an kosmetische Operationen wagen. Vorerst werde man sich mit Körperenergetisierung und Fern-Ops sowie homöopathischen…“

„… dass die Floristen bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen bereit seien. Es sei unstrittig, dass Misteltherapien bisher auch von nicht zugelassenen…“

„… sich zunehmend die Handwerksverbände zusammenschlössen, um ihren Mitgliedern das Führen des Titels Heilpraktiker zu untersagen. Dieses könne selbst bei Meistern für eine empfindliche Einbuße an Reputation und…“

„… es auch um Arbeitnehmerrechte und Verbraucherschutz vor nicht ausreichend qualifizierten Anbietern gehe. Die Bundesregierung folge dem Wunsch des Berufsverbands der Fußpfleger dahin gehend, dass erst durch eine vor der Fachkommission abgelegte Prüfung die Erlaubnis, sich in Deutschland als…“





Endablagerung

29 08 2016

„Nee, voll der Flop. Ging gar nicht. Aber war auch irgendwie klar, Peer Steinbrück hat sich mit dem Stinkefinger die Kanzlerkandidatur versaut, da ist der Wähler jetzt auch total abgestumpft. Gabriel hat regelrecht Sympathien dafür eingefahren.

Das war jetzt irgendwie auch voll ätzend, wie der abgeblockt hat. Aber von der Gesamtsituation und so her, das war irgendwie total glaubwürdig, wie der auf die Nazis reagiert hat. Die Orga hat ja vorher gesagt, Sigmar, hatten wir gesagt, da muss man sich auch irgendwie emotional einbringen, aber es ist vor allem wichtig, seine Betroffenheit zu artikulieren. Da hat wieder keiner auf dem Schirm gehabt, dass der Vater von Sigmar eine Braunalge war. Der hat da echt total authentisch reagiert und so, da muss man sich mal reinziehen. Wenn das als Fortsetzung zu dieser Pack-Diskussion geplant war – der Wähler wusste da ja gar nicht, was das mit ihm macht – dann hat sich das voll zum Abtörner entwickelt, ehrlich. Voll total ätzend.

Diese Diskussion über Hartz, das war jetzt auch nicht so authentisch. Also dass die Nahles da kein Gefühl entwickelt, dass die Ängste abbauen kann, das ist vielleicht irgendwie auch so ein Zeichen von Verletzlichkeit, weil die kann halt nichts. Das ist so eine systematische Sache, die muss irgendwie damit umgehen, dass sie ihre Inkompetenz auch ein Stück weit annehmen kann. Sie ist ja mit der Problematik immer konfrontiert, und da herrscht in der Partei inzwischen auch eine Solidarität, dass sie in ihrem Scheitern keiner mehr auffangen wird. Wir sind als Sozialdemokraten eher spontan, aber so bekloppt sind wir nun auch wieder nicht.

Wir hatten ja schon überlegt, ob wir Sigmar eine Familienaufstellung spendieren sollen, aber er hat da absolut zugemacht. Ich meine, das ist auch total verständlich, weil er ist da ja auch irgendwie traumatisiert und so, aber so für die Perspektive und das Problembewusstsein, und das ist jetzt auch voll wichtig für die SPD und so, da müsste er sich mal differenzieren, so inhaltsmäßig eben.

Aber der Ausstieg, das war unsere Perspektive – wir wollten das in Hinblick auf die Weiterungen auch eher so gesamtgesellschaftlich angehen, und da hatten wir dann die Fantasie, das war auch eher so eine Vorstellung von Traum, dass wir hier eine Authentizität entwickeln, die sich mit der Erfahrung der SPD irgendwie auch in Beziehung setzen lassen kann. Unser Scheitern war immer auch authentisch, und die Erfahrung von Wirtschaft, so wie das die Partei immer aus ihrer subjektiven Sicht und so interpretiert hat, das ging ja irgendwie auch total harmonisch zusammen. Das ist jetzt fast so, als hätten wir hier ein verschüttetes Ich der SPD als solidarisches Kollektiv wieder freigelegt, also fast Kindheitserinnerungen und so. Das berührt einen ja auch irgendwie echt emotional und so.

Dass wir jetzt alle unheimlich gut drauf sind, das ist das Ergebnis unserer gruppendynamischen Prozesse, die wir jetzt voll basisorientiert gestartet haben. Wir sind total gegen CETA und haben das als Basis auch so artikuliert, nachdem wir da jede Menge Selbsterfahrungswerte reininvestiert haben. Das ist jetzt so im Fluss, da hat sich ja eine Menge aufgestaut vorher, auch inhaltsmäßig und so, und da wollen wir als Basis auch mal ein Angebot machen, dass wir so eine gewisse Zärtlichkeit halt haben für den Gedanken, dass man nicht an die Macht will in einer männerdominierten Gesellschaft, die mit dem Kapitalismus und der Globalisierung nicht ganz so sensibilisiert ist für Themen wie Schwellenländer und Teilhabe und so, oder irgendwie auch nur sich mal zu öffnen für eine gerechte Welt. Das ist jetzt auch irgendwie ein Stück weit ein krasser Gedanke, aber den müssen wir in der Gemeinsamkeit auch mal wagen wollen, und damit verbindet sich für uns auch eine ganz tolle Chance, die die Verkrustung der Gesellschaft verändern kann. Wir könnten dieser hirnamputierten Bonzendrecksau endlich mal die verlogene Lobbyistenscheißfresse polieren.

Das hat jetzt natürlich irre den Drive, dass wir uns da auch so total anders in unserer Spontaneität begreifen, aber das muss man sich auch mal als eine Möglichkeit vergegenwärtigen. Beziehungsmäßig ist das ja eher spontan erfahrbar, aber wir können da auch die Problematiken aufarbeiten, die uns die Lösungen durch mangelhafte Auseinandersetzung auch intransparent gemacht haben. Die SPD als SPD ist ja auch ein Stück weit aus dieser Wut und Trauer entstanden, die wir heute in uns selbst finden und die wir nicht gehen lassen können. Wenn wir Gabriel irgendwie kommunizieren können, dass wir wissen, dass diese unheimliche Aggression sich nicht nur in ihm aufstaut, sondern dass er die auch von der Basis so kommuniziert bekommen kann, wenn er das zulässt, dann können wir uns auch auf eine gemeinsame Lösung einigen. Da muss er dann seine Ängste auch mal eingestehen, und dann kriegt er das auch hin, dass er seine Inkompetenz ganz fest in den Fokus nimmt. Dann muss er nicht mehr als Kanzlerkandidat die Perspektive der SPD mit seiner Projektion von Eigenego belasten, und dann können wir als Partei auch mal wieder differenziert auf die kreativen Lösungen zugehen.

Weil, sehen Sie sich den Mann doch mal an. Wenn Sie diese Befindlichkeiten und dieses ganze Theater mitgemacht haben – glauben Sie ernsthaft, Gabriel ist für die SPD so etwas wie erneuerbare Energie?“





Endlichkeit

28 08 2016

Schon dem Abend naht der Tag,
leis tönt letzte Geige.
Jahreszeiten, Stundenschlag,
alles geht zur Neige.

Blume welkt im Abendrot,
kälter sind die Nächte.
Eine Dunkelheit bedroht
Diebe und Gerechte.

Sonne, Sterne, guter Mond,
alles, was wir sehen,
wo es hoch am Himmel thront,
muss dereinst vergehen.

Nur nicht ich. Mir bleibt noch Zeit,
die ich gern verpennte.
Ich sitz echt in Ewigkeit
hier noch bis zur Rente.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCCVII)

27 08 2016

Es füttert Franck in Rio Quente
gern Vögel. Er ist ja in Rente.
Vom lange Ersparten
hält er sich im Garten
im Teich eine eigene Ente.

Herr Kim steht im Amt von Gyeongsan
um eine Bescheinigung an.
Drei Stunden vergingen,
was soll es noch bringen:
er geht. Dabei wär er jetzt dran.

Aílton hält in Rio Verde
sich Ziegen – fürwahr eine Herde.
Er kriecht auf den Vieren
und streut seinen Tieren
den Boden aus mit Pflanzenerde.

Rajissa trainierte in Skole
das Segeln. Sie fuhr eine Jolle,
doch oft hat sie Panne,
viel lief in die Wanne,
heim kam sie stets als eine volle.

Elierce gehörte in Posse
ein Rennstall samt aller zwölf Rosse.
Die träumten von Preisen.
Sie konnten nicht reisen,
die Tiere, sie waren Kolosse.

Nestor, der liegt wach in Mobaye
und hört auf die nächtlichen Schreie.
Besonders die leisen,
meint er, seien Meisen.
Er ist zoologischer Laie.

Es schmuggelt Cleisson in Tirol
oft Gläschen versteckt durch den Zoll.
Aus Angst vor den Strafen,
die Schmuggel betrafen,
füllt er sie auch stets nur halb voll.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCXLII): Differenzierung

26 08 2016
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Wenn Rrt eines an sich schätzte, dann sein schnelles Urteil. Stürmte ein Nashorn auf ihn zu, so wusste er instinktiv, das Tier will nicht spielen. Es sucht auch gerade kein neues Weideland. Die rasche Entscheidung hatte Rrt mehr als einmal sein Leben gerettet, und bevor sich die Prophezeiung selbst erfüllen konnte, stand sein Weltbild fest. Die vom anderen Ende der Felswand waren doof. Wer kein Bärenfell trägt, auch. Und alle mit weniger als zehn Kindern sowieso. Ja, es lief bei ihm. Und dann kam die Differenzierung.

Nicht. Weil das differenzierte Denken, sprich: die Erkenntnis, dass die Welt nicht die Konsistenz jenes Modders hat, der gegen die Schädelinnenseite suppt. Richtig ist, das Hominidenhirn war anfangs nicht zur Synapsenfeinarbeit in der Lage, muss sich aber im Zeitalter der elektrischen Zahnbürste an die Realität anpassen, um dem evolutionären Druck dauerhaft standzuhalten. Denn die unterscheidende Verarbeitung erschwert den Verarbeitungsvorgang, erleichtert dafür jedoch den Umgang mit den Dingen, die sich um den Bekloppten herum als eigenständige Welt bewegen. Wie schwer das ist, zeigt sich vor allem im Verhalten gegenüber der so gut wie nie vollständig zu kontrollierenden Instanz. Dem eigenen Ich nämlich.

Wie sich der gemeine Knallfrosch seine meist karg entwickelte Perspektive zurechtschwiemelt, nutzt er vor allem Vorurteile, Halbwissen und wenig reflektierte Inhalte über sich selbst. Natürlich leben auf der anderen Straßenseite Ladendiebe, es gibt sie aber auch auf der eigenen, und beide nehmen sich nichts. Das Märchen vom Mann, der Jahrzehnte gearbeitet hat und endlich ein enormes Erbe hinter sich ließ, hat sich noch nicht erledigt, wenigstens nicht als Märchen. Dass wir besser Fußball spielen und Kuchen backen als die anderen, das muss der Einwanderer erst mal zur Kenntnis nehmen, und wenn es schon nicht stimmt, so taugt es wenigstens als verbales Gerümpel auf einem Stückchen Pappe. Man trägt seine Meinung ja gerne vor sich her. Die Differenzierung sägt derlei Monstranzen den Stiel ab. Ihr Nachteil ist, sie macht pure Meinung – für die es nicht sehr viel braucht, die ab Werk verteilte Grütze reicht vollkommen aus – und felsenfesten Glauben als ebendiese kenntlich, trennt sie von der Tatsache und hegt sie ein, wo der Realitätsallergiker alle paar Tage zum Füttern vorbeikommt. Natürlich kann sie selbst für Meinung sorgen, kontaminiert mit Fakten, Erfahrung und vernünftigem Schluss, spätestens der einsetzende Kopfschmerz macht die Eigenleistung deutlich, die das Kompetenzimitat zu erbringen hat.

Mit etwas Gewöhnung kann der Beknackte der denkenden Tätigkeit etwas Positives abgewinnen, ja sie zum Aufstieg einsetzen, sozial sowie für das eigene Seelenheil. Für die normale Mützenstütze ist es wohl schon differenziert genug, wenn er nur den Kretern die Lüge unterstellt, dann aber zum Ausgleich allen. Wer sich eine soziale Identität leistet, dabei aber die Welt weiterhin als Fremdes wahrnimmt, macht sich nicht die Arbeit, aus dem Brei Strukturen herauszuarbeiten. Sie könnten sich als Schlüssel zur Bildung erweisen, und wer sich die erstmal eingerissen hat, kommt mit seiner gewohnten Sphäre am Ende gar nicht mehr klar. Einfacher sind die vorgefrästen Eindrücke, die als Schubladen so praktisch wie ausziehbar jeden Mist aufnehmen, der der Aufklärung im Weg liegt. Und das wirkt, die Revolte gegen die Zivilisation macht sie wieder zu glücklichen Primaten, die ihr Selbstkonzept stabilisiert vorfinden: Alles deutsch! Nirgends Neger! Hurra!

Schon ist der geistige Grobmotoriker von der eigenen Unfähigkeit beleidigt, prallt fortwährend gegen kognitive Wände und kann sich nur noch auf Krücken fortbewegen. Eine ist die Vereinfachung der Dinge ins Wunschdenken, eine andere die Vergröberung der eigenen Meinung, bis sie in die Äußerungen einer ideologischen Führung passt, wie sie Autoritäten absondern, um möglichst viel Kalottenhohlraum unter einen Hut zu kriegen. Gern genommen sind Ablenkung und Rabulistik, die Selbstentäußerung bis zur Aufgabe der eigenen sozialen Rolle als kollektivistischer Papagei in der frisch gefeudelten Echokammer. Für einen Zoo dumm Geborener reicht das prima aus. Wer jedoch seinen fragwürdigen Instinkt bemüht, um in einer offenen Gesellschaft zu navigieren, als billige Sockenpuppe, evangelikaler Salafist irgendeiner nationalen Idee oder Weltuntergangsprophet, will nur seine Umgebung so, wie sie schon immer noch nie war. Affektiv Affektierte bohnern sich ihre Rutschbahn zurück in die Steinzeit, gepflastert mit hysterischen Ängsten, dass irgendwann ein Nashorn sich anders verhielte, weil es evolutionär gelernt haben könnte, dass nicht die Stärkeren mit der mangelnden Impulskontrolle sich durchsetzen, sondern die sinnvoll Entwickelten. Sogar ohne eine elektrische Zahnbürste.





Versorgungsengpass

25 08 2016

05:01 – Schlaftrunken langt Rentner Olaf K. (79) nach dem Wecker. Versehentlich erwischt er die Radio-Taste und stellt die Frühnachrichten an. Bei der Meldung, dass die Bundesregierung der Bevölkerung zu Vorratseinkäufen für zehn Tage rät, ist er schlagartig wach. Schweißgebadet greift er nach seinem Hemd vom Vortag, schleicht sich aus dem Schlafzimmer und tastet sich die Treppe ins Erdgeschoss herunter. Dieser Tag wird der längste seines Lebens sein.

05:49 – Berufskraftfahrer Helmut S. (32) musste nach nur achtzehn Stunden kurz eingenickt sein. Als wieder er das Bewusstsein erlangt, behandelt ein Rettungssanitäter seine Kopfplatzwunde. Der Sattelschlepper liegt anmutig halb auf der Seite, halb auf dem Dach, jedenfalls dort, wo noch kurz zuvor die Leitplanke beide Fahrtrichtungen der Bundesautobahn getrennt hatte. Eine Vollsperrung wird sich nicht umgehen lassen.

05:56 – K. hat inzwischen den alten Autoanhänger aus der Garage geschafft. Eloxierter Chromstahl, Unterzüge, doppelt gesicherte Spannbeschläge, Zurrgalerie, Stützrad – nach dreißig Jahren ist vom Originalzustand nicht mehr viel übrig. Dafür soll das Ding heute eine dreiviertel Tonne Nutzlast in den Keller des Häuschens schaffen. Ungebremst.

06:12 – Ronald T. (45) hat lange auf diesen Tag gewartet. Die Scheidung ist endlich durch, noch vier Wochen Urlaub bis zur Kündigung, bevor er sich endlich selbstständig machen wird. Behutsam lenkt er das Wohnmobil rückwärts aus der Einfahrt. 1.900 Kilometer trennen ihn von Neapel, und er wird die Fahrt genießen. Heute, sagt sich T., beginnt sein neues Leben.

06:32 – Der Verkehrsfunk verlautbart die Vollsperrung der Autobahn. K. überlegt kurz und greift ins Handschuhfach. Die brüchige ADAC-Straßenkarte zeigt drei Umgehungsmöglichkeiten über angrenzende Landstraßen. Er überlegt nicht lang und nimmt die nächste Abzweigung zur Kreisstadt. K. wird alles geben. Noch mal, schwört er sich, kriegt ihn der verdammte Russe nicht.

06:39 – Gemütlich zockelt T. über die Landstraße, vorbei an sattgrünen Wiesen und schwer beladenen Obstbäumen. Das Autoradio spielt flotte Weisen. T. schaltet es ab, um die Morgenstimmung zu spüren.

07:01 – Die Straßenbrücke ist seit einer Woche wegen akuter Einsturzgefahr gesperrt. Der Euro befindet sich nach den jüngsten italienischen Konjunkturdaten einmal mehr in höchster Gefahr. Der Goldpreis gibt nicht nach. Werner M. (56) hat endgültig die Nase voll. Er befolgt nun die Tipps dieser Website, die er letzte Nacht entdeckt hat. Im Keller ist genug Platz. Sollen die Ausländer doch kommen. M. wird zur neuen Herrenrasse gehören, die den Endsieg gegen alle Rassenschänder und Kulturzerstörer erringt.

07:05 – K. ist auf dem Kundenparkplatz vor dem Supikauf angekommen und schaltet den Motor aus. Mehrmals umrundet er Auto und Anhänger. Bis jetzt hat die aus Bestandteilen eines alten Maschendrahtzauns improvisierte Befestigung ihre maximale Zugfestigkeit nicht erreicht. Er zündet sich eine Zigarette an, wie sich nur Clint Eastwood eine Zigarette anzünden kann.

07:08 – Auch T. rollt in verhaltenem Tempo auf den Parkplatz. Er löscht das Licht, kurbelt die Fenster herunter und begibt sich ans Heck, um Kaffee zu kochen. Dann geht er noch einmal sorgfältig alle Posten auf seiner Proviantliste durch.

07:10 – Rumpelnd überquert der Handwagen den Parkplatz vor dem Supikauf. M. zieht das antiquierte Transportgerät im Schweiße seines Angesichts bis unmittelbar vor die Eingangstür. Keiner soll ihm diesmal seine Position streitig machen.

08:00 – Marktmitarbeiterin Britta L. (28) schlurft zur Eingangstür, betätigt den Schließmechanismus und aktiviert die Türautomatik. Während sie noch in kniender Stellung den Schlüssel abziehen will, wird sie von M.s Handwagen angerempelt. Ihr Hilfeschrei erlischt ungehört in einer Stellage mit Topfblumen, die sie nicht mehr vor den Eingang ziehen kann.

08:01 – Auch K. hat nun den Markt betreten. Er zieht zwei Einkaufswagen hinter sich her, während er einen weiteren mit den Füßen vorwärts schiebt. Nicht immer tut dieses dritte Gefährt, was es tun soll. Die Kollision mit einer Pyramide polnischer Beerenfrüchte in Zuckerlösung – Glasverpackung, Abtropfgewicht 360 Gramm – war so nicht geplant.

08:03 – Schon haben sich im großen Mittelgang die Kontrahenten gesichtet. M. ist mehrere Meter vor K. und legt trotz eines drohenden Achsschadens an Tempo zu. K. greift zu einer Kriegslist: im Vorbeigehen fegt er Gemüsekonserven mit dem Arm in einen der Einkaufswagen. Er wird die Zeit im Bunker ohne Vitaminverluste überstehen.

08:05 – Dosenfleisch, Fisch in Tomatensauce und Gulaschsuppe türmen sich bei M. auf dem Boden des Wägelchens. Geschicktes Stapeln dauert, aber keiner weiß, wann der Krieg ausbricht. Es wird für M. nur diese eine Chance geben.

08:08 – Vor dem Kühlregal kommt es erneut zur Konfrontation. K. greift wahllos Quark und saure Sahne, Erdbeerjoghurt und Halbfettmargarine, um im zweiten Wagen bedrohliche Lücken zu stopfen. Die Situation eskaliert, als M. eine ganze Palette Schmand heraushebt und auf eine Schicht Toastbrot stellen will.

08:09 – Beim Versuch, dem Navigationsgerät zu folgen und den Dreißigtonner durch die Schneidertwiete in der historischen Altstadt zu lenken, macht Kraftfahrer Heiko Z. (29) einen entscheidenden Fehler. Die Straße ist für den Verkehr mit Motorfahrzeugen freigegeben, hat jedoch nur die nötige Breite für einen Pkw. Mehrere Einzelhändler werden an diesem Tag nicht mehr mit Getränken beliefert.

08:11 – Die Marktmitarbeiter sind machtlos. Auch für den Endsieg hat der Führer große Opfer bringen müssen. K. täuscht in einem taktischen Manöver an, einen der drei Trolleys mit starkem Schub in die versammelte Menschenmenge zu schieben. Auf einen Zentner Mehl, je zwanzig Packungen Nudeln, Zucker, Backerbsen, Sushireis, Sultaninen und Götterspeise mit Waldmeistergeschmack wird er so kurz vor dem Ende wohl verzichten können.

08:14 – Der Rentner erweist sich dennoch nicht als das taktische Genie, als das er sich selbst sieht. Im Handstreich hat M. die ganze Getränkeabteilung eingenommen und die Tür hinter sich verriegelt.

08:15 – Das Marktpersonal benutzt den Fernsprecher im angrenzenden Lagerraum, um mit M. zu verhandeln. Dieser fordert umgehend große Mengen an stillem Mineralwasser in Polyethylenterephthalat-Sechsergebinden. Marktleiter Detlev O. (38) teilt M. mit, dass wetterbedingt Vorräte am Vorabend komplett ausverkauft worden sind. Eine Lieferung werde erst in den frühen Nachmittagsstunden erwartet.

08:17 – T. hat in Ruhe seinen Kaffee ausgetrunken. Er betritt den Supikauf mit einem Einkaufswagen, in den er Wurstaufschnitt, Käse sowie eine Dose Kondensmilch legt. Verwundert umfährt er die stark bläulich gefärbte Lache, die aufgrund einer leichten Neigung der Bodenplatte langsam, aber stetig in Richtung Fleischtheke rinnt.

08:20 – M. hat auch im Lagerraum kein Wasser gefunden. Er überschlägt kurz die Menge, die er an Biermischgetränken im vorderen Bereich des Rollwagens verlasten könnte, verwirft dann aber den Gedanken, da die Glasflaschen ein zu hohes Gewicht für die zulässige Achslast darstellen.

08:26 – Der Rückstau auf der beidseitig gesperrten Autobahn reicht in nördlicher Richtung dreißig Kilometer weit. Ein schwarzer Tag für Spediteure, denn die Fahrer nutzen den erzwungenen Stillstand oft für ein Nickerchen hinter dem Steuer. Tausende Fahrzeuge verstopfen die Verkehrswege. Die Ruhe ist majestätisch.

08:30 – Nach einer Spülbürste und einem Tütchen getrocknetem Oregano in Vorratsgröße will T. ein Paket gemahlenen Röstkaffee einkaufen. Irritiert stellt er fest, dass K. bäuchlings neben dem Regal liegt und über Kopf vakuumierte Kaffeeziegel in einen seiner Drahtwagen schmeißt. Er greift zu einem magenschonend veredelten Produkt mittlerer Preisklasse, als K. sich mit markerschütterndem Schrei auf ihn stürzt. Er verbeißt sich in T.s Oberarm.

08:36 – M. nutzt nun seinerseits das Telefon, um mit der Marktleitung zu kommunizieren. Seine Forderungen belaufen sich auf den sofortigen Rücktritt der gesamten Regierung der BRD GmbH, die Auslieferung der für das Flüchtlingschaos verantwortlichen Mitglieder der deutsch-jüdischen Weltverschwörung an die SS-Division Totenkopf, eine Walther P.38 mit hundert Milliarden Schuss Munition sowie fünfundvierzig Liter Wasser ohne Kohlensäure.

08:40 – Der erbitterte Kampf um ein Paket Kaffee wird weiterhin erbarmungslos geführt. K. erweist sich als zäher Gegner, der jedoch mit T.s Karriere als ehemaliger Landesjugendmeister im Jiu Jitsu nicht mithalten kann. Während K. mit Konserven wirft, weicht T. immer wieder gelenkig aus. Schließlich zertrümmert K. eine Flasche Karamellsirup an der Kante des Einkaufswagens und geht mit den scharfkantigen Waffe furchtlos auf den Rivalen los.

08:44 – Die nur spärlich im Markt vorhandenen anderen Kunden erledigen betont schnell ihre Einkäufe. Der Anblick der leeren Konservenregale lässt endlich die Stimmung kippen. Der aus Großolbersdorf zugezogene Ronny F. (49) erleidet ein spontanes Trauma und spricht Erzgebirgisch.

09:03 – Aus dem Einkaufszentrum Ost werden tumultartige Szenen gemeldet. Im dortigen MegaMarkt sind so gut wie keine Nährmittel mehr erhältlich. Um das letzte Päckchen Hartweizengrieß entbrennt ein blutiger Fight, in dem der Personenschützer Karim H. (30) von zwei 13-jährigen Mädchen krankenhausreif geprügelt wird.

09:05 – K. kommt wieder zu sich. Nachdem T. ihm die zersplitterte Flasche aus der Hand getreten und den Arm ausgekugelt hat, ist er mit seinem Kaffee zur Kasse gegangen. Er fühlt sich plötzlich gar nicht mehr gut. In seiner Hilflosigkeit wählt er die seit nunmehr acht Wochen nicht mehr gerauchte Sorte, zahlt, verlässt heftig zitternd den Supikauf und zündet sich unmittelbar vor der Tür eine Filterzigarette an. Dann bricht er in heftiges Schluchzen aus.

09:12 – Die Lage spitzt sich zu. Eine unglücklich formulierte Agenturmeldung, die von angeblichen Versorgungsengpässen im örtlichen Einzelhandel spricht, lässt die gut hundertsechzig Personen, die im MegaMarkt teils leere, teils zertrümmerte Regale vorfinden, schnell wieder in ihre Autos steigen. Die vom Umgehungsverkehr ohnehin verstopften Straßen lassen die Fanatisierten nur zäh vorankommen. Erste Fahrzeuge werden gesichtet, die Rad- und Fußwege nutzen.

09:15 – In der Supikauf-Getränkeabteilung eskaliert die Situation. K. hat unter Zuhilfenahme eines Besenstiels aus dem Haushaltswaren-Sortiment die Tür aufgehebelt und geht nun ohne Vorwarnung auf M. los. Das Personal verlässt schreiend den Raum. Die beiden Todfeinde stört das nicht. Für das, was jetzt geschieht, gibt es besser keine Zeugen.

09:22 – Es wird zusehends brutal. Die ersten haben ihre Autos quer zur Fahrtrichtung abgestellt und machen sich zu Fuß auf den Weg zum nahe gelegenen Shopping-Center Galeria 2000. Sozialkundelehrer Hubert G. (56) bricht aus, fährt in Schlangenlinien einem älteren Ehepaar hinterher, die sich beide mit einem Sprung in einen Hauseingang retten können, überrollt eine Verkehrsinsel und rammt frontal eine Litfaßsäule. Lediglich die Hupe bleibt intakt. Man hört sie gut einen halben Kilometer weit durch den stockenden Verkehr der Innenstadt.

09:30 – Die beiden Kämpen K. und M. beschließen eine vorübergehende Waffenruhe; tatsächlich sind sie nicht mehr in der Lage, sich gegen den anderen zur Wehr zu setzen. Wie vorübergehend jedoch der Friede ist, zeigt sich, als K. mit einem Wutschrei zwei der Einkaufswagen wieder in den Hauptgang des Supikauf hinausschiebt. M. ist paralysiert. Hastig verstaut er ein in Folie verschweißtes Sechserpack Apfelschorle und folgt dem Feind.

09:32 – Die Presseagenturen haben nicht mit den internationalen Reaktionen auf die Konsumkrise gerechnet. Die Tatsache, dass der Kreml ungerührt die Instabilität der westlichen Wirtschaft betont, führt zu einem massiven Einbruch des Euro. Fünf weitere Mitglieder lassen durchblicken, dass sie das Referendum zum Verlassen der EU bereits in der Schublade haben.

09:40 – Noch haben K. und M. ihre Lasten nicht in den Kassenbereich verfrachtet. Die rollenden Schwertransporte sind wegen ihrer Höhe nicht mehr unfallfrei zu manövrieren. Die Zuckerlösung hat sich in der Zwischenzeit zu einer klebrigen Haftschicht am Boden des Ladenlokals entwickelt, was das Vorankommen zusätzlich erschwert.

10:05 – Das Personal der Galeria 2000 hat sämtliche Zugangsmöglichkeiten von innen verrammelt und ist auf das Dach der Ladenpassage geflohen. Ihnen wurde mitgeteilt, dass ein Einsatz mit Rettungshubschraubern voraussichtlich noch am selben Tag erfolgen könne. Ihnen wurde nicht mitgeteilt, dass an zuständiger Stelle gerade über die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen eines Bundeswehreinsatzes im Innern beraten wird.

10:11 – Sie sind auf der Zielgeraden. Die über den harzigen Boden schlingernden Lasten sehen für die zwischen den Regalen verborgenen Mitarbeiter aus wie eine von Terry Gilliam in Superzeitlupe verfilmte Version von Ben Hur. Es geht unentschieden aus. Supikauf hat alle Kassen geschlossen. Die Kontrahenten scheren sich nicht darum, sie durchbrechen die Sperren und rumpeln auf den Kundenparkplatz.

10:29 – Vereinzelte Kunden sind in den MegaMarkt zurückgekehrt. Sie finden Obst und Gemüse nahezu unangetastet vor. Die Begeisterung wird empfindlich getrübt, als die Zahnarztgattin Kerstin Sch. (39) nach ausgiebigem Betasten der Rispentomaten feststellt, dass die Ware seit Stunden nicht kontrolliert und umgeschichtet wurde. Mehrere Hausfrauen bezweifeln, dass das Sortiment im MegaMarkt überhaupt für längere Zeit einlagerungsfähig ist.

11:14 – K. schlägt mit einer Dauerwurst auf das Dach seines Kleinwagens. Trotz erheblicher Kraft- und Stauanstrengungen – er erinnert sich, wie er in den Sommerferien 1990 seinen Enkel beim Tetris zweimal hintereinander fast geschlagen hat – lässt sich der Einkauf kaum auf Kofferraum und Hänger verteilen. Höhnisches Grinsen und lautstarke Pöbeleien sind für M. ein willkommenes Ventil, um seinen Sieg über den scheinbar Stärkeren zu feiern.

11:25 – Auch im MegaMarkt schlägt das Imperium zurück. Substitutin Tanja J. (26) legt die Dentistenfrau übers Knie. Markerschütternde Schmerzensschreie werden vom rhythmischen Klatschen der Einzelhandelskaufleute übertönt.

11:31 – Auf einer Autobahnraststätte sitzt nach einem Nervenzusammenbruch Kette rauchend der Wohnmobilfahrer T. und lässt sein bisheriges Leben an sich vorüberwehen. Er zieht sich gleich noch eine Schachtel. Diesmal ohne Filter.

11:36 – Das kratzende Geräusch, mit dem der Wagen von K. über den Kundenparkplatz vor dem Supikauf schleicht, wird nicht durch eine alternde Kupplung oder vom beschädigten Getriebe verursacht. Es ist der Unterboden, der über die Teerdecke schmirgelt.

12:09 – Die gemeinsame Anstrengung hat sich gelohnt: mit einem Kranwagen wurde der Sattelzug von der Autobahn gehievt. Die Geschwindigkeit wurde von der Polizei auf 60 Stundenkilometer festgesetzt, aber immerhin rollt der Verkehr wieder.

12:19 – Feldjäger sichern das Gelände um die Galeria 2000. Der Landesminister des Innern teilt mit, dass der Hubschraubereinsatz wegen eines akuten Anstiegs an Scheinasylanten nicht sofort erfolgen könne. Die Mitarbeiter seien jedoch durch die Lagerbestände für mehrere Tage in Sicherheit, solange sie nicht den Gebäudekomplex verlassen.

12:41 – Ausgerechnet hier auf der Autobahnbrücke, auf der Abkürzung zu seiner Wohnsiedlung, erleidet M.s Bollerwagen den finalen Achsbruch. Alles ist Feind, Verräter oder Bote des Verderbens. Der Getreue zweifelt an seiner Mission, schließlich fügt er sich in sein bitteres Schicksal. Hat nicht auch der Führer den Untergang der deutschen Rasse beschlossen, weil sie sich gegenüber den ostischen Untermenschen nicht hatten durchsetzen können? M. umkrallt das Brückengeländer. Einer muss sich für die Ehre des deutschen Volkes opfern.

12:42 – Ein sonores Röhren naht sich. Unter der Plane des Anhängers schwankt der Berg an Waren, den K. noch verstauen konnte. Schneckenlangsam kratzt der Wagen über den Asphalt. Da brennt bei M. die Sicherung durch. Er greift sich eine Dose Ananas aus seiner Fracht und schleudert sie gegen den Anhänger.

12:50 – Die Vollsperrung der Bundesautobahn ist diesmal langfristig. Das seltsame Gespann, das trotz seiner geringen Geschwindigkeit mit einer kaum zu begreifenden Wucht in die Mittelleitplanke geprallt ist, hat die Fahrbahn auf ihrer gesamten Breite aufgerissen. Sollte der Zug einen Lenker gehabt haben, so vermuten ihn die Einsatzkräfte tief unter dem Berg aus Weißblech, Kunststoff und Scherben. Mehrere Polizeibeamte nehmen eine verdächtige Person in Gewahrsam, die auf der Autobahnbrücke kniet und mit beiden Fäusten auf den Boden schlägt. Eine Unterbringung in der Psychiatrie scheint notwendig. So endet ein Vormittag in einer Kleinstadt, deren Bewohner einfach nur ein paar Besorgungen machen wollten, wie es ihnen die Bundesregierung vorgeschlagen hat.





Argent provocateur

24 08 2016

„Haben Sie die Arbeitsproben mitgebracht? Danke, ich schaue da gleich mal rein. ‚Gleichschaltung der BRD GmbH durch die Volksverräterin Merkel im Auftrag des Juden‘ – sagen Sie mal, woher wissen Sie das eigentlich?

Natürlich ist das ernst gemeint, wir als völkisch gesinnter Verlag mit dem Anspruch auf Mut zur einzig wahren Wahrheit müssen doch sehen, ob wir es mit vertrauenswürdigen Mitarbeitern zu tun haben. Jeder andere hätte da formuliert: ‚im Auftrag der Juden‘, Sie schreiben: ‚des Juden‘. Sie haben also wirklich begriffen, wer die Geschicke des deutschen Volkes lenkt, oder? Ah, der deutschen Rasse – Sie sind ein Hardliner, hatte ich mir doch gedacht! Großartig, das hatten wir in der Redaktion schon lange gesucht. Einen, der nicht nachfragt und sehr kritisch an Kritik rangeht, und der dazu noch unsere Sprache spricht. Klar und kompakt, so muss das sein, verstehen Sie?

Nein, das sind natürlich nur Gerüchte. Wir sind schon mal in Rechtsstreitigkeiten verwickelt, als Rechtsradikale ist das ja auch kein Wunder, höhö, aber dass es hier Maulwürfe geben sollte, das kann ich Ihnen so nicht bestätigen. Sie meinen jetzt, es gäbe Denunzianten, die der völkischen Bewegung Schaden zufügen wollten, oder? so vereinzelte Personen, die durch Geheimnisverrat der nationalen Sache schaden wollten, so dass der Herr Wiebels vom Bundesamt für Verfassungsschutz… – Ich kenne keinen Herrn Wiebels, und ich weiß auch gar nicht, dass der beim Verfassungsschutz, das müssen Sie in den falschen Hals… –

Also wir sind jetzt nicht direkt eine Außenstelle des BND, wissen Sie – mit denen haben wir nur einmal im Monat zu tun, dann sagen die uns Bescheid, dass alles in Ordnung ist. Aber mit dem Bundesamt, das kann schon mal vorkommen, dass die sich an uns wenden. Einmal, zweimal. Nein, pro Stunde. Für einen eigenen Schreibtisch haben wir hier in der Redaktion keinen Platz, da will der Elsässer seinen Kühlschrank stehen haben, aber zur informellen Mitarbeit sind wir dann natürlich gerne bereit. Mensch, das ist doch prima! für Journalisten neuen Typs kann es doch gar nichts Besseres geben als direkt an der Wurzel zu recherchieren, also im radikalen Bereich – das ist wirklich investigativ, und wenn Sie es langfristig überleben, dann sind Sie mit uns auf der Seite der Guten! Siegerjustiz, verstehen Sie? das ist doch für einen völkisch denkenden Menschen wie Sie geradezu… –

Ach so, Sie meinen das ernst? Konnte ich doch nicht wissen. Da wären Sie hier ja echt ein Exot. Ein rassefremdes Element, höhö, aber so schlimm ist das auch wieder nicht. Wir haben da so unsere Mittel und Wege, um neue Kollegen zu integrieren. Als identitäre Maßnahme, wenn Sie so wollen. Man muss ja wissen, wer Freund ist und wer Feind.

Diese Gerüchte mit dem Bachmann, die werden Sie doch nicht glauben, oder? Schauen Sie, die anderen müssen nur einmal mit der Lügenpresse reden und Neuwahlen fordern, und wir rufen zum Militärputsch auf, zur Ermordung der Kanzlerin, und was passiert uns? Geldstrafen. Glauben Sie nicht, dass der Bachmann von uns gekauft worden wäre. Oder dass wir ihn gekauft hätten. Wir sind in einem Boot, und da geht man eben nicht unter. Man muss sich nur mit den herrschenden Verhältnissen zu arrangieren wissen.

Meine Güte, warum wohl? es gibt doch ein ganz klares Motiv. Wir nehmen eben gerne, und es ist keine uninteressante Aufgabe, wenn Sie verstehen. Argent provocateur. Da zieht man schon mal einen ganzen Verlag hoch zur Tarnung, mit Zeitschriften und Vortragsreisen und Eva Herman, da ist man ab einem gewissen Kontostand komplett schmerzfrei.

Unser Verleger hat schon versucht, den Lesern zu erklären, dass der Islam doch zu Deutschland gehört. Wenn die Rothschilds ihm dafür eine neue Rolex spendieren, warum denn nicht? Man hat doch auch sein Sendungsbewusstsein, und das ist ja nicht aus dem Nichts gekommen. Meistens war’s Hunger, bei manchen auch Doofheit, aber meist Hunger, und da überlegt man nicht, für wen man welchen Mist schreibt. Ist doch so, oder?

Unsere Facebook-Seite wurde im staatlichen Auftrag gelöscht – jetzt hier mal bitte keine Kritik, das ist offizielle Verschwörungstheorie – und wir haben nach einer Rechtsberatung eingesehen, dass wir die Regierung nicht mehr nach Artikel 20 in die Gaskammer schicken dürfen, die der Jude erfunden hat, weil es sie nie gegeben hat. Alles ganz koscher. Der Attentäter von München war ein Arier, da legen wir als Reinrassige schon Wert darauf, aber wir haben uns dann irgendwann aus der Argumentation herausgehalten, weil unsere Auftraggeber da keinen Schlamassel haben wollten. Echt jetzt, Jebsen, die Wissensmanufaktur, Ulfkotte, Gauland, Höcke, was meinen Sie, was wir dieser Mischpoke für einen Zaster verabreichen. Aber es wirkt!

Also würden Sie jetzt das Ressort Flüchtlinge und Umvolkungspolitik übernehmen? Sie sind der richtige Mann dafür, das sehe ich doch. Noch nicht ganz gereift im Sinne unserer Mission, aber doch immer auf dem rechten Weg. Würden Sie eventuell für die nationale Sache zum Islam konvertieren? Beschneidung und Syrien und den ganzen Scheiß? es gäbe da noch eine Position als Frontreporter. Nennen Sie uns einfach Ihren Preis.“





Mit Schuss

23 08 2016

„… komplett einzäunen wolle. Die Stadt München sehe derzeit keine andere Möglichkeit mehr, als das Oktoberfest mit rigorosen Maßnahmen zum…“

„… Sicherheitskonzepte entwickelt worden seien. So habe man bereits die auf zahlreichen Weihnachtsmärkten erprobten Maßnahmen im…“

„… es viel wichtiger sei, Taschen und Rucksäcke zu verbieten, in denen potenzielle Attentäter mehr als drei Liter Milch auf die…“

„… zusätzliches Personal eingestellt werden müsse. IM Herrmann habe vorgeschlagen, die Ressourcen durch sächsische Bürgerwehren und…“

„… setze die Stadt vor allem auf Abschreckung. Die Christsozialen seien dennoch nicht bereit, zu diesem Zweck Markus Söder täglich mehrere Stunden lang vor dem…“

„… problematisch sei, Ausländer grundsätzlich nicht auf die Theresienwiese zu lassen, da sich wie jedes Jahr viele japanische Reisegruppen…“

„… bei einem Ortstermin Probanden verhaftet hätten, die Milch in einer Handtasche mit sich zu führen versuchten, allerdings Bierdosen und Schnapsflaschen nicht als gefährliche…“

„… wolle Seehofer zur Vorsicht ein absolutes Burka-Verbot durchsetzen. Es bestehe die Gefahr, dass sich unter der islamischen Vollverschleierung auch männliche Personen auf die…“

„… die Kontrollmaßnahmen auf dem Gelände nicht mit auswärtigen Kräften besetzen wolle, da schon leicht angetrunkene Bayern sich nicht klar verständlich…“

„… sei das Verbot von Rucksäcken keinesfalls einer abstrakten Terrorgefahr geschuldet. Die Stadt wolle lediglich verhindern, dass Touristen heimlich selbst gebratene Mastochsen oder ganze…“

„… nicht ausreichten. Die von der AfD Bayern vorgeschlagene Verstärkung der Personaldecke aus der Türsteherszene sei kaum möglich, da nicht alle gleichzeitig als Freigänger auf der…“

„… in diesem Herbst temperaturbedingt auch Punsch angeboten werde. Es gebe allerdings starke Sicherheitsbedenken, dass das Schild Mit Schuss manche Besucher zu panikartigen…“

„… auf Software zur Gesichtserkennung zurückgreifen wolle. Das Landeskriminalamt habe geraten, für die Dauer des Festes ein Verbot von Schlägereien zu erlassen, um verdächtige Personen auch nach einem…“
„… dazu die Einlasskontrolle für Wirte stärker praktizieren wolle. IM Herrmann könne nicht ausschließen, dass Waffen etwa in Spanferkeln oder Bierfässern ausländischer…“

„… die Mitarbeiter jeden Festbesucher melden sollten, der keinen Alkohol konsumiere. Nur so könne man islamistische Attentäter bereits im…“

„… vorab keine Personenkontrolle durchführen könne, so dass sämtliche Sicherheitsüberprüfungen vor Ort erledigt werden müssten. Nach vorläufigen Berechnungen des Landeskriminalamts könne die Wartezeit dabei mehrere Tage bis höchstens eine…“

„… den Schmuggel mit Waffen und Munition eindämmen werde, indem ab sofort kein Döner mehr auf dem…“

„… schon bei einem kleineren Unfall auftreten könne. Die Einsatzleitung rechne aber mit einer geringeren Anzahl als auf der Loveparade, so dass die Zäune in ihrer bisherigen Planung weiterhin…“

„… wolle nun vermehrt auch auf internationale Sicherheitslösungen zurückgreifen. Der Freistaat habe in den vergangenen Jahren durch intensive Wirtschaftskontakte zu Nordkorea ein breites…“

„… kurzfristig geplante Attentate verhindern müsse. So solle der bayerische Verfassungsschutz die Internetcafés im Großraum München dahin gehend überwachen, dass das Darknet nicht mehr im bisherigen Leistungsumfang für die…“

„… Alkoholtests beim Betreten der Festzelte durchführen wolle. Die Wiesnwirte hätten dies in einer gemeinsamen Erklärung als ausgemachten…“

„… zahlreiche Drohnen getestet habe. Die Versuche seien vollständig am Boden durchgeführt worden, der nordkoreanische Hersteller habe dem Landesinnenministerium jedoch versichert, so schnell wie möglich flugtaugliche Geräte nach…“

„… zwar korrekt, dass auch mit kleinen am Körper getragenen Sprengstoffmengen bereits eine Detonation von gefährlichem Ausmaß verursacht werden könne, der Einsatz von Nacktscannern sei jedoch aus logistischen Gründen viel zu…“

„… sich das Attentat im Jahr 1980 unmittelbar vor dem Hauptgang ereignet habe. Das LKA sehe die Kompletteinzäunung daher als sinnvolles Element zum Schutz der Besucher hinter dem…“

„… setze die Landesregierung auf größtmögliche Transparenz im Vorfeld. Nur so könne man den Gefährdern vermitteln, dass ihre Anschlagspläne nicht…“

„… müsse man vor allem weiblichen Personen erhöhte Aufmerksamkeit schenken, da diese oft in kleinsten Handtaschen derartige Mengen an Material mitführten, dass jede Sicherheitskontrolle von vornherein…“

„… entschieden widerspreche. IM Herrmann halte die Gefährdung durch Frauen, die ohne Verschleierung auf die Wiesn gingen, für so gut wie gar nicht im Bereich des…“

„… dass ein Anschlag in der Warteschlange verheerende Folgen haben könne. Seehofer fordere eine sofortige Zaunschließung und habe angeregt, Zutritt nur noch mit amtlicher Genehmigung des…“

„… eine kalkulierte Massenpanik durch einen Kanonenschlag und einen Terroristen, der ‚Allahu akbar‘ rufe, ausgelöst werden könne. CSU-Generalsekretär Scheuer habe nochmals bekräftigt, dass für Araber in der Öffentlichkeit strengste Deutschpflicht gelte, so dass diese Tat legal gar nicht…“

„… ein Ticketsystem statt des üblichen Einlasses versuchen wolle. Dobrindt wolle die für seine Autobahnmaut entwickelte Software auch für den Zutritt auf die…“

„… Arbeitslose verpflichtet werden könnten, die im Fall eines Anschlagsverdachts den Zaun sofort auseinanderbauen könnten. Diese müssten jedoch von einer bewaffneten Eingreiftruppe überwacht werden, um nicht missbräuchlich die…“

„… den ersten Praxistest damit erfolgreich überstanden habe. Das Oktoberfest könne wie geplant bald nach der Fertigstellung des Projekts im Jahr 2033 wieder…“





Die Konkurrenz schläft nicht

22 08 2016

Luzie schob tröstend den Keksteller über den Tresen. „Das Schwein hat mich dreimal reingelegt“, kaute Paulsen, „dreimal! Ich weiß kaum noch, wovon ich meine Gehälter bezahlen soll!“ Er langte noch einmal ordentlich zu, dann kam Anne auch schon aus dem Beratungszimmer. „Hümpel mal wieder“, knurrte sie. „Alle Jahre wieder.“

Schon der alte Heinrich Wilhelm Paulsen, seines Zeichens Großvater des jetzigen Chefs, hatte an der Ecke Lessingplatz einen Feinkostladen unterhalten. Die Zeitläufte brachten es mit sich, dass er den Titel eines Kaiserlichen Hoflieferanten für ff. Colonial-Waren nur wenige Jahre innehatte, dann kümmerte man sich hierzulande um ganz andere Dinge. Der Enkel indes studierte nicht Kunstgeschichte, wie es Bismarck prophezeit haben würde, er baute nach und nach das Ladengeschäft aus, mietete den angrenzenden Hinterhof, baute eine kleine Küche ein für ein Delikatessenbüfett und hatte schließlich ein stattliches Lager, aus dem er die Gasthäuser der Stadt zu beliefern begann. Kennengelernt hatte ich ihn durch die Bücklerbrüder; Bruno, der in seinem Landgasthof Entenkeule süßsauer kochte und Aal grün, von Freunden und Kritikern ehrfürchtig nur Fürst Bückler gerufen, hatte oft seine Auswahl an frischem Obst und Geflügel gepriesen, namentlich dann, wenn kein anderer liefern konnte.

„Die Konkurrenz schläft nicht“, klagte Paulsen, doch nicht aus Gewohnheit, wie es der Kaufmann zu tun pflegt, sondern mit ernstem Hintergrund. „Es wurde immer schwieriger in den letzten Monaten, und da kam mir der Großauftrag von Hümpels Gartenlokal gerade recht.“ August Hümpel hatte eher im Sinne der Generationenfolge gehandelt, er war der missratene Spross einer Dynastie von Köchen und Kneipiers, der hier und da ein neues Etablissement aus dem Boden stampfte, es in einem Jahr zugrunde richtete und durch allerlei Finten und Kniffe, so dass er nämlich niemandem die Schulden bezahlen musste, an einem anderen Ort wieder von Neuem anfing. Anne blätterte einen dicken Stoß an Rechnungen durch. „Das liefern Sie alles“, fragte sie ungläubig. Nicht ohne Stolz nickte Paulsen. „Sie bekommen keine besseren Rebhühner im Umkreis von hundert Kilometern.“ Gerade von denen hatte Hümpel immer gerne bestellt, anfangs auch prompt gezahlt, doch das war nicht lange so gegangen. „Ein ordentlich durchgezogenes Mahnverfahren nach dem anderen“, konstatierte die Anwältin. „Und Sie haben den Gerichtsvollzieher hinzugezogen, wo es nötig war?“ Paulsen nickte. „Immer.“ Als wäre es ihm besonders peinlich, fügte er hinzu: „Sogar eine Taschenpfändung haben wir vornehmen lassen.“ Trotzdem fehlten gut fünfhundert in seiner Kasse, um für diesen Monat die Angestellten zu entlohnen. „Ich dachte, Ihnen fällt etwas ein?“ Anne legte die Stirn in Falten. „Mal sehen.“

„Da ist der Lump“, presste Paulsen zwischen den Zähnen hervor. Wir klemmten zu dritt in dem Sportcabriolet. Reichlich Gäste saßen draußen auf dem kiesbedeckten Platz zwischen Blumenrabatten und Efeuranken. „Ich drehe ihm den Hals um, dem verdammten…“ „Nichts dergleichen“, zischte Anne dazwischen. „Die Angelegenheit werde ich rein juristisch regeln, und zwar ganz diskret und ohne Aufsehen zu erregen.“ Wir hatten nicht mit dem Temperament des Delikatesshändlers gerechnet. „Ich drehe ihm den Hals um!“ Schon wollte er die Tür von innen aufreißen, als er plötzlich bemerkte, er saß auf der Rückbank. „bremsen Sie sich“, sagte Anne trocken. „Was ich jetzt gar nicht gebrauchen kann, sind irgendwelche Extratouren.“

Ihr Plan bestand darin, gemeinsam mit Paulsen das Restaurant zu betreten, den Geschäftsführer zu verlangen und ihm die Nichtanwendung schwerster Strafen nur dann zu versprechen, wenn er sofort und bis auf den letzten Heller die geschuldete Summe herausrücken würde. „Hier haben Sie ein Exemplar der Kostenaufstellung“, instruierte Anne ihn, „das umfasst auch meine…“ „Hümpel“, brüllte er. „Hümpel, Sie elendes…“ Mit einem Satz war der Geprellte auf den Wirt zugesprungen, rieb ihm die Rechnung unter die Nase und schrie ihn aus voller Lunge an. „Wenn Sie nicht sofort Ihre Schulden begleichen, dann…“ Schon drehten sich Gäste peinlich berührt um. „Dieser Vollidiot“, rief Anne aus. „Gleich fliegt er raus, und das macht es nur noch schlimmer!“ Doch nichts davon geschah – Paulsen folgte ins Haus, man hörte die beiden nach Kräften sich gegenseitig bezetern, und das ging für eine ganze Weile so. Der Ausgang schien immer weniger gewiss.

Da zupfte ich Anne diskret am Ärmel. „Die Küchentür“, flüsterte ich. „Rasch!“ Schon waren wir im Gang zur Küche, der auf den Garten hinausführte. Zwei weiße Schürzen hingen dort, bestellt und nicht abgeholt. Wir blickten einander an. Im Nu hatten wir die Vorbinder um die Hüften geschlungen und zwei Tücher über den Arm gelegt. „Bereit?“ Sie nickte, und so schritten wir leutseliger Miene auf dem knirschenden Kies von Tisch zu Tisch. „Verzeihung“, sprach ich mit geschmeidiger Stimme ein älteres Paar an. „Wir haben gleich Schichtwechsel, wenn ich bei den Herrschaften schon einmal abziehen dürfte?“

„Das Hausverbot haben Sie sich ganz allein zuzuschreiben“, rügte Anne. „Man schmeißt nicht mit Tellern nach einem Gastwirt. Schon gar nicht, wenn es seine sind.“ Paulsen senkte schuldbewusst den Blick. „Das dürfte genügen“, tröstete ich ihn und reichte ihm ein dickes Bündel Scheine nach hinten. „Und mir wäre jetzt nach Rebhuhn. Auf zu Bücklers!“