„Judensterne? Sind Sie noch ganz bei Trost!?“ „Schauen Sie, dieses gesunde Volksempfinden ist ja nicht meine Idee. Sehen Sie es als eine Art von sehr spezieller Traditionspflege. Eine Interpretation der Traditionspflege in der postdemokratisch und auf Erfolg der Individuen ausgerichteten Gesellschaft der Mehrheiten. Hier im christlichen Abendland.“
„Sie wollen uns einfach nur siebzig Jahre in der Geschichte zurückwerfen!“ „Jetzt lassen Sie mal diese Hysterie, wir möchten bloß, dass die deutsche Bevölkerung sich auf ihre Geschichte besinnt und nicht immer über jedes Stöckchen springt, das die rechtspopulistischen Rattenfänger ihnen hinhalten.“ „Na, Sie sind ja gut!“ „Haben Sie eine bessere Idee auf Lager?“ „Sie können doch nicht mit ihrem antiquierten rechtsradikalistischen Scheißdreck die Öffentlichkeit für die Ideen des Nationalsozialismus gewinnen wollen!“ „Natürlich kann ich das. Das kann derzeit mehr als eine Partei – wobei ich auch zugeben muss, ein paar machen das aus klarem Interesse für die Ideen des Nationalsozialismus, ein paar machen das, weil sie denken, sie könnten den Ideen des Nationalsozialismus wieder zu einer politischen Zeitnähe verhelfen, ohne dass dabei irgendjemand an den Nationalsozialismus denkt.“
„Jetzt hören Sie doch mal auf mit Ihrem blöden Rabulismus, das ist ja peinlich!“ „Wir entwickeln ein gesundes Nationalbewusstsein, und für Sie als guten Deutschen sollte klar sein, dass da immer die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit eine besondere Rolle spielen muss.“ „Aber doch nicht so!“ „Es hat sich halt bewährt.“ „Sie wollen die Rassegesetze wieder in Kraft setzen, die jüdischen Landsleute aus der Öffentlichkeit verbannen, ihnen die Synagogen anzünden!“ „Ja.“ „Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein?“ „Nein, warum auch? Sie haben ja recht. Und das ist ein Teil unserer deutschen Identität, die wir auch im Hinblick auf unsere Geschichte wieder viel mehr pflegen sollten.“ „Wie bitte!?“ „Schauen Sie, das Minarettverbot macht schon die Schweiz, Burkini ist nicht in Frankreich – da machen wir Deutsche eben das, was wir am besten können.“
„Bis jetzt haben Sie alle den Islam abgelehnt, was wollen Sie jetzt mit Ihrem Antisemitismus?“ „Regional haben bis zu einem Drittel der Deutschen ein geschlossen rechtsradikales Weltbild.“ „Das kann wohl keine Entschuldigung sein. Deutschland ist ein weltoffenes Land, wir können uns gar nicht mehr leisten, eine ganze Religion zu diskriminieren. Das wird internationale Folgen haben.“ „Aber wir diskriminieren doch niemanden, im Gegenteil: jeder darf überall glücklich sein mit seinem Glauben, nur eben nicht in Deutschland. Wir erlauben jedem die sofortige Ausreise in ein anderes Land seiner Wahl. Das ist gegenüber der NS-Zeit schon ein gewaltiger Fortschritt in menschenrechtlicher Hinsicht.“ „Sie wollen Synagogen abreißen lassen.“ „Natürlich, die passen einfach nicht zum Stadtbild.“ „Die stehen hier seit Jahrzehnten, manche noch viel länger!“ „Das ist doch auch gut so, aber das hat jetzt eben ein Ende. Das Judentum gehört nun mal nicht zu Deutschland.“ „Und dass wir hier ständig von einer jüdisch-christlichen Kultur reden?“ „Also wir sicher nicht. Außerdem war die in der Vergangenheit eher von gewalttätigen Auseinandersetzungen und sehr schlimmer Diskriminierung geprägt.“ „Für Sie ein Grund, mit der Diskriminierung weiterzumachen?“ „Im Gegenteil. Wenn wir diese Personen aus dem Land schaffen und uns bewusst machen, dass sie einfach nicht zu uns gehören, dann schützen wir sie ja auch irgendwie, oder?“ „Das ist nicht Ihr Ernst?“ „Schauen Sie, es gibt ganze Länder, da lebt so gut wie kein Jude. Japan zum Beispiel. Würden Sie da von einer geschlossen rechtsradikalen Gesellschaft sprechen?“
„Sie können doch nicht einmal mit Gewissheit von jemandem sagen, ob er jüdischen Glaubens ist, woran wollen Sie das denn festmachen?“ „Schauen Sie sich die Leute nur mal an.“ „Also dass da ein paar Männer mit Schläfenlocken herumlaufen, das kann doch nicht Ihr Kriterium sein.“ „Da fühlt sich mancher Deutsche schon sehr belästigt, wenn diese Personen ihren Glauben in einem säkularen Staat so aufdringlich zeigen. Und diese Hüte!“ „Was ist daran auszusetzen, dass jemand auf der Straße einen Hut trägt? Das war doch früher die gängige Herrenmode hierzulande.“ „Ja, früher. Wir leben aber inzwischen im 21. Jahrhundert, da muss man sich ein bisschen an die Gegebenheiten anpassen. Mit so einem Deckel ist man ja auf einem Foto in der Radarfalle nicht mehr zu identifizieren. Und dann diese Nahrungsvorschriften, dieses Betonen des Samstags als Ruhetag, das passt doch gar nicht in ein christlich geprägtes Land.“ „Was passt Ihnen denn nicht an Menschen, die aus religiösen Gründen kein Schwein verzehren?“ „Wir sind eben ein säkulares Land, und zum Nationalbewusstsein gehört bei uns auch der Schweinebraten. Es tut mir leid, aber wir können uns nicht leisten, dass da eine ganze religiöse Minderheit verlangt, dass wir auf ihre Befindlichkeit Rücksicht nehmen.“ „Wo muss ich denn Rücksicht nehmen? wo konkret!?“ „Das werden Sie natürlich jetzt nicht bemerken, aber es besteht durchaus die Möglichkeit, dass es zu einer Parallelgesellschaft anwächst, die dann irgendwann die Werte der deutschen Mehrheitskultur von innen heraus zerstört.“ „Entschuldigen Sie mal, das ist ja wohl der größte…“ „Ich will ganz einfach nicht in einem Land leben, in dem eine kleine, absolut nicht kompromissbereite Minderheit es ablehnt, sich an die traditionellen deutschen Werte anzupassen. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt?“
„Bedaure, ich lehne jegliche weitere Diskussion mit Ihnen ab. Das waren so viele rote Linien – nein, da gehe ich nicht mehr mit.“ „Hören Sie, wir meinen es doch nur gut mit allen Menschen. Nicht nur mit den Deutschen. Nur mit den anderen eben anders.“ „Und Sie sind selbstverständlich auch nicht rechtsradikal, nehme ich an.“ „Aber natürlich nicht, wie kommen Sie denn darauf? Ich muss mich schon sehr wundern über solche Anschuldigungen.“ „Und Sie haben auch nichts daraus gelernt, dass der Staat, der jetzt aus fadenscheinigen Gründen gegen eine religiöse Minderheit vorgeht, genau dieselben Strukturen installiert wie 1933.“ „Wieso der Staat? das waren doch die Nazis!“
Satzspiegel