
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Manches erfuhr der Hominide gern zeitnah. Da half das Blätterdach seines Unterstandes, fing dies an zu lecken, so wusste der Steppenbewohner just in time: Scheißwetter. Auch heraufziehender Sturm war weniger gefährlich, wenn man ihn rechtzeitig erkannt hatte. Ob aber das Gras mit den Grannen, dessen Körner man kauen konnte, nun endlich reif war, sah der Vormensch im Vorübergehen. Hätte der aufgeregte Typ, dessen Job es war, Säbelzahntiger und Mammut anzukündigen, tobsüchtig von der blauen Beere getönt, man hätte sich an den Schädel gepackt. Oder an seinen, je nachdem. Es war kein perfektes Zeitalter, so ganz ohne Tischtennis und Atombomben, aber es gab keine Eilmeldungen.
Was in der Welt passiert, hat auf das Leben der vielen anderen oft nicht einmal mittelbar messbare Auswirkungen. Allenfalls trifft es den Deppen im Halbschlaf, dass Fußballspieler Sehnen zerren, Thronfolger Thronfolger in die Welt setzen, Helden ohne Geschäftsbereich zurücktreten oder Gerichte dies und jenes verkünden, bevor es rechtskräftig wird. Der gemeine Wassersuppenkasper liest es, doch wofür setzt er ad hoc in die Rübe gedrückte Information ein? Jodelt er quer durch die Botanik, dass irgendeine Firma irgendein Telefon auf den Markt schmeißt, damit es auch ja keiner erst zwei Stunden später aus den Abendnachrichten erfahren muss? Pappt er sich Plakate, auf denen die frohe Botschaft, dass ein anorektisches Trümmerfrauchen zum nächsten Top-Kleiderständer gekürt wurde, in brechreizfarbenen Lettern prangt? Würde ein aus der Kurve getragener Blödföhn seinen Schmonzes wenigstens vortanzen, aber so – nö.
Denn wem nützt es heute, in der U-Bahn von einem Bombenanschlag in Bagdad zu lesen, am besten garniert mit blutigen Bilder, deren Grusel nur abgeschmackten Blattlausern Lust bereitet. Allenfalls Boulevard und Rechtspopulismus, die pleonastischen Zwillinge, saugen noch ihren Honig aus dem alarmistischen Getöse, das den Bekloppten die Kalotte eindrückt. Unter Putz wird nicht viel mehr erzeugt als Angst, Unsicherheit und Zweifel, ob rationales Handeln wirklich vor dem Feind schützt, den sich die EEG-Nullkurve einbildet, um mit seinem Gepfeife nicht ganz alleine im Keller zu hocken. Nützlich ist der Schmadder nur für die Clowns, die nach Belieben Börsenkurse ausbeulen, um den Schein einer denkenden Welt zu wahren. Vielleicht wird ein Innenminister im Halbschlaf die auf Halde vorgeschwiemelten Anleitungen für eine zünftige Panik aus der Schublade zerren, irgendein Volk damit verunsichern, dass er es nicht verunsichern will, bevor er weiß, was eventuell für Verunsicherung sorgen könnte, um sich danach dem Verzehr zwielichtiger Chemikalien zu widmen. Schön ist das nicht, aber dafür wenigstens sinnlos.
Vollends kapituliert der geistig gesunde Mensch vor der Kasperade, die beim Abnippeln eines seiner Artgenossen veranstaltet wird. Wo immer Promis, Primadonnen, Potentaten auf Torfatmung umstellen, hupt eine Versalienschleuder Breitwandmüll in die Netzhaut der intellektuellen Aufstocker. Alles windet sich vor Betroffenheit, als wäre der eine Typ, um den es gerade geht, nicht auch noch einen Tag später noch tot. Vielleicht führt gerade das ritualisierte Bedauern, dass wieder einer den ganzen Mist hinter sich hat, zu einer Art zwangsgestörten Geweses, um sich wenigstens emotional mit dem Lauf der Dinge auseinanderzusetzen, wenn sie schon den Verstand zum Durchglühen bringen. Wer fünf Minuten früher zu heulen anfängt, hat wohl ein Anrecht auf Bonuspunkte, sitzt eine Reihe weiter vorne, gewinnt die Runde und kriegt ein Eis.
Der Hintergrund, dass sich Medienverbraucher von den Medien verbrauchen lassen durch einen überfallartig sich aktualisierende Nachrichtendienst im Dauerstakkato, ist einerseits die tief in ihrem Konkurrenzparadigma festgefrästen Gesellschaft, in der einer mehr gilt, der fünf Minuten früher alles weiß, was die anderen schon fünf Minuten später schon nicht mehr interessieren wird, weil es dann andere Sachen zum Wissen gibt, ad nauseam. Es ist andererseits ein Symptom, dass die Kommunikation längst durch Sprechblasen ausgefüllt wird, in denen vorgestanzter Murks mit vernachlässigbar geringer Halbwertszeit schwabbert. Die Meute schmeißt wie in Trance mit Sprachfetzen, trifft kollateral auf alles und nichts, hat aber schon für eine Erklärung, was uns die Nachricht bedeuten soll, keine Zeit mehr. Als einzig funktionierendes Werkzeug in einer freidrehenden Welt scheint die Abrissbirne gerade recht zu kommen, mit der man sich die Bilder von Bombenanschlägen gerade noch vom Hals schaffen kann, wenn man das Ding gezielt in Frontzahnhöhe kreisen lässt. Wenn es schon Opfer gibt, warum soll man immer nur selbst zu ihnen gehören. Und mit etwas Glück halten sie hinterher sogar die Klappe.
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