„Aber das kann man doch nicht als Traditionspflege bezeichnen!“ „Als was denn sonst? wir können den Leuten doch schlecht sagen, die machen hier einen Aufmarsch rechtsgerichteter Kräfte.“ „Die treiben uns vor sich her – haben Sie sich mal überlegt, was das für eine Außenwirkung hat?“ „Was sollen wir denn sonst machen? Einladungen zum Bürgerkrieg verschicken?“
„Sie sind doch als Politiker erledigt, wenn Sie sich mit einer Herde brauner Dumpfbacken an den Verhandlungstisch setzen.“ „Sehen Sie mal, und bleibt ja gar nichts anderes übrig. Das Angebot zum Gespräch kam ja von denen, nicht von uns.“ „Das ist doch genau der Punkt!“ „Immerhin sehe ich hier eine gewisse Wertschätzung der demokratischen Politiker gegenüber.“ „Bitte!?“ „Man sagt doch immer, mit Terroristen verhandelt man nicht, aber mit uns wollen sie verhandeln. Da scheint mir der Zug doch noch nicht abgefahren zu sein.“
„Haben Sie das überhaupt gelesen?“ „Ist doch nett gemacht, ein bisschen viele Rechtschreibfehler drin, aber sonst?“ „Ob Sie das gelesen haben?“ „Das Gesprächsangebot? ja, das liegt noch auf dem Schreibtisch.“ „Was steht denn da?“ „Ach das, ja. Ich kann das nicht lesen, davon kriege ich immer so fürchterliche Kopfschmerzen.“ „Sie kündigen eine Waffenruhe an.“ „Das ist doch schon mal ein gutes Zeichen. Da können wir sicher sein, die wollen auch Recht und Ordnung in…“ „Waffenruhe.“ „Das ist ein erster Schritt in Richtung Normalität, den wir gemeinsam mit den…“ „Wissen Sie überhaupt, was das Wort bedeutet?“ „Dass die besorgten Bürger…“ „Das sind gewaltbereite Nationalsozialisten.“ „Ein paar erlebnisorientierte Jugendliche könnten schon darunter sein, ja.“ „Erlebnisorientierte Jugendliche mit illegalen Waffen, die öffentliches Eigentum beschädigen und die Sicherheitsorgane angreifen.“ „Ja, darauf können wir uns einigen.“ „Das bedeutet, dass die Nationalsozialisten sich im Kriegszustand wähnen.“ „Deshalb ist es doch um so besser, dass sie von sich aus jetzt erstmal eine Waffenruhe…“ „Und zwar in genau dem Bürgerkriegszustand, den die AfD vorher angedroht hat.“ „Und genau deshalb ist es doch um so besser, dass wir uns auf eine friedliche Lösung einigen können.“ „Wer spricht davon, dass es die Nationalsozialisten überhaupt wollen?“ „Sind Sie etwa misstrauisch? Immerhin haben sie uns dieses Gesprächsangebot gemacht.“
„Und wie stellen Sie sich das praktisch vor? sollen wir etwa zusehen, wie ein Trupp brauner Gewalttäter mit singendem, klingendem Spiel in die Stadt einzieht und Reichskriegsflaggen aufpflanzt?“ „Sie übertreiben, das würden die sicher nie tun.“ „Dann bezeichnen sie sich bestimmt nur zufällig als Nationale Front.“ „Das hatte ich gar nicht gewusst.“ „Sie haben es doch gelesen.“ „Aber ich hatte nicht gewusst, dass die es ernst meinen.“ „Was denken Sie, meinen die mit einer vorläufigen Ruhepause?“ „Die Bürger können sich wieder entspannen, es gibt keine Krawalle. Hier herrschen wieder Ruhe und Ordnung.“ „Und was verstehen Sie unter Taten, die den Ankündigungen der Politik folgen müssen?“ „Ich weiß ja auch nicht. Also fordern die von uns etwas?“ „Dass sich die demokratisch gewählten politischen Vertreter den Nazis unterordnen und verfassungsrechtlich nicht legitimierte Repressalien gegen Minderheiten beschließen.“ „Das würden die nie machen. Das dürfen die doch gar nicht!“ „Sie meinen, die wollen uns drohen? Womit denn, wir haben ja nicht mal eine Synagoge zum Anzünden!“
„Was verstehen Sie denn eigentlich unter einem Lösungsansatz?“ „Darüber kann man reden, oder? Wir müssen die Sorgen der Bürger ernst nehmen.“ „Und wenn diese Bürger bei Ihnen ankommen und erklären, dass sie von der Demokratie die Schnauze voll haben?“ „Das kann ich mir nicht vorstellen.“ „Das tun sie gerade.“ „Wie soll das denn gehen, wir können hier ja nicht einfach eine national befreite Zone einrichten, das ist nach meiner Kenntnis – ist das widerrechtlich, auch weil die EU…“ „Sie sind ernsthaft besorgt, dass sich die Brandstifter nicht an die Hausordnung halten, stimmt’s?“ „Wir brauchen eine Lösung, mit der alle Bürger sich identifizieren können, da müssen wir langfristig eine Strategie entwickeln, wie wir die randalierenden Rechten und die demokratiefeindlichen Bürger in unserer Stadt wieder…“ „Ja?“ „… zusammenbringen. Da müssen wir ein Bündel von Maßnahmen entwickeln, wie wir die Menschen mit gesellschaftlichen Defiziten zurückgewinnen.“ „Und was versprechen Sie sich davon?“ „Man könnte hier zum Beispiel mal ein ernstes Wort mit den Migranten sprechen, damit sie endlich mal zur Kenntnis nehmen, dass sie sich hier in einem Rechtsstaat befinden, wo Behörden das sagen haben und nicht einzelne Meinungsführer. Das kann man gar nicht früh genug betonen.“
„Und Sie wollen jetzt das Schützenfest als die geeignete Maßnahme zur Konfliktlösung ins Gespräch bringen?“ „Das hatte ich mir so gedacht, ja. Wäre ein sehr schönes, regional besetztes Event, das man mit allen gesellschaftlichen Gruppen feiern kann, in guter Atmosphäre unter freiem Himmel, als gute Gelegenheit, um miteinander ins Gespräch zu finden. Da kommen dann auch die Menschen aus dem Umland zu uns, es wird viel getrunken, man hat Zeit und Muße, sich auf eine Diskussion mit ideologischen Gegnern einzulassen – meine Güte, was erzähle ich Ihnen das! Wozu ist denn so ein Schützenfest sonst da?“
Satzspiegel