Im Namen des Gesetzes

31 10 2016

„Und wenn man es einfach legalisieren würde?“ „Das habe ich Ihnen doch schon lang und breit erklärt. Es geht nicht. Es ist schließlich gesetzlich verboten, das kann man nicht einfach legalisieren.“ „Man kann also eine gesetzliche Regelung nicht aufheben oder verändern, weil es ein Gesetz gibt?“

„Sie haben das nicht richtig verstanden.“ „Das fürchte ich auch. Erklären Sie es mir doch.“ „Eine gesetzliche Regelung ist eben eine Vorschrift.“ „Und die schreibt was vor?“ „Was richtig ist.“ „Verbietet das Gesetz nicht eher, was falsch ist?“ „Auch, aber das ist jetzt schon viel komplizierter.“ „Macht nichts. Erklären Sie es mir trotzdem.“ „Das führt Ihnen zu weit? oder verstehen Sie es einfach nicht?“ „Also bitte, ein Gesetz verbietet Sachen, die nicht in Ordnung sind.“ „Wie braune Socken zu blauen Schuhen.“ „Nein, das haben Sie jetzt nicht ganz richtig verstanden.“ „Wieso nicht? ist das etwa tolerierbar?“ „Nein, aber…“ „Und warum ist es dann nicht verboten?“ „Man kann über Geschmack streiten, aber man kann schlechten Geschmack nicht verbieten.“ „Warum nicht?“ „Schauen Sie, wir leben hier in einem Rechtsstaat.“ „Ich nehme das mal so hin.“ „Da kann man nicht alles verbieten, was dem einen oder anderen nicht passt, da braucht man dann eine…“ „Deshalb verbietet man zum Beispiel nur, was der liebe Gott nicht will.“ „Ich sagte, wir leben in einem Rechtsstaat. In einem säkularen dazu.“ „Ich nehme mal zur Kenntnis, dass Sie das möglicherweise ernst meinen könnten.“

„Natürlich ändert man Gesetze oder denkt sich neue aus.“ „Warum denn?“ „Der Gesetzgeber muss berücksichtigen, dass sich die Lebenswirklichkeit ändert, die Gesellschaft, die Technik, solche Sachen halt.“ „Wenn jemand plötzlich das Beamen erfindet, dann brauchen wir Beam-Gesetze?“ „Ja, und der Gesetzgeber muss dabei vieles berücksichtigen. Wer was wann wie wohin beamen darf. Und ob es fürs Beamen generelle Einschränkungen braucht.“ „Für den Luftverkehr gab es das auch?“ „Ja, für alle technischen Dinge, zivil und militärisch.“ „Also auch fürs Internet.“ „Was soll die Frage jetzt?“

„Warum wurde die Bestrafung der Kuppelei dann abgeschafft?“ „Was hat das mit dem Beamen zu tun?“ „Es war seit 1870 bei Strafe verboten, der Unzucht Vorschub zu leisten. Auch bei Handlungen, die nicht dem Eigennutz dienten, waren bis zu fünf Jahre Zuchthaus dafür vorgesehen.“ „Ja, das war natürlich in der Vergangenheit, die hatten total andere Vorstellungen von Moral und…“ „Das galt bis 1970.“ „Das kam noch aus dem Mittelalter, da haben die…“ „Wie gesagt, 1870 kam der Paragraf ins Strafgesetzbuch.“ „Das waren die Sitten damals. Wir sind natürlich viel weiter.“ „Man konnte ein Gesetz einfach so abschaffen, obwohl es eine gesetzliche Regelung gab?“ „Die Bewertung hatte sich eben geändert. Das kann auch mal sehr schnell passieren, wenn politische Umstände in einem anderen Licht betrachtet werden.“

„Die Kuppelei war also plötzlich nicht mehr verwerflich im Namen des Gesetzes?“ „Es geht hier nicht um den Namen des Gesetzes – das ist ja nur das Vehikel, um im Namen des Volkes Recht zu sprechen.“ „Im Namen des Volkes?“ „Das sagt uns, dass die Rechtsprechung in einem Rechtsstaat nicht in der Luft hängt, sondern durch die Verfassung im Namen des Souveräns agiert.“ „Das Volk ist also der Träger des Rechts und kann entscheiden, was richtig und was falsch ist?“ „Naja, nicht ganz. Es wird durch die Volksvertreter vertreten.“ „Deshalb heißen die ja auch so.“ „Und sie können auch nicht einfach so entscheiden. Sie müssen schon beachten, dass sie ein Rechtsgut schützen.“

„Und so ein Rechtsgut kann jeder Bürger haben?“ „Natürlich.“ „Also mein Fahrrad, richtig?“ „Im Prinzip ja. Wobei, das Rechtsgut ist dann die Tatsache, dass Sie dies Fahrrad besitzen.“ „Mein Fahrrad wird vom Gesetzgeber nicht geschützt?“ „Das Eigentum wird geschützt. Wenn es rostet, ist das Ihr Problem. Aber wenn es gestohlen wird, kümmert der Staat sich darum.“ „Theoretisch.“ „Im Grunde genommen auch praktisch, aber lassen wir das.“ „Und wenn sich mein Nachbar das Fahrrad nimmt, um einen Bankräuber zu schnappen?“ „Das hat notwendigerweise Rechtsfolgen.“ „Aber er darf das?“ „Ja, das Rechtsgut, das er dabei zu schützen hilft, ist höher zu bewerten als der Besitz an Ihrem Fahrrad.“ „Deshalb darf ich auch am Auto, das den Bankräubern als Fluchtwagen dienen soll, die Türschlösser verkleben?“ „Korrekt. Sie haben es wohl doch verstanden.“ „Und der Staat vertritt auch seine Rechtsgüter?“ „Freilich, die sind universal, also werden sie im Interesse der Öffentlichkeit geschützt.“ „Weil der Staat das Volk als seinen Souverän zu schützen hat in der Wahrnehmung des Rechtsfriedens.“ „Donnerwetter, Sie haben ja tatsächlich Ahnung von der Sache! großartig!“ „Und ein Abbau universaler Rechtsgüter, etwa der Eingriff in die öffentliche Sicherheit, ist nur in sehr eng begrenzten Ausnahmen möglich, wobei umgekehrt der Schutz der Sicherheit üblicherweise Vorrang hat, da er zugleich die Individuen vor rechtswidrigen Eingriffen bewahrt.“ „Sie haben doch nicht etwa heimlich juristische Methodenlehre gelernt?“ „Ach was. Ich wollte einfach nur mal verstehen, wie im Rechtsstaat Gesetze gemacht und in der Rechtspflege angewandt werden.“ „Toll, ich bin ganz begeistert von Ihnen!“ „Hm, danke.“ „Nein, wirklich! Ich könnte mich stundenlang mit Ihnen unterhalten, über Rechtsdogmatik zum Beispiel.“ „Gut, dann reden wir doch mal über den Bundesnachrichtendienst.“





Versprecherbande

30 10 2016

Hoch und heilig. Und dabei hat Gabriel diesmal nur die Privatisierung der Autobahnen ausgeschlossen. Kategorisch. Eine Heldentat, die sich der SPD-Vorsitzende persönlich an die Brust nagelt – der Rest des Wirtschaftsministeriums, im Gegensatz zu der peinlichsten Erscheinung im Ressort weniger durch eine schizoide Psychose als durch juristische Staatsexamina zu erkennen, kapiert wenigstens, was der Vize da unterschrieben hat. Die Lobbyisten verlangen eine unter staatlicher Regelung stehende privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft zur Bewirtschaftung der Straßen. Ob als AG oder als GmbH, das hat den von jeder Sachkenntnis ungetrübten Lautsprecher schon nicht mehr interessiert. Steuerzahler, Pendler, Mittelschichtler werden es merken, wenn es zu spät ist. Was ein Verkauf von 100 Prozent aller Anteile bedeutet, müssen nur Schulkinder wissen. Oder Tengelmann-Angestellte, die bis jetzt noch die Versprecherbande gewählt haben sollten. Alle weiteren Anzeichen, dass Bildungsmangel ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • heile heile gänschen: Hat die AfD nicht inzwischen verkündet, sie wolle das Wort ‚Heil‘ wieder positiv besetzen?
  • wie sie wirklich: Weiß keiner.
  • rechtsabteilung spd berlin: Eine Linksabteilung werden Sie da auch nicht mehr finden.




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCCXVI)

29 10 2016

Da Čestmír und Leoš in Baschten
im Wirtshaus oft saßen und paschten,
war’s schon Morgengrauen,
dann kamen die Frauen
hinzu, die sie sehr überraschten.

Murlidhar, der klagte in Meerut,
er habe die Dürre schon sehr satt.
Er fing an zu sparen,
und schon nach zwei Jahren
war’s er, der die Hütte am Meer hat.

Es lauschte Nataša in Austen,
wie draußen die Herbstwinde brausten.
Die Schwestern erschienen
blass an den Gardinen
und fragten verwundert: „Was schaust’n!?“

Es muss Eef beim Kochen in Heusden
Kartoffeln den ganzen Tag rösten,
die er vorher schnitzte.
So stand er und schwitzte,
bis ihn andre Köche erlösten.

Wenn Michal sich Holz holt in Wettern,
greift er zu den erstbesten Brettern.
Es sind oft sehr teure,
vom Preis ungeheure.
Die Rechnung bekommen die Vettern.

Yacoub fragt man, der in Tintane
sich Garn kauft, was er damit plane.
Im Pfund schleppt er Fäden,
das wunderte jeden.
Er stickt damit nur eine Fahne.

Dass Iva die Tafel in Brüx
ganz aufaß, abzüglich des Stücks
von der Schokolade,
das sie fand gerade,
macht sie zuletzt doch voller Glücks.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCL): Die Reichsbürgerreligion

28 10 2016
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Irgendwann dürfte es sie erwischt haben. Betet ein synapsentechnisch voll verseifter Gnom, dessen Existenz bisher keinen Gegenstand interessiert hat, das falsche Abstraktum an, hakt das größtenteils auf mechanischer Ausschussware laufende Großhirn im falschen Zahnkranz ein. Sensible Naturen neigen womöglich dazu, sich in den Eiffelturm oder einen Bagger zu verlieben – immerhin gibt so ein Objekt ja etwas zurück – oder sie gründen aus Selbstsucht Klöster in den Slums. Wer zugleich seine niedersten Instinkte zu befriedigen sucht, verschluckt sich am Glauben als solchem und beglückt die Welt mit der Kettensäge, gerne auch gegen ihren Willen. Das tauft zuerst und schlachtet dann ab, denn siehe: dem Buchstaben des Gesetzes ward Genüge getan. Jenes Durchsetzen des subjektiv Guten durch Gewalt ist die faulige Wurzel des Radikalismus, auch da, wo er in politischer Maskerade die Monstranz geistiger Verkommenheit vor sich herträgt. Reichsbürger, die ihre Halluzinationen zum Normalzustand erklären, leiden nicht unter einer entzündeten Nostalgiedrüse. Es sind religiöse Fanatiker.

Gemein ist den Frömmlern sämtlicher Richtung die strikt autoritäre Persönlichkeit, die nur das glaubt, was sie nicht nur nicht versteht, sondern auch weder beweisen noch widerlegen kann, es sei denn mit reichlich Fehlschlüssen aus gut geölter Indoktrinationsmaschinerie. Credunt, quia absurdum. Wie Wirrschädel ihre Vernunft in brennender Wut an der Garderobe abgeben, so ist natürlich nicht, was nicht sein darf, und beides heilt sich, Teufel und Beelzebub, in der Rosskur der Borniertheit. Jeder Fanatismus bemüht zunächst die Abnormen, allerdings nicht unbedingt pathologisch interessante Fälle – Führer immer ausgenommen – im Gefolge irgendeiner niedermolekular verzahnten Denkschwäche mit Emotionshintergrund. Herrgott! Vaterland! Rendite! Die Geschichte zeigt, dass der Hominide jedem unsortierten Wortdurchfall glaubt, wenn das Höhere Wesen ihm gibt, was andere nicht haben werden. Millionen unterschreiben, um auch garantiert zu den tausend Auserwählten zu gehören, denen nachwachsende Jungfrauen Psalmen ins Ohr gurgeln. Doch nur der Fanatiker glaubt unfrisiertem Gestrüpp, weil er das, was er für Vernunft hält, auf Dauer einer zerzausten Erleuchtung widmen kann, ohne sich auf manisch-abgewrackte Episoden des gemeinen Einsiedlers verlassen zu müssen, der als Medikamententester den besseren Lebensunterhalt auf die Reihe gekriegt hätte. Generell Gesunde sind eher Soldaten des Irrsinns, sie haben das Zeug, die Lunte auch anzustecken.

Fanatismus ist eine Gefahr von oben, denn nicht das Ausleben psychischer Produktionsfehler steht im Vordergrund, sondern hündischer Gehorsam unter die höhere Idee. Dass nun der Staat, jenes in sich durch Demokratie und wechselnde politische Richtungen aufgeweichte Gespinst, nicht mehr hilft bei der Überkompensation persönlicher Defizite, weil er den nationalistischen Blubberlutsch brauner Dumpfklumpen nicht mehr zur Prägung braucht, trifft alle, die Krücken aus scheinbar rationalem Zeug schwiemeln, um dann mit dem Glauben im Regen stehen zu bleiben. Statt einer Ideologie, die mit unterschiedlichen historischen Hintergründen unter vielen streitet, suchen Reichsschlümpfe sich ein Gerüst aus unantastbaren Wahrheiten, das jeder logischen Erschütterung dadurch standhält, dass es sie als Gotteslästerung wegputzt. Aus irrational-metaphysischem Kontext, für dessen intellektuelle Durchdringung sie schlicht zu bescheuert sind, wollen sie basteln, was als Schnapsidee für eine betriebsbereite Gesellschaft reicht, den säkularen Gottesstaat. Das ist wie der Bau einer Kathedrale aus Spaghetti: es funktioniert auf dem Papier.

So schenkt die Umquarkung der Geschichte wider besseren staats- wie völkerrechtlichen Wissens die jähe Erleuchtung, in den Gefilden der Rechtschaffenheit angekommen zu sein, von wo aus der Satan mit Steuerhinterziehung und illegalen Schusswaffen zu liquidieren sei, in einer streng von der Außenwelt angeschiedenen Gruppe, die ihre Hierarchie für so gottgegeben und rechtschaffen hält, dass sie einander die Schädel einschlagen, sich Führerscheine malen, Krankenversicherungen in Bausch und Bogen ablehnen – es sei denn, einer von ihnen hat plötzlich Schnupfen, eine von der BRD GmbH mit Impfgiften transportierte Seuche – und die Welt der Finsternis nur dann betreten, wenn sie plötzlich Arbeitslosengeld haben wollen. Bis dahin vernagelt sich die Sekte in ihrem eigenen Wandschrank, popelt sich eigene Götter zurecht, die sie angeblich ablehnen, folgt sorgsam ausgewählten falschen Propheten mit wechselnden Königs- oder Kaiserkrönchen und wundert sich, dass in diesem Quirl aus Dreck und Letten die Identifikation flöten geht. Man sollte die Gesichtszombies feierlich zur Erde bestatten, allesamt mit der Visage nach unten, ordentlich Erde nachschaufeln, Sediment für eine fröhliche Auferstehung nach der nächsten Episode aus Dinosauriern, und sobald das Geschabe am Sargdeckel nachlässt, Autobahnkirchen aus Beton über die Gräber klatschen, mit Lautsprecheranlagen und brechreizerregend blinkender Leuchtreklame: Dein Reich komme. Aus Gründen.





Meine Tante, Deine Tante

27 10 2016

„… jetzt zügig in die Koalitionsverhandlungen einsteigen wolle. Gabriel sei sich sicher, dass Grüne und Linke für das Projekt auf einem guten…“

„… ein frühzeitiges Scheitern drohe. Der designierte Außenminister Kretschmann könne nicht akzeptieren, dass seine Partei nach der Wahl den angekündigten Beitrag zur Energiewende auch wirklich…“

„… Einigkeit darüber herrsche, dass die von Gysi geforderte Vermögenssteuer nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden dürfe. Gabriel sehe Steuerhinterziehung als ein in der EU weit verbreitetes Geschäftsmodell, das nicht durch eine verfehlte Gesetzgebung aus Deutschland…“

„… den Bundeshaushalt durch legalisiertes Cannabis konsolidieren könne. Özdemir wolle trotz anderslautender Gerüchte die regionale Produktion aus nachhaltigem Anbau mit steuerlichen Mitteln sehr weitreichend…“

„… neue Arbeitsplätze durch den ökologischen und sozialen Umbau der Gesellschaft gefordert habe. Göring-Eckardt sei zu Kompromissen mit den Linken bereit, wenn diese im Gegenzug eine steuerfinanzierte Missionierung des deutschen Ostens durch die EKD…“

„… halte es Oppermann für nicht zu verantworten, dass sich die Linken bei militärischen Auslandseinsätzen der Bundeswehr weiterhin an die grundgesetzlichen Vorgaben halten wollten. Die Sozialdemokraten seien jedoch im Grundsatz zu einem Kompromiss bereit und würden einer Verfassungsänderung jederzeit positiv…“

„… erstmals wieder Einigkeit zwischen SPD und Grünen erzielt worden sei. Die Lage der Erwerblosen müsse gegen die Interessen der globalisierten Wirtschaft verteidigt werden. Dazu werde die Regierung die Hartz-Gesetze zwar im Wesentlichen beibehalten, eine Absenkung der Regelsätze und unumgängliche Verschärfungen der Sanktionspraxis erst in der zweiten Hälfte der Legislatur…“

„… könne Deutschland jetzt nicht auf eine Ausweitung seiner Rüstungsexporte auf Krieg führende Staaten verzichten. Bartsch habe das Gespräch abgebrochen, als der designierte Verteidigungsminister Kretschmann mit dem Vorschlag, Kriegswaffen immer paritätisch an alle am Konflikt beteiligten Nationen zu…“

„… eine sofortige Angleichung des Lohn- und Rentenniveaus in den neuen Bundesländern fordere. Kipping lehne den Vorschlag der SPD, dafür in drei Stufen eine Rente mit 89…“

„… den Mindestlohn nicht aufweichen wolle. Der designierte Wirtschaftsminister Kretschmann habe allerdings angekündigt, dass es bei den neu zu schaffenden Ausnahmen keine Denkverbote…“

„… aus der Partei ausschließen müsse, da er verfassungswidrige und extremistische Gedanken vertrete, die in einem Linksbündnis nichts zu suchen hätten. Zum Ausgleich für Lafontaine schlage Hofreiter dafür vor, auch Sarrazin aus der SPD zu…“

„… die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zum Kernthema der Verhandlungen machen wolle, um sich den anderen Parteien inhaltlich zu nähern. Riexinger habe allerdings kritisiert, dass dies nur für Gabriel gelte, der als Teilzeitkanzler trotz voller Bezüge das Kabinett in den…“

„… sich die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide an die neuen deutschen Regelungen anpassen müssten, um die Autoindustrie nicht zu verprellen. Der designierte Umweltminister Kretschmann prophezeie immense Schäden durch den Schadstoffausstoß, der einen Jobboom in der Umwelttechnik wie auch im medizinischen…“

„… drohe Özdemir mit einem Ausscheren und der umgehenden Aufnahme von grün-schwarzen Sondierungsgesprächen, wenn Oppermann nicht aufhöre, sich heimlich mit Kauder zu…“

„… die Mietpreisbremse auch offiziell wieder abschaffen wolle, wenn im Gegenzug Sicherheiten für neue Immobilienkredite gewährt würden. Die von Wagenknecht geforderte Verstaatlichung der pleite gegangenen Banken sei ein weiteres Hindernis auf dem Weg in eine…“

„… könne Deutschland weder auf erhöhte Grenzwerte noch auf Kohlekraftwerke verzichten. Gabriel unterstütze das Vorhaben seines designierten Bildungsministers Kretschmann, der der Krebsforschung am Wissenschaftsstandort Deutschland damit einen sehr viel besseren…“

„… das Koalitionsvorhaben inhaltlich sehr stark verschlanken wolle. Einig seien sich SPD und Grüne darin, einen Großteil des Vertrags gar nicht erst umsetzen zu können, da die Schuldenbremse nur den Notbetrieb bis zur neuerlichen Krise des…“

„… von einer gemeinsamen Substanz getragen sei, die für eine Erneuerung der Politik stehe. Linke und Grüne hätten sich bereits informell darauf verständigt, mit anderen Bündnispartnern auch eine Minderheitenregierung zu…“

„… aber gegen den Widerstand der Linken unbedingt durchsetzen wolle. Die Finanzierung von Homöopathie als Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherungen sei für den designierten Gesundheitsminister Kretschmann eine gute…“

„… sich dahin gehend einig seien, dass eine weitere Kanzlerschaft Merkels das geringere Übel darstelle. Ansonsten genieße Gabriel in der SPD aber ein tadelloses…“

„… die Entwicklungshilfe mehr an die Wahrung von Menschenrechten und Demokratie koppeln wolle. Der designierte Außenminister Kretschmann stimme Gysi zu, gebe aber zu Bedenken, dass die Entwicklung klimaneutraler Elektropanzer eine im internationalen Kontext unabdingbare Ergänzung zum Export von europäischem Geflügel und…“

„… auch mit TTIP nach Karlsruhe ziehen wolle, wenn sich Gabriel nicht endgültig auf eine Meinung festlegen könne. Der SPD-Chef habe verlauten lassen, er wolle erst nach einem Mitgliedervotum die…“

„… nicht mehr zur Verfügung stehe. Die Grünen hätten ihren plötzlichen Ausstieg damit begründet, dass Kretschmann auf keinen Fall als Minister für Landwirtschaft und…“





Abrechnung

26 10 2016

„Kommen Sie gleich mit durch, dann zeige ich Ihnen den Arbeitsplatz. Wir sind hier sehr modern eingerichtet, die Amerikaner zahlen das ja. Und den Rest geben uns die Rothschilds dazu.

Ihren Referenzen entnehme ich, dass Sie bisher im öffentlichen Dienst beschäftigt waren? Sehr gut, Ihre Kenntnisse werden wir gut brauchen können in der BRD GmbH. Wir sind, wenn Sie so wollen, der nicht öffentliche Dienst. Und wir arbeiten natürlich auch nicht für die Bevölkerung, sondern für unsere Auftraggeber. Wenn man Sie fragt, dann sagen Sie am besten, Sie arbeiten in einem gesellschaftlich engagierten Unternehmen. Das ist sogar fast richtig.

Hier hätten wir also unsere Schreibtische, und da hinten ist die Kaffeemaschine – wer den letzten aus der Kanne nimmt, kocht neuen nach – und da geht’s zum Archiv. Das sind die vier Stockwerke unter uns. Für manche Verwaltungsvorgänge ist es immer noch besser, man sammelt die Daten in Schriftform. Hier hätten wir den Übersichtsplan, wo Sie welche Ausweise finden. Die Nummern sind dabei das Erkennungszeichen. Wir nennen den Raum auch scherzhaft die Personalversammlung.

Naja, es ist eigentlich nicht großartig anders als in anderen Firmen, nur haben wir halt 80 Millionen Angestellte und freie Mitarbeiter. Alles ein bisschen größer, aber im Grundsatz nimmt sich das nichts. Ja, Ihr Sachgebiet wären Steuern und Abgaben, die müssen abgeglichen, notfalls eingetrieben werden. Wir haben dazu Außendienstmitarbeiter, die wir der Einfachheit halber in Ämtern konzentriert haben. Finanzverwaltung halt. Gerichte, Gefängnisse, das volle Programm. Das läuft natürlich alles unter unserem Label, damit uns da keine Nachahmer in die Quere kommen. Stellen Sie sich mal vor, da würde einer auf eigene Faust eine Fernsehabgabe kassieren oder Rentenversicherungsbeiträge – da wäre die Hölle los bei unseren Auftraggebern. Das möchten Sie nicht erleben.

Wobei wir als nicht öffentliches Unternehmen selbstverständlich auch nichts anderes sind als ein ganz normaler Marktteilnehmer. Sie werben zum Beispiel neue Mitarbeiter, und dafür bekommen Sie Prämien ausbezahlt, nehmen an unserem internen Bonussystem teil, bekommen Personalrabatte – Sie kennen das zum Beispiel als Kindergeld – und dann steigen Sie in der Unternehmenshierarchie auf. Das müssen wir als Anbieter staatsähnlicher Leistungen einfach anbieten. Der Markt ist hart umkämpft, und ehe uns ein Mitbewerber in die Quere kommt, überzeugen wir lieber unsere Mitarbeiter durch mehr Zufriedenheit im Unternehmen.

Nehmen Sie mal den Bogen hier. Was sehen Sie da? Richtig. Der Mitarbeiter hat bei unserem militärisch-industriellen Komplex Waren gekauft, in diesem Fall ein Kraftfahrzeug, und was wird da jetzt fällig? Nein, die Versicherung gehört nicht zu unserem Konzern, das ist ein Subunternehmen. Die zahlen ganz normal Schutzgeld – Umsatzsteuer, ich wollte Umsatzsteuer sagen, die zahlen also die Umsatzsteuer, und dann dürfen sie in unserem Gebiet einer gewinnorientierten Tätigkeit nachgehen. Sie müssen das Blatt hier anheften, und dann darf er die Mineralölsteuer entrichten. plus Kraftfahrzeugsteuer. Sie kümmern sich in Ihrer Abteilung nur um die Abgaben. Die Abrechnung machen ganz andere Leute.

Seit 1949. Damals waren 50.000 Mark eine Menge Geld, aber das haben uns natürlich die Alliierten vorgestreckt. An den Zinsen zahlen wir bis in alle Ewigkeit. Aber das wissen Sie ja sicher längst. Doch, wir sind selbstverständlich immer noch liquide. Die großen Immobilienblasen, der Euro, die Asylindustrie, der Umvolkungstourismus, das sind nicht direkt Unternehmenszweige, aber wir nutzen gewisse Synergien. Wenn ein Manager im Aufsichtsrat eines Unternehmens sitzt und zufällig auch im Aufsichtsrat eines anderen Unternehmens, dann lassen sich die Ziele der beiden Unternehmen möglicherweise etwas leichter koordinieren, wenn der eine Entscheidungsträger in den Spiegel rein und der andere wieder rausguckt. Wir sind nun mal ein Wirtschaftsunternehmen und nicht das Sozialamt der Welt.

Natürlich bieten wir hier auch regelmäßig Weiterbildungsveranstaltungen an. Zum Beispiel ändert sich alle paar Wochen die Gesetzeslage, zum Teil auch noch öfter. Und wir haben es mit extrem komplexer Materie zu tun, die kapiert nicht einmal unsere Rechtsabteilung. Aber das liegt eben auch daran, dass die Alliierten nicht nur auf die Wall Street und die Weisen von Zion hören müssen, mittlerweile sitzt im Aufsichtsrat der Weltregierung auch der internationale Islam. Also wenn Sie bisher in einer Behörde beschäftigt waren, in der ständige Kompetenzstreitigkeiten zum Arbeitsalltag gehörten, dann fühlen Sie sich hier wie zu Hause. Dagegen ist eine deutsche Forstverwaltung ein Kindergeburtstag.

Nein. Eine Gesellschafterversammlung hat es bisher noch nicht gegeben, das wäre auch etwas zu kompliziert. Und das mit der beschränkten Haftung ist auch in Vergessenheit geraten, unsere leitenden Angestellten werden nur weiterbeschäftigt, wenn sie alle Versprechen gehalten haben. Sie nennen die wahrscheinlich Politiker, ich habe keine Ahnung, man kommt hier so selten vor die Tür. Aber gut, jetzt wollen wir langsam mal an die Arbeit, der Laden muss ja laufen. Sind da von Ihrer Seite noch Fragen?“





Spätlese

25 10 2016

„… das Problem der Zuverspätung nicht mehr in diesem Winterfahrplan lösen könne. Dennoch habe die Deutsche Bahn AG zahlreiche gute Ansätze, um ihren gewohnt hohen Standard auch in Zukunft für alle Kunden…“

„… viele Pendler täglich ihre Anschlusszüge um knapp drei Minuten verpassten. Die Einrichtung kostenpflichtiger Wartezonen könne dabei helfen, einen Bahnbetrieb zu finanzieren, der durch noch weniger verspätete…“

„… sich die Scheiben aus physikalischen Gründen nicht mehr öffnen ließen, was im Sommer zu einer Überhitzung der Züge führen könne. Die Deutsche Bahn AG wolle dahin gehend Abhilfe schaffen, dass bei einem Ausfall der Klimaanlage der ICE nun automatisch im Schritttempo…“

„… die Zugverbindung Hamburg Hbf–Hannover Hbf mit einer Fahrzeit von 72 Stunden zu planen. So könne auch ohne ein Fortbestehen des Baustellenfahrplans nach Abschluss sämtlicher Gleisbauarbeiten eine pünktliche Ankunft innerhalb der Toleranzgrenzen…“

„… in jedem Regionalexpress zwei Fahrräder der DB mitzuführen seien. So wolle der Konzern demonstrieren, dass das Mitführen von Fahrrädern wie erwünscht funktioniere, zeige aber zugleich den Fahrgästen, dass die Nutzung dieses Services auch bei noch so frühzeitiger Anmeldung unter keinen Umständen in…“

„… sich der Vorstand lobend geäußert habe, dass ein erheblicher Teil der Zugverbindungen ausfalle. Es bedeute, dass diese Züge auf gar keinen Fall mit Verspätung oder einem…“

„… und sich den Fahrgästen gegenüber viel transparenter verhalten wolle. So werde der Verspätungsgrund ‚Wir haben zwar keine Ahnung, es interessiert uns aber auch nicht‘ nun offiziell…“

„… die Gepäckbeförderung der Deutschen Bahn AG noch einmal überdenken wolle. Werde dieser Service gestrichen, könne das Unternehmen die Anzahl der in Verlust kommenden Gepäckstücke um einhundert Prozent…“

„… gelte ein Zug dann als nicht verspätet, wenn er weniger als sechs Minuten verspätet sei. Der Vorstand habe sich darauf geeinigt, dass ein Zug dann, wenn nicht mehr als die dreißigfache Anzahl an maximal zulässigen Passagieren an Bord seien, offiziell als nicht ausgelastet…“

„… sich die Anzahl der Türstörungen effektiv verringern lasse, wenn bis zur Abfahrt des Zuges keine Fahrgäste mehr in den…“

„… wahlweise das Bordbistro schließen oder aber den Verzehr mitgeführter Lebensmittel im ICE untersagen wolle. Beides würde die Bilanz der Bahn zu verbessern helfen, in Kombination würde es zur einer noch klareren Imagekommunikation des Transportunternehmens…“

„… es theoretisch möglich sei, dreitausend Fahrgäste in einem Triebzug der Baureihe 611 zu befördern. Bei einer konstanten Unterschreitung des Solls müsse man sich als unrentabel erweisende Streckenabschnitte durch Schienenersatzverkehr…“

„… sich Verspätungen auch aus einer nicht fortlaufenden Wagenreihenfolge ergeben könnten. Das Zugbegleitpersonal sei damit überfordert, fortlaufend nummerierte Reservierungspapiere in die nicht fortlaufend…“

„… meistens daran liege, dass die Zugführer die Fahrpläne erst nach Dienstantritt zu lesen bekämen. Diese Spätlese führe zu…“

„… keinen Halt auf offener Strecke mehr gebe, weil der Lokführer seine Ruhezeiten einhalten müsse. Es sei geplant, Ersatzkräfte in geringfügiger Beschäftigung mitzuführen, die zweimal am Tag für je fünfzehn Minuten im Führerstand…“

„… wolle die Deutsche Bahn AG auch die Kundenkommunikation verbessern. So müsse im Fahrkartenverkauf stets gefragt werden, ob sich eine Bahnreise für potenzielle Kunden lohne oder ob der schienenunabhängige Individualverkehr nicht doch die bessere und preisgünstigere…“

„… das Speisenangebot im Bordbistro erweiern und verbessern wolle. Künftig solle es nicht nur keine Gulaschsuppe mehr geben, sondern auch eine Unterversorgung mit Curryhühnchen, Lammfilet und in Rotwein gebeiztem…“

„… die bekannte Engstelle zwischen Würzburg und Nürnberg für noch mehr Güterverkehr nutzen wolle. So könnten im Verspätungssektor sehr gute Synergieeffekte für den ICE-Verkehr und alle…“

„… den Autoreisezug mehr bewerben wolle. So könne man als Kunde etwaige Zugverspätungen dadurch umgehen, dass das Kraftfahrzeug schon vorab an den Zielbahnhof…“

„… die Sechs-Minuten-Grenze an Sonn- und Feiertagen auf zehn Minuten ausweiten wolle, um ein besonders verspätungsarmes Reiseerlebnis…“

„… die Streckenstilllegungen auf eine jährlich zu erfüllende Quote gebracht werden müssten. Es sei mit den vorhandenen finanziellen Mitteln kaum mehr möglich, ein gleichbleibend großes Schienennetz in Deutschland zu…“

„… defekte Wagen nicht mehr ausgetauscht werden könnten. Dies führe dazu, dass ein Durchgang aus anderen Waggons nicht mehr möglich sei, was aber im normalen Zugbetrieb den Fahrgästen bereits…“

„… arbeite die Deutsche Bahn AG bereits an autonom fahrenden Zügen, die ganz ohne Reisende…“





Reisewarnung

24 10 2016

„Nein, nicht Terrorismus, Tourismus! obwohl, hier in Dresden geht das eine ja zuweilen fließend in das andere über.

Deshalb belehren wir die Gäste auch lieber vor der Einreise, damit wir dann hinterher nicht wieder so viele Straftaten haben. Und das ist ja auch kein einfacher Prozess, denn was der Sachse als Straftat ansieht, unterscheidet sich teilweise ganz erheblich von der gängigen Rechtsauffassung im übrigen Bundesgebiet. Die eigenen Taten eingeschlossen.

Also Sie waren schon mal in Sachsen? ach so, 1986 – nee, so viel hat sich nicht geändert. Die Einfuhr westlicher Presseerzeugnisse ist immer noch nicht erlaubt, und wir raten von Experimenten damit entschieden ab. Offiziell dürfen Sie sich auch nicht gegen Juden äußern, und wir empfehlen den Reisenden, keine Diskussionen mit Einheimischen darüber anzufangen. Teile der Bevölkerung fühlen sich dabei doch erheblich verunsichert, und dann sorgen die dafür, dass es zu Missverständnissen kommt. Halten Sie zu Themen wie Rassismus oder Gewalt gegen Minderheiten am besten den Mund. Die sächsische Landesregierung sollte Ihnen als Vorbild ausreichen.

Nehmen Sie so eine Fahne mit. Ja, das ist eine Reichskriegsflagge, aber Sie sind halt in Sachsen. Da fallen Sie ohne Reichskriegsflagge viel mehr auf als ohne. Einfach nur bei sich führen, wenn mal eine Menschenansammlung im Weg ist, ziehen Sie das Ding aus der Tasche, brüllen wirres Zeug, und dann lässt man Sie in Ruhe. Welche Sticker? die Hakenkreuzsticker, ach so. Ja, die haben wir noch, aber die geben wir nicht mehr aus. Das ist für die ganz schweren Fälle, wenn sich Passanten gar nicht mehr ins Straßenbild integrieren können und eine Art Schutzwaffe gegen die freie Meinungsäußerung anlegen müssen. Stellen Sie sich vor, Sie geraten in eine Verkündigung des gesunden Volksempfindens und sind vollkommen unbeteiligt, und Sie haben auch keine weiteren Vorkehrungen dafür getroffen, dass man Sie deshalb krankenhausreif schlägt. Da haben Sie ein Problem. Deshalb sollten Sie erstens den Verkehrsfunk genau verfolgen und zweitens die Hakenkreuzsticker immer griffbereit halten. Als Reisegruppe aus Israel kriegen Sie die zum Beispiel umsonst.

Sehr gut kommt ja gerade ein russischer Akzent, aber Sie als Wessis sind leider unterbegabt. Meinen Sie, Sie kriegen vielleicht einen sächsischen hin? Der ist nicht kompliziert, der macht einfach nur Schmerzen beim Sprechen, wenn man’s nicht so gewohnt ist. Wir machen mal einen Test, ja? Also da ist ein Eingeborener, ganz normaler Typ, der sich gerade darüber aufregt, dass die Vergewaltigungen in Sachsen zugenommen haben. Was sagen Sie? Nee, einfach die Kärtchen ablesen: ‚Dö Aösländör nähm ons dö Fräoen wech!‘ Denken Sie nicht so kompliziert, es geht um Wegnehmen, Neid, um die ganz impulsiven Affekte. Denken Sie am besten gar nicht nach.

Aber Sie wollten Kultur, richtig? Dann bleiben Sie am besten von der Frauenkirche weg. Das ist natürlich auch Kultur und auch nur einen August und einen Luther entfernt vom Zentrum des Geschehens, aber das ist ein imperialistischer Bau der Lügenarchitektur. Fragen Sie die Eingeborenen, die werden es Ihnen bestätigen. Die meisten kennen das nicht anders als katalogisierten Schuttplatz. Und dann kommen da ein paar Computerfuzzis und nehmen das schöne Aufbaumaterial weg, klotzen da eine Kirche mitten rein in den antifaschistischen Ortskern und fluten die Stadt mit Wessis. Mal ehrlich, würden Sie da nicht auch mit nationalem Widerstand antworten?

Wenn Sie in die Semperoper wollen, würde ich das nicht gerade am Montag machen. Sie kriegen in der Stadt einfach keinen Parkplatz, und dann haben wir auch die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Sie müssten am besten mit gezücktem Ausweis von der Straßenbahn zur Oper. Polizei hat’s genug, die zeigt Ihnen dann schon, wo’s langgeht. Naja, oder aber auch nicht.

Überhaupt muss ich Sie vor dem Theaterplatz warnen, das ist ganz gefährliches Pflaster. Das wurde aus verpresster Kupferschlacke hergestellt, VEB Mansfeldkombinat Wilhelm Pieck – das ist nämlich stark radioaktiv, müssen Sie wissen. Das Bundesamt für Strahlenschutz sieht keine Gefahr, aber man munkelt, wer sich da zu lange aufhält, der wird weich in der Birne. Wollte ich Ihnen nur mal so gesagt haben.

Frühstücken Sie am besten immer mit einem kleinen Pils zur Auflockerung. In der zweiten Woche, wenn Sie das durchstehen, gehen Sie dann bessrer zu den härteren Sachen über. Lokalkolorit, Sie verstehen – dies ist eine islamkritische Region, da wird großen Wert gelegt auf eine Leitkultur mit Bodenhaftung. Notfalls haben wir hier auf unserer Homepage Schutzumschläge zum Ausdrucken. Überfremdung, Sophie Scholl, Kaffeetassen, Tausend Jahre Männer in Thüringen. Wenn Sie dann mal im Stadtführer nachschlagen, können Sie sich notfalls ad hoc als heimattreuer Passant tarnen. Und, heißer Tipp: Keine Bananen. Schmeißen Sie keine Bananen auf die Einheimischen. Denken Sie immer daran, Sie sind erstmal nur Tourist.“





Herbstlicher Park

23 10 2016

Die Luft ist kalt und weich, und in Bewegung
versetzt sie vor dem Himmel das Geäst,
das mit der allerletzten leisen Regung
die Blätter auf die Wege regnen lässt.

Noch steigt wie leises Lachen dünnes Wasser
aus der Najaden Münder auf im Strahl
und sinkt hinab ermattet, wo ein blasser
von Erz gegossner Trog ruht, tief und fahl.

Doch krönt das Licht, das milde, jene Weiten,
die Hänge und den Bach, der alles teilt,
und will des Tages Höhen sanft geleiten
zu Abend, der im Rot und Golde weilt.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCCXV)

22 10 2016

Als Romică sich jüngst in Freck
den Mantel anzog, sorgt ein Fleck
für Unbill und Jammer,
doch fiel in die Kammer
nur Mondlicht ein. Was für ein Schreck!

Es knöpfte sich Vilma in Bog
den langen, gemusterten Rock.
„Wie oft wir das hatten!
Das ist für den Gatten,
den ich zum Geschirrspülen lock.“

Es legt Radu sich in Altflagen
zum Mittagschlaf stets auf den Magen.
Er denkt, beim Verdauen
Gewicht abzuflauen,
und muss über Fülle nicht klagen.

Mahmud, der in Ali Sabieh
vom Nachbarn sich Bücher auslieh,
war selbst kein Verleiher,
denn Bücher sind teuer,
und Säumnis, die er nie verzieh.

Es kochte sich Zsombor in Kerz
tagein und tagaus nichts als Sterz,
jedoch nur im Winter.
Dann kam er dahinter,
es gibt schon Gemüse im März.

Es zielt Joe genau in Nine Mile
mit Fernrohr und Bogen und Pfeil.
Dann musste er niesen.
So ist es erwiesen,
des Nachbars Gewächshaus blieb heil.

Es kletterte Gavril in Föen
im Herbst gern herum auf den Höhen
mitsamt einem Drachen.
Was soll man sonst machen,
wenn’s draußen nichts gibt als die Böen?