Abrechnung

26 10 2016

„Kommen Sie gleich mit durch, dann zeige ich Ihnen den Arbeitsplatz. Wir sind hier sehr modern eingerichtet, die Amerikaner zahlen das ja. Und den Rest geben uns die Rothschilds dazu.

Ihren Referenzen entnehme ich, dass Sie bisher im öffentlichen Dienst beschäftigt waren? Sehr gut, Ihre Kenntnisse werden wir gut brauchen können in der BRD GmbH. Wir sind, wenn Sie so wollen, der nicht öffentliche Dienst. Und wir arbeiten natürlich auch nicht für die Bevölkerung, sondern für unsere Auftraggeber. Wenn man Sie fragt, dann sagen Sie am besten, Sie arbeiten in einem gesellschaftlich engagierten Unternehmen. Das ist sogar fast richtig.

Hier hätten wir also unsere Schreibtische, und da hinten ist die Kaffeemaschine – wer den letzten aus der Kanne nimmt, kocht neuen nach – und da geht’s zum Archiv. Das sind die vier Stockwerke unter uns. Für manche Verwaltungsvorgänge ist es immer noch besser, man sammelt die Daten in Schriftform. Hier hätten wir den Übersichtsplan, wo Sie welche Ausweise finden. Die Nummern sind dabei das Erkennungszeichen. Wir nennen den Raum auch scherzhaft die Personalversammlung.

Naja, es ist eigentlich nicht großartig anders als in anderen Firmen, nur haben wir halt 80 Millionen Angestellte und freie Mitarbeiter. Alles ein bisschen größer, aber im Grundsatz nimmt sich das nichts. Ja, Ihr Sachgebiet wären Steuern und Abgaben, die müssen abgeglichen, notfalls eingetrieben werden. Wir haben dazu Außendienstmitarbeiter, die wir der Einfachheit halber in Ämtern konzentriert haben. Finanzverwaltung halt. Gerichte, Gefängnisse, das volle Programm. Das läuft natürlich alles unter unserem Label, damit uns da keine Nachahmer in die Quere kommen. Stellen Sie sich mal vor, da würde einer auf eigene Faust eine Fernsehabgabe kassieren oder Rentenversicherungsbeiträge – da wäre die Hölle los bei unseren Auftraggebern. Das möchten Sie nicht erleben.

Wobei wir als nicht öffentliches Unternehmen selbstverständlich auch nichts anderes sind als ein ganz normaler Marktteilnehmer. Sie werben zum Beispiel neue Mitarbeiter, und dafür bekommen Sie Prämien ausbezahlt, nehmen an unserem internen Bonussystem teil, bekommen Personalrabatte – Sie kennen das zum Beispiel als Kindergeld – und dann steigen Sie in der Unternehmenshierarchie auf. Das müssen wir als Anbieter staatsähnlicher Leistungen einfach anbieten. Der Markt ist hart umkämpft, und ehe uns ein Mitbewerber in die Quere kommt, überzeugen wir lieber unsere Mitarbeiter durch mehr Zufriedenheit im Unternehmen.

Nehmen Sie mal den Bogen hier. Was sehen Sie da? Richtig. Der Mitarbeiter hat bei unserem militärisch-industriellen Komplex Waren gekauft, in diesem Fall ein Kraftfahrzeug, und was wird da jetzt fällig? Nein, die Versicherung gehört nicht zu unserem Konzern, das ist ein Subunternehmen. Die zahlen ganz normal Schutzgeld – Umsatzsteuer, ich wollte Umsatzsteuer sagen, die zahlen also die Umsatzsteuer, und dann dürfen sie in unserem Gebiet einer gewinnorientierten Tätigkeit nachgehen. Sie müssen das Blatt hier anheften, und dann darf er die Mineralölsteuer entrichten. plus Kraftfahrzeugsteuer. Sie kümmern sich in Ihrer Abteilung nur um die Abgaben. Die Abrechnung machen ganz andere Leute.

Seit 1949. Damals waren 50.000 Mark eine Menge Geld, aber das haben uns natürlich die Alliierten vorgestreckt. An den Zinsen zahlen wir bis in alle Ewigkeit. Aber das wissen Sie ja sicher längst. Doch, wir sind selbstverständlich immer noch liquide. Die großen Immobilienblasen, der Euro, die Asylindustrie, der Umvolkungstourismus, das sind nicht direkt Unternehmenszweige, aber wir nutzen gewisse Synergien. Wenn ein Manager im Aufsichtsrat eines Unternehmens sitzt und zufällig auch im Aufsichtsrat eines anderen Unternehmens, dann lassen sich die Ziele der beiden Unternehmen möglicherweise etwas leichter koordinieren, wenn der eine Entscheidungsträger in den Spiegel rein und der andere wieder rausguckt. Wir sind nun mal ein Wirtschaftsunternehmen und nicht das Sozialamt der Welt.

Natürlich bieten wir hier auch regelmäßig Weiterbildungsveranstaltungen an. Zum Beispiel ändert sich alle paar Wochen die Gesetzeslage, zum Teil auch noch öfter. Und wir haben es mit extrem komplexer Materie zu tun, die kapiert nicht einmal unsere Rechtsabteilung. Aber das liegt eben auch daran, dass die Alliierten nicht nur auf die Wall Street und die Weisen von Zion hören müssen, mittlerweile sitzt im Aufsichtsrat der Weltregierung auch der internationale Islam. Also wenn Sie bisher in einer Behörde beschäftigt waren, in der ständige Kompetenzstreitigkeiten zum Arbeitsalltag gehörten, dann fühlen Sie sich hier wie zu Hause. Dagegen ist eine deutsche Forstverwaltung ein Kindergeburtstag.

Nein. Eine Gesellschafterversammlung hat es bisher noch nicht gegeben, das wäre auch etwas zu kompliziert. Und das mit der beschränkten Haftung ist auch in Vergessenheit geraten, unsere leitenden Angestellten werden nur weiterbeschäftigt, wenn sie alle Versprechen gehalten haben. Sie nennen die wahrscheinlich Politiker, ich habe keine Ahnung, man kommt hier so selten vor die Tür. Aber gut, jetzt wollen wir langsam mal an die Arbeit, der Laden muss ja laufen. Sind da von Ihrer Seite noch Fragen?“