Schnelle Welle

30 11 2016

Petermann blickte verlegen in den Korb. „Das kann ich dem Chef nicht zeigen.“ Das Sammelsurium aus Tüten und Beuteln hinterließ keinen besonders guten Eindruck, höchstens den Hauch von Sterilität. Was aber sollte man mit dem Krempel anfangen in einem Landgasthof?

„Ich wollte ihn ja absagen“, stammelte Hansi, der jüngere Bruder und eigentlich für den Service zuständig, während Bruno, von Freund und Feinden Fürst Bückler genannt, wie er Ente in Sauer und Schwarzsauer auftischte, die Küche unter sich hatte. „Und dann habe ich die Nummer nicht mehr gefunden, und dann stand er plötzlich einen Tag früher als verabredet hier, und…“ Er tupfte sich den Schweiß mit einer Serviette ab, während Herr Pläntzke, seines Zeichens Handlungsreisender der Fixikoch GmbH, die Brust heraus bog. „Sie werden nie wieder so ein schnelle Béarnaise zubereiten“, tönte er und griff nach dem Tütchen. „Eine Hälfte Wasser, eine Hälfte Sahne, kurz aufkochen, fertig!“ Petermann rümpfte die Nase. „Er hat recht“, gab ich zu bedenken. „Einmal diese Pampe aufkochen, und dann garantiert nie wieder.“

Natürlich hatte der Fertigwarenvertreter in seiner Aktentasche – es gab also Aktentaschen mit Kühlfach, man lernt nicht aus – noch mehr gruselig eingeschweißtes Zeug mitgebracht. „Die hochfeine Rindsroulade Roma mit westfälischem Rauchschinken und anderthalb Prozent getrockneter Essiggurke wird im gutbürgerlichen Segment sehr gerne genommen“, schwafelte Pläntzke, während er einen braungrau schimmernden Klops in Folie zwischen den Fingern drehte. „Wir bieten dazu ein portioniertes Selleriepüree an, einfach mit heißer Milch zubereitet – haben Sie zufällig ein bisschen Milch da?“ Petermann, Entremetier und seit Jahren die rechte Hand des Küchenchefs, widmete dem aufdringlichen Vertreter einen eindringlichen Blick. „Dies ist keine Kantine“, sagte er langsam, jedes Wort schwer betonend, „und ich weiß nicht, warum Sie uns mit Ihrem Plastikfraß immer noch auf die Nerven gehen.“ Jeder andere wäre empört gewesen oder wenigstens beleidigt, nicht aber Pläntzke; er hatte ein dickes Fell. „Weiß ich doch“, zwitscherte er, „weiß ich doch – aber wollen wir es uns nicht alle mal leicht machen, damit die Arbeit schnell von der Hand geht? Gucken Sie, ich habe da eine tolle Pasta-Variation für die Mittagskarte.“ Er zog ein aufdringlich gelbes Päckchen aus der Thermotasche heraus. „Jetzt neu im Sortiment, die Nudelserie Schnelle Welle: Fertigpasta mit Frischei und optionaler Sauce, dabei kombinieren Sie völlig frei Nudel- und Saucensorte!“ „Ein technologischer Durchbruch“, gab ich zu bedenken. „Darauf wartet man in der Gastronomie ja seit Jahrhunderten.“

Bruno hatte mich beiseite gezogen. „Ich kenne diese Sorte Vertreter“, flüsterte er. „Spätestens zehn Minuten, dann hat er Petermann weich gequatscht und verkauft ihm Heizdecken. Wir müssen etwas unternehmen.“ „Hol Bruno“, flüsterte ich zurück. „Ich halte den Schlawiner inzwischen in Schach.“

Pläntzke hatte unterdessen die Vorzüge des in Plastik mumifizierten Schnitzels gepriesen, als ich ihm ins Wort fiel. „Was empfehlen Sie als Beilage? haben Sie eine adäquate Tütenbratkartoffel oder leicht pappige Pommes im Programm?“ Ich wühlte im Präsentkorb herum. „Da sind ja kaum künstliche Aromastoffe drin“, stellte ich fest. Schon blähte der Verkäufer seine Brust wieder auf, da schmiss ich ihm das Tütchen vor den Latz. „Meine Güte! das erwartet der Konsument, dass er mit chemischem Gedöns vollgepfropft wird, und Sie lassen uns hier mit Ihrem Biokrempel alleine? Nicht mal richtige Farbstoffe, kein Geschmacksverstärker, skandalös!“ Er war nachhaltig verwirrt. Ich ging langsam drei Schritte auf ihn zu und beugte mich so weit zu ihm vor, bis ich sein billiges Rasierwasser riechen konnte. „Haben Sie keine Fertigbrühe“, fragte ich mit rauer Stimme, „der man trauen kann?“

Mit einem Knall flog die Tür auf, herein trat Bruno, dessen aufgezwirbelte Schnurrbartspitzen an einen schlecht gelaunten Hummer erinnerten. „Was wollen Sie“, schrie er, „und warum sind Sie immer noch nicht weg?“ „Wir sind gerade erst beim Schnitzel“, stammelte Pläntzke. „Sehen Sie, das ist vielleicht nicht ganz Ihre gewohnte Produktgruppe, aber wenn ich mir die Mitbewerber ansehe – ich war vorhin in einem kleinen Gasthof, hier an der Kaiserlinde rechts ab und dann…“ Der Bart zitterte gefährlich. „Mit dieser Kaschemme vergleichen Sie mein Restaurant?“ Jeden Moment musste seine Hand wie von selbst nach den Messern greifen. Ich sah versonnen auf das Fertigtütenhäufchen. „Da ist es ja auch sinnvoll eingesetzt“, erklärte ich. „Wenn die Gäste in solche Etablissements gehen, dann wollen sie halt, dass es genau wie zu Hause schmeckt, stimmt’s?“ Pläntzkes Knie erweichten sichtlich. Er hielt das Schnitzel wie einen Schild vor sich. „Man kann es traditionell zubereiten“, wimmerte er, „oder es für größere Gesellschaften in der Mikrowelle…“ Mit einem Wutschrei griff Bruno nach der Aktentasche, rannte durch die offene Tür in den Hof und schleuderte das Ding auf den Wagen des Vertreters. Mit tiefrotem Gesicht kehrte er in die Küche zurück, aber Pläntzke war schon durch den Gastraum verschwunden. Man hörte die Reifen quietschen, dann war er endgültig weg. „Und jetzt lass das verschwinden“, knurrte Bruno seinen Bruder an, „aber ungeöffnet! Wenn das jemand in meinem Müll entdeckt, sind wir geliefert!“





Sippenhaft

29 11 2016

„… bei einem Schusswechsel zwei Polizeibeamte lebensgefährlich verletzt habe. Der Täter, ein 41-jähriger Deutscher ohne Migrationshintergrund aus dem Landkreis…“

„… nicht unter Generalverdacht stellen dürfe. Nur weil der Täter aus einem rein deutschen, streng katholisch geführten Elternhaus komme, sei noch nicht erwiesen, dass dies mit seiner Gewalttat einen ursächlichen…“

„… als sozial sehr unauffällig beschrieben habe. Der Geiselnehmer sei zu seinen Nachbarn, zu denen überwiegend Deutsche gehört haben sollten, stets sehr freundlich und zuvorkommen gewesen, er habe täglich gegrüßt, BILD gelesen und in der…“

„… verständlich sei. Der Innenminister sehe allerdings keine Veranlassung, eine anlasslose Speicherung aller deutschen Personen in einem…“

„… sich die Deutschen zunehmend von ihren eigenen Landleuten bedroht fühlten. Dieser vor allem von Sachsen ausgehende Trend habe sich in den vergangenen Wochen mehr als…“

„… dass die überwiegende Anzahl aller in der Bundesrepublik begangenen Verbrechen auf das Konto deutscher Staatsbürger gingen. Dies sei für die Deutsche Polizeigewerkschaft ein sträflich vernachlässigtes Indiz, das für die Ermittler immer noch eine viel zu geringe…“

„… die Strafe für Fahrraddiebstähle verschärft werden müsse, da sie die Arbeitskraft vor allem prekär beschäftigter Staatsbürger unnötig einschränke. Der Bundesjustizminister erwarte zwar keine besondere…“

„… die Zuwanderung von Deutschen, zum Beispiel Remigranten aus fremden Kulturen, nicht mit der Leitkultur zu vereinbaren sei. Seehofer fordere daher eine klare Obergrenze, außerdem sei er nicht bereit, die bayerischen Grenzen für die…“

„… sich die Deutsche Polizeigewerkschaft bei der Bundesregierung beschwert habe, dass die Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung nur bei Polizeibeamten straf- und disziplinarrechtlich verfolgt werde, bei Zivilisten jedoch keinerlei…“

„… keine Veranlassung gebe, alle Deutschen über einen Kamm zu scheren. Der Gewalttäter sei gebürtig aus Hessen und habe lange Jahre dort gelebt, was nun nicht zum Nachteil der anderen…“

„… die Bundesregierung sich vor einem genauen Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nicht zur Sache äußern wolle. Möglicherweise sei der Tatbestand des Bankraubs in Tateinheit mit Geiselnahme und versuchtem Mord an Vollstreckungsbeamten auch aus politischen Motiven, die zum Wohle des deutschen Vaterlandes eine besondere…“

„… dürfe die verrohende Wirkung eines norddeutschen Einflusses nicht unterschlagen werden. Der Bankräuber habe während seiner Berufsausbildung in Sierksdorf alle negativen…“

„… zunächst ein Register aller deutscher Staatsbürger erstellen, um die Neigung zu einfachen Verbrechen, aus denen eine gefährliche Bereitschaft zu schwersten…“

„… habe er sich trotz einer Ausbildung als Fleischereifachverkäufer später vegan ernährt. Die Bundeszentrale für politische Bildung habe darauf hingewiesen, dass auf seinem Kfz-Kennzeichen die Zahl 33 sowie eine auffällige in Schwarz und Weiß gehaltene und mit bösartigen Buchstaben…“

„… sich damit so nicht durchsetzen könne. Die Bundestagsfraktionen der Union seien weiterhin der Meinung, man müsse alle Deutschen wegen des Verdacht, durch nicht zu beeinflussende Einflüsse kriminell zu werden, mit entschiedener…“

„… darauf achten müsse, dass Deutsche künftig nicht mehr als Polizisten oder in anderen…“

„… habe der Täter nach neuesten Erkenntnissen der Ermittler in den Wochen vor dem Banküberfall überwiegend unter Deutschen verkehrt. Es sei nicht auszuschließen, dass er sich in diesem Milieu zusätzlich radikalisiert und auf Gleichgesinnte…“

„… in der Gefährderdatei explizit das Kriterium der deutschen Staatsbürgerschaft als eigene…“

„… nicht beeinflussen könne. Der Bundesvorstand der Grünen vertrete die Meinung, man müsse alle Deutschen wegen des Verdacht, durch Drogenkonsum linksliberal zu werden, notfalls mit erst zu legalisierenden…“

„… sich in den Statistiken der vergangenen Jahrzehnte abgezeichnet habe, dass die Mehrheit der ausländerfeindlichen Straftaten von Deutschen begangen worden sei, was für eine konsequente…“

„… ein internationales Gremium das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen würden. Nach der Expertise sei der Anteil der Deutschen in den anderen Staaten erheblich geringer, dennoch sei es deshalb noch in keiner der anderen Nationen zu negativen…“

„… zum Scheitern verurteilt sei. Die SPD wolle vor der verlorenen Bundestagswahl keine eigene Meinung abgeben, ob die Bürgerrechte sich dem Grundgesetz, einem Koalitionsvertrag oder einer industriell inspirierten…“

„… Abschiebungen in dieser Größenordnung nicht ohne Weiteres geleistet werden könnten. Die Bundesregierung plane daher die Umwandlung in eine GmbH, um sämtliches Personal auf einmal betriebsbedingt zu…“





Rent-a-Sozialdemokrat

28 11 2016

„Ich weiß nicht, ob die Nahles steppen kann, singen kann sie schon mal nicht, das wissen wir, und Steppen kann ich mir ehrlich gesagt auch kaum vorstellen. Tanzen vielleicht, aber lassen Sie die unter keinen Umständen auf den Tisch. Das gibt eine Katastrophe. Also für den Tisch.

Gut, dass wir im Landesverband Hessen noch eine Nichtjuristin ausfindig machen konnten, die ist nämlich gelernte Veranstaltungskauffrau, und das können wir jetzt gut brauchen, weil die Anfragen inzwischen fast alle Viertelstunde reinkommen. Da muss man den Überblick behalten, sonst wird der eine dreimal gleichzeitig gebucht und beim anderen stimmt der Preis nicht.

Rent-a-Sozialdemokrat, Sie wünschen? Kraft? Klar, die wünschen wir uns alle, besonders fürs nächste… – Ach so, die. Die Kraft. Weihnachtsfeier im Schützenverein? Sollte klappen, die Hannelore ist ja eher rustikal unterwegs. Sie haben Erfahrung? Nein, da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Die Witze vom Rüttgers erzählt sie bestimmt nicht. Wenn Sie Currywurst haben, sollte der Abend recht unterhaltsam werden. Paar Anekdoten aus dem Pott, Straßenbahn, so was halt. Aber lassen Sie bitte die Rechnung nicht offen herumliegen, sonst wird die hinterher für verfassungswidrig erklärt!

Sehen Sie, so schnell geht das. Wieder ein paar Tausender. Wobei die Kunden ja teilweise auch sehr stressig werden können. Der eine will unbedingt Helmut Schmidt haben, der andere einen SPDler, der gegen Rüstungsexporte ist – hallo!? wo soll ich den jetzt hernehmen, und vor allem, was ist denn an Rüstungsexporten auszusetzen? Na, da muss man eben ganz entspannt bleiben, das regelt der Markt, und wenn der das nicht regelt, dann muss man die Preise erhöhen, sonst… –

Rent-a-Sozialdemokrat, Sie wünschen? Nein, nicht asozial, das haben Sie falsch… nein, wir sind die… – Sie waren nicht zufrieden? Ja Gottchen, wer ist das noch. Wir sind schließlich die SPD, da weiß man, was man hat. Er ist gar nicht gekommen? Da haben Sie aber noch mal Glück gehabt, was meinen Sie, andere zahlen sogar noch drauf, damit Schulz sich gar nicht erst… – Jetzt schreien Sie doch nicht so, das kriegen wir doch alles wieder in den Griff. Das Honorar wird natürlich sofort zurückgebucht, und dann könnten wir Ihnen für die Versammlung im nächsten Quartal Nahles anbieten, Oppermann oder den… umsonst? Klar ist die umsonst, oder haben Sie schon mal erlebt, dass die irgendwas nicht total… –

Mann, der hatte vielleicht eine Laune! Stellen Sie sich mal vor, wir sind im Wahlkampf, dann geht hier aber erst recht die Post ab! Und dann muss man auch noch den ganzen Sicherheitsapparat im Kopf haben, stellen Sie sich mal vor, die AfD bucht den Stegner, das gibt ein Blutbad, der fällt uns am Ende für drei Tage aus, das kann doch keiner wollen! Sie sehen, es ist ein verantwortungsvoller Posten hier, und da muss man natürlich auch immer auf alles gefasst sein. Gestern ruft hier einer aus Berlin an, ich melde mich, wie immer, sagt er: die Kanzlerin. Ich will die Merkel, Preis ist egal, man wird nur einmal im Leben siebzig, und dann soll die hier mit auf die Kegelbahn. Ich sage zu ihm, Sie sind hier aber falsch, wir sind doch Rent-a-Sozialdemokrat, sagt er: logisch, die Merkel ist ja auch die einzige Sozialdemokratin in dieser Scheißtruppe. Ich frage Sie, was machen Sie mit solchen Kunden? Kann man da guten Gewissens den Steinmeier schicken, oder erklärt der ihnen erstmal, dass die Geschenke ihnen von der Grundsicherung abgezogen werden?

Rent-a-Sozialdemokrat, Sie wünschen? Aha, eine Fachtagung. Und Sie sind sich trotzdem ganz sicher, dass Sie den Maas wollen? Ich will da ganz offen sein, die Redebeiträge sind, sagen wir mal: gewöhnungsbedürftig. Der redet am Schluss das Gegenteil dessen, was er am Anfang gesagt hat. Sie kennen das? Ach so, Sie sind auch schon zwanzig Jahre in der SPD. Wir könnten Ihnen Müntefering anbieten. Der ändert seine Meinung immer erst nach der Wahl.

Das Problem ist ja, wie gesagt, unser Portfolio. Die Leute wollen etwas haben, das sie in uns sehen, und dann liefern wir nicht. Gut, das kennt man von der SPD, aber das macht die Sache ja nicht besser.

Uns geht es in erster Linie um den Markenkern, der darf nicht verwässert werden, und wenn wir da immer nur die paar Volleulen losschicken, die man eh aus den Nachrichten kennt, aber nicht mal einen, der auch wirklich Politik macht, also meinetwegen die Staatssekretäre, den Mittelbau in Ministerien und Bundesämtern, die Leute, die etwas von Politik verstehen – da entsteht ein ganz falscher Eindruck von der Partei, und ich wüsste jetzt gern einmal, ob das bei den Leuten nicht sogar erwünscht ist, ob die nur einen Sprechblasebalg haben wollen, der ihnen auf der Weihnachtsfeier ordentlich Schaum auf den Bauch pinselt und mit viel Tamtam erzählt, uns geht es prima, alles dufte, weiter so, wir sind auf einem guten Weg, und Steuersenkung hier, zum Ausgleich Lohnkürzung da, und dann stoßen die noch mal an mit ihrem Champagner, und schon ist Wahl, und dann besinnt man sich auf die wahren Werte in der Politik, und plötzlich… –

Rent-a-Sozialdemokrat, Sie wünschen? Aha, Sie sind insolvent? Naja, das kann man schon feiern, manche Leute feiern ja auch ihre Scheidung. Eine Unternehmensbeerdigung, wenn ich das richtig verstehe? Da empfehle ich Ihnen den Gabriel, der zeigt Ihnen, wie man eine ganze Partei um die Ecke bringt.“





Generalprävention

27 11 2016

Der Brandanschlag auf die Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Potsdam am 8. Januar 2001 erschüttert uns noch heute zutiefst. Inzwischen hat der Generalstaatsanwalt den brandenburgischen Verfassungsschutz im Visier, da die obskure Nationale Bewegung, die das Attentat verübt haben will, wie vom Erdboden verschluckt blieb. Bis auf erkleckliche Anzeichen, dass der NSU von denselben Mitarbeitern unterstützt wurde. Man darf bestürzt sein. Gilt Amtshilfe gar nichts mehr? Gab es nicht genug Mitarbeiter oder waren am Ende wieder alle Schredder kaputt? Sicher ist nur, dass diese Maßnahme der Generalprävention diente, um zu zeigen, dass in Deutschland jede noch so undurchschaubare Straftat irgendwann aufgeklärt wird. Und sei es aus Versehen. Alle weiteren Anzeichen, dass die rechtsradikale Grundstimmung der vergangenen Jahrzehnte nur an den vielen Ausländern liegt, die uns demnächst umvolken, wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • gabriel autobahn: Man wird doch wohl noch mal träumen dürfen.
  • sachsen linksterrorismus: Wenn Sie die Benzinkanister nicht ordentlich füllen, sind Sie schon verdächtig.
  • mangelnde bildung sachsen: Nach ausreichender Meeresanbindung in Schleswig-Holstein wird komischerweise nie gesucht.
  • reichskriegsflagge sachsen: Haben die inzwischen eine eigene oder nehmen sie immer noch die von der BRD GmbH?




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCCXX)

26 11 2016

Weil Vendula glaubt in Groß Würben,
dass Blumen im Freien verdürben,
baut sie um die Pflanzen
im Großen und Ganzen
ein Häuschen, bevor sie noch stürben.

Dwayne nahm sich in Talimatau
nach Jahren der Suche die Frau,
die er schon lang kannte,
auch wenn da nichts brannte.
„Nur deshalb, weil ich ihr noch trau.“

Es nörgelte Hana in Holleschau:
„Wenn ich hier am Tisch an der Scholle kau,
kommt immer mein Bruder,
im Schlepptau sein Luder,
und stets ist dabei seine Olle blau.“

Wenn man Chum besucht in Poipet,
liegt er noch am Mittag im Bett.
Nicht eher erwacht er,
den Tag macht zur Nacht er.
Das macht er am Abend dann wett.

Es störte sich Soňa in Beerenheid:
„Wenn ich den Wald wegen der Bären meid,
so liegt’s an den Schafen,
die oft einen trafen –
und außerdem bin ich das Scheren leid.“

Wenn Mesgen, der Landwirt aus Lekker,
ums Eck biegt mitsamt seinem Trecker,
ist Hupen nicht nötig.
Man hört ja doch stetig
sein glockenrein lautes Gemecker.

Es züchtet sich Pavel in Gleimen
Getreide, indem er mit Keimen
den Teppich bestreute.
Er erntet, und heute
verkauft er’s oft in Eigenheimen.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCLIV): Die Bastelsendung

25 11 2016
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Nicht nur die Turnstunde, eherner Grundsatz der teutonischen Bildung und früheste Anleitung zum Sadomasochismus in charakterbildender Form, der Werkunterricht prägt ebenso das zarte Ich des noch unschuldigen Schülers, der sich nur mit Mühe an Laubsäge und Holzleim gewöhnt, Schraubzwinge und Schmirgelklotz, und unmissverständlich ist die Botschaft, die aus dem Geklöppel mit Spanplatte und Buntmetallabfällen tief in die Seele dringt: das Flickwerk ist reiner Selbstzweck. Allein der Homo fabricans, der sich aus Zeugs im engeren Sinne eine ganze Welt zusammenschwartet, kann es mit dem Philosophen aufnehmen, der Universen schafft nur aus Ideen. Was repräsentiert besser die Bereitschaft, in faustischer Manie stets das Neue aus Sperrholz und Klarlack zusammenzuschwiemeln, als die im Fernsehen tief verwurzelte Bastelsendung.

Das Programm für den Urgrund der Generation aus Kriegsheimkehrern, die sich lieber die Ohren abgeflext hätten, als ein erst dreimal gerissenes Gummiband zu entsorgen, lehrt die hohe Kunst, das Vorhandene in etwas Praktisches zu wandeln, völlig gleichgültig, ob man es auch gebrauchen kann. Der geübte Simpel stanzt aus Buchenspänen ein kleines Vogelhäuschen, erst danach wird ihm klar, dass er im elften Stock seines Wohnturms ohne Balkon das Gezumpel ausschließlich unter dem Küchentisch wird aufbewahren müssen. Aber darum ging’s ihm gar nicht. Der schnauzbärtige Onkel im gefährlich sauberen Arbeitskittel lötet und flanscht zu dödelig orgelnder Hintergrundmusik Fußbänkchen und spätgotische Türschilder, vergoldet Schmuckständer und Thermometerhäuschen aus der Sprühdose, und kaum hat er mundgelutschte Briefständer aus rein naturbelassenem Zement gefertigt, lässt er zur Obstschale aus einem Block Eiche die Axt kreisen. Auch hier bleibt eine weit gehend glaubensisolierte Botschaft, die man leider nicht mit blinkend auf die Mattscheibe gesupertem Achtung: Bitte nicht nachmachen! zumindest ideell aus dem Verkehr zieht, bevor sich fanatische Knalldeppen en masse mit Schlagbohrhämmern bewaffnet auf jedes noch so unschuldig aussehende Stück Pressspan stürzen und es bis zum Verlust der Muttersprache in Briefkästen zermeißeln.

Die ästhetische Sollbruchstelle fügt sich bestens in die ohnehin vorhandene Neigung einer durchaus selbstbewussten Bevölkerungsschicht, die den Wert einer Motorjacht in Nut- und Oberfräsen, Feilen, Spachtel und Druckluftschrauber ausgibt, um das Foto von Tante Trudi beim Fischerfest 1969 lotrecht an die Wohnzimmerwand zu dengeln. Jene Spezies an Bescheuerten hat sich längst vom pädagogischen Diktat der TV-Bricoleure emanzipiert, führt den Krieg mit Bordmitteln fort und verklinkert freihändig das Klo bis unter die Decke – sieht scheiße aus, überdauert aber einen Bombenabwurf. Längst ist die Industrialisierung dieses Zwangs fortgeschritten, die Heimwerkermärkte bejubeln, wie sich Do-it-yourself-Helden quasi in Planck-Zeit ganze Eigenheime versaubeuteln, und freuen sich an der ins Service-Gesende integrierten Bastelecke.

Hier treffen sich alte Bekannte wieder, und ein weiteres Nationaltrauma aus der analen Phase, die pathologische Beschäftigung mit dem Müll, wirft sich schnell das Trendmäntelchen des Upcycling über. Eine in bunte Latzhosen gepfropfte Trulla mit Säbelsäge und Bolzenschussgerät erklärt, wie man ein ausgedientes Nachtschränkchen mit einfachen Mitteln in einen Fusionsreaktor umarbeitet – der durchschnittlich behämmerte Zuschauer hat ja stets ein oder mehrere Truhen bei sich herumstehen, und rein gar nichts zu tun haben damit die Horden von Schwingschleiferschwingern, die im Halbdunkel marodierend über Sperrmüllhalden ziehen, um an einen Nachtkasten zu kommen. Vermutlich bietet der Fachhandel schon ein Set von Altmöbeln aus der Haushaltsauflösung und Elektrowerkzeug, Lack plus Schrottcontainer an, wenn der Tackermacker nach zwei bis zehn Tagen in die posttraumatische Belastungsstörung torkelt und den ganzen Driss en bloc in die Tonne treten will. Ein mühsam als Dialektik verkleideter Hirnschaden namens Shabby Chic, der abgeranzten Kruscht seiner Altersspuren halber für voll total angesagt erklärt, gaukelt dem Praktikus vor, sein windschief zusammengehauener Ramsch mit Farbnasen und Rost sei so peinlicher Bockmist, dass er allein um der Nachhaltigkeit willen schon wieder stylish und daher wertvoll werde. Aber auch hier geht es nicht um Vorbild und Nachahmung; hatte das weiland aus Kartoffelkisten gebollerte Teebrettchen noch einen Nutzen, die auf dekorative Selbstbespiegelung getrimmten Objekte im modernen Ratgeberschlonz sind lediglich Besitz und markieren die Grenze zur Sinnlosigkeit. Man könnte in den Schubladen vielleicht die erst dreimal gerissenen Gummibänder aufbewahren, bis im Dummfunk die Anleitung zur Schlafzimmerlampe aus silbernen Dichtungsringen droht, aber wen interessiert das schon. Zum Schluss kommt sowieso immer der Klempner.





Kreuzbombenelement

24 11 2016

„Da legen wir freilich einen großen Wert darauf, dass der Bundespräsident christlicher Deutscher ist. Wobei, Deutscher reicht eigentlich aus. Und das mit der Religion, da geben wir uns mit öffentlichen Bekenntnissen zufrieden.

Nein, nicht mit einem Bekenntnis. Das wollen Sie wieder falsch verstehen. Wir hatten jetzt einen Pastor, der hat das schon ganz gut gemacht, auch wenn er bedauerlicherweise der falschen Konfession angehört, aber er hat wenigstens das mit dem Glauben nicht ernst genommen. Man darf sich ruhig zu etwas bekennen, es darf nur nicht gleich in ein Bekenntnis ausarten, verstehen Sie? Wir haben nämlich eine Trennung von Staat und Kirche, und deshalb zählt für uns auch als erstes das Bekenntnis zum Staat. Da sollte sich die Kirche dran halten.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe gar nichts gegen die Kirche als solche, aber wenn die jetzt auch noch anfängt, Politik zu machen, dann haben wir bald ein Chaos hier in unserem Land, das kriegen Sie mit dieser Asylantenkanzlerin alleine gar nicht hin! Das können wir uns nicht bieten lassen, wir als Bundesregierung, dass die Kirchen sich mit ihrer Meinung einmischen! Das ist ja auch eine völlig weltfremde Interpretation von Glaube, verstehen Sie – diese Leute berufen sich teilweise auf die Bibel, das ist doch nicht zu fassen! Die fordern Nächstenliebe, Jessasmariaundjosef, was soll ich mit Nächstenliebe? in einem Augenblick wollen die Barmherzigkeit für die Asylanten, als hätte hier jeder eine Kathedrale im Hinterhof, wo man eine Million Sozialfälle unterbringen kann, und dann wollen sie im nächsten Moment schon, dass wir die Fluchtursachen bekämpfen und in den Regionen für Frieden sorgen. Kreuzbombenelement noch mal, wenn wir keine Waffen in Krisengebiete verkaufen, woher nehmen wir denn dann das Geld für eine Million Asylanten? Sie dürfen diese Kirchenleute wirklich nicht fragen, da kommt nur Unsinn raus. Alles völlig weltfremder Unsinn.

Das deutsche Volk ist ja inzwischen regelrecht verängstigt, was diese kirchlichen Moralpredigten angeht. Was glauben Sie wohl, ist der Grund, dass die Deutschen immer mehr die Kirche verlassen? Die Kirche schafft sich ab, und das ist auf der einen Seite natürlich auch gut so, dass sie dann nicht ihren schädlichen Einfluss auf unsere politische Hoheit ausdehnen kann, aber auf der anderen Seite müssen wir als Christsoziale das freilich auch sehr bedauern. Merken Sie, in was für einem schlimmen moralischen Dilemma man sich als Christ befindet, wenn man dieser vollkommen unlogischen und, ich möchte sagen, bösartigen Zerstörungskampagne der christlichen Kirche ausgesetzt ist? Die können froh sein, dass sie in einem Rechtsstaat leben, in dem es noch Meinungsfreiheit gibt, sonst würden wir hier ganz andere Saiten aufziehen!

Überhaupt, die Kirche – die haben zur Spaltung unserer Gesellschaft doch jede Menge beigetragen! Es ist doch kein Zufall, dass wir als Christsoziale in relativem Wohlstand leben könnten, wenn es diese protestantischen Preußen da in Berlin nicht gäbe! Diese Neiddebatte, dieser Hass, das kommt doch nicht von ungefähr! Ich sag’s Ihnen, die Kirche hat auf das deutsche Volk nie Rücksicht genommen, vor allem in politischer Hinsicht. Früher vielleicht, da haben die Pfarrer noch mal ein offenes Wort mit ihren Schäfchen geredet, gerade vor der Wahl. Ich kenne das ja noch so, erst in die Frühmesse, und dann ins Wahllokal, und wenn man in der Messe eine vernünftige politische Instruktion bekommen hat, dann wusste man auch, wozu man danach ins Wahllokal ging. Aber diese Beliebigkeit, dieser Relativismus, so kann man doch heute keinen Staat mehr machen. Und ihn erst recht nicht moralisch legitimieren!

Schauen Sie sich mal unsere Kollegen von der AfD an, die machen das schon richtig. Die sagen von sich, sie fordern eine christliche Moral, die zwar weder christlich ist noch moralisch, und darum lehnen sie die Kirche ab, weil die ihnen zu viel Moral hat und zu christlich ist. Das ist doch wenigstens mal konsequent, warum können wir das nicht auch bei den Christsozialen versuchen? Wenn wir mit der Einstellung auf Flüchtlinge an der Grenze schießen müssten, das würde uns freilich sehr weh tun, aber wenigstens nicht moralisch. Wenn es Deutsche wären, so wie damals an der Mauer, das sähe gleich ganz anders aus!

Schauen Sie, von unseren stalinistischen Kritikern wird uns ja unter anderem vorgeworfen, dass die Leitkultur, die wir fordern, ausschließlich mit der Verfassung zu tun hat und gar nichts mit dem Christentum. Da würde ich sagen, den Gedanken, den greifen wir jetzt mal produktiv auf, und dann sage wir der Kirche, wir als Staat haben eine staatliche Definition von Leitkultur, und die Kirche soll sich da raushalten. Also aus dem Staat, nicht wahr, weil der ja die Leitkultur bestimmen soll, und aus dem Christentum am besten auch. Das wäre ja sowieso für alle die beste Lösung, wenn man das so konsequent zu Ende denken könnte, dass die Kirche sich da raushält: die CSU als Staat bestimmt, was Christentum ist, und ersetzt es mit ihrer Leitkultur. Dann können wir meinetwegen auch die Kirche im Dorf lassen.“





Au Backe, backe Kuchen

23 11 2016

„Es ist ein bisschen viel geworden.“ Wer die Worte kannte – und wer Horst Breschke kennt, lernt diese Worte recht schnell kennen – der hatte eine leise Ahnung, dass der Gang in die Küche eine noch viel größere Überraschung mit sich bringen würde, so wie der Alte da vor mir stand, beide Ärmel der Strickjacke aufgekrempelt und dennoch mit Zucker und Butter bis zu den Ellenbogen beschmiert. Es war, man ahnt es, Adventszeit.

Und es war gleich die große Emailleschüssel geworden, randvoll mit einer Art Buttermasse, die sich mit dem Rührgerät, so wie es im gelben Glanze frischen Fetts auf der Küchenanrichte stand, kaum noch zu bearbeiten war. Vielleicht würde es vorher aufgeben. Oder Herr Breschke. „Sie macht immer die Plätzchen“, seufzte er, „aber jetzt ist sie für drei Tage zu unserer Tochter gefahren, und ich wollte sie überraschen.“ Zumindest dies war ihm durchaus gelungen. Nach der Renovierung des Erdgeschosses und einer neuen Einbauküche, die Pioniere ohne Furcht und Tadel in tagelanger Schwerstarbeit von allen Teigresten befreit haben würden, wäre seine Frau sicher verblüfft. „Habe ich da etwas falsch gemacht?“ Er zuckte mit der Nase. Wie sollte er sich auch jucken, ohne hinterher wie ein Weckmann im Rohzustand auszusehen?

„Zunächst“, stellte ich mit einem Blick auf das Notizheft fest, das da auf der Anrichte lag, „handelt es sich nicht um einen Plätzchenteig.“ „Es gibt da Unterschiede?“ Manchmal waren Hopfen und Malz verloren, der pensionierte Finanzbeamte hatte seine Kompetenzen in Richtung Zucker und Fett verlegt. „Es gibt da Unterschiede“, erklärte ich. „Das sieht mir doch eher nach einem Kuchenteig aus, oder doch nach einer Art Weichgebäck. Was genau haben Sie denn hineingegeben?“ „Von der linken Seite.“ Mit dem kräftig gebutterten Finger zeigte er auf die Spalte, die die Zutaten aufzählte. „Ein Ei, dann zweimal Milch, dreimal Zucker, vier Päckchen gute Butter und…“ „Verzeihung“, unterbrach ich, „Sie haben aber schon gesehen, dass da Punkte stehen? und Maßangaben auf der rechten Seite?“ „Gehören die nicht zu einem anderen Rezept?“

Da nun das Inhaltsverzeichnis des vergilbten Heftchens, das Frau Breschke sicherlich in der Zeit ihrer jungen Brautschaft angelegt haben musste, so gut wie unlesbar geworden war, musste ich mich auf Schätzwerte verlassen. Ein Anhaltspunkt waren die Butterpapiere sowie drei Zuckertüten, die ich im Müll fand. Glücklicherweise hatte der Bäcker bei seinem Experiment kleine Milchtüten genommen, so dass keine Armee von Pfannkuchen in den Wald kantappern würde. Nur das Mehl fehlte. „Ich war noch nicht dazu gekommen“, beeilte sich Breschke. „Die Tüten sind aber im Keller. Gleich neben den Äpfeln und dem Kartoffelsack, Sie müssen nur erst die Konserven zur Seite schieben.“

Praktischerweise hatte ich den Waschkorb mit in den Keller genommen. Die Ausbeute war gewaltig. „Wir rühren es jetzt in den Teig ein“, empfahl ich, „Sie lassen langsam eine Tüte nach der anderen in die Mischung einrieseln, und dann sehen wir mal weiter.“ Der Kochlöffel war von erstaunlich zäher Natur, er hielt heftigem Rühren stand. Fast eine halbe Stunde lang dauerte es, dann wurde aus dem Butterschaum eine halbwegs feste Masse. „Man könnte jetzt Plätzchen daraus machen“, überlegte Herr Bresche, „oder wären Sie eher für Stollen?“ Den Teig mit noch mehr Mehl zu stabilisieren war auch nicht die beste Lösung, außerdem war die letzte Tüte aufgebraucht. „Man könnte daraus einen Blechkuchen improvisieren“, überlegte ich, „oder zeigen Sie mir mal, was Sie an Backformen haben.“ Der Griff in den Küchenschrank förderte eine Kastenform zutage. Immerhin etwas. „Man könnte ihn auch in Konservendosen einfüllen“, sinnierte Breschke, „natürlich müsste man die vorher oben – also mit der Säge, die ist auch im Keller, aber neben dem…“ „Nichts da“, unterbrach ich ihn. „Wir werden das jetzt professionell angehen. Geben Sie mir den Waschkorb. In der Zwischenzeit rühren Sie den Teig geschmeidig.“

Es war noch früh am Nachmittag, aber ich hatte in der Nachbarschaft großes Glück. Zwölf Formen brachte ich zusammen, teils für Königskuchen, teils in Napfform. Ehrfürchtig blickte Herr Breschke auf die Sammlung. „Reicht denn der Teig überhaupt für alle?“ Noch ehe ich ihn bremsen konnte, fischte er schon nach seiner Strickjacke, der er eben die Ärmel frisch abgeputzt hatte. „Ich könnte noch eben ein Päckchen Zucker holen, und Eier haben wir noch im Kühlschrank.“ Ich schob ihn zurück in die Küche. „Margarine“, befahl ich. „Pinseln. Alle.“ Er gehorchte.

Keine Viertelstunde später standen die ersten Formen im Rohr. Es duftete süßlich und mild nach Vanille. Wir schlürften am Tee, den Breschke in der Zwischenzeit aufgebrüht hatte. „Neun Kuchen“, stellte ich befriedigt fest. „Drei sollten Sie in der Nachbarschaft verteilen, einen nehme ich, dann haben Sie immer noch genug für einen guten Adventskaffee.“ Er rieb sich die Hände. Dann nahm er die weiß und rot geblümte Schale von der Anrichte und stellte sie mitten auf den Küchentisch. „Können Sie mir noch eben zeigen, wie ich die Rosinen in den Kuchen bekomme?“ Erwartungsvoll sah er mich an. Ich atmete angestrengt ein. „Erstmal lassen Sie den Kuchen auskühlen“, antwortete ich. „Und wenn Sie die Formen zurückgeben, fragen Sie noch mal in der Nachbarschaft herum. Einer von denen wird schon ein Luftgewehr haben.“





Völklore

22 11 2016

„… die mutmaßlichen Straftäter nicht als rechte Terroristen verfolgen wolle, da der Verein einen für das Bundesland Sachsen und sein Bevölkerung typischen Zusammenhalt verkörpere, der sich schon oft in der Geschichte als außerordentlicher…“

„… dass einige der Neonazis tagsüber auch sozialversicherungspflichtiger Arbeit nachgegangen seien. In Zeiten, in denen der gesellschaftliche Zusammenhalt mehr und mehr fehle, müsse man dies als positives…“

„… das Kraftfahrzeug eines Stadtrates der Linken durch eine Explosion mit einem illegal hergestellten Sprengsatz schwer beschädigt hätten. Aus umweltschützerischer Sicht sei die Maßnahme allerdings sehr zu begrüßen, die Grünen hätten zum Verzicht auf Autos und…“

„… habe ein Mitglied der Gruppe Freital einen Job als Pizzafahrer ausgeübt. Dies spreche für eine gelungene Integration in die westliche Wertegesellschaft, da auch ausländische Gerichte von diesem mutmaßlichen Neonazi…“

„… für die Hinweise der Ermittlungsbehörden nicht interessiert habe, da der Landesregierung bereits im Vorfeld bewusst gewesen sei, dass der Ruf Sachsens nachhaltig…“

„… ein Parteibüro der Linken beschädigt haben solle. Man müsse den mutmaßlichen Straftätern zugutehalten, dass ein größerer Teil der Deutschen ihre Taten billigend in Kauf nähmen, was als ein entlastendes Moment den Strafrahmen sehr…“

„… die Staatszugehörigkeit oder andere Merkmale nicht als typisch deutsch anerkennen würden. Dies liege nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft daran, dass die sächsische Landsmannschaft seit Jahren mit der deutschen Sprache ein eher gebrochenes…“

„… habe die Gruppe Freital aus Vorsicht auf einen medial wirksamen Namen verzichtet, auch sei ihnen im Gegensatz etwa zur Baader-Meinhof-Bande ein solcher von der bürgerlichen Presse nicht angehängt worden. Dies sei ein weiterer bedeutsamer Hinweis, dass die mutmaßlichen Straftäter kein großes Aufsehen aus ihrer nationalen Gesinnung…“

„… zahlreiche Straßenumfragen ergeben hätten, dass PEGIDA-Demonstrationen nur bis zu einer neuen Verfassung für die BRD GmbH…“

„… sie zur Durchführung ihrer Anschläge Sprengstoff aus tschechischen Feuerwerkskörpern benutzt hätten. Dies zeige ihre Problembewusstsein, dass der EU-Binnenhandel durch zu viele Importe aus Ostasien in ein schweres…“

„… den Patriotismus eine spezifisch sächsische Gangart von Heimatliebe praktiziere, die sich bis in die unionsgeführte Landesregierung…“

„… einer der Untersuchungshäftlinge einen illegalen Sprengkörper im Garderobenspind bei den Dresdner Verkehrsbetrieben gelagert habe. Dies deute zuverlässig darauf hin, dass die Gruppe ihre Attentate nicht im Geheimen, sondern mit Kenntnis und Billigung der völkischen…“

„… fürchte das Bundeskriminalamt nun die Gründung mehrerer rechter Terrorzellen in der Bundesrepublik. Die Bundesanwaltschaft habe die Ermittler dahin gehend beruhigt, dass für eine Welle von Nachahmungstätern zunächst einmal ein klares Vorbild geschaffen werden müsse, was bisher…“

„… Anschläge teilweise auf dem abendlichen Heimweg vom Arbeitsplatz geplant hätten. Die Behörden sähen dies als eine besonders gute Work-Life-Balance, die sich bis in die sächsische Unterschicht…“

„… zunächst einmal begreifen müsse, ob sich Sprengstoffanschläge gegen einen katholischen Würdenträger aus allgemeiner Frustration, einer tief greifenden Ablehnung des christlichen Glaubens oder aus der Auseinandersetzung mit der Politik der Bundeskanzlerin der…“

„… eine Beteiligung des Verfassungsschutzes schon deshalb nicht ausgeschlossen sein könne, weil der Verfassungsschutz mehrmals betont habe, dass eine Beteiligung des Verfassungsschutzes auf gar keinen Fall…“

„… der Verfassungsschutz zwar Mitglieder der späteren Gruppe zusammengeführt, militarisiert, im Umgang mit illegalen Waffen und Sprengstoff ausgebildet und sie finanziell unterstützt habe, sie aber über Planung und technische Hilfe einzelner Mordanschläge hinaus so gut wie nicht…“

„… mit der Landesnatur zusammenhängen könne. So sei das sächsische Brauchtum von Alters her eher militant, was sich auch in den Aufzeichnung zwischen 1933 und…“

„… sei auf die mangelnde Bildung der Sachsen zurückzuführen, die jeden ausländischen Besucher ablehnten. Zwar habe die Landesregierung gewaltbereite Jugendliche und Heranwachsende schon frühzeitig davon in Kenntnis gesetzt, dass schwedische oder italienische Touristen den Bau einer Moschee in Freital nicht unbedingt als…“

„… sei die Ablehnung der Demokratie schon vor der totalen Überfremdung mit 0,2 Prozent Muslimen eine feste Größe in der sächsischen Mentalität gewesen. Schuld habe daher alleine die Bundesregierung, die durch fehlende Veränderung der Umstände eine katastrophale Veränderung der gesamten…“

„… viel schärfer gegen den Linksterrorismus vorgehen wolle. Es sei oft dazu gekommen, dass bekennende Sozialisten ihre brennenden Autos auf öffentlichen Verkehrswegen geparkt hätten, dies müsse nun mit Hilfe der Bundesanwaltschaft und engagierter Anwohner aus dem nationalen Spektrum als schwere volksschädliche…“





Führerbefehl

21 11 2016

„Sicher wird das teuer. So war das auch gedacht. Wenn man als Wirtschaftsminister irgendwann den Verdacht schöpft, dass unbegrenztes Wachstum gar nicht hinhauen kann, muss man sich nach anderen Einnahmequellen umsehen. Oder sie verkaufen.

Das mit den Autobahnen ist eine historische Aufgabe, das schließt an Epochen an, mit denen wir uns voll identifizieren. Also die Römerstraßen, oder was hatten Sie jetzt gedacht? Die sind damals auch von unterworfenen Völkern gebaut worden, um den Herrschern das Leben ein bisschen leichter zu machen. So ungefähr müssen Sie sich das mit der Regierung vorstellen: wir privatisieren die Autobahnen jetzt, und irgendwann, in ein paar Jahrhunderten, was sage ich: in Tausenden von Jahren, da werden die Deutschen uns dankbar sein. Weil die Autobahnen dann schuldenfrei sind.

Es wird jetzt ja immer von Dual-Use geredet, und da haben die Kritiker auch ganz recht: wir weisen zu selten darauf hin, dass wir Autobahnen auch in militärischer Hinsicht werden benutzen können müssen, das hat ja damals, also der, ich weiß jetzt nicht, war vermutlich auch so ein Römer, der die damals gebaut hat, das waren ja militärisch befestigte Wege, und wir müssen Geld sparen. Da passt es sicherheitstechnisch doch ganz gut, dass wir uns auf Kerngeschäft konzentrieren und die Maut, das heißt das Überwachungssystem, und das ist ja sicherheitstechnisch relevant, und wenn wir Glück haben, müssen wir das militärisch nutzen. Können, wollte ich sagen. Können wir nutzen.

Überhaupt verstehen wir das ganze destruktive Gemecker nicht. Was wollen denn die Leute? Die wollen natürlich Privat vor Staat, oder? Stellen Sie sich mal vor, Ihre Garageneinfahrt, die auf Ihrem Grundstück liegt, das ist ja verkehrstechnisch auch nicht anders als ein Stück Autobahn, da gibt’s eine Beleuchtung, eine Überwachungsanlage, einen Grund gibt es auch, wahrscheinlich haben Sie einen Zaun, und das alles wird jetzt einfach verstaatlicht. Einfach mal so. Sie dürfen da noch fahren, es gilt nach wie vor deutsches Recht, aber es gehört Ihnen nicht mehr. Das Geschrei möchte ich mal hören! Sie wären doch der erste, der mit BRD GmbH und den Verschwörungstheorien anfängt, oder? Oder!?

Der Staat hat so viel zu tun, der muss sich nicht auch noch um die Autobahnen kümmern. Wir sind mit der Deutschen Bahn AG schon überfordert, da sind unsere Pläne gescheitert. Die Landbewohner wurden ja teilweise systematisch vom Zugverkehr abgeschnitten, und da man dieselben Fehler nicht immer wieder macht, machen wir die nur bei der Bahn. Die Autobahnen vermarktet dann jemand, der sich besser damit auskennt.

Wir setzen auf die finanziellen Anreize, ganz klar. Das ist ja eine Goldgrube. Das ist wie mit der Besteuerung von Schnaps und Zigaretten: geraucht und gesoffen wird immer, da können Sie die Abgaben erhöhen, bis die Leute quietschen, aber zahlen müssen sie letztlich doch. Warum sollte die Regierung diese Einnahmen nur für sich allein beanspruchen? Wenn’s der Wirtschaft gut geht, dann haben wir doch alle etwas davon.

Wir könnten uns auch vorstellen, dass es da internationale Wachstumsimpulse gibt. Wenn Sie das Modell beispielsweise auf griechische Radwege übertragen, sichern Sie der deutschen Wirtschaft dreistellige Milliardenbeträge. Langfristig!

Das kam ja von ganz oben, Führerbefehl eben, das war bei den Autobahnen auch nicht anders zu erwarten, aber Sie dürfen jetzt auch nicht denken, dass der Wirtschaftsminister das ganz alleine entschieden hat. Das Verkehrsministerium hat auch gesagt, dass es sie geistig überfordert, und dann hat der Vizekanzler noch mal gesagt, dass er den Referentenentwurf nicht gelesen hat, der war aber zu einem ganz anderen Gesetz, und plötzlich war die Frist abgelaufen. Aber sie haben wenigstens gesagt, dass es nur eine Teilprivatisierung sein wird. Bei 99,999999999997% würde ich auch von einer Teilprivatisierung sprechen. Es soll auf der A3 bei der Geschwindigkeitsüberwachungsanlage am Elzer Berg eine vom Bund unterhaltene Rückwand geben, die wird nicht privatisiert. Oder erst nach Ablauf einer Frist. Aber das macht dann nicht mehr dieser Wirtschaftsminister, davon können Sie ausgehen.

Wobei wir die Mauterfassung natürlich weiter als hoheitliche Aufgabe ansehen, das versteht sich wohl von selbst. Das muss schon aus Gründen der Steuergerechtigkeit so sein. Stellen Sie sich mal vor, dass nur die Allgemeinheit die Autobahnen finanziert und die Autofahrer sich gar nicht daran beteiligen können – schrecklicher Gedanke, oder? Wir als Regierung, die auf soziale Ausgewogenheit setzt, würden solche Zustände niemals dulden.

Aber machen Sie sich da keine Sorgen, das wird auch eine total ausgewogene Führung sein, die das Fernstraßennetz nach der Privatisierung verwaltet. Da sitzen Gabriel drin und Schäuble – beide! Wenn das keine soziale Ausgewogenheit ist, dann zeigen Sie mir mal einen Versicherungskonzern, also Verkehrsgesellschaft, wollte ich sagen, und das ist ja auch erst der Anfang. Wenn der Laden erst an die Börse geht, das ist ja für Fernverkehr immer gut, wenn so ein Unternehmen, also nicht an Ihre Börse, aber das sehen wir dann. Wir müssen alle unsere Opfer bringen, und wenn es uns auch langfristig schlecht gehen sollte, dann geht es der Wirtschaft doch langfristig gut, und dann wird es uns sicher langfristig gut gehen. Das muss sich Deutschland einfach mal leisten, und mal ehrlich: wenn das Volk etwas bezahlt, muss es doch nicht zwangsläufig auch das Eigentum daran haben. Oder wie, meinen Sie, hatten wir das mit der Agenda 2010 gemeint?“