Führerbefehl

21 11 2016

„Sicher wird das teuer. So war das auch gedacht. Wenn man als Wirtschaftsminister irgendwann den Verdacht schöpft, dass unbegrenztes Wachstum gar nicht hinhauen kann, muss man sich nach anderen Einnahmequellen umsehen. Oder sie verkaufen.

Das mit den Autobahnen ist eine historische Aufgabe, das schließt an Epochen an, mit denen wir uns voll identifizieren. Also die Römerstraßen, oder was hatten Sie jetzt gedacht? Die sind damals auch von unterworfenen Völkern gebaut worden, um den Herrschern das Leben ein bisschen leichter zu machen. So ungefähr müssen Sie sich das mit der Regierung vorstellen: wir privatisieren die Autobahnen jetzt, und irgendwann, in ein paar Jahrhunderten, was sage ich: in Tausenden von Jahren, da werden die Deutschen uns dankbar sein. Weil die Autobahnen dann schuldenfrei sind.

Es wird jetzt ja immer von Dual-Use geredet, und da haben die Kritiker auch ganz recht: wir weisen zu selten darauf hin, dass wir Autobahnen auch in militärischer Hinsicht werden benutzen können müssen, das hat ja damals, also der, ich weiß jetzt nicht, war vermutlich auch so ein Römer, der die damals gebaut hat, das waren ja militärisch befestigte Wege, und wir müssen Geld sparen. Da passt es sicherheitstechnisch doch ganz gut, dass wir uns auf Kerngeschäft konzentrieren und die Maut, das heißt das Überwachungssystem, und das ist ja sicherheitstechnisch relevant, und wenn wir Glück haben, müssen wir das militärisch nutzen. Können, wollte ich sagen. Können wir nutzen.

Überhaupt verstehen wir das ganze destruktive Gemecker nicht. Was wollen denn die Leute? Die wollen natürlich Privat vor Staat, oder? Stellen Sie sich mal vor, Ihre Garageneinfahrt, die auf Ihrem Grundstück liegt, das ist ja verkehrstechnisch auch nicht anders als ein Stück Autobahn, da gibt’s eine Beleuchtung, eine Überwachungsanlage, einen Grund gibt es auch, wahrscheinlich haben Sie einen Zaun, und das alles wird jetzt einfach verstaatlicht. Einfach mal so. Sie dürfen da noch fahren, es gilt nach wie vor deutsches Recht, aber es gehört Ihnen nicht mehr. Das Geschrei möchte ich mal hören! Sie wären doch der erste, der mit BRD GmbH und den Verschwörungstheorien anfängt, oder? Oder!?

Der Staat hat so viel zu tun, der muss sich nicht auch noch um die Autobahnen kümmern. Wir sind mit der Deutschen Bahn AG schon überfordert, da sind unsere Pläne gescheitert. Die Landbewohner wurden ja teilweise systematisch vom Zugverkehr abgeschnitten, und da man dieselben Fehler nicht immer wieder macht, machen wir die nur bei der Bahn. Die Autobahnen vermarktet dann jemand, der sich besser damit auskennt.

Wir setzen auf die finanziellen Anreize, ganz klar. Das ist ja eine Goldgrube. Das ist wie mit der Besteuerung von Schnaps und Zigaretten: geraucht und gesoffen wird immer, da können Sie die Abgaben erhöhen, bis die Leute quietschen, aber zahlen müssen sie letztlich doch. Warum sollte die Regierung diese Einnahmen nur für sich allein beanspruchen? Wenn’s der Wirtschaft gut geht, dann haben wir doch alle etwas davon.

Wir könnten uns auch vorstellen, dass es da internationale Wachstumsimpulse gibt. Wenn Sie das Modell beispielsweise auf griechische Radwege übertragen, sichern Sie der deutschen Wirtschaft dreistellige Milliardenbeträge. Langfristig!

Das kam ja von ganz oben, Führerbefehl eben, das war bei den Autobahnen auch nicht anders zu erwarten, aber Sie dürfen jetzt auch nicht denken, dass der Wirtschaftsminister das ganz alleine entschieden hat. Das Verkehrsministerium hat auch gesagt, dass es sie geistig überfordert, und dann hat der Vizekanzler noch mal gesagt, dass er den Referentenentwurf nicht gelesen hat, der war aber zu einem ganz anderen Gesetz, und plötzlich war die Frist abgelaufen. Aber sie haben wenigstens gesagt, dass es nur eine Teilprivatisierung sein wird. Bei 99,999999999997% würde ich auch von einer Teilprivatisierung sprechen. Es soll auf der A3 bei der Geschwindigkeitsüberwachungsanlage am Elzer Berg eine vom Bund unterhaltene Rückwand geben, die wird nicht privatisiert. Oder erst nach Ablauf einer Frist. Aber das macht dann nicht mehr dieser Wirtschaftsminister, davon können Sie ausgehen.

Wobei wir die Mauterfassung natürlich weiter als hoheitliche Aufgabe ansehen, das versteht sich wohl von selbst. Das muss schon aus Gründen der Steuergerechtigkeit so sein. Stellen Sie sich mal vor, dass nur die Allgemeinheit die Autobahnen finanziert und die Autofahrer sich gar nicht daran beteiligen können – schrecklicher Gedanke, oder? Wir als Regierung, die auf soziale Ausgewogenheit setzt, würden solche Zustände niemals dulden.

Aber machen Sie sich da keine Sorgen, das wird auch eine total ausgewogene Führung sein, die das Fernstraßennetz nach der Privatisierung verwaltet. Da sitzen Gabriel drin und Schäuble – beide! Wenn das keine soziale Ausgewogenheit ist, dann zeigen Sie mir mal einen Versicherungskonzern, also Verkehrsgesellschaft, wollte ich sagen, und das ist ja auch erst der Anfang. Wenn der Laden erst an die Börse geht, das ist ja für Fernverkehr immer gut, wenn so ein Unternehmen, also nicht an Ihre Börse, aber das sehen wir dann. Wir müssen alle unsere Opfer bringen, und wenn es uns auch langfristig schlecht gehen sollte, dann geht es der Wirtschaft doch langfristig gut, und dann wird es uns sicher langfristig gut gehen. Das muss sich Deutschland einfach mal leisten, und mal ehrlich: wenn das Volk etwas bezahlt, muss es doch nicht zwangsläufig auch das Eigentum daran haben. Oder wie, meinen Sie, hatten wir das mit der Agenda 2010 gemeint?“