„Haben Sie diesmal alle Unterlagen zusammen oder müssen wir da wieder hinterherlaufen? Ich frage ja nur, weil Sie schon dreimal keine ordentlichen Finanzpläne eingereicht haben, und ohne einen ordentlichen Finanzplan kriegt man nun mal keinen gescheiten Terroranschlag auf die Reihe, oder?
Gut, Sie sind neu in dem Business, das passiert einem bei Selbstmordanschlägen ja berufsbedingt öfter mal, aber ein paar Basics müssen Sie schon mitbringen, wenn Sie uns als Sponsor auf Ihre Seite ziehen wollen. Sie müssen immer bedenken, wir bündeln alle Dienstleistungen, also eigentlich tun wir das gar nicht, aber vertrauen Sie uns trotzdem – wir bieten die beste Supervision über alle Bereiche, technischer Support bis zum dritten Level, Logistik, wir haben eine 24/7-Hotline für religiöse Zweifel, all inclusive, Rechtsabteilung, Social Media Team mit besten Kontakten zur internationalen Presse. Da können Sie unbesorgt selbst Hand anlegen, mehr als unsere Beratung werden Sie nicht brauchen.
Natürlich brauchen Sie die. Jetzt gibt es in Frankreich schon ein Gesetz, dass man Sie für den Besuch islamistischer Websites in den Knast steckt. Klar ist das schlimm – stellen Sie sich mal vor, wie viele Attentate damit im Keim erstickt werden, nur weil sich Tatwillige leichtsinnig aus dem Verkehr ziehen lassen. Da muss man etwas unternehmen. Rechtsstaatliche Mittel, um westliche Rechtsstaaten zu zerstören, dürfen nicht einfach eingeschränkt werden. Aber kriegen Sie das mal hin, wenn Sie als einfacher Bürger gegen ein ganzes von jeder Moral unberührtes Staatssystem ankämpfen wollen. Ohne uns an Ihrer Seite.
Sie müssen uns da eher als Player in einer öffentlich-privaten Partnerschaft betrachten. Sie holen sich mit unserer Unterstützung selbst die finanziellen Mittel für den Anschlag, den Sie auch selbst planen und selbst vorbereiten und selbst durchführen dürfen – wir bekennen uns hinterher dazu. Als Qualitätssiegel, wenn Sie so wollen. Das setzt natürlich voraus, dass wir wirklich über alle Fakten und Umstände des geplanten Attentats in Kenntnis gesetzt werden. Nichts ist so peinlich wie ein Anschlag, der komplett aus dem Ruder läuft und dann mit unserem Namen assoziiert wird. Damit versauen wir uns mittelfristig jede Reputation, und als Islamischer Staat, der wir ja nun mal für die Weltöffentlichkeit sind, dürfen wir uns solche Schnitzer einfach nicht erlauben. Das sieht doch am Ende nur aus wie Staatstheater – wer würde mit so einem ideologischen Partner denn gerne weiterhin gemeinsame Projekte erarbeiten?
Unsere Qualitätskontrolle geht vielschichtig vor, uns interessiert auch scheinbar Nebensächliches. Ob Sie aus einem klassisch islamistischen Staat kommen, ob Sie Wirtschaftsflüchtling sind, ob Sie eventuell erst in Europa radikalisiert wurden, im Internet oder in der Moschee, ob das eine offizielle Vertragsmoschee war – Customer Relationship Management brauchen Sie da einfach, Bonussystem und solche Sachen halt, sonst springen einem die Imame ab, wenn sie nicht regelmäßig ihren Scheck kriegen – solche Sachen halt, die über Erfolg und Misserfolg der Operation entscheiden können. Alles kein Hokuspokus, sondern geballte Erfahrungen. Anders kommt man einfach nicht an die Spitze.
Ich sehe, Sie sind wirklich ganz neu in dieser Branche, anders ist Ihre Reaktion nicht zu erklären. Stellen Sie sich mal vor, wir räumen unsere Konten leer oder statten irgendwelche Amateure aus mit Empfehlungsschreiben für finanzkräftige Investoren in den westlichen Faschismus, und dann kommt am Ende nicht außer Tischfeuerwerk oder Terrorzellen, die im Spätstadium von der Polizei hochgenommen werden, weil sie ihre ganzen Anschlagspläne unter den Augen der Geheimdienste vorbereitet haben. Das geht doch nicht.
Letztlich müssen wir uns ja auch mit den Folgen der Tat identifizieren. Geradestehen tun Sie dafür, das ist nun mal die Aufgabenverteilung, aber uns wird das angerechnet, positiv wie negativ. Da muss man natürlich die Kontrolle behalten. Wenn Ihre Familie erstmal die vertraglich vereinbarte Summe auf dem Konto hat, wird doch kein Mensch mehr einen Terroranschlag durchziehen. Und das sind Erfahrungswerte, keine Spinnerei. Man kann es ja bis zu einem gewissen Grad auch nachvollziehen, aber ich bitte Sie: so idealistisch sind wir nun auch wieder nicht.
Sicher haben wir auch unsere eigene Kontrolle, da gibt es nichts. Irgendwie muss man das ja auf die Reihe kriegen, und unsere Lösung ist immer noch die beste. Andere Organisationen würden jetzt schon mit Killerkommandos arbeiten, aber mal ehrlich: bei Selbstmordattentätern? Wir lassen uns da lieber von ein paar Verfassungsschützern gezielt infiltrieren, die uns unzuverlässige Partner aus dem Weg räumen. Das ist im Zweifel immer noch das beste Mittel und dazu verhältnismäßig preiswert. Vernetztes Denken, Sie verstehen? Auf intelligente Business-Lösungen können wir nicht verzichten, das gehört im internationalen Geschäft ja längst zur Grundausstattung.
Lassen Sie mal sehen. Das Einsteigermodell für unter 100.000 Euro ist natürlich genauso gut für Sie konfigurierbar, setzt aber einen gewissen Eigenanteil von Ihrer Seite voraus. Fahren, Sprengen, Abwicklung. Wo sehen Sie denn da Ihre Rolle?“
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