Kundendienst

31 07 2017

„Das kennen Sie bestimmt noch von früher, oder? Der Chef sagt Ihnen, wann Sie Urlaub haben, die Bank sagt Ihnen, wie lange Sie verreisen, und Ihre Frau sagt Ihnen, wohin es geht! Hahahahaha! Das hat noch immer funktioniert, da haben wir unsere Marktlücke entdeckt, und zack! alles ist steuerbar, alles in Echtzeit, Sie können die einzelnen Sachen zuschalten und abschalten, das Abschalten ist ein bisschen komplizierter, aber im Grunde werden Sie mit unserem Angebot perfekt ausgerüstet.

Ja gut, man muss mit einer Lifestyle-Beratung auch irgendwo ansetzen, das ist so ähnlich wie ein Coaching für Unternehmen, nur können Sie es eben nicht von der Steuer absetzen. Und wenn ich mir da so Ihre Kleidung ansehe – ich nenne das jetzt mal Kleidung, das hat ja mit Mode so viel auch wieder nicht zu tun, immerhin kann man erkennen, dass es Nachkriegsware ist, aber diese Hemden: nein, bei aller Liebe, das ist nichts. Darum haben wir für Sie diese Funktion hier, das ist gleich mit Lieferung inklusive, Sie müssen nur Ihre Größe eingeben, also einmal am Anfang, dann kriegen Sie automatisch die Hosen, die Sie tragen sollten. Also das hier ist, verstehen Sie mich nicht falsch, aber das hat mein Großvater letztens noch gerne getragen, und der Mann ist seit dreißig Jahren tot. Die Farbe geht gar nicht mehr. Das sucht Ihnen die Sonderangebote raus, da müssen Sie gar nichts mehr tun, und dann haben Sie immer passend zum Hemd, wobei: Sie sollten mal an Ihrem Stil ein bisschen feilen, wir geben da noch so gewisse Einflussmöglichkeiten, aber Sie sollten es auch bitte nicht überreizen. Diese Sandalen sind nicht witzig.

Natürlich müssen Sie nicht immer die aktuelle Kleidergröße eingeben, die errechnen wir aus Ihren Körperfunktionen. Dass Ihnen dieser kleine Helfer die nötigen Planungen abnimmt, macht er ja nur, weil auf der anderen Seite Ihre Einkäufe, sagen wir mal: wir interessieren uns schon sehr dafür, was Sie essen. Da schlagen wir Ihnen gerne mal etwas Regionales vor, nachhaltig, das Gemüse direkt vom Erzeuger, da müssen Sie dann dreißig Kilometer für ein Pfund Bio-Rosenkohl fahren, aber das ist Ihnen der Cholesterinspiegel doch wert, oder? Kleines Trostpflaster, Rezepte kriegen Sie alle gratis, per Push-Nachricht, und dann checken wir sogar, wer in Ihrer Nachbarschaft den unverpackten Reis in Empfang nimmt, während Sie Rosenkohl holen. Sie müssen das Zeug dann nur noch essen. Wenn Sie wollen, können Sie natürlich auch etwas bestellen, wir haben nämlich auch einige Kooperationen mit den wichtigsten Lieferanten, die Sie zwischendurch in der – ach, gucken Sie mal hier, gerade neu im Sortiment, Flatrate, da kriegen Sie Sushi satt vom Freitagmittag bis Sonntag um… ach, Sie mögen kein Sushi? also wenn schon Individualist, dann aber gleich richtig, wie!?

Und vor allem immer diese Kinoabende, in die Kneipe, das kann doch auf Dauer nicht gut sein. Sport müssen Sie ja gar nicht machen, wenigstens nicht mit diesem Modul, aber Ihr, ich sage mal: was Sie da als Freizeitverhalten bezeichnen, das ist für Marketingleute doch kurz vor der Zwangsneurose. Sie müssen mal raus, nicht immer dies langweilige Zeugs da, mal neue Erfahrungen machen, nicht immer dieselbe Leier, hier: Bogenschießen, aber mit mongolischer Technik, das ist noch nicht mal Volkshochschule, oder im Veranstaltungszentrum, lyrischer Abend mit Nasenflötenbegleitung, danach Diskussionsrunde zum achtsamen Miteinander bei vollem Lohnausgleich, das kann man sich doch mal geben? wann wollen Sie denn alle die Klamotten mal anziehen? So ein Sozialleben kommt ja auch nicht aus der Steckdose, seien Sie mal froh, dass Sie die richtige Unterstützung gefunden haben. Ich würde Sie ansonsten da einfach mal mit einbuchen, Sie können ja sonst einmal pro Woche immer noch ins Kino gehen, wenn Sie das wollen.

Und den neuen Job sollten Sie auch schon mal ins Auge fassen. Es wird Ihnen nichts geschenkt, das sollten Sie schon wissen, aber wenn Sie schon knapp über dem Durchschnitt leben, dann sollten Sie auch für Karriere in der zweiten Lebenshälfte offen sein. Gerade Sie mit Ihrem Beamtenstatus, da muss man doch geradezu in jeder Zelle spüren, dass das noch nicht alles gewesen sein kann! Da geht noch was, das kriegen Sie hin! Und denken Sie nicht immer an die Pensionsansprüche, Geld ist nicht alles – machen Sie trotzdem Karriere! Jeden Tag ein Berufsbild zum Kennenlernen, wir machen das mit der Bewerbung ganz automatisch, Sie müssen dann nur noch sehen, wie Sie das mit der Miete hinkriegen, wenn’s mal nicht mehr klappen sollte: Verkleinern ist durchaus eine Option, den ganzen überflüssigen Krempel kriegen Sie schon vor dem Umzug locker verlauft, wir haben den Kleinanzeigenmarkt standardmäßig aktiviert, die Fahrzeit ist natürlich variabel einstellbar, vielleicht haben Sie’s dann auch nicht mehr so weit bis zum Bio-Rosenkohl, und dann lernen Sie auch neue Leute kennen, neues soziales Gefüge, dann gehen die alten Schuhe natürlich nicht mehr, auf dem Dorf machen Sie sich damit nur lächerlich, und was die Freizeit betrifft, da sind Sie ab sofort natürlich sehr flexibel, auch in finanzieller Hinsicht, da sind dann sogar noch ein paar Extras drin, ich gucke gerade mal, wie es aussieht mit Tagesgeldkonten, oder haben Sie schon ein Depot? Eventuell Ihre, ich weiß ja nicht, haben Sie eine Frau? Freundin? ach, gar nicht?

Ich glaube, da habe ich etwas für Sie.“





Murkelmanns Erlebnisse (II)

30 07 2017

Murkelmann fährt Omnibus.
Morgens ist das ein Verdruss,
denn es starrt im Halbschlaf schon
jeder auf sein Telefon.

Alles liest und alles tippt,
bis man aus dem Bus rauskippt,
ganz verwundert um sich schaut,
dass es selbst dem Morgen graut.

Aber eins freut Murkelmann,
seit er daran denken kann:
keine Zeitung raschelt mehr,
er genießt die Stille sehr.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCCLIII)

29 07 2017

Dass Zoltán, erkältet in Schitte,
beinahe den Tod dran erlitte,
erklärt er mit Schnauben.
Man mag es kaum glauben:
zwei Damen, und er in der Mitte.

Sameera, der frühstückt in Ella
aus Gründen der Frische im Keller
nicht nur Marmelade
(das wäre auch schade),
sonst vornehmlich viel Mortadella.

György geht mit dem Pudel in Jeine.
Den Hund hat er stets an der Leine,
wobei jene Strippe
ist Fallstrick und Klippe,
sie kommt ihm oft zwischen die Beine.

Min-ho stand im Postamt von Buan,
vermutlich käm er auch gleich dran.
Dann band er in Ruhe
sich nochmals die Schuhe –
vor ihm standen drei Dutzend Mann.

Magdolna, die angelt in Wetz
obwohl dies nach strengem Gesetz
nicht geht mit der Rute.
So nimmt denn die Gute
zum Fischen schlicht ihr Einkaufsnetz.

Bringt Boutros ein Päckchen in Fikeh
zum Schalter, sagt er: „Was ich schicke,
lässt sich zwar gut werfen,
doch ist einzuschärfen
den Postlern, dass man’s niemals drücke!“

Raucht Dénes Tabak in Marase,
führt er sich das Streichholz zur Nase,
sodann in die Pfeife
mit luftiger Schleife –
und hat dann am Finger ’ne Blase.





Pfirsich

28 07 2017

Freitagstexter

Nein, es war gar keiner. Zucchini sind als Gartenkürbisse recht weit entfernte Verwandte der Rosenartigen zwar irgendwo auch in der Nähe der Steinobstgewächse, aber das war es dann auch. Der aktuelle Freitagstexter ist demnach mal wieder ganz anders, trotzdem: Herzlich willkommen!

Beim SchafPiraten jedenfalls ging es um nachwachsende Rohstoffe, genauer: Bären. Rein landwirtschaftlich muss man dabei zwischen Erd- und Braunbären unterscheiden, da erstere bei unsachgemäßer Handhabung hartnäckige Flecken hinterlassen, letztere für die Aufbewahrung im Kühlschrank meist nicht zu begeistern sind. Kleinere Exemplare sind gutmütig, leise, schnarchen nicht und sind ausgesprochen reiselustig. In Neckarnähe leben vereinzelt wilde Heidelbären. Und damit wären wir auch schon fast bei den Blaubären angelangt.

Das so bekannte wie auslegungsfreudige Regelwerk des Wortmischers erlaubt es nun, bis Dienstag, den 1. August 2017 um 23:59 Uhr sich Gedanken zu machen über die merkwürdige Gegend, in der ich lebe. Milchläden gibt’s keine mehr, dafür werden Verkehrsschilder umhäkelt, ab und an stehen Plakate von Politikern ohne (!) aufgemalte Schnurrbärte in der Gegend herum – kurios. Ich bin manchmal erstaunt über meine eigene Geduld. Und damit bin ich nicht alleine, wie dieser Schnappschuss wohl zeigt. Klick macht, wie immer, groß.





Chipster

27 07 2017

„Sicher fiepe ich hier wie an der Supermarktkasse!“ Hildegard drehte die ominöse Plastikscheibe zwischen den Fingern und rümpfte die Nase. „Es sind ja nur drei Tage“, tröstete ich sie. „Außerdem macht das Ding überhaupt gar keine Geräusche.“ „Eben“, zischte sie zurück. „Man wird hier still und heimlich ausgehorcht, das ist der Plan!“

Das luxuriös ausgestattete Schiff glitt den stillen Fluss hinab, kichernde Paare flanierten übers Deck, lustige Damenkränzchen waren auf der Suche nach Eierlikör, in der Mitte der Heiterkeit hockte meine Begleiterin und ärgerte sich. „Es ist lediglich eine kleine Unterstützung für den Service“, erläuterte der Chefsteward. „Sobald sich ihre elektronische Marke angemeldet hat, schalten sich das Licht und Ihre Lieblingsmusik in der Kabine an.“ „Das schaffe ich alleine!“ Sie war durchaus nicht mit guten Worten zu erreichen. Und vielleicht waren diese Funkchips tatsächlich ein Eingriff in ihren innersten Privatbereich. „Nehmen wir zum Beispiel der Cocktail“, erklärte der Steward, „dank Ihres Fragebogens wissen wir bereits, dass Sie gerne ein Gläschen um die Mittagszeit trinken.“ Mehr musste er nicht sagen.

Siebels hatte uns die Karten überlassen, zwei Staffeln Traumboot unter der Sonne des Südens, hastig über Weihnachten gekurbelt, waren der Produktionsfirma eine ganze halbe Woche auf diesem wasserfesten Hotel wert gewesen. Die Küche war erträglich, man musste nicht zu allem Allotria heraustreten, und dank unserer goldfarbenen Anhänger brauchten wir für nichts zu bezahlen. Die hellbraune Brühe, die hier als Kaffee serviert wurde, machte die Sache nicht besser, immerhin: es gab nie Diskussionen um den Preis. „Und genau deshalb will ich nicht, dass mir jemand um kurz nach elf einen Cocktail unter die Nase hält“, nörgelte Hildegard. „Vor allem nicht vor dreißig lustigen Witwen, die nach dem Frühstück übergangslos zu ihrem ersten…“ „Ist ja gut“, beschwichtigte ich sie. „Nur noch heute, morgen, und dann sind wir ja auch schon durch mit dieser Kreuzfahrt.“ Sie schnaubte geräuschvoll. „Ich werde diesen Plastikmüll ab sofort in der Kabine lassen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Wir kommen aber ohne nicht ins Restaurant.“

Ein mäßiger Nieselregen ging über dem Schiff nieder. Möwen johlten am trüben Himmel. In weiter Ferne zeigten sich die Türme eines Doms, es hätte aber auch ein frühgotisches Heizkraftwerk sein können. „Wenn wir nur endlich zu Hause sein könnten“, seufzte Hildegard. Da erblickte sie das silbrige Rund an der Türschwelle. Das eingeprägte Logo der Reederei auf der Rückseite zeigte schnell, dass es sich um ein Speicherplättchen wie unseres handelte, nur eben in einer anderen Klasse: wer dieses mit sich führte, musste für alles bezahlen, was nicht im Preis inbegriffen war. „Sehr gut“, sagte sie mit maliziöser Miene. „Jetzt werden wir erleben, was wirklich Luxus ist.“

Dass der Etagenkellner Hildegard in nahezu akzentfreiem Französisch ansprach und statt des obligaten Tom Collins eine perfekt gekühlte Flasche Champagner präsentierte, überraschte doch ein wenig. „Ich hatte meinen Namen nicht so ganz verstanden“, informierte sie mich, „vielleicht sollte ich mit russischem Akzent antworten?“ Der weiße Kaviar wurde auf kleinen Schmetterlingen von Vollkornbrot serviert, mein schüchterner Einwurf, noch ein Kännchen Tee zu bestellen, wurde wie der Geistesblitz eines Genies aufgenommen. „Schade.“ Hildegard schmatzte. „Schade eigentlich, dass wir die Kreuzfahrt nicht bis zum Ende mitmachen. Du hast doch die Nummer von Siebels?“ „Er würde mir den Kopf abreißen“, knurrte ich. Sie lächelte. „Das hatte ich bedacht. Es ist Dein Kopf, nicht meiner.“

Ein bisschen nervte Swetlana Eduardowna, oder wie immer sie hieß, denn wir verstanden ihren Namen nicht auf die Entfernung. „Es ist gerade so gemütlich“, meinte Hildegard. Der Damenclub prostete uns selig im Fackelschein mit Eierlikör zu. Der rasch auf dem Landweg besorgte Bassbariton trug einen ergreifenden Schubert-Zyklus vor, der beherzte Umbau des Oberdecks in eine mit seidenen Baldachinen überspannte Arena hatte dem Direktor einiges an Anerkennung abgerungen. Leiser schlugen die Wellen ans Ufer, keiner hörte, wie sich in den hastig schallisolierten Kabinen unter Deck das Streichorchester einspielte. Einen Abend auf dem Wasser ohne Bartók und Strawinsky kann man haben, muss man aber nicht.

„Du hättest ruhig den stabileren Koffer nehmen können“, moserte Hildegard beim Aussteigen. Die vielen Souvenirs aus der Bordboutique drohten das Gepäckstück beinahe zu sprengen. Der Chefsteward hatte ihr erst in einem Anfall von Ritterlichkeit beim Tragen helfen wollen, entdeckte aber im letzten Augenblick ihren goldenen Chip. „Bis zum nächsten Mal“, grüßte er knapp und hatte sich halb schon den nächsten Passagieren zugewandt. Mit gekonnt divenhaftem Schwung drehte sie sich um und schritt die Gangway hinunter. Oben zeterte es aus vollem Halse. „Meine Güte“, stöhnte Hildegard und verdrehte die Augen. „Wenn Sie es sich nicht leisten kann, warum fährt sie dann nicht erster Klasse?“





Staatsbürgerkunde

26 07 2017

„Wenigstens ein kleines bisschen könnte man doch aber die…“ „Nein!“ „Sie müssen doch die Kosten im Auge behalten.“ „Interessiert mich nicht.“ „Aber die Kosten haben immer Vorrang bei Ihnen? wann hat sich das denn bitte geändert?“ „Jedenfalls nicht mit Werbung. Ich werde das nicht zulassen.“

„Denken Sie doch auch mal an die Kinder!“ „Das war mein letztes Wort. Keine Werbung in den Schulen.“ „Sie sind wohl gegen Werbung, wie?“ „Sind Sie gegen Bier?“ „Nein, warum?“ „Ich auch nicht. Trotzdem hat es an deutschen Schulen nichts zu suchen.“ „Typisch, wieder so ein Spießer, der die innovativsten Ideen ausschlägt, nur weil er mit der Ethikkommission so ist.“ „Quatsch.“ „Uuh, wie qualifiziert!“ „Werbung ist schlicht mit den Aufgaben einer staatlichen Schule nicht zu vereinbaren.“ „Sie wollen den Religionsunterricht abschaffen? bitte, nur zu. Ist nicht meine Karriere.“ „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ „Es handelt sich in beiden Fällen um…“ „Manipulation, wollten Sie sagen?“ „Das haben Sie gesagt! das lasse ich mir von Ihnen nicht unterschieben!“ „Mit dem Unterschied, dass das eine den Kindern ein Weltbild vermitteln will, welches auch immer, und das andere lediglich Konsumanreize wecken soll.“ „Das macht doch der Religionsunterricht auch, oder zahlen Sie keine Kirchensteuer?“

„Jedenfalls nehmen Sie Ihre Gutscheine mal wieder mit, und dann machen wir weiter in Ruhe Unterricht.“ „Dafür erhalten Sie im Kaufi-Markt ein kostenloses Geodreieck, und für den hier sogar einen Wasserball. Das ist wichtig, in Deutschland können immer weniger Kinder schwimmen.“ „Ich mache bei Ihnen also einen Mindestumsatz von fünf Euro, und dann kriege ich so ein lumpiges Stück Plastik nachgeworfen.“ „Damit können Sie Winkel messen, Sie können rechte Winkel und…“ „Egal.“ „… linke auch, ich kenne mich da nicht so aus, aber auf jeden Fall ist das kostenlos und…“ „Wie gesagt, wir wollen es nicht.“ „Aber die Kinder holen sich ihre Schokoriegel sowieso beim Kaufi, da kann man doch mit der Kundenbindung gar nicht früh genug ansetzen.“ „Verstehe, Sie sehen Ihre Maßnahme als Gegenbewegung zur Servicewüste Deutschland.“ „Richtig, Sie haben es erfasst! Man muss das Konzept Staatsbürgerkunde nur etwas wirtschaftsfreundlicher gestalten, dann hat auch die Binnenkonjunktur etwas vom…“ „Vergessen Sie’s.“

„Das mit den Plakaten brauche ich Ihnen dann wohl gar nicht weiter zu erläutern?“ „Ich habe es mir durchgelesen.“ „Oh, doch?“ „Schwachsinn.“ „Was spricht denn dagegen? Gucken Sie mal: Mehr Spaß am Sport mit…“ „Es gibt noch sehr viel mehr Marken, wir brauchen dieses Sponsoring nicht an der Turnhallentür.“ „Und was ist mit der Sporthilfe?“ „Das ist gezielte Förderung der Spitzenkader.“ „Sie wollen die Kinder, die das Beste sind, was wir der Zukunft zu bieten haben, ohne die Segnungen einer…“ „Kommen Sie zum Punkt, Mann.“ „Gerade die einkommensschwachen Schichten müssen doch gefördert werden, das hat sich die Sozialministerin auf die Fahne geschrieben. Nicht erst diese übrigens.“ „Dass Nahles mehrere Fahnen hat, weiß ich selbst.“ „Nein, ich meine…“ „Wenn wir sinnvolle Produktunterstützung für die Kinder bereithalten, haben wir die Gewährleistung, dass wir Chancengerechtigkeit herstellen.“ „Aha. Sinnvolle Produktunterstützung für den Unterricht hätte es nicht getan?“ „Wie soll die aussehen?“ „Sie könnten in die Schulen beispielsweise Turngeräte hinstellen, die Lehrkräfte in Supervision schulen oder in Talentförderung.“ „Umverteilung, das ist alles, was Ihnen dazu einfällt?“ „Umverteilung?“ „Wenn sich die Kinder aus einkommensschwachen Schichten diese Turnschuhe leisten wollen, müssen sie sich halt ein bisschen dafür anstrengen.“ „Ich sehe, Sie nehmen das mit der Staatsbürgerkunde ernst.“ „Wir wollen eben das Beste aus den Kindern herausholen.“ „Richtig. Ihre Kohle.“

„Dann jedenfalls schon mal herzlichen Dank für das Gespräch, ich werde mir den…“ „Nicht so schnell, können Sie nicht Ihre Werbespots noch mal zeigen?“ „Ich dachte, Sie wären gegen Werbung in der Schule?“ „Bin ich auch. Das heißt aber nicht, dass man nicht Werbung für die Schule machen sollte.“ „Wie soll das funktionieren?“ „Sie können Ihre Reklame ein bisschen umschneiden, und dann werden die Filmchen halt für Fremdsprachen oder Erdkunde. Oder überhaupt mal dafür, sich in die Schule zu begeben.“ „Und mit welchem Nutzen? Denken Sie doch mal nach, die Kinder müssen doch einen konkreten Nutzen sehen, sonst spricht sie die Werbung gar nicht an.“ „Schulausbildung. Lernen. Weshalb man eben in die Schule geht und nicht auf der Straße hockt.“ „Und wie bekommen wir dafür Sponsoren?“ „Sie arbeiten nur sporadisch mit der Wirtschaft zusammen, stimmt’s?“ „Sollen wir die Schüler etwas nur als bewusste Verbraucher bilden?“ „Wäre ein Anfang.“ „Aber wie verkaufen wir dann Kekse und Klamotten?“ „Indem Sie die Kinder frühzeitig zu vernünftigen Staatsbürgern erziehen, die genug für die Binnenkonjunktur tun.“ „Super Idee! Und das kriegen wir vernünftig hin?“ „Selbstverständlich, unter einer Bedingung.“ „Ja?“ „Halten Sie die Banken raus.“





Vollmeise

25 07 2017

„… unterbunden werden müsse, dass durch den massenhaften unkontrollierten Grenzübertritt die Gefahr für Deutschland überhandnehme. Die Alternative für Deutschland werde sich künftig für den Gebrauch der Schusswaffe einsetzen, um die aus dem Ausland kommenden Zugvögel…“

„… sich die Parteiführung gegen eine generelle Massenausweisung einzelner Arten ausgesprochen habe. Die Wähler seien nicht in der Lage, zwischen Kohlmeise und Rauchschwalbe zu unterscheiden, weshalb sich Weidel für eine komplette Vernichtung sämtlicher in den Grenzen von 1937 lebender…“

„… die Auswanderung aus Deutschland sofort unterbunden werden müsse. Scheuer habe sich für eine Obergrenze ausgesprochen, die beim nächsten CSU-Parteitag einstimmig…“

„… die Mönchsgrasmücke wegen ihrer in Europa zunehmenden Population als Risiko für die gerade in Ostdeutschland beheimateten Arten zu…“

„… die Mittelstreckenzieher vorwiegend aus Gebieten kämen, in denen seit Millionen von Jahren der militante Islamfaschismus praktiziert werde, der allein zur Zerstörung der Ehre des deutschen…“

„… nicht zu machen sei, da man eine halbe Milliarde Vögel in Deutschland mit technischen Mitteln nicht kontrollieren könne, abgesehen von den innerhalb der EU ansässigen. Dobrindt habe deshalb fest zugesichert, mit einem Gesetz alle…“

„… der Zilpzalp als Migrant den deutschen Geburtskanal nutze, um das christliche Abendland mit seiner arabischen Genetik zu…“

„… werde es laut Sarrazin wenige tausend Jahre dauern, bis auch die Feldlerche sich zu einer zivilen Art entwickelt haben werde, die nicht mehr zur Verteidigung gegen die Türken vor…“

„… dem Vorbild des islamistischen Autokraten Erdoğan folgen müsse, die Evolution aus den Lehrplänen der weiterführenden Schulen zu streichen, da sie durch unnötig differenziertes…“

„… sinke der IQ der gemeinen Nachtigall, die nicht mit dem Nachbau in der chinesischen Volkswirtschaft Schritt halten könne, pro Saison um mindestens…“

„… sammle die AfD von Privatpersonen Gelder, um sich mit großen Fangnetzen, die quer über das Mittelmeer millionenfach illegale Einwanderung von rassefremden Arten in die arischen Ökosysteme zu…“

„… zur Geschlossenheit mahne. Der rechtsrechte Flügel der Volksvölkischen Plattform innerhalb der Blut-und-Ehre-Fraktion wolle auf keinen Fall die Anti-Storch-Kampagne des…“

„… es wissenschaftlich erwiesen sei, dass der aus afrikanischen Winterquartieren einkehrenden Kuckuck seinen Parasitismus, so ähnlich dieser dem Sozialverhalten der Rechtspopulisten auch sei, immer noch als volksfremde…“

„… die regelmäßige Einwanderung der Küstenseeschwalben in antarktische Regionen kein Problem darstelle. Diese sei im Gegensatz zu anderen Regenpfeiferartigen nur in den leider kaum unter deutscher Herrschaft stehenden Gebieten…“

„… als Humbug betrachtet werden müsse. Eine wissenschaftliche Erklärung, so Meuthen, sei mit der als richtig anerkannten Meinung des gesunden Volksempfindens auf keinen Fall zu…“

„… die Rotflügel-Brachschwalben im Freistaat Sachsen vorsichtshalber zu fangen. Nach dem Vorbild der bayerischen Gesetzgebung müsse man auch Arten als Gefährder einstufen, wenn diese noch keine Hinweise auf eine ökologisch nicht einwandfreie…“

„… die Vögel als autonome Gruppe zu einer vom Staat verfolgbaren volksfeindlichen…“

„… das Boot Finis Germaniæ auf dem Rhein eingesetzt werde. Höcke sei zwischen Dormagen und Zonser Grund mit einem Megafon an Bord gekommen, um die biologische Zerstörung der tausendjährigen…“

„… Thermiksegler mit Hilfe der Luftsicherheit unschädlich machen wolle. Eine Überwachung sicherheitsrelevanter Bereiche, so Wendt, könne nur durch Kriminalisierung und frühzeitig großflächige Desinformation des…“

„… Kranichnistgebiete in Biosphärenreservaten nicht mehr zu den förderungswürdigen Attraktionen rechnen wolle, solange nicht geklärt worden sei, ob es sich hier um eine ungewollte fremdländische Kulturbereicherung im Sinne einer von Multikulti gesteuerten…“

„… keine Gewalt gegen Vögel gebe. Die von der Freien und Hansestadt nur zu Testzwecken versuchte Ausrottung der Vollmeise habe gar nicht stattgefunden, sei nicht dokumentiert worden, die Dokumentation sei nur für den internen Gebrauch bestimmt gewesen und die Pressekonferenz des Ersten Bürgermeisters über die Ergebnisse der Dokumentation sei eine nicht für die Öffentlichkeit oder andere linkschaotische…“

„… mit männlichster Härte und Entschiedenheit alle schicksalhafte Zernichtungen des ewigen Deutschtums bis zum gottgewolltesten Endsieg mitleidlos auslöschen wolle. Bedauerlicherweise habe man Höcke nach wenigen Minuten mit schweren gesundheitlichen…“





Ewig und drei Tage

24 07 2017

„Naa, so sind wir Bayern nicht. Wir sind etwas anders als der Rest von diesem Deutschland, weil wir ja nicht dazugehören, aber schauen Sie sich diese Diskussionen an – Haftgrund? Wozu brauchen Sie einen Haftgrund? Muss man immer einen Grund haben für eine Haft? Muss ich einen Grund haben, um zu feiern? Ist nicht eine Maß genug, und daraus ergibt sich dann automatisch der ganze Rest, also auch die Feier? Sehen Sie, so sind wir Bayern!

Wenn ich das schon höre: Unschuldsvermutung! Himmiherrgottsakrament, in einem Rechtsstaat hat es keine Vermutung zu geben, die Justiz beruht auf Beweisen! Und wenn einer seine Unschuld nicht beweisen kann, dann ist die Justiz einmal im Recht! Wollen Sie denn, dass wir einen jeden Einbrecher vor Gericht stellen, der sagt dort: vermutlich bin ich unschuldig, und dann muss der Richter ihm das glauben, weil er nicht beweisen kann, dass der Einbrecher glaubt, er hätte schuldhaft gehandelt? So geht doch Bayern vor die Hunde – und Deutschland gleich mit, wobei: das wäre zu verkraften.

Es ist doch auch nicht so, dass wir jetzt jeden Unschuldigen gleich einsperren, das ist doch wieder eine Schweinerei aus der linken Hetzpresse, von Springer oder wie diese Kommunisten alle heißen, aber die müssten es besser wissen. Die SPD hat sich enthalten, das heißt, es kann gar nicht links gemeint sein. Und bei der SPD ist das Gegenteil ja auch immer richtig, also sind wir im Recht. Es wird hier nicht jeder Unschuldige gleich eingesperrt, das ist eine Verleumdung. Wir sperren nur die ein, die auf Grund mutmaßlich als verdächtig einzustufenden Dinge, die bei näherem Hinsehen grundsätzlich auch als verdächtig einzustufen sein könnten – könnten, verstehen Sie, also selbst da hat der Gesetzgeber in seiner großen Gnade dem Subjekt noch eine Galgenfrist eingeräumt. Wenn bei Ihnen morgens um halb sechs die Polizei mit dem Schlagstock die Wohnung aufräumt, dann muss gar kein dringender Tatverdacht gegen Sie vorliegen. Es könnte auch ein Routineeinsatz sein.

Natürlich verstehen wir Ihre Bedenken. Das ist ja auch durchaus okay, wenn man mal ins politische Ausland guckt, wie da die Polizei gegen kriminelle Elemente vorgeht – aber wir sind da ganz anders. In Hamburg wurden schwere Fehler gemacht, da hat man mit der falschen Taktik agiert, viel zu spontan, zu unüberlegt, versehentlich wurden Rechte die Bürgerrechte beschnitten, weil man sie für linke Chaoten hielt, das geht so nicht. In Bayern ist das freilich vollkommen anders. Hier gibt es keine Überraschungen, wir planen das von langer Hand. Ja Kruzitürken, das müssen Sie doch selbst sehen, wir haben das hier im Griff! Jahrelang hat das ordentlich funktioniert, wir haben damit schon Erfahrungen gesammelt, bevor die Preußen mit ihrer Demokratie ankamen und mit Republik und Grundgesetz, und jetzt kommen die aus Berlin und machen uns das kaputt? Das hat jahrelang geklappt, vielleicht sagt Ihnen der Name Gustl Mollath etwas, und es besteht hier überhaupt kein Anlass, ein gut abgestimmtes Justizsystem mit derlei hektischem Beiwerk zu torpedieren.

Auf der anderen Seite ist es ja auch noch keine Untersuchungshaft. Sie sitzen hier höchstens ewig und drei Tage, wobei zwischendurch sogar neu entschieden wird, was ewig heißt. Da sind wir erheblich flexibler als die katholische Kirche. In Polen mag das vielleicht gerade anders aussehen, aber selbst da handelt es sich nur um Abwehr einer drohenden Gefahr. Zum Beispiel vor der katholischen Kirche.

Sie stellen sich das alles viel schlimmer vor, als es in Wirklichkeit ist. Da wird der Bürger XY in den Knast gebracht, wo er furchtbare Qualen zu erleiden hat, kein Alkohol, nur der Bayernkurier zum Lesen, am Ende gibt’s nicht einmal sonntags einen Schweinsraten, weil man mit zugewanderten Hottentotten einsitzt, und dann diese Geschichten von Gewalt gegen Gefangene. Mühsam, sage ich Ihnen. Dabei sind wir ein echter Rechtsstaat, durch und durch. Es gibt hier in Bayern zum Beispiel keine Zensur. Deshalb ist es in Bayern ja auch verboten zu behaupten, dass es eine Zensur gäbe. Und wenn Sie nach ein paar Jahren entlassen werden, dann erwartet Sie keine Verurteilung. Dann sind Sie ein unbescholtener Bürger, es sein denn, von Ihnen geht möglicherweise der Verdacht einer Gefahr aus. Bei Knastbrüdern sollte ein gesundes Misstrauen immer angebracht sein.

Das ist keine reaktionäre Maßnahme, das sehen Sie ganz und gar falsch. Das ist im Gegenteil eine Strategie zur Modernisierung des Freistaates, das hat schon mit Edmund Stoibers Bürokratieabbau zu tun. Wenn Sie jetzt nicht alle zwei Tage nach einem Richter suchen müssen, der Ihnen einen Haftbefehl unterschreibt, ohne ihn vorher gelesen zu haben, Herrschaftszeiten! da kommen wir aber ein Stückerl voran auf dem Weg in unsere Heil-Welt, heile Welt, wollte ich sagen. Wir leisten uns sogar den Luxus, diese Idee mit den elektronischen Fußfesseln in Bausch und Bogen abzulehnen. Naa, das können wir in Bayern sehr viel besser! Da werden wir mit diesen ganzen Islamisten garantiert fertig. Die Gefährder ins Sicherheitslager, die Frauen in den anderen Knast, und was meinen Sie eigentlich, wozu haben wir die Regensburger Domspatzen?“





Befleckung

23 07 2017

Er ist kein Nazi, aber. Der schleswig-holsteinische AfD-Landtagsabgeordnete Volker Schnurrbusch, dessen Hauptbeschäftigung darin besteht, sich von Identitären und Hitlerverherrlichern zu distanzieren, bekam gerade seine Immunität unter dem Hintern weggezogen. Eine polizeiliche Durchsuchung seiner Büroräume im Kieler Landeshaus fand dann auch die vermuteten SA-Devotionalien – der im Privatleben bisher nur wegen Körperverletzung zum Nachteil von rivalisierenden Parteikollegen aufgefallene Kriegsschuldleugner hatte sein neues Uniformzubehör sicher nur griffbereit gelagert, falls er nach der Machtergreifung den Dönitz geben sollte. Alternativ für Deutschland könnte man auch annehmen, dass sein rechtes Personal gerne mal mit den geeigneten Gegenständen seine Pausen im Sanitärbereich verbringt. Alle weiteren Anzeichen, dass die blauen Flecken langsame braun werden, wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • kontrollwahn im ministerium: Was meinen Sie, wenn da einer zu denken anfinge.
  • außerirdische karnevalskonstüme: Wem sagen Sie das, ich muss mich auch jeden Tag in diese Menschenhaut reinzwängen.
  • hervortretendes auge hamster: Nehmen Sie dem Tier die Bilder von Trumps Frise weg, es regt ihn zu sehr auf.
  • schwert fisch: Die in Walform waren schon aus.




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCCLII)

22 07 2017

Wenn Adam zum Tee in Neuhütten
Biskuit sieht, lässt er sich nicht bitten.
Er lässt seinen Schmacht raus
wie mancher im Schlachthaus.
Er isst halt am Rande der Sitten.

Gunilla treibt Kühe in Strands
mit Hilfe des Bands, das am Schwanz
die Bullen anrühret
und sorgfältig führet.
Das hilft ihr am Sonntag beim Tanz.

Oktawia begann in Krupinnen
am Abend erquickend zu spinnen.
Anfänglich mit Sorgen
macht sie’s nun am Morgen
und ist im Textilgeschäft drinnen.

Chum hütete Vieh in Banlung.
Erfahrungsgemäß war der Dung,
schon kräftig am Rauchen,
fürs Feld zu gebrauchen.
Er schmiss ihn mit sportlichem Schwung.

Dass Bohdan im Saustall in Rhog
breitbeinig stand über dem Trog,
das soll ihn nicht hindern,
Gefahr zu vermindern,
trotz derer er doch hineinflog.

Gastón fährt in Curridabat
per Drahtesel oft in die Stadt.
Die Straße hat Mängel,
so radelt der Bengel
nur kurz: beide Reifen sind platt.

Joanna pflegt in Mikolaiken
auf Facebook fast alles zu liken.
Doch followt sie spärlich,
und das ist gefährlich:
sie sieht ihre Freunde nun streiken.