Eingliederungsvereinbarung

4 07 2017

„Und dann unterzeichnen Sie hier, dass Sie sich nach den Ihnen zur Verfügung stehenden Kräften und Mitteln an der Integration und Partizipation in unseren Staat beteiligen alles tun, um ein Mitglied unserer gesellschaftlichen Mitte zu werden. Das kann für einen hoch qualifizierten Migranten, der für einen sicheren Arbeitsplatz zu uns kommt, doch nicht so kompliziert sein?

Jetzt stellen Sie sich nicht so an. Sie tun gerade so, als würden wir Sie wegen Ihrer Herkunft mit einem Knopf auf Ihrer Kleidung kennzeichnen wollen, damit auch alle wissen, Sie kommen nicht von hier. Ist auch so. Aber das Gesetz wird sicher erst im nächsten Jahr durchkommen, und dann wird die Behörde es nicht umsetzen, die Kontrolle wird furchtbar schlampen, wer ertappt wird, dessen Bußgeldbescheid kommt irgendwie weg – wenn Sie nicht alles selbst machen, funktioniert es einfach nicht. Aber Sie kennen das schon aus Ihrer Heimat, Einwanderer mit Angst vor sinnlosen Repressalien zu überziehen hat immer den gewünschten Effekt. Warum sollten wir Sie davor verschonen.

Wir mögen beispielsweise keine Gardinen vor den Fenstern. Ihr Bundesinnenminister hat Ihnen sicher schon beigebracht, dass es bei uns diese Art von Datenschutz nicht gibt. Wahrscheinlich ist das bei Ihnen auch bald gesetzlich vorgeschrieben, aber hier wird das strenger kontrolliert, weil es Tradition ist. Gewöhnen Sie sich daran. Kreuz hier unten, da dürfen Sie auch bestätigen, dass Sie keine Jalousien an den Schlafzimmerfenstern anbringen. Natürlich dürfen Sie sich welche kaufen, kein Problem, nur eben nicht anbringen. Da haben wir eine sehr feine rechtsstaatliche Trennlinie zwischen Verfassung und Realpolitik. Sie dürften das aus Ihrer Heimat kennen, beispielweise im Umgang mit Nazis.

Aber sonst sind wir hier schon sehr liberal und erwarten das auch von unseren Einwanderern. Wenn Sie sich hier selbst verwirklichen wollen, Sie sind dazu herzlich eingeladen. Falls Sie mal in Ihre Heimat zurückfahren. Hier in den Niederlanden ist das zu folkloristischen Anlässen ganz okay, aber auch nur, wenn Sie ein Pappschild mit ‚Die Moffen machen einen auf Lustig‘ hinhängen. Lederhose, SS-Uniform, alles gut. Auch Oktoberfest, das ist kein Problem. Aber nur mit Schild. Wir wissen hier, was niederländische Kultur ist und was nicht.

Und jetzt hören Sie verdammt noch mal auf, uns als Holländer zu bezeichnen, sonst kippen wir Sie gleich ins Meer. Wir nennen Sie auch nicht alle Preußen, wenn wir rausgekriegt haben, dass Sie nicht aus Bayern kommen. Eine politisch korrekte Identifikation mit Ihrer neuen Heimat kann man doch wohl erwarten. Schließlich fragen Sie bei Ihren Einwanderern auch die zehn schönsten Mittelgebirge ab und die ersten fünf Bundeskanzler und zwanzig Artikel im Grundgesetz. So gesehen dürfte vielleicht der größte Teil Ihrer Regierung bald bei uns Asyl beantragen, weil Sie ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkennen müssen.

Noch einen Witz über unsere Berge, und Sie haben Zahnschmerzen, klar!?

Dann kommen wir doch mal auf unsere Werte und Normen zurück. Die sind im Grundsatz eher unchristlich, doch, wir haben schließlich eine große aufklärerische Tradition in unserem Land, und da bleibt für den religiösen Schnickschnack nicht viel Platz. Aber es gibt einige schöne Dinge, mit denen wir Ihr Herz erfreuen werden. Am Befreiungstag zum Beispiel sind wir alle froh, dass Demokratie und Rechtsstaat nach wie vor lebendig sind, dass wir in Frieden leben können ohne das Joch der – Spanier? wieso Spanier? Ich meine, Sie haben schon eine Menge aus dem Geschichtsunterricht mitgenommen, aber hier ging’s um Besatzer. Also um Sie. Wenn Sie sich hier niederlassen wollen, wäre es schon ganz nett, wenn Sie sich an der Aufarbeitung Ihrer historischen Schuld mal beteiligen würden. Muss ja nicht gleich übertrieben sein, aber die Gnade der späten Geburt können Sie nicht für sich in Anspruch nehmen. Jetzt nicht mehr.

Unterschreiben Sie einfach hier Ihre neue Eingliederungsvereinbarung – die heißt wirklich so, wir haben uns dabei schon etwas gedacht – und dann können wir uns überlegen, ob wir Sie als Staatsbürger aufnehmen können. Die Bußgelder sind im Anhang schriftlich niedergelegt – Nikolaus am 6. Dezember feiern macht fünfzig Euro Strafe pro Person, richten Sie sich rechtzeitig darauf ein – und dann so Kleinigkeiten halt. Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung, Diskriminierungsverbot. Sie dürfen sich in Zukunft auch nicht mehr darauf berufen, dass die Bundesregierung nicht viel besser ist. Oder Parteien, die man bei Ihnen noch nicht verboten hat. Das sind nicht verhandelbare und für uns selbstverständliche Spielregeln, akzeptieren Sie die, oder Sie gehören nicht zu uns. Da werden Sie eben Ihre Frau nicht mehr so behandeln wir bisher, das ist doch klar, und wenn wir Sie dabei ertappen, dass Sie sich negativ über unsere Regierung äußern, beispielsweise im Internet, dann – ach so, Sie kennen das schon. Muss man ja wissen.

Na dann, herzlich willkommen! Ihre soziale Teilhabe, Ihre gesellschaftliche Akzeptanz wird nun von Ihren Nachbarn gefördert, wir sind ja ein sehr gastfreundliches Volk, das kennen Sie vielleicht noch gar nicht, aber Sie werden bald ein Teil von uns sein. Sie werden sich sehr wohlfühlen. Dieses Land will das Beste für Sie. Und nur noch ein ganz kleiner Tipp von mir: ein einziges Wort über Fußball, dann…“