Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCLXXVIII): Die Unterwerfung

7 07 2017
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Keiner erinnert sich an Pumpelbert Ohnekinn, die verkommene Letztgeburt Knødebrehts von Olpe-Bitterfeld, mit dessen spektakulärem Ableben das Geschlecht der Westerwälder endgültig seine lästige Existenz drangab. Der vormalige Herzog von Flundern hatte sich einen Namen gemacht als führender Blödkolben der von den Langobarden geduldeten Heckenpenner zwischen Burgund und westgotischer Tiefebene, sein historisches Unglück in der Suppenschüssel aber kümmert bis heute weder Fachwelt noch interessierte Laien, wiewohl der Tage später in braunsaurer Tunke dümpelnde Fürst bis heute als unförmig aufgedunsener Fleck das Wappen der Pumpeliden ziert, ein gestümmelter Geck mit ohne Gesicht. Dass eins seiner gedächte, passiert nur, wenn die vorherrschende Eigenschaft dieser Knalltüte zur Sprache kommt: die Diener auf Knien rutschend unter plärrenden Entschuldigungen das Frühstück servieren zu lassen, allzeit bereit, ihnen das Zepter über die Rübe zu ziehen, damit er sich über die Milchflecken auf der Auslegeware echauffieren könne. So war denn auch keiner sehr überrascht, dass sich der Monarch die Kehle mit dem Bratenmesser durchgesägt hatte, bevor er mit gefesselten Griffeln in die Brühe hüpfte. Personal ist nun mal Vertrauenssache.

Inzwischen sind es die Bäckereifachverkäuferin, der Taxifahrer und die Telefonterrorfachkraft an der Hotline, die sich mit Sehr gerne und ähnlichen Schleimabsonderungen für die Bestellung eines Schnittbrötchens, die notwendige Aufnahme der Kundennummer oder rechtzeitiges Bremsen in Ampelnähe bedanken, was gleichzeitig als passiver Widerstand gegen das verhasste Berufsbild und als aggressiver Akt zu sehen ist gegen die Nonchalance des Kunden, der einfach nur eine Schrippe oder am Hauptbahnhof aussteigen will. Kein Mietkutscher macht das übermäßig gerne, und der, der nachts im Nieselregen vor der Domplatte auf den letzten Zug aus Bad Salzdetfurth wartet, tut es nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, sondern im klebrigen Konkurrenzkampf gegen die anderen Chauffeure, die nur tagsüber und zuschlagfrei fahren. Hör zu, sagt die erzwungene Unterwürfigkeit, ich mache diesen Scheißjob, weil ich nicht anders kann, dabei rutsche ich auf dem Teppich herum, muss jederzeit damit rechnen, dass ich die Plempe in den Flokati pladdere, und die zahlenden Bumsköpfe machen die Angelegenheit auch nicht leichter. Das dusselig um sich wuchernde Gefloskel, bitte gern, bitte gleich, es hat aus dem herrschaftsfreien Diskurs der nach Krieg und Zerstörung erwachsenen Gesellschaft endlich wieder jene Zwangshandlung von Ichlingen im Konkurrenzdruck gemacht, wo jeder seinen Job hasst wie die Kunden und die Kunden wie seinen Job. Mit der komplett verschwiemelten Gefälligkeit erbricht sich auch ihr Gegenteil in Richtung Konsument, der nur spärlich kaschierte Hass.

Warum sollte der Normalarbeitnehmer plötzlich mit ausufernder Penetranz das Joch herrschender Verbraucherwünsche als Zeichen innerer Freiheit feiern? Brezelt der Semmelhändler dem Besteller aus Prinzip einen Sack Küsschen ins Kreuz? oder braucht er die Karmapunkte, um in der nächsten Runde als Etagenkellner die Liebedienerei als Kunstform zu perfektionieren? Mitnichten. Wie in psychotischer Angstlähmung buhlt der Ladner um ein mildes Lächeln, das ihn vor dem Fallbeil zu schützen scheint, wenn beim Jüngsten Gericht der Patron die Anstellung beendet oder verlängert. Nicht der Besteller, der sich freuen sollte, dass man ihm am Sonntag vor acht mit zwei Mohn, zwei Sesam plus halbwegs frischen Rosinenschnecken die Stoffwechselsituation verbessert, der Bäcker hat die Gnade des Herrn zu preisen, dass er seinen Job lieben darf, während König Kunde, der in den Zeitläuften rasch verdrängte Flusenlutscher, der kommt und auch wieder gehen wird, sein Regiment mit Dummheit und Willkür aufrecht erhält, dafür noch Beifall erwartet und die unverbindliche Larmoyanz der Ellenbogengesellschaft.

Professionelle Liebe ist ebendies und auf den ersten Blick erkennbar, jene unpersönlich und ad hoc angeknipste Lächelkonserve, mit der Fisch und Urne, Seife und Knarre über den Tresen wandern. Danke, säuselt das Mädchen im gestreiften Zwirn, dass Sie sich für Rotz & Söhne entschieden haben, schönen Tag noch, beehren Sie uns bald wieder, möge die Erde Ihnen leicht sein. Alles ist gut, sie hat alles getan, weil sie weiß, dass sie in dieser völlig verdübelten Arbeitswelt für jeden Fehler selbst verantwortlich ist und also verantwortlich gemacht werden wird, und hat sie keinen Fehler gemacht, dann wird ihr willenloses Gewimmer eben zum Fehlverhalten deklariert, um sie besser zu steuern, vulgo: sie leichter vor die Tür setzen zu können, wenn sie zu teuer wird, zu alt, whatever. So wird sie zur perfektionierten Overachieverin, ein grinsdebiles Bündel Angst auf der Rutschbahn zum Burnout, innerlich bereits kurz und klein gefaltet, wie in einer paradoxen Reaktion auf die eigene Zombieexistenz. Es gibt keinen Weg, dass sie dem Kunden gleich beim Betreten des Ladens aufs Maul hauen könnte, weil er mutmaßlich nicht passend zahlt. Abgesehen von Berlin.