„Es ist ja nicht alles linksradikal, aber was links ist, das bestimmen wir, und wenn einer schon links ist, dann kann er sich auch radikalisieren, und dann ist er linksradikal, und dann verbietet man den. Ist doch eigentlich gar nicht so schwierig.
Die Schwierigkeit ist, dass uns als Demokraten immer bewusst sein muss, dass unsere Demokratie von Feinden umgeben ist. Das sehen wir am besten an den vielen Maßnahmen, die unser Minister in den letzten Jahren ergriffen hat – viele von ihnen standen in direktem Zusammenhang mit einem sehr bedauerlichen Abbau demokratischer Rechte. Und da ist es für uns immerhin ein Trost, dass wir auch wieder mit konstruktiven Leistungen für den Demokratiestandort punkten können. Wir wollen die Gegner der Demokratie, und als solche versteht sich die Linke nun mal, gezielt und noch besser ausschalten. Besser zielen, besser ausschalten. Und dazu müssen wir sie ja erstmal als Gegner der Demokratie erkennen, woraus ganz logisch der nächste Schritt erfolgt. Wir müssen diesen Gegner überhaupt erstmal identifizierbar machen. Wir müssen den Gegner aufbauen.
Der Linke an sich ist ja nicht unbedingt ein Straftäter. Das muss man dann schon ein wenig differenzierter sehen. Differenzierter zumindest, als das der Minister tut. Deshalb brauchen wir bei der linken Verbrechensbekämpfung, nein: bei der Bekämpfung linker Verbrechen, das andere machen die anderen, wir brauchen da eben eine vernünftige Ausstattung mit demokratischen Mitteln.
Das Problem sind die ermittlungstaktischen Überlegungen, weil man dazu überlegen muss – für den Minister stellt das schon eine gewisse Hürde dar – und dann auch noch taktisch, und dann muss es ja auch erstmal Ermittlungen geben. Da fängt die Sache schon mal an. Wir haben jetzt einen Gegner, und dann können wir nicht ermitteln. Es liegt nach den Ansichten der Justiz kein Grund zum Ermitteln vor. Teilweise hat nicht einmal die Polizei einen Grund, präventiv Straftaten zu begehen, ermitteln wollte ich sagen, ermitteln natürlich, und das liegt daran, dass uns die Straftaten fehlen.
Jetzt können wir nicht die ganze Antifa mit staatlichen Mitteln ausstatten und Straftaten begehen lassen. Gut, könnten wir schon, aber das ist eine andere Sache, hier kommt es uns auf die finanzielle und personelle Ausstattung an, und die ist nun mal nicht gegeben. Eine Videokamera schmeißt keine Pflastersteine, das will der Minister nicht kapieren. Wir haben zu wenig Straftaten, und da gehen wir einen Schritt weiter. Wir brauchen mehr Straftaten, daher brauchen wir noch mehr Straftatbestände.
Jetzt kann man natürlich ganz klassisch alle Strafrahmen nach oben verschieben, also für einen Pflasterstein bis fünf Jahre, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nicht unter zehn Jahren, das ist schon eine gute Basis. Aber das reicht natürlich nicht, weil man auf die Art nicht abschreckt – sonst würden wir nie Strafverschärfungen in Erwägung ziehen, damit verlieren wir ja potenziell noch viel mehr Straftaten – und weil dann alle Straftäter in Haft sind und wir auch keine neuen Straftaten mehr haben. Wir brauchen also neue Straftaten. Da ist jetzt der Minister sehr kreativ, und wir haben schon die ersten Ergebnisse. Digitaler Landfriedensbruch zum Beispiel. Weiß noch keiner, was das ist, aber dem Minister fällt ganz bestimmt etwas ein. Oder mutmaßlicher Vermummungsversuch. Was man mit einer Strafprozessordnung hinkriegt, bei der man die Möglichkeit einer Straftat schon in Erwägung zieht, wenn man überhaupt noch nicht weiß, ob es dafür einen Straftäter gibt.
Das wird von vielen natürlich wieder nur als wahlkampftaktisches Manöver gesehen, und das ist es ja auch. Der Innenminister muss sehen, dass er sein Profil als Innenminister so schärft, dass man ihn im Prinzip auch außerhalb des Ministeriums verwenden könnte. Oder vielleicht sogar bevorzugt außerhalb des Ministeriums. Er wird ja in der CDU schon als neue Sektmarke gehandelt. Wie Metternich, nur eben ohne Sprudel.
Bevor jetzt gleich wieder der typische Versuch einer Diskreditierung kommt, wir brauchen innere Sicherheit. Die innere Sicherheit bekommen wir nur, wenn wir nachweislich mehr Straftaten ahnden und das Land dadurch sicherer machen, weil wir die Straftaten, die wir verhindert haben, ja nicht mehr ahnden können. Ganz davon abgesehen, wenn es weniger Straftaten gibt, dann kann man ja auch die Gesetze nicht mehr verschärfen, und dann gibt es wieder weniger Straftaten – aus dem Teufelskreis kommen wir so schnell nicht raus, aber was ist mit der Demokratie? Wir hätten dann eine Demokratie ohne Feinde, und wie soll die noch wehrhaft sein? Also letztlich müssen wir das über die linken Gegner erreichen, weil wenn es zu wenig linke Gegner gibt, gibt es auch kaum noch Straftaten, die wir bestrafen können, und dadurch gibt es letztlich irgendwann viel zu viele linke Gegner, und was dann an Straftaten zu bestrafen wäre, das kann man sich ja denken.
Sie sehen, wir müssen uns als Demokraten in dieser besonderen Gefahr, dass die Gefahr für die Demokratie von denen ausgeht, die die Demokratie gefährden, in dieser Gefahr müssen wir uns ganz entschieden gegen linke Gegner wenden, wo wir sie finden. Denn eins dürfen wir nie vergessen: die Linken wollen den Totalitarismus. Und von denen lassen wir uns nicht vorschreiben, wann die Demokratie in Gefahr gebracht wird. Von denen nicht!“
Satzspiegel