„Glas ist immer im Preis inbegriffen. Nur Türen gehen extra, da muss ich mit Spezialwerkzeug ran, außerdem kann das auch mal länger dauern, wenn da noch ein Sperrriegel hinter ist. Aber ich versuche sowieso immer erst mal die Fenster, die machen weniger Krach, und man muss auch nicht von vorne ins Haus rein. Und Sie haben auch nicht diesen Stress mit der Polizei, höchstens ein Formular von der Glasbruchversicherung. Da bin ich natürlich kundenorientiert.
Als Dienstleister müssen Sie Ihren Kunden den besten Service liefern, auch in unserem Gewerbe, und ich weiß, wovon ich rede. Die Ansprüche der Leute wachsen, Sie müssen heute quasi so einen Auftrag in den zehn, fünfzehn Minuten erledigen, in denen der Hauseigentümer kurz zum Bäcker fährt. Das muss laufen wie am Schnürchen, da sitzt bei Ihnen jeder Handgriff – oder Sie, wenn Sie es nicht gut über die Bühne bringen. Man weiß ja nie.
Das ist mir tatsächlich mal passiert. Die Kundin hat den Schmuck ordentlich im Schlafzimmer auf dem Schränkchen drapiert, alles griffbereit, sie hat sogar noch einen Umschlag mit einem Scheinchen dazugelegt – manche Leute sind ja schon sehr nett, muss man den Kunden auch mal lassen – und wie ich so ins Erdgeschoss komme, steht da aus der Nachbarschaft ein Polizeibeamter im Flur, Waffe, Handschellen, das volle Programm. War dann ein größeres Scheinchen in dem Umschlag, war auch nicht nur eins, und wir haben das geregelt gekriegt. Aber da sehen Sie mal, was alles passieren kann.
Wie man in die Branche reinkommt? Ich will ehrlich sein, ich weiß es nicht. Hat sich irgendwann so ergeben. Nach dem Studium war ich einige Zeit arbeitslos, Assyriologie und Religionswissenschaft, da ist man automatisch für alles überqualifiziert, dann habe ich dem Nachbarn mal einen Gefallen getan bei einem Brandschaden, weil er ein neues Sofa brauchte, und dann ging das so weiter. Ich habe mich umgesehen, Banküberfälle waren mir zu viel Stress, auf dem Automarkt ist die Konkurrenz aus dem Ausland inzwischen viel zu groß, und dann hatte ich plötzlich eine Anfrage für einen Einbruch. Einfamilienhaus, günstige Lage, einmal rein, die Schrankwand umkippen, alle Schubladen aufziehen und wieder raus. Hatte ich noch nie gemacht vorher, aber das klang gut. Und für einen Quereinsteiger – ja, ich weiß, doofer Witz – war das Honorar auch ganz anständig. Mir hat das sofort gefallen, liegt auch in der Familie bei uns, mein Vater war beim Finanzamt, auch Innendienst und den Leuten das Geld abgeknöpft, damit konnte ich mich sofort identifizieren. Dabei ist es dann geblieben.
Jetzt arbeite ich freiberuflich als Allrounder, es sind größtenteils Empfehlungen, kleinerer Häuser, ein gewisser Anteil an Villen, ganz ab und an mal eine Galerie oder ein Kleinunternehmen, wo man die Bücher klaut, bevor der Steuerprüfer kommt, oder ein Museum, aber auf größere Objekte habe ich nie so Luft gehabt. Und dann bespricht man im Regelfall den Auftrag vorher, damit man weiß, wie man das plant.
Nehmen wir mal an, Sie haben da so ein ganz fürchterliches Bild von ihrem Erbonkel, röhrender Hirsch im Steigerwald, was weiß ich – aber eben vom Erbonkel, und da steckt noch ein Menge Geld, das kann man ja nicht aus Versehen zum Sperrmüll stellen, und dann kommt der Erbonkel und fragt, wo sein Bild hin ist, also kurz: hinten rein, Bild abhängen, raus, fertig. Kommt darauf an, ob Sie Sicherheitsglas haben, aber mehr als eine Stunde sollten Sie nicht ausgeben. Plus Anfahrtspauschale. Das kriegen Sie nirgendwo anders so preiswert und diskret abgewickelt.
Die osteuropäische Konkurrenz ist uns hier auch schon auf den Fersen, aber da wäre ich vorsichtig. Die kriegen die Tür nicht auf und demolieren am Ende das Auto. Oder das ganze Haus ist leer. Von mir jedenfalls bekommen Sie immer deutsche Qualitätsarbeit, da können Sie sich verlassen, und alles aus einer Hand. Ich bilde mich auch weiter für Sie, zum Beispiel Alarmanlagen. Kann man ja meist mit dem Taschenmesser außer Gefecht setzen, aber der Fachmann macht das so, dass Sie Ihre Anlage hinterher noch weiter gebrauchen können. Nicht einfach rauf mit dem Hammer und rein ins Haus, so machen das die Berufsanfänger. Da müssen Sie sich dann hinterher auch noch von der Polizei eine Standpauke über sich ergehen lassen, warum Sie so einen Schrott einbauen, den man einfach kaputt schlagen kann. Aber wenn genau das richtige Kabel gezogen und genau der richtige Knopf gedrückt ist, dann wissen auch die: das war der Profi. Solides deutsches Handwerk. Merkt man eben doch, dass sich die deutsche Qualitätsarbeit auf Dauer am Markt durchsetzt.
Und wir arbeiten nachhaltig. Die anderen Betriebe kommen meistens in der Dämmerung, da braucht man elektrisches Licht, das wird natürlich wieder die Ökobilanz Ihres Objekts verschlechtern, und wir haben uns ganz bewusst für den Einbruch zu den normalen Geschäftszeiten entschieden, wir kommen tagsüber. Offiziell wird die Arbeitszeit in Abstimmung mit dem Bundeskriminalamt von sechs Uhr morgens bis neun Uhr abends genannt, und da die Dämmerungsaktivität ab November sowieso stark zunimmt, kommt man sich da auch nicht so ins Gehege und arbeitet viel zügiger, viel effektiver und entspannter.
Na, dann zeigen Sie mal. Das Aquarium von ihrer Ex-Frau steht im Obergeschoss, und Sie sind wann genau im Urlaub?“
Satzspiegel