Selbstgeworfen

31 01 2018

Der Sport, so befand einst Peter Bamm, ist ein sehr vernünftiger Versuch des modernen Zivilisationsmenschen, sich die Strapaze künstlich zu verschaffen. Sahen wir doch im jüngsten Freitagstexter die Selbstgeworfenheit des Homo ludens in ausgiebiger Selbstbespiegelung, Mensch und Ding in Bewegung, einander Sinn verschaffend. Und vermutlich hätte das Bild auch ohne eines der beiden Bestandteile wenig hergegeben.

Ballspiele gehörten seit je zum Inventar der Menschheit, bei manchen ging es um Leben und Tod – bei etlichen heute geht es eher nur noch ums Geld – oder um die Ehre. Oder, Muggel-Quidditch nicht zu vergessen, um die Möglichkeit, mit einer Socke in der Hose und einem Besen zwischen den Beinen über einen Acker zu stolpern und dabei wie ein entlaufener Knalldepp auszusehen.

Etwas leichter verständlich ist da die Neigung der Basken, sonntags die Kirche aufzusuchen. War man schon einmal da, konnte man auch gleich ein paar Gummibälle gegen die Wand schmettern. Ohne dieses neumodische Zeug, das angeblich gegen Glas- und Knochenbrüche helfen sollte. Ein Sport mit Gottvertrauen. Und daher, obwohl leider linklos, geht das bronzene Bällchen an hubbie.

So, ihr Cesta Punta Weicheier, ein echter Baske spielt Pelota a mano!

Wo wir, Kirchenwand hin oder her, auch wieder dicht an der Metaphysik sind. Um die es im Sport ja eigentlich immer geht. Transzendenz. Rausch. Die Frage nach der Existenz eines Fußballgottes. (An dieser Stelle hätte ich ein mittleres fünfstelliges Honorar einstreichen können für eine Abhandlung, warum Lothar Matthäus Bundestrainer werden muss. Geschenkt.) Wen sonst könnte man fragen als einen der großen amerikanischen Philosophen, der eher als Regisseur bekannt wurde. Die silberne Kugel – leider auch hier ohne Bloglink – für den Beitrag von schlabonski:

Ja, okay, Chaplin hatte die Erde, aber ich habe immerhin den Mond.

Die alten Fragen lassen sich nicht länger ausblenden, sie zeigen sich aktueller als je in der sportlichen Betätigung. Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? Gibt’s da wenigstens Bier und ausreichend Sitzplätze? Die Vorstellungen werden ja auch hier immer individueller, der Fantasie sind keinerlei Grenzen mehr gesetzt, und husch! befindet man hinter dem Spiegel.

Wie schnell sich dann alles wandelt. Eben noch Objekt der höchsten Begierde, ist die Holde nun lediglich störendes Beiwerk. Ihr Spielzeug wollte das alte Lurchgesicht. Vielleicht noch mal von ihrem Tellerchen essen. Aber keine Intimitäten. Gut, dann so. Das goldene Spielgerät, wie passend, gebührt diesmal dem Wortmischer.

Nachdem der Froschkönig als schöner Prinz von der Wand gefallen war, durfte er für den Rest seiner Tage mit der jüngsten Königstochter und ihrer güldenen Kugel spielen.

Herzlichen Glückwunsch! Am Freitag, den 2. Februar trifft sich die Freitagstexter-Tafelrunde wieder beim Wortmischer. Bitte tragen Sie nichts Grünes. Nur zur Vorsicht.





Einsatzwirtschaft

31 01 2018

„Das verstehen Sie also unter ‚Fluchtursachen bekämpfen‘?“ „Es hat etwas mit Bekämpfen zu tun, das stimmt.“ „Aber nicht mit den Fluchtursachen.“ „Mittelbar.“ „Wenn, dann überhaupt nur unmittelbar.“ „Das verstehen Sie falsch. Syrien kriegt doch gar keine Waffen von uns.“

„Deutschland liefert Waffen an die Türkei.“ „Das ist unter Bündnispartnern doch nicht weiter verwerflich, oder?“ „Es ist aber sicher nicht gerade zielführend, wenn die deutschen Panzer in Syrien eingesetzt werden.“ „Es handelt sich dabei um einen inneren Konflikt, da sollten wir uns nicht einmischen.“ „Einen grenzüberschreitenden inneren Konflikt.“ „So gesehen ist das eine Fluchtursache, ja. Aber die wird natürlich von der Türkei zu verantworten sein, deshalb sollten wir sie als Bündnispartner möglichst stabilisieren.“

„Das ist doch eindeutig völkerrechtswidrig, da darf Deutschland auf keinen Fall mitmachen.“ „Wir können doch den Kurden jetzt keine Panzer liefern, das wäre eine Einmischung in einen bewaffneten Konflikt.“ „Und was ist das jetzt?“ „Wir haben die Waffen an die türkische Regierung geliefert.“ „Wo ist denn da der Unterschied?“ „Gibt es etwa eine kurdische Regierung?“

„Hatte nicht Außenminister Gabriel eindeutig gesagt, dass es keine Waffenlieferungen an die Türkei geben dürfe?“ „Vielleicht hatte er sich gerade erinnert, dass er mal Wirtschaftsminister gewesen war.“ „Das entschuldigt nichts.“ „Das ist richtig.“ „Das führt uns auch nicht weiter.“ „Das ist auch richtig. Aber sehen Sie mal, dass wir den Türken Waffen liefern, liegt nur daran, dass wir zu ihnen wieder so ein entspanntes Verhältnis haben. Das war ja nicht immer so.“

„Ihnen ist schon klar, dass wir damit den Kampf gegen islamistische Terroristen nachhaltig schwächen?“ „Das ist eine innere Angelegenheit der Türkei, die wir damit gleichzeitig stärken.“ „Damit sie die Kurden bombardieren, die die Nato als Verbündete betrachtet?“ „Sie müssen dabei natürlich beachten, dass die Türkei außerhalb der Bündnisgrenzen operiert. Da gelten dann andere Maßstäbe.“ „Man muss deutsche Waffen also nur außerhalb der Nato einsetzen, dann sind sie nicht mehr völkerrechtswidrig?“ „Das ist so nicht richtig, aber für die deutschen Waffenexporteure ist das sowieso nicht relevant.“ „Weil die sich nicht ans Völkerrecht halten müssen?“ „Wir sind Exporteure, da achten wir natürlich in erster Linie auf grenzüberschreitende Einsatzgebiete.“

„Was machen wir denn jetzt, wenn die Lage eskaliert?“ „Das könnte uns tatsächlich vor eine schwer zu beurteilende Situation stellen.“ „Ach was!“ „Sehen Sie, die deutsche Rüstungsindustrie ist eine der leistungsfähigsten der Welt, aber auch wir stoßen irgendwann an unsere Grenzen. Und wir wollen den Waffenbrüdern nicht freiwillig den Weg zu anderen Anbietern ebnen, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ „Sie interessiert lediglich der Absatz, nicht der Einsatz.“ „Naja, es heißt ja auch Absatz- und nicht Einsatzwirtschaft.“

„Haben Sie sich mal Gedanken gemacht über die Folgen im internationalen Kontext?“ „Wir müssten notfalls eine Kooperation mit Russland eingehen, wenn sich die USA nicht zur Verfügung stellen.“ „Unsinn, der UN-Sicherheitsrat berät schon über diese Offensive.“ „Das ist gut, die wollen meistens nur spielen. Die tun nichts, außer einer Resolution hier und da, aber Blauhelme wird da keiner schicken. Immerhin ist die Türkei ein zuverlässiger Bündnispartner.“ „Die EU-Außenbeauftragte geht die Wände hoch.“ „Da können Sie mal sehen, was eine vorausschauende Europapolitik für positive Effekte haben kann. Die Türkei ist immer noch nicht in der EU, also müssen wir uns über etwaige Sanktionen nicht den Kopf zerbrechen.“ „Und die Folgen der Militäroffensive fallen einfach so unter den Tisch?“ „Das wollen wir mal nicht hoffen. Mit etwas Glück hält der Konflikt noch ein bisschen an.“

„Ihr Zynismus kotzt mich an.“ „Schauen Sie, die Steuern…“ „Die Sie hinterziehen.“ „… muss Deutschland erstmal verdienen. Und dann geht es natürlich auch noch um Arbeitsplätze und um die internationale Stabilität.“ „Wo sehen Sie die denn?“ „Wenn Sie sich die Türkei ansehen, einen stabileren Krisenherd werden Sie in Europa oder in der Nato nicht finden.“ „Dass es sich dabei um einen Stellvertreterkrieg handelt, in dem die westlichen Mächte langsam wieder in eine Konfrontation mit Russland driften, dürfte Ihnen sicher entgangen sein.“ „Keinesfalls. Aber so weit wollen wir noch nicht vorgreifen – Sie wissen, die Rohstoffpreise sind volatil, wir können jetzt noch keine Angebote schreiben für die nächste Phase.“

„Sie werden sehen, das fällt uns allen auf die Füße.“ „Wir arbeiten zur Friedenssicherung, haben Sie das vergessen?“ „Wohl eher im Auftrag der Rüstungsindustrie.“ „Aber nein, Sie müssen doch an die Folgen der internationalen Konflikte denken, das haben Sie selbst gesagt.“ „Die Folge wird sein, dass wir mehr islamistischen Terror in Europa haben, weil wir die Feinde des IS beseitigen. Wenn demnächst in Deutschland die Sprengsätze detonieren, sind Sie schuld daran.“ „Eben. Und was meinen Sie, wo genau trainieren wir denn die Bundeswehreinsätze im Inneren?“