„Nein, Frau Nahles. Leitungswasser. Sprudel ist quasi schon spätrömisch. Dafür dürfen Sie dann aber auch so viel trinken, wie in Sie reinpasst. Zu jeder Tageszeit.
Ich weiß, dass das nicht Ihre Idee war, aber sonst hätte die Basis nie zugestimmt. Jetzt werden Sie halt sechs Monate den Arsch zusammenkneifen und leben wie jeder andere, den die Agenda 2010 zu Armut auf Staatskosten verurteilt hat. Und seien Sie froh, dass wir Sie nicht auch noch zu Maßnahmen zwingen, um Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.
Natürlich sieht die scheiße aus. Das können Sie bei einer Winterjacke aus Plastefolie ja wohl auch erwarten. Das Ding sieht so scheiße aus, das tragen die bulgarischen Hipster, und zwar ironisch. Also nehmen Sie den Mist und halten Sie die Klappe. Für Bekleidung und Schuhe sind im Monat 36,45 Euro vorgesehen, also haben Sie immer noch 16,46 Euro übrig. Da werden sich doch ein paar Stiefel finden, die erst nach einer Woche vor dem Schnee kapitulieren, oder? Und nicht wieder in die Sozialkaufhäuser, Frau Nahles. Das ist absolut unsolidarisch, wenn man das macht. Es muss ein einheitlich scheiße aussehendes Prekariat geben, das man dann irgendwann mit Hunger und viel Überwachung in die Weltrevolution peitscht, das haben Sie doch als Jungsozialistin mal so gedacht? Was davon übrig ist? es gibt dank Ihrer Mithilfe ein einheitlich scheiße aussehendes Prekariat. Und Sie sind jetzt eben ein Teil davon.
Klar, wenn ich so eine Bewerberin vor mir hätte, die würde ich auch nicht freiwillig einstellen. Höchstens als akademisch gebildete Putzhilfe, das gilt in einigen Berliner Bezirken aber auch schon nicht mehr als chic. Da müssen Sie schon aus dem Libanon kommen oder aus Myanmar. Eine wie Sie passt einfach nicht zum Interieur. Sie dürften das von der Parteibasis ja kennen. Aber gewöhnen Sie sich ruhig einmal daran. Die nächsten sechs Monate wird man Sie überhaupt nicht als Berufspolitikerin beurteilen. Oder nach dem Auto, das Sie mal gefahren haben. Oder welche Promis Sie kennen. Sie sind die fette Kuh in der Prolljacke. Das reicht vollkommen, um Sie in den Augen der meisten Bürger abschließend zu beurteilen. Da sind Sie nicht freiwillig reingekommen, das stimmt. Dafür kommen Sie da auch nicht mehr raus. Jedenfalls nicht freiwillig.
Sie wollen doch das bisschen Geschrei, was Sie da absondern, nicht als Erwerbstätigkeit bezeichnen wollen, Frau Nahles. Hören Sie mal, wenn man erwerbstätig ist, bekommt man, was man verdient – im Höchstfall. Das dürfte sich angesichts Ihrer Qualifikation in engen Grenzen bewegen. Nein, Sie haben kein Recht auf Faulheit, und dass Sie Ihren Beruf frei wählen können, geschweige denn den Arbeitsplatz: das steht im Grundgesetz. Und da steht es warm und trocken, denn seit wann hat sich Ihr Laden jemals dafür interessiert, was da drinsteht und warum?
Da haben Sie recht, Frau Nahles, nur sechs Monate, so war das ausgemacht – ursprünglich. Diese Transferleistungen sind ja ursprünglich nur als Übergang gedacht, das heißt: man macht den Leuten die Altersversorgung kaputt, lässt sie in kleine Löcher in sozialen Brennpunkten umziehen und behandelt sie wie Aussätzige, weil sich ihre Armut dadurch leider nicht beseitigen lässt. Dann wird die einfach wegdefiniert, weil sich die Armen ganz überraschend trotz aller behördlich geplanten Verhinderungsmaßnahmen nur in mies bezahlten Jobs wiederfinden, und dann dauert es plötzlich doch länger, weil es vorher auch länger gedauert hatte. Sie werden vor der Übernahme Ihres Amtes sechs Monate lang vom Arbeitslosengeld II leben, Sie werden auch allen behördlichen Anforderungen Folge leisten, aber es kann natürlich sein, dass wir es uns zwischendurch anders überlegen. Dann werden Sie trotzdem das Amt nicht ausüben. Oder es werden drei Jahre aus den sechs Monaten.
Eine gewisse Sozialdemokratisierung wird man von Ihnen erwarten dürfen. Die Basis hat Ihnen viel zu verdanken. Die gesellschaftliche, nicht die der Partei. Da müssen Sie durch. Vielleicht springen Sie ja vorher ab. Beim DGB soll’s ja eine Menge zu tun geben, habe ich mir sagen lassen. Für Sie ist da bestimmt ein Führungsposten drin, der Ihrem Interesse an der harmonischen Zusammenarbeit der Tarifpartner entspricht.
Sie haben 15,80 Euro für die Gesundheitspflege. Wenn Sie unter chronischen Hauterkrankungen leiden sollten, ist das unangenehm, aber zum Glück allem für Sie. Die Leistungsträger muss man damit nicht behelligen. Auch Ihre Transportkosten sind unserem Sozialstaat verhältnismäßig egal. Wenn Sie hingegen Glück haben, können wir Sie auch zwei bis fünf Jahre mit einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung beschäftigen. Das ist immer eine Zierde für den Lebenslauf.
Und jetzt brauchen Sie bloß noch auf Ihre solidarische Lebensleistungsrente zu warten, die kommt bestimmt irgendwann. Wer weiß, wie hoch die dann noch ist. Ihnen wird ja schließlich jetzt eine Menge Zeug gegengerechnet, das ziehen wir Ihnen ab, weil Sie diese verdammten sechs Monate jetzt haben, in denen Sie als gesellschaftlicher Bodensatz gelten. Schon scheiße, Frau Nahles, wenn einen die Vergangenheit einholt. Diese verdammte Wohlstandsverwahrlosung, das ist schon ein Fluch unserer Gesellschaft, meinen Sie nicht auch?“
Satzspiegel