Gernulf Olzheimer kommentiert (CDX): Die Helden der Arbeit

20 04 2018
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Früher war es der Typ, der das Klo repariert hat. Kurz danach wurde das Klo erfunden und der Typ hier Klempner. Dann der Sanitärinstallateur. In der Spätphase des Kapitalismus etablierte sich dann der Anlagenmechaniker Gas Wasser Biomasse. Eine Rohrzange können sie alle nicht halten. Manche wissen nicht, wie ein Klo aussieht. Aber sie sind als Klimafachingenieure längst die dickste Hose von Doktor Haus und seinen Kellerasseln. Es folgt in Kürze der Senior Rohranflansching Master of Metal Science, wenn es nicht schon ein Executive Leader Ausguss Management ist. Mit nur einer Promotion wird’s langsam eng, da kann man höchstens noch Neurochirurg werden. Oder Astrophysiker. Aber den Leuten die Brühe aus der Schüssel pümpeln? Nix da. Die Helden der Arbeit wissen, wie das geht.

Vor allem, wie sich der Schmodder halbwegs professionell anhört. War man früher noch geneigt, die Qualifikationen eines Hand- oder Kopfwerkers ins Kalkül zu ziehen, zählen heute dank der rapide absinkenden Wertschätzung für so manche Berufe allein die Schildchen an der Tür, die Aufsteller auf dem Tresen, die kryptische Stickerei auf Blaumann und Kittel, um dem Kartoffelschäler ein halbwegs ehrenvolles Dasein zurechtzuschwiemeln, wie es ohne preziösen Verbalschaum kaum ginge. Sie sind Glücklichmacher, Pizzaspeedy oder Quasselbacken, auch wenn sie Reklamationen bearbeiten, seifigen Teig in minderwertiger Pappe schichtbedingt über die rote Ampel jubeln oder dementen Rentnern im Callcenter Lebensversicherungen andrehen. Nur zu Superhelden aufgebrezelt scheinen sie ihr eigenes Elend zu ertragen, das sich in der kompletten Sinnlosigkeit ihres täglichen Tuns ergießt – fiele ihr Beruf durchs Raster, man würde sie vermissen wie Nagelpilz oder Investmentbanker.

Obwohl, nein – es hat ja nichts mit ihrem Tun zu tun. In den Arbeitsverträgen steht immer noch, dass sie subalterne Mitglieder einer Drückerkolonne sind, die wöchentlich die halbe Nation der komplett verdeppten Dämlacks mit Ziervogelhaftpflicht und ähnlichen Perlen der Versicherungsproduktion zu beglücken haben. In der Stellenanzeige hatte es noch Kommunikationskings und Rhetorikrambos gebraucht, Vertriebstennos und Supermänner der angewandten Beschisstechnik. Und Helden, vor allem: Helden. Weil ein derart beknackter Dreckjob nur dann zu überleben ist, wenn man sich nach dem psychisch bedingten Rauswurf in die nächste Runde stürzt und die Spirale einmal weiterdreht. Es geht nur noch um Superduper und Professionals, Genies und Götter, wo in Wahrheit Monster, Mumien und Mutationen sich die Klinke in die Pfote drücken.

Neben der grassierenden Verachtung für die Zielgruppe, die von einer insolventen Pissbude – neudeutsch: Start-up – zur nächsten tippelt, wird alles ab dem gesetzteren Alter aus der Schusslinie getreten. Wer würde sich als Silversmurf schon mit einer degenerierten Horde von TV-Glotzern messen im Superkräfte ablabern, als Media Information System Accountant der Cultural Approach Group? Ob letztere die Abreißkärtchen zum Museum locht oder soziologische Literatur abstaubt, will letztlich keiner mehr wissen. Solange das Branding stimmt, die von den Junior Pillpalle & Killefit Supervision Heroes in die Frontallappen tätowierten Muster des öffentlichen Drucks, jeden Scheißjob anzunehmen, um sich nicht mit dem gelangweilten Sadisten auf der anderen Seite des Arbeitsamtsschimmels zu belasten, solange wird der Wahnsinn als Methode gefeiert und die intellektuelle Nahtoderfahrung des Stellenmarktes als Normalzustand in einer Welt, die schon deshalb Roboter nicht als Arbeitnehmer für einfache Tätigkeiten nehmen könnte, weil sie dann niemanden mehr hätte, auf den sie angewidert herabschauen könnte.

Während es die Putzfrau über die Raumpflegerin bis zur Gebäudeunterhaltsreinigerin gebracht hat, dreht der Luftdruck ins Negative: die Schmutzfachkraft wird als wischendes Gewerbe an den Rand des öffentlichen Interesses gedrängt, als Junk & Trash Removal Assistant Manager gemoppt und gefeudelt, aber keiner wundert sich, warum er fürderhin seinen Mist selbst aufharken kann. Sie sind alle längst Social Media Consultants, die zu drölfzig Mann Bilder posten, wie ein Klempner das Rohr verdengelt, einer haut’s in WhatsApp, einer schmiert bei Facebook, einer twittert und einer weint, weil es allen anderen gewaltig an der Sitzfläche vorbeigeht. Sie verdienen alle nicht ansatzweise so viel wie der Anlagenmechaniker, werden nicht nach drei Tagen durch ein krähendes Jüngelchen ersetzt, das noch keine Kündigung für möglich hält, und sind trotzdem froh, trotz ihres makellosen Studienergebnisses in BWL und des Motorsägenscheins ab sofort im Kundencenter zu hocken. Tag für Tag. Um Langzeitarbeitslosen unter Abschlussdruck goldene Uhren zu verticken. Als Lieferhelden. Jippie.


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