„Versetzen Sie sich doch mal in unsere Lage. Es gibt in Deutschland dreißig, ach was: mindestens fünfunddreißig linksextremistische Attentäter, die sind so geheim, dass man von den Tausenden von Attentaten, die sie täglich, was sage ich: Tausende pro Stunde, und das kriegen wir gar nicht mit! Die muss man doch erstmal aufklären, diese ganzen Morde, und dann können wir immer noch schauen, ob wirklich alle Holocaustleugner in diesem Land kriminell sind.
Vielleicht hatten die nur eine schlimme Kindheit oder eine posttraumatische Belastungsstörung. Ist doch möglich, so kriegsbedingt. Um die muss man sich auch kümmern, aber wir leben schließlich in einem Rechtsstaat, und da kann man doch mal vom Guten in einem Menschen ausgehen, oder? Sehen Sie, das hatte ich erwartet. Und Sie müssen auch wissen, das sind ja nicht alles Deutsche. Also nicht alle, ein paar Polacken und Russen sind dabei, und sagen Sie selbst: wenn da so ein Ostvolk steht, das kann doch kein Nazi sein. Die haben vielleicht ein bisschen zu viel patriotisches Gefühl, aber das ist doch gut, wenn die das für Deutschland ausleben, statt Propaganda für die Ostgebiete zu machen.
Oder Islamisten zu werden. Stellen Sie sich das mal vor. Als könnten Spinnen auch noch fliegen. Und das ist der Knackpunkt, es gibt eben Gebiete, auf denen können wir einfach nicht erfolgreich ermitteln. Da können Sie sich einen Rauschebart wachsen lassen und sehen immer noch aus wie der Weihnachtsmann. Oder wie die Scharia-Polizei. Naja, ist ja so gut wie dasselbe. Aber wir haben unsere natürlichen Grenzen, und innerhalb derer müssen wir unsere Erkenntnisse gewinnen, um die Sicherheit der Bundesrepublik zu gewährleisten. Und dann ist es natürlich immer auch eine Kosten-Nutzen-Rechnung, ob wir unseren Aufwand mit Augenmaß betreiben. Nehmen wir nur mal den NSU, was da während der juristischen Aufarbeitung alles nicht gefunden wurde – man kann doch in so einen Untergrund keine V-Männer reinschicken, das ist wie Treibsand. Die sehen wir nie wieder! Wenn Sie sich hingegen das linke Spektrum ansehen, den antifaschistischen Sympathisantensumpf, da kennt jeder jeden, teilweise können Sie als Ermittler da Ihre Familie gründen, Kinder kriegen, das machen die mit, und das Schöne ist, es kann quasi jeder ein Antifaschist sein. Das reicht ja auch schon als Vorwurf, und dann haben Sie quasi freie Hand.
Aber mal im Ernst, dass wir die Beobachtung der AfD verhindert haben sollen, das ist doch ein schlechter Scherz. Wir haben mit denen auch nicht kooperiert, also jedenfalls nicht so, wie Sie sich das vorstellen. Dazu waren noch viel zu viele Mitarbeiter an die NPD gebunden, und bis man da die entsprechende Glaubwürdigkeit aufbaut, das kann schon mal dauern. Es bringen zwar etliche Mitarbeiter schon ein entsprechendes Vorwissen mit und die Szene ist auch recht impulsiv, aber geplant wird doch eher von langer Hand.
Das mit Höcke müssen Sie in einem ganz anderen Licht betrachten. Wir schützen ja unsere Verfassung, und wenn man die von einem schützen muss, dann ja wohl vor dem. Gucken Sie sich den mal ganz genau an. Schwerer Dachschaden, und was die Glaubwürdigkeit angeht, der ist nicht mal Reichsbürger. So einer tendiert in jede Richtung, das ist für eine Partei, die sich als Alternative zum demokratischen, nein, als deutsche demokratische, wieder falsch – also jedenfalls als Alternative, und da kann dann nicht jeder mitmachen. Da sehe ich in der Partei schon eine gewisse Lauäugigkeit. Blau ist da ja genug, Höcke auch, aber wenn der schon das Parteiprogramm nach rechts vertreten will, dann doch bitte auch konsequent.
Da sehen Sie auch mal, dass wir uns heute viel mehr in der Rolle der Politikberatung verstehen. Was gestern noch als radikal galt, ist morgen schon ein alter Hut. Sehen Sie beispielsweise an der SPD. Und wir halten uns vorwiegend in der Gegenwart auf und sorgen für ein harmonisches Miteinander der gesellschaftlichen Kräfte. Mehr kann man doch nicht erwarten. Und wenn wir das nicht für jeden tun, dann zeigt das doch andererseits auch, wie ausgewogen wir sind. Man kann ja nicht immer die Vergangenheit der NPD ohne die Zukunft der Linken verstehen, das gehört politisch immer auch zusammen. Wenn die NPD eine Zukunft hätte, dann wären die Linken in Deutschland jedenfalls schon mal Vergangenheit.
Und dann muss man ja auch mal sehen, wenn eine Partei in unserem offiziellen Bericht erscheint, dann ist das für manche Leute ja regelrecht ein Ritterschlag. Das muss man auch verhindern, denn so bekommen die immer mehr Zulauf, gewinnen die Kontrolle über parlamentarische Gremien – wir können davon ein Lied singen, wir haben immer vermieden, mit parlamentarischen Kontrollgremien zu kooperieren. Die ahmen die Strukturen nach, die wissen offiziell von nichts, und plötzlich ist der Schaden eingetreten. Stellen Sie sich mal zehn bis fünfzehn Prozent Nazis im Bundestag vor. Mehr dürfen das aber auch nicht werden.
Wieso Haushalt? Ja, der andere Geheimdienst bekommt natürlich auch ein bisschen mehr. Und das Bundeskriminalamt, aber offiziell dürfen wir mit denen nicht… – Jetzt verstehen Sie uns doch auch mal: bei unserem Budget und der personellen Ausstattung, und dann wird die AfD zum Abschuss freigegeben. Ich frage Sie, wo sollen wir denn da überhaupt noch arbeiten!?“
Satzspiegel