Es lebte in der Stadt vor vielen Jahren
ein Bürger, wohlgesonnen aller Welt,
die hohen Mutes ihn in den Gefahren
als Nachbarn sah, der ihnen recht gefällt.
Seit der Geburt war er hübsch anzusehen,
doch blieb sein Spiegelbild im Antlitz schlicht,
man mochte es als Laune nur verstehen.
Er hatte Ohren, eine Nase nicht.
Aus Freundlichkeit hat man ihm dann von Pappe
ein Spitzchen, gut geformt, dass alles sitzt,
verfertigt, das als heimliche Attrappe
ihm im Gesicht steht, kunstvoll und verschmitzt.
Und wenn er, seines Zeichens Wirt, die bleiche,
die Nase, die auch nicht beim Trinken glüht,
den Gästen zeigt, ist es doch stets die gleiche,
die er im Spiegel Tag für Tag besieht.
(Von allen, die zu ihm als Gäste kamen,
war keiner, der die Herkunft je verstand.
Man führte ihn nur unter diesem Namen,
als Pappsnut war er jedem wohlbekannt.)
Soldaten rannten trunken in die Schenke,
belästigten, was ihnen gut gefiel
an Mägden. Fragten ihn, ob er wohl tränke
und nötigten den Wirt zum Würfelspiel.
Sie warfen nun; es waren anfangs Päsche,
und sie verloren Geld, Geschmeide, Gold.
Dann schauten sie recht dumm aus ihrer Wäsche.
Das Glück war ihnen offenbar nicht hold.
Nun: alles oder nichts. Der Hauptmann brüllte,
wie er mit sechs und sechs und fünf begann,
und sah man, wie er sich die Taschen füllte,
als Pappsnut mit drei Sechsern dann gewann.
Sie fassten ihn. Und die Geschrei anhuben,
die schlugen ihn – doch was war dies ein Graus!
Da sprang die Nase ab. Er griff die Buben
Und warf sie allesamt aufs Pflaster raus.
Besteck und alter Schmuck gab ihre Beute,
die fand er in Tornistern wohl verwahrt.
Es meldeten sich die beraubten Leute,
und gab er jedem, was sie angespart.
Die waren halb verängstigt und halb glücklich
und trugen ihm als Dank viel Wünsche an.
Dies war im Angesicht der Tat nur schicklich.
Da sagte er bescheiden dieses dann:
„Ach“, sprach der gute Mann in seiner Schläue,
„ich wünsch mir, so für sonntags, eine Neue.“
Satzspiegel