Fenstergucker

30 09 2018

In Japan löst man die Sache sozialverträglich: wer seinem Unternehmen zwar lebenslängliche Arbeit schuldet und so gut wie nicht gekündigt werden kann, wird abgeschoben. Man bekommt ein Telefon ohne Anschluss und einen Papierkorb, ansonsten ist das Büro leer, liegt am Ende des Ganges und hat kein Türschild. Fenstergucker nennt man die, die nichts mehr zu tun haben, weil man ihnen nichts mehr zu tun gibt. Nichts Sinnvolles jedenfalls. In Europa besteht das Problem natürlich nicht. In der kapitalistischen Gesellschaft bläht sich höchstens der Mittelbau des Managements auf, damit immer mehr Befehlsempfänger sich als Herren über die tatsächlich noch tätigen Abteilungsleiter fühlen können. Ihre Anwesenheit ist überflüssig, aber ihre Gehälter gut angelegt. Man müsste ja sonst Talente fördern oder das Geld den Bedürftigen schenken. Bullshit-Jobs sind kein Randphänomen; eine Studie aus den Niederlanden zeigt, dass vierzig Prozent der Arbeitnehmer ihre Tätigkeit als sinnlos ansehen. Wie gut es uns doch geht – denn sozial ist ja, was Arbeit schafft. Alle weiteren Anzeichen, dass wir vor dem Jobverlust durch Digitalisierung keine Angst zu haben brauchen, wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • damencatchen in deutschland: Wir können ja nicht überall Weltmeister sein.
  • schnabelkerfen schlafzimmer: Immerhin sind sie leichter zu halten als ein Nashorn, falls es sich um eine Etagenwohnung handeln sollte.
  • spahn wegsperren: Gut, dass der Mann kein Schlüsselressort hat.
  • benutzt g.g. anderson 1 mal im jahr seinen schlips: Die wirklich wichtige Frage ist doch: wozu?
  • ausländerkriminalität: Erdoğan besitzt meines Wissens nach Immunität.
  • dobrindt afd: Bald lässt es sich da für ihn eh leichter reagieren als in der Außenstelle.
  • zahnarztumhang fetisch: Geht Ihnen sonst nichts auf die Plomben?




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CDXII)

29 09 2018

Es sprach Onkel Henryk in Himmelwitz:
„Wenn ich sonntags mal auf dem Schimmel sitz
und habe getrunken,
dann hör ich Euch unken,
dass ich gerade wieder nach Kümmel schwitz!“

Qamar erntet Wein in Baardheere
und schneidet dabei mit der Schere
die einzelnen Trauben.
Sie ist in dem Glauben,
das nähme den Weinen die Schwere.

Trinkt Czesław beim Frühstück in Järker
die Milch aus, lobt Jan, er sei stärker.
Kann man’s unterscheiden?
es schaffen die beiden
schon immer als Stahlbauhandwerker.

Irakli war in Otschamtschire
berühmt fürs Befreien der Tiere
aus Zoo, Zirkus, Gärten.
Man soll das nicht werten,
denn meist stand er dabei nur Schmiere.

Da Bartosz und Witold in Kampen
die Wägen herauf auf die Rampen
mit Kohle oft schoben,
so sah man von oben:
sie hatten gewaltige Wampen.

Kam Veaceslav heim nach Rîșcani,
beteuert er eilends: „Ich war nie
bei anderen Frauen
und, ganz im Vertrauen,
mit einer viel jüngeren gar nie!“

Ging Bogusław einmal in Hüttenguth
mit Tochter, die trug auf sein Bitten Hut.
Er kann das nicht leiden,
sie wird das nie kleiden,
er findet nur die alten Sitten gut.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CDXXXIII): Die gefühlte Unsicherheit

28 09 2018
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Es muss ein Tier gewesen sein, alles andere war nicht bekannt. Ob es sich um eine großzähnige Grauschlonte gehandelt hat oder um das Nasobēm, das werden wohl auch künftige Generationen nicht mehr herausfinden. Keiner hatte es je zu Gesicht bekommen, nicht einmal die Existenz des Dings war unbestritten. Andere Stämme hätten daraus eine Gottheit gebastelt, hier aber blieb es das brüllende Biest, die grauenhafte Gefahr, die aus dem Dickicht schießt und alles ins Gestrüpp trampelt, das über die Gänseblümchen ragt. Einer der Altvorderen wird es im Off gehört haben, dreißig Grad links oben voll mit Grünbeeren, woraus sich gebar der Mythos des Monsters. Jahrzehnte, ach was: seit Anbeginn der Zeit ließ sich keine Kreatur mehr im Gesträuch blicken, die aussah wie etwas, das nicht mit Zwiebeln und Honig auf den Spieß passt. Aber die Mär vom Bösen in der perfekt umpuschelten Welt war knorke, was brauchte es mehr, die nächste Jugend ruhig zu stellen?

Die Unsicherheit gestaltet sich einerseits nicht aus einer erlebten Gefahr, denn diese könnte der durchschnittliche Homunkulus halbwegs realistisch einschätzen, dass nicht jeder Dunkelhäutige einen Bolzenschneider mitführe und vorlauffrei als Schlagwaffe einzusetzen gewillt sei. Überdies ist die Begegnung begüterter Knalltüten mit fremden Fremden, insbesondere im engeren Wohnumfeld, eine rülpsende Chimäre, der man nicht länger zuhört, als es die eigenen Grütze zum Blubbern bringt. Die Einbruchsdichte, die je um je von den Fachmedien für soziale Exklusion in die Luft geblasen wird, ist zwar ein Randphänomen, gemessen an der Gefahr, in einen Unfall mit einem angetrunkenen Raser verwickelt zu werden, aber die Meldung liest sich so schön, dass man dank viel neuen Klumpatschs aus deutschem Stahl etwas dagegen tun könne; dass sie aus der Werbeabteilung kommt, überliest der verunsicherte Bürger.

Überhaupt ist er nicht, sondern wird er nur verunsichert, denn selten ist die Gefahr, die ihm auf dem Scheitel zu schweben droht, tatsächlich da. Die Kriminalitätsstatistik im freien Fall scheint ihn nicht zu beeindrucken, nicht einmal die Tatsache, dass Delikte der sogenannten Ausländerkriminalität nur deshalb so heißen, weil sie von seinesgleichen nicht begangen werden können; den in Nauen ansässigen Besorgtansässigen auf der Straße nach Plauen zu erwischen führt mitnichten zu einer Strafanzeige, aber wer will das wissen. Die meisten Raucher wissen, dass sie sich einer tödlichen Noxe aussetzen, und preisen den billigen Effekt von kurzfristig abklingenden Suchterscheinungen als geistige Entspannung. Es hält sie nicht davon ab, den nächsten Meteoriten herbeizubeten, nur damit sie Recht behalten vor den Zweiflern.

Gerade die Angst vor dem Terror gestaltet sich als regelrecht ruinöse Verdenkung, die mit Logik gründlich aufräumt, porentief bis endsauber. Die Wahrscheinlichkeit, einem islamistischen Anschlag zum Opfer zu fallen, ist für einen Einwohner der münsterländischen Provinz, wo dreißig Schafe auf einen Rentner kommen, ungefähr in der Preislage, einen Lottogewinn zu erzielen, wobei die meisten Rentner den Eintritt des Ereignisses durch eigenes Verhalten geradezu herausfordern; die Freude am Lotteriespiel unter münsterländischen Rentnern ist nach wie vor ungebrochen. Wer aber begreift, dass vornehmlich Opfer wird, wer in einer bestimmten Konstellation Zeit und Ort wählt, sattsam bekannt etwa die von rechten Sackpfeifen dazu auserkorene Brut der Weihnachtsmärkte, dies in Metropolregion oder zumindest an touristisch schwergewichtigem Platz, wird sich nicht wundern, wenn er keinen Busunfall erleidet, so er den Großteil des Lebens in Wohnstube und Schlafraum verbringt, vor dem TV-Gerät, dem Kugelgrill, der Schallzahnbürste, und braucht den Krebstod nicht mehr zu fürchten als sein quarzender Nachbarino. Dass ab und an Busse oder Sattelzüge in günstiger Lage die Kreuzung als Serviervorschlag betrachten und die Hauswand als Mittel der Schnellentschleunigung, ist bekannt, aber statistisch vernachlässigbar. Nur wenige wohnen so verkehrsgünstig, um in die Abendnachrichten zu kommen.

Denn zu vieles ist neu, unkontrollierbar, in einer chaotischen Struktur, in seinen Folgen nicht und wahrscheinlich nie absehbar und deshalb Fluch und Segen zugleich, Segen aber nur, wenn man sich der Umstände bewusst ist und mit der richtigen Menge an Kompetenz und Nüchternheit an die Sache geht. Die Rede ist, wer wüsste es nicht, vom Internet, das sämtliche bisherigen Kommunikationskanäle in den Schatten schubst und eine vollkommen andere Sicht auf Sender, Empfänger und Botschaften erlaubt, ermöglicht, erzwingt. Niemand weiß, ob sich nicht sein Dackel ein Katzenprofil zurechtgeschwiemelt hat und aus dem eigenen Keller die Weltherrschaft plant, gleichzeitig die Opposition spielt und mit Fake News über die Versorgung mit Hundefutter das Herrchen im Hochparterre aufwiegelt. Das Wesen der Gefahr ist es, real zu sein und trotzdem berechenbar in ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit, die aber nie bedacht wird. Sich den Fuß abzusägen mit dem neuen Werkzeug scheint dank handwerklicher Selbsteinschätzung des durchschnittlichen Depps unmöglich zu sein, aber ein Kometeneinschlag im Vorgarten? Sicher eine alltägliche Sache, sie wird nur von denen da oben verschwiegen. Und so hilft auch am besten eine solide Verschwörungstheorie, die Praxis wieder ins Lot zu kriegen, weiter mit der Ruhe zu leben, dass man sich maßlos aufregen darf ob der Dinge, die man nicht begreift, die deshalb aber erst recht Gefahr sind. Wenn man schon umkommt, und das ist die gute Nachricht, dann doch am besten wild. Und gefährlich.





Heil-Mittel

27 09 2018

„… noch keine ausreichenden Erfahrungswerte für die Anwendung der Vorratsdatenspeicherung habe und noch nicht genau wisse, welche schädlichen Wirkungen von ihr ausgingen. Deshalb müsse man die Datenspeicherung nun noch mehr als eine normale Form der…“

„… sich auch um höhere Kosten handele, die nicht von der damaligen Bundesregierung in Betracht gezogen worden seien. Dessen ungeachtet werde man diese auch heute an die Teilnehmer von Internet- und Mobilfunkdiensten weitergeben, da diese auch heute als deutsche Bürger sich im Gebiet der Bundesrepublik…“

„… habe die Einführung der Datenspeicherung nichts zu tun mit der politischen Lage, da sich in Deutschland bisher noch eine demokratische…“

„… ein EuGH-Urteil nicht anerkennen könne. Es gehe laut Seehofer gar nicht um europäische, sondern nur um deutsche Daten, was einen großen Unterschied in der rechtlichen Beurteilung des…“

„… ursprünglich zur Aufklärung schwerster staatsgefährdender Straftaten eingeführt werden sollte. Dass es bisher noch keinen Staatsstreich gegeben habe, so Scholz, liege nur daran, dass es dem Verfassungsschutz bisher immer gelungen sei, linksradikale Umtriebe frühzeitig zu…“

„… könne sich Seehofer vorstellen, zunächst Ausländer unter Vorratsdatenspeicherung zu stellen. Dazu müsse man zwar den kompletten deutschen Datenverkehr aufzeichnen, könne aber hinterher durch eine Nichtauswertung von Straftaten echter Staatsbürger die entsprechende…“

„… eine große Summe durch Sportwettbetrug verloren gehe. Scholz sehe den Fußball als Teil der deutschen Leitkultur nachhaltig gefährdet und verlange daher, alle als Anhänger linker Mannschaften bekannten Fans sofort zu…“

„… nicht unter Generalverdacht gestellt werden dürften. Dennoch reiche es Wendt durchaus, wenn ein Elternteil verdächtigt worden sei, gegen Vietnamkrieg oder Radikalenerlass demonstriert zu haben, um eine sofortige Ausspähung aller…“

„… auf eine weitere Gehaltsstufe verzichten wolle, wenn er die Vorratsdatenspeicherung linker Verdachtsfälle koordinieren dürfe. Maaßen wolle damit die Übernahme des Deutschen Reiches durch kommunistische Gefährder im Stadium des…“

„… die Speicherung ohne den Einsatz des Staatstrojaners so gut wie wertlos sei. Das BKA wolle daher noch in diesem Jahr das Urteil des EuGH ignorieren und einen eigenen…“

„… bei SMS die Daten gespeichert werden könnten. Seehofer habe sich den Unterschied zwischen Facebook und SMS zwar erklären lassen, dann aber auf Twitter verkünden lassen, er könne beides nicht voneinander unterscheiden, weshalb auch andere Nachrichten von nun an rechtlich als SMS zu…“

„… nicht anerkennen wolle, dass ein außerhalb Deutschlands liegender Gerichtshof deutsche Gesetze manipulieren wolle. Seehofer habe gedroht, einen Masterplan gegen die EU zu…“

„… mit der Vorratsdatenspeicherung ein Instrument existiere, das den Traktorendiebstahl an der bayerischen Grenze noch viel schneller hätte aufklären können, wenn dieser denn tatsächlich vorgekommen wäre. Söder wolle nicht mehr so lange warten, was in Berlin als Startschuss für einen flächendeckenden Einsatz von…“

„… eigentlich dazu gedacht sei, Terrorismus aufzuklären. Der Einsatz gegen Drogenbesitz in geringfügiger Menge lasse sich damit erklären, dass internationale Terrororganisationen ihre Gelder auch durch Drogengeschäfte oder.…“

„… hätte der Verfassungsschutz den NSU frühzeitig aufdecken können, wenn er mit einer Polizei kooperiert hätte, der seine Ermittlungen mit der Vorratsdatenspeicherung hätte führen können. Die Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdienst sei für Wendt eine unbedingte Folge aus dem Versagen der Bundesregierung im Falle Maaßen und müsse sofort in sämtliche…“

„… habe die Vorratsdatenspeicherung nur deshalb noch nicht zur Enttarnung von Spionen und Putschisten innerhalb der Linkspartei geführt, weil man sie noch nicht eingesetzt habe. Maaßen sehe hierin eine wesentliche Rechtfertigung für den Einsatz und poche darauf, dass so schnell wie möglich alle…“

„… nicht alle Bürger ausspionieren wolle. Da die AfD noch nicht durch einen Verbotsantrag verfolgt werde, sehe Seehofer keine Probleme darin, auch ihre Mitglieder oder in einer Datei als Sympathisanten und Geldgeber verzeichnete Personen von der Datenspeicherung auszunehmen, um einer späteren Koalition auf Landes- oder Bundesebene keine unnötigen…“

„… befasse sich der EuGH mit der Norm, obwohl sie mutmaßlich gegen das Grundgesetz verstoße. Man müsse daher den Gerichtshof mit sofortiger Wirkung beobachten, um die Folgen für Deutschland noch…“





Personaldebatte

26 09 2018

„Und Kauder?“ „Kanzleramtsminister.“ „Haben wir schon.“ „Generalsekretär auch.“ „Zur besonderen Verwendung?“ „Aber nicht als Staatssekretär.“ „Ich glaube, da verwechseln Sie etwas.“

„Jedenfalls ist Klöckner auch überflüssig.“ „Und Kramp-Karrenbauer.“ „Aber die eine ist noch überflüssiger als die andere.“ „Aber die ist schon so überflüssig, die müsste man befördern.“ „Man kann doch nicht jeden befördern, nur weil er überflüssig ist.“ „Hat Pofalla das schon beendet?“ „Für beendet erklärt, wenn schon.“ „Wo ist da der Unterschied?“ „Bei einem ist es zu Ende.“ „Ach so.“ „Aber wenn man jeden befördert, nur weil er überflüssig ist, wer macht denn die Arbeit?“ „Die, die nicht im Weg herumstehen. Das ist doch der Sinn der Sache.“ „Aber trotzdem müssen wir jeden mit durchfüttern, der überflüssig ist?“ „Haben Sie sich schon mal gefragt, warum man jeder allein erziehenden Mutter und jedem, der nach einem Arbeitsunfall nicht mehr erwerbstätig sein kann, eine Vollkaskomentalität vorwirft?“

„Bei de Maizière hat das doch auch geklappt.“ „Bloß nicht!“ „Wieso?“ „Wenn Sie den befördern, dann wird der wieder Innenminister.“ „Einer muss doch hier die Arbeit machen?“ „Aber doch nicht de Maizière!“ „Wir haben einen Innenminister?“ „Das müssen Sie falsch verstanden haben, der macht seine Arbeit jedenfalls nicht.“ „Deshalb muss man doch nicht gleich de Maizière befördern.“ „Wir versuchen es noch mal im Guten.“ „Mal schauen.“

„Aber es gibt doch auch Ausnahmen, schauen Sie sich beispielsweise mal Löw an.“ „Was hat jetzt Jogi Löw zu tun mit dem Innenminister?“ „Zum Glück nichts, aber haben Sie schon mal gesehen, dass der befördert wurde?“ „Naja, aber höher geht nun mal nicht.“ „Der hat vielleicht die höchste Stufe seiner Inkompetenz erreicht.“ „Also kann der nur noch Bundeskanzlerin werden?“ „Theoretisch ja, aber praktisch nicht. Wir nehmen da lieber einen, der keine praktischen Führungserfahrungen vorweisen kann.“ „Lassen Sie das bloß nicht Nahles hören.“ „Wird die dann Bundestrainer?“

„Überhaupt, die SPD.“ „Nee, das bringt nichts. Das gibt Personaldebatte ohne Ende.“ „Kann man die Partei nicht als Ganzes befördern?“ „Ich wüsste schon, wie.“ „Nämlich?“ „Nach links.“ „Das wählt doch keiner mehr.“ „Die Mitte ist jedenfalls zu weit nach rechts gerückt.“ „Und dahin wollen Sie die SPD befördern?“ „Wenn das Personal das hergibt, dann sehe ich da eine echte Chance.“ „Ich weiß ja nicht.“ „Wollen Sie lieber Nahles als Kanzlerin haben in einer Koalition mit den Grünen?“ „Seit wann stellt der Junior den Kanzler?“ „Vielleicht wäre da eine Chance für die SPD, eine Beförderung zum…“ „Müsste aber eine Sprungbeförderung sein.“ „Hauptsache, es kostet nicht mehr Geld als vorher.“ „Ach was, das wird angepasst.“

„Könnten wir dann nicht auch von der Leyen befördern?“ „Brandmeisterin?“ „Das liegt bei der Truppe ohnehin nahe.“ „Dann kann sie Scheuer gleich mitnehmen.“ „Das wäre dann aber eine Strafversetzung.“ „Für Scheuer?“ „Auch.“ „Da könnte man doch interdisziplinär arbeiten.“ „Sie meinen, alle in einen Sack?“ „Scheuer, Dobrindt, die AfD, den…“ „Also den Sack gibt’s schon, fragt sich nur noch, wer den irgendwann zumacht.“ „Söder.“ „Von innen?“ „Das ist doch Seehofers Baustelle.“ „Wer weiß, wie lange dieser Segen noch währt.“ „Jetzt werden Sie mal nicht mild ironisch, dass hat Deutschland noch nie etwas gebracht.“ „Aber Bayern auch nicht, und davon profitieren wir auch nicht.“ „Sie meinen, weil die von Deutschen zu Bayern befördert wurden?“ „Das machen Sie mal den Sachsen klar.“ „Die könnte mal einer zu Deutschen machen, wenn wir gerade dabei sind.“

„Bliebe noch der Mittelbau im Kabinett.“ „Spahn?“ „Das ist Unterbau.“ „Ach, den würde ich schon gerne befördern.“ „Wohin?“ „Raus.“

„Ja verdammt noch eins, Sie reden hier immer schön um den heißen Brei herum – was wird denn jetzt mit Seehofer?“ „Den können Sie doch nur noch zum Ministerpräsidenten machen.“ „Dem ist doch wurst, wer unter ihm Ministerpräsident ist.“ „Also wird er auch nicht Bundeskanzlerin.“ „Dann wäre der Weg für Nahles tatsächlich frei.“ „Oder gleich Bundespräsident.“ „Das wird problematisch, Sie können Steinmeier nicht einfach so aus dem Weg räumen.“ „Was der im Kanzleramt alles eingefädelt hat…“ „Jedenfalls keinen faulen Kredit, und seine Frau ist nicht mal tätowiert.“ „Und seine Karriere ist nach Bellevue sowieso vorbei.“ „Das wäre doch mal ein Argument für Seehofer: ab in die präsenile Endablagerung.“ „Als parteipolitisches Abklingbecken?“ „Jedenfalls kann er hier so viel Unsinn erzählen, wie er lustig ist, auf den hört keiner mehr.“ „Da muss er sich ja nicht groß umgewöhnen.“ „Aber für Deutschland wär’s schon sehr schön.“ „Und für Bayern erst!“

„Und… sie?“ „Wer?“ „Naja, die.“ „Ach so. Na, was soll schon sein.“ „Aber wenn sie nun mal nicht will?“ „Glauben Sie mir, danach wird man nicht gefragt.“ „Irgendwann muss es doch mal sein.“ „Stimmt, aber man kann das doch nicht einfach so entscheiden.“ „Wir bräuchten da eine gemeinsame Lösung.“ „Als Lösungsprozess.“ „Gegen die Auflösungserscheinungen.“ „Da erscheint mir ein Prozess nicht als Lösung.“ „Nein, das ist auch gar nicht vorgesehen.“ „Also für mich steht das nicht zur Debatte.“ „Und was schlagen Sie vor?“ „Es müsste eine schnelle Lösung sein.“ „Lassen Sie uns doch abstimmen.“





Füßeball

25 09 2018

„… dass sich im Zuge des Staatsbesuchs ein Kompromiss anbahnen könne. Die Türkei sei durchaus gewillt, den Wettbewerb im Jahr 2024 gemeinsam mit dem DFB zu…“

„… sehe der deutsche Verband den Vorschlag immer noch skeptisch. Grindel verlange von der Türkei Sicherheiten, etwa durch ein Verbot von Interviews mit dem…“

„… die fehlende Weltoffenheit des Staates am Bosporus moniert habe. Die Verantwortlichen hätten sich zeitnah entschieden, eine Einreise für alle ausländischen Sportler zu garantieren. Ob sie auch wieder ausreisen dürften, werde sich im Verlauf des…“

„… und realistisch sei, dass die Mannschaft wieder in der Vorrunde ausscheiden werde. Löw wolle dies nicht wieder im Ausland erleben und sei daher offen für eine Kooperation mit dem…“

„… auf die Unterstützung der UEFA-Mitglieder angewiesen sei. Zwar säßen zwei Drittel aller Schiedsrichter inzwischen in Haft, es sei jedoch damit zu rechnen, dass Erdoğan durch Zahlungen an die AKP eine politische Lösung des…“

„… technische Unterstützung zwar zusichern wolle, aber es sei für die Bundesregierung nicht ganz nachzuvollziehen, warum Gasangriffe auf kurdische Gebiete unbedingt für die Durchführung eines Fußballwettbewerbs in den…“

„… habe die FIFA Russlands fortgesetzte Menschenrechtsverletzungen nicht geahndet und müsse jetzt mit der Türkei ebenso verfahren. Der Präsident werde sonst eine Auslieferung aller…“

„… dass noch immer wegen zahlreicher Korruptionsvorwürfe ermittelt werde. Der Verband habe versprochen, dass dies schnell beendet werde, um nationalen Fußball wieder auf internationalem Niveau präsentieren zu können. Darüber hinaus werde sich Grindel im kommenden…“

„… die fehlenden Sportstätten bis zum Turnier fertiggestellt haben werde. Die Türkei rechne auch damit, dass Deutschland als Partner den Bau finanziere und organisatorisch bewerkstellige und im Gegenzug durch die komplette Ausrichtung der Spiele im Lande des…“

„… es eine freie Berichterstattung in der Bundesrepublik gebe, da auch Niederlagen der Nationalelf in voller Länge und ohne Zensur gezeigt werden könnten. Ob dies nach Neuwahlen zum Bundestag mit dem erwartbaren Erstarken der Rechtsextremisten jedoch auch weiterhin…“

„… verlange Erdoğan, dass die türkische Nationalmannschaft erst im Finale ins Turnier eingreife, um sich nicht mit minderwertigen Gegnern zu…“

„… die deutsche Bauwirtschaft vorwiegen nicht mehr einsatzfähige Kräfte aus Stuttgart und Berlin abziehen wolle, um die türkischen Großprojekt auch termingerecht in den…“

„… das Spiel eigentlich eine Erfindung muslimischer Einwanderer sei, die von dreitausend Jahren bei der Besiedelung Großbritanniens die ersten…“

„… sich die Berichterstattung im deutschen Fernsehen auch Kommentatorinnen leisten werde, wenngleich es sich nicht mehr um die bei der FIFA-WM auffälligen…“

„… die Staatsverschuldung durch die Baumaßnahmen mindestens dreimal für einen Bankrott der Türkei reichen werde. Der Präsident dringe deshalb umso mehr darauf, durch die Einnahmen der Meisterschaft wieder einen ausgeglichenen Haushalt zu…“

„… sei noch nicht geklärt, ob Mitglieder der türkischen Regierung während der EM in die Bundesrepublik einreisen dürften, um ein als Public Viewing deklariertes Wahlkampf-Event in einer deutschen Mehrzweckhalle zu…“

„… verspreche Erdoğan ein ruhiges und friedliches Turnier, da durch eine Vielzahl neuer Internierungslager ungefähr ein Viertel der türkischen Bevölkerung nicht mehr in den…“

„… die deutsche Mannschaft nicht in die Türkei reisen werde, da der DFB nicht für die Sicherheit der Spieler…“

„… für den Bau von dreißig Stadien so viel Geld ausgegeben habe, dass es in der Türkei inzwischen kaum noch Mittel für die Vereine gebe. Der Präsident biete daher derzeit die türkische Staatsbürgerschaft für eine geringe Gebühr und mit einer kurzen Wartezeit an, um die…“

„… lehne Grindel den Vorschlag einer deutsch-türkischen Mannschaft ab, solange ein Spielgewinn nur zugunsten der türkischen…“

„… nur Köln und Kreuzberg als deutsche Austragungsorte gelten lassen wolle. Die türkischen Verbände hätten vor einer Verwestlichung des…“

„… keine Minister mehr in Deutschland empfangen werde. Die Bundesregierung sei außerdem skeptisch, da Erdoğan angekündigt habe, innerhalb der nächsten zwanzig Jahre regelmäßige Staatsbesuche als Präsident der…“

„… im Gegenzug angeboten habe, für eine Ausrichtung der EM nicht mehr der EU beitreten zu wollen. Dies könne jedoch auch bei einer neuen Kreditaufnahme bei der Europäischen Zentralbank schnell als…“

„… da die Baugesellschaften durch deutsche Kredite längst nicht mehr im Besitz der Türkei seien. Man erwarte daher eine deutsche EM, die teilweise in der Türkei ausgetragen und…“

„… für die Ausstrahlung des Finales achthundert Trilliarden Lira gefordert habe. Da der aktuelle Umrechnungskurs dies mit einem Gegenwert von weniger als einem Euro zum…“





Pflegestufe Null

24 09 2018

„Gratuliere, Sie haben den Job! Wobei – ein paar Sachen müssten wir doch noch besprechen. Das soll hier ja auch reibungslos funktionieren, deshalb muss das eine oder andere Zugeständnis von Ihrer Seite schon sein, damit wir Sie erfolgreich einsetzen können.

Also das mit den vier Stunden Mehrarbeit, das ist so nicht ganz richtig, das stimmt. Da hat sich der Minister mal wieder versprochen. Oder er hatte wieder keine Ahnung. Oder aus irgendeinem anderen Grund, ich weiß auch nicht, warum man so einen Schrott erzählt. Die Mehrarbeit muss man nämlich anordnen, und das machen Sie mal in einer Klinik, in der ein Tarifvertrag gilt. Außerdem muss das alles hinterher natürlich wieder durch Freizeit ausgeglichen werden, und die Folge ist, dass nach drei Monaten alles wieder beim Alten ist und der Effekt schlicht verpufft. Gut, das beschreibt die Arbeit des Ministers einigermaßen erschöpfend, aber wir machen das besser. Bei uns dürfen Sie gern ein bisschen mehr arbeiten, aber wir nennen das dann nicht Mehrarbeit. Wir nennen das so, wie man es nennen darf: Überstunden.

Alles arbeitsrechtlich abgesichert, wir verstoßen gegen kein Gesetz, Sie machen einfach ihre drei bis sieben oder zehn, ich weiß nicht, wie viele Sie hier in der Woche schaffen, auf jeden Fall sind die mit dem dann Lohn auch abgegolten. Da müssen Sie sich keine Sorgen machen, egal, wie viel Sie im Endeffekt arbeiten, Sie haben Lohngarantie. Die Summe bleibt nämlich garantiert immer dieselbe. Sie dürfen das auch als ein Zeichen unseren Entgegenkommens betrachten, damit machen wir Ihre Zukunft auch ein Stück weit planbar.

Das heißt natürlich nicht, dass Sie oder die anderen Kollegen auf der Station pünktlich in den Feierabend gehen können, wie es Ihnen gerade passt. Ein gewisses Engagement erwarten wir schon von Ihnen, gerade als neue Arbeitnehmerin in der Probezeit, und Sie wollen ja auch nicht gleich das Team als Aufwieglerin betreten, oder? Wir erwarten eine gewisse Anpassung an die Gegebenheiten, wenn Sie verstehen, was ich meine. Die eine oder andere Stellekürzung müssen wir ins Auge fassen, das ist leider trotz Pflegeschlüssel nicht anders zu bewerkstelligen, aber zum Glück scheidet die eine oder andere Kollegin ja zwischendurch auch aus. Burnout, Rücken, Suizid, vielleicht heiratet ja die eine oder andere auch mal den Chefarzt, wer weiß das schon, aber wir können uns eben nicht auf diese Entwicklungen verlassen und müssen proaktiv die Entscheidung suchen. Wenn wir mehr Stellen kürzen, dann haben wir natürlich auch die Chance auf bessere Rücklagen, falls es der Pflege mal richtig schlecht gehen sollte. Börsentechnisch etwa.

Wir könnten uns aber auch vorstellen, Sie mit einem neuen Arbeitsplatzmodell an unser Haus zu binden. Viele Pflegekräfte machen nach Feierabend zu Hause gleich weiter, ein sehr gutes Zeichen für professionelles Engagement, und das ist für uns der Ansatzpunkt. Überall reden sie von Homeoffice, die Nahles hat das ja jahrelang gefordert, mal sehen, vielleicht hockt sie ja selbst bald wieder zu Hause, aber jedenfalls ist das eine großartige Idee. Wenn Sie sich etwas Arbeit mit nach Hause nehmen und die Dokumentation am Küchentisch erledigen, dann ist allen geholfen. Sie müssen Ihre Überstunden nicht im Betrieb verbringen, die Kollegen sind damit auch ein Stück weit entlastet, und wir können gleich viel besser planen.

Wenn es gut läuft, könnten Sie beispielweise auch den einen oder anderen Patienten bei sich auf der Couch ein bisschen betreuen. Sie kommen nicht mit dem Auto? Na, dann haben Sie jeden Abend eine lustige Fahrt mit der S-Bahn. Omi Möller, die ist etwas tüdelig, aber wenn Sie ihr mit dem Gehwagen ein bisschen helfen, dann schafft sie den Weg bis zu Ihnen nach Hause sicher. Und wenn die Fahrt dann halt länger dauert, ist doch prima – das können Sie dann zur Hälfte auf Ihre Stunden anrechnen.

Wir könnten uns beispielsweise auch vorstellen, Sie in Vollzeit zu beschäftigen. Wollen Sie nicht, weiß ich doch, Sie hatten sich auch extra in Teilzeit beworben. Verstehe ich, mit zwei kleinen Kindern ist das schon mal hart, und wenn es das Angebot gibt, warum nicht. Aber ich würde es halt gerne sehen, wenn wir einen Teil der Teilzeitkräfte wieder an Vollzeitarbeit gewöhnen könnten. Das macht hier im Betrieb natürlich auch ein sehr viel besseres Standing, wenn doch mal wieder der Stellenabbau droht, denn Sie wissen ja, wo man ehesten sparen kann, da spart man auch.

Dann könnten wir natürlich auch die Gehälter mal kritisch überdenken. Also nicht meins, ich bin ja nicht davon betroffen, aber vielleicht haben Sie ja eine Lösung? Ein bisschen Gemeinsinn haben sicher noch niemandem geschadet, aber wenn Sie auf einen gewissen Prozentsatz von Ihrem Lohn verzichten würden, beispielsweise bei einer der nicht erfolgenden Beförderungen, dann könnten wir auch ganz anders kalkulieren. Davon könnten wir neue Kolleginnen einstellen, die dann wiederum durch Lohnverzicht neue Kolleginnen, die dann auch auf einen Teil vom… – Wird jetzt klar, worauf ich hinauswill?

Also Sie könnten dann morgen anfangen? Das ist gut. Ihr Vorgängerin ist heute krank geworden, und das in der Probezeit. Wir geben hier jedem eine Chance, und wenn Sie Ihre ab morgen wahrnehmen wollen, um die Pflege in Deutschland ein bisschen stärker zu machen – nur zu!“





Curriculum vitæ

23 09 2018

Geht man, zum Beispiel: morgens ins Büro
und kehrt, wie jeden Tag, nach Haus zurück,
und ist es anderntags dann ebenso,
so bleibt die eine Frage – welches Stück

von einem Gang ist Teil bereits vom andern?
Ist man am Morgen auf dem Heimweg gar
und weiß es nicht? Und muss man weiter wandern,
obwohl man, wo man ist, schon immer war?

Von Anbeginn sind wir schon vor dem Ende,
und sind der Schritte viel, sind sie gezählt.
Das Leben schreitet selbst voran behende
und weiß, weil es die Schritte selber wählt.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CDXI)

22 09 2018

Es leitete Csilla in Heils
die Gäste mit Hilfe des Pfeils
hinab in den Keller
des Wirtshauses, schneller
ein Örtchen zu finden – teils, teils.

Ludmila, die führt in Neu-Baden
seit fast zwanzig Jahren den Laden
mit Wahl zur Genüge
für Badeanzüge.
Jetzt schließt sie, der Grund: Wasserschaden.

Im Garten hat Zsolt in Finfkärche
zwei Eichen sowie eine Lärche
und fragt ob der Bäume,
wo sind denn noch Räume,
in die er sich selbst noch reinpferche.

Sucht Schukri in Bir al-Ghanam
im Bad nach der Wäsche den Kamm,
ist es unausweichlich
(die Fälle sind reichlich),
dass der in der Wanne noch schwamm.

Es schwitzt Gyula furchtbar in Witzegrad.
„Der Wagen, den ich in der Hitze lad,
den kann man im Guten
per Gartenschlauch fluten
so dass ich danach auch im Sitze bad.“

Macoumba verkauft in Kanel
oft Möbel, bezogen mit Fell.
Dass Hasen und Hunde
im Hof ihre Runden
schon drehen, merkt keiner so schnell.

Es hielt sich Irene in Sil
im Schwimmbecken gar ein Reptil,
recht groß und gefährlich.
Fragt man, sagt sie ehrlich,
dass ihr der Gedanke gefiel.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CDXXXII): Die Lähmung der Medien

21 09 2018
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Relevante Forscher halten ihn für den ersten verbürgten Fall seiner Art, dabei ist nicht einmal sein Name bekannt. Der neolithische Kasper, ein in die Seitenlinie gekrochener Nachfahre aus Ugas Schwippneffenbrut, hatte das zweifelhafte Talent, die Art zu imitieren, mit der der Stammeshäuptling Luft aus den Körperöffnungen entweichen ließ, die ihm dafür zur Verfügung standen. Eine seiner nicht gerade schmeichelhaften Parodien, an der nackten Wirklichkeit bis zur Übelkeit geschult, traf diese eine Idee zu genau auf den Kopf, was zum Verlust desselben führte. Die Ehre des unerschrockenen Wortes hat einen hohen Preis, stets in Abhängigkeit von den Begleitumständen, doch weder Reichtum noch Heiligkeit garantieren, dass in Gesellschaft von Hohlbratzen die Rübe auf dem Rumpf bleibt. Und so schweigt, wer ansonsten etwas zu sagen hätte, und sei es auch nur dem Rechte nach.

Seitdem Zeitungen als Macht gesehen wurden, die objektiv ernsthaft gearbeitet haben, wussten sie um ihre Abhängigkeit von den Mächtigen. Nicht die Leser aber, gehetzte Laufkundschaft, hetzende Abonnenten, nichts knebelte die freie Presse so nachhaltig wie die Entscheidung der Inserenten. Mit ihnen stand und stolperte jedes Monopol, sei es noch so autonom in seiner Ausdruckskraft oder in der politischen Richtung maßgeblich. Dass neben den ökonomischen Zwängen auch die natürliche Neigung zu Schublade und Scheuklappen die Beziehung zu den Lesern stolpern ließ, war nicht immer beabsichtigt, ergibt sich aber aus der unverbrüchlichen Präferenz des Publikums, nichts zu fressen, was es nicht schon geschluckt hat. Man liest keine Zeitung, um etwas Neues zu erfahren, man will sein Weltbild bestätigt sehen. Alles, was da nicht kritiklos ins limbische System suppt, ist erst einmal gefährlich.

Vollends schlägt das Framing zu, das die laute, als Mehrheit erscheinende Deppendeponie wirr überkreischt, die Monstranz der eigenen Meinung vor sich herträgt und den Diskurs der national schmerzbefreiten Zone zum Mainstream befördert. Die Lähmung erfolgt reflexartig, weil die Macht jede geistige Auseinandersetzung – wie denn auch – unmöglich macht und für schädlich erklärt. Wie Wortwertdiskutierer beim Scrabble plärrt das um Begriffe, will seine eigenen Fakten und hastig aus ihnen gestrickte Deutungsmuster bestätigt haben und mietet sich springereske Ressentimentsorgane, um den Sott auf Papier zu reiben. Woher aber diese peinliche Angst, im Versagen den eigenen Verrat zu rechtfertigen, als handelte es sich bei diesem braungespülten Verbaltofu um den Normalzustand, nicht um eine Ersatzhandlung ad usum Adolfini?

Je mehr der Leisetreter in der Redaktion die Wirklichkeit mit Flauschbegriffen verschwiemelt, in denen man besorgt ist, wenn man es anderen noch besorgen will, desto ärger ist die Verspannung in den halbwegs normalen Echokammern, die derlei nur noch zwischen Tisch und Kopf lesen, und so umgekehrt. Das Männchenmachen vorauseilender Untertanen aus der Schreibstube in den nationalen Furor hinein wirkt nicht nur apokalyptisch, das trifft den Verdacht ziemlich genau. Als jagte sich die ganze kritzelnde Kaste solidarisch Kugeln durch die Birne aus Angst vor dem Tod, so verteidigt sich die gesamte Branche tapfer in ethischem Völlegefühl: sie tun es für die Nation, die ja irgendwie auch die ihre ist, in prätraumatischer Belastungsverstörung und der halbwegs sicheren Annahme, dass man ihnen nach der nächsten Machtergreifung nicht gar so böse ist.

Fast nachvollziehbar ist, dass die Medien, zumal die intellektuell einigermaßen anspruchsvollen, im Kontrast zum populistischen Geschmarr dumpfer Düsen sogar mit Schweigen noch besser klängen, allein sie halten nicht die Klappe, sondern liefern lieber ein Kontrastprogramm für die Egoleptiker von der Hirnabgabeanstalt. Wer nur in Gegensätzen denken kann, also nur Extreme sieht, links gegen rechts, schwer vermögend oder obdachlos, ist kaum geeignet, differenziert zu denken, geschweige denn die Information in eine komplexe Sicht der Dinge einzuspeisen, und hier endet das Dilemma: wer sich nicht nur der Möglichkeiten begibt, ein Publikum überhaupt anzusprechen, sondern es auch nach Belieben anlügt, um seine Haut zu retten, bis die nächste Sau durchs Dorf quiekt, der öffnet seine Fenster bereitwillig für die Brandsätze, die in die Bude fliegen.

Wo zwischen Machterhalt und Gemeinwohl nur ein berührungsloser Abgrund gähnt, auch und vor allem in den Medien, die sich wirklich als Macht begreifen können, wenn sie sich für eine Seite entscheiden, wo hier ein Ressentimentsorgan artig seinen Kotaus vollzieht und dabei doch in der Pose des Herrschers erscheinen will, unterstützt es mehr als die Lüge. Die Verängstigten mögen es ihnen danken, dass man ihnen Waffen in die Hand gibt, mit denen sie umzugehen nicht gelernt haben. Aber wer stirbt schon gern alleine, wenn es sich nicht verhindern lässt? wenn man schon mitschießt?