Antifaschistischer Schutzwall

11 09 2018

„Plattenbau!? Bei Ihnen piept’s wohl! Das ziehen wir doch nicht mit Platten hoch, das werden echte Mauersegmente, guter deutscher Beton, nachhaltig erzeugt, dauerhaft verarbeitet. Den Mist mit den Platten haben wir einmal gemacht, wobei das ja gar nicht wir waren, und wie lange hat das gehalten?

Eben. Wenn Sie sich auf eins verlassen können, dann auf deutsches Bauhandwerk. Fahren Sie durch die Bundesrepublik, gucken Sie sich die Häuser und Wohnungen an. Gut, es könnten mehr sein, billiger auch, aber sehen Sie einfach mal auf die Substanz. Das ist Weltniveau. Deutsches Bauhandwerk, die Ingenieurskunst, dazu der Gedanke, dass man eine nationale Anstrengung schafft, wenn man wirklich will, damit werden wir schaffen, was wir beim letzten Mal nicht geschafft haben. Die Mauer muss her, höher als beim letzten Mal, besser als beim letzten Mal.

Den Baugrund kennen Sie ja, wir nehmen einfach wieder den alten. Hat sich einfach bewährt, und beim zweiten Mal macht die Bezeichnung auch endlich Sinn. Ein antifaschistischer Schutzwall, der seinem Namen alle Ehre macht, von der Ostsee bis nach Bayern. Gut, Bayern könnte man jetzt auch in die Diskussion mit einbeziehen, da müsste man die nächste Wahl abwarten, aber wenn Sie da Pfarrer sind und zufällig aus Afrika stammen, da heben die Glaubensbrüder des Kreuzfeuerteufels auch gerne mal den rechten Arm im vorschriftsmäßigen Winkel zum Gebet. Bayern ist noch nicht raus aus der Nummer, aber sonst kriegen wir das hin.

Überlegen Sie mal, was das für ein fantastisches Konjunkturprogramm ist. Da kann die AfD mit ihren feuchten Träumen vom Reichsarbeitsdienst sich ihr Parteiprogramm in eine Körperöffnung nach Wahl stopfen. Ist ja egal, kommt aus allen dieselbe Scheiße. Wir sorgen wenigstens für eine ordentliche Konjunktur, das sollen uns diese verkoksten Jammerlappen erstmal nachmachen. Aber damit wir uns da richtig verstehen, wir beschäftigen auch das Volk aus der Ostzone für den Bau. Immer vorausgesetzt, die bleiben hinterher nicht, denn mal ehrlich: Arbeitsmigration, das ist doch für die am eigenen Leib gar nicht zu ertragen, ohne zu implodieren.

Andererseits machen wir diesmal die Grenze durchlässig. Wer in den demokratischen Sektor übersiedeln will, ist herzlich willkommen. Kleiner Einbürgerungstest, Verfassungstreue, Check auf Hakenkreuztattoos, so Sachen halt. Sie dürfen dann halt nicht mehr in den Osten einreisen, aber das dürfte für die meisten eh kein Problem sein. Im Gegenzug erfüllt sich quasi über Nacht die Vision der Konservativen: endlich kann man alle Straftäter abschieben, auch die Deutschen. Rein in den Flieger, über Zwickau abwerfen, Ende Gelände. So einfach geht innere Sicherheit.

Und das Schöne ist doch, hier wird Integration endlich mal gelebt. Die reden von Spurwechsel, dass Zuwanderern schneller der Aufenthalt gestattet werden soll, wenn sie einen Job finden, wie auch immer – wir reden nicht, wir machen das einfach. Klar, wir machen das einfach mal, wir sind ja nicht die SPD oder wollen uns irgendeinen Flughafen in den Vorgarten klatschen. Also ordentliche deutsche Wertarbeit, angeleitet von, nee, kuratiert muss das ja heutzutage heißen, kuratiert von der Wirtschaft. Kein Politiker sitzt im Aufsichtsrat, weil es keinen gibt. Die Projektmanager waren vorher nicht in der Hauptstadt für Müll und Finanzen zuständig, die haben das tatsächlich gelernt, und wenn die eine Mauer bauen, dann wird das eine Mauer. Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort. Weil ich das noch kann, im Gegensatz zu manch anderen.

Die Gefahr besteht natürlich, dass im Osten erst recht ein rassistischer Terrorstaat entsteht. Da wird dann ja kein Ausländer mehr leben, kein Mensch mehr mit Migrationshintergrund, und da geht’s bei den meisten los. Wenn die nie einen Ausländer zu Gesicht bekommen, dann können Sie denen ganz locker einreden, sie seien längst eine Minderheit im eigenen Land. Fahren Sie mal in so ein sächsisches Dorf, wo Sie erst nach der ärztlichen Untersuchung sicher seien können, ob das vor Ihnen Mann, Frau oder Hund ist – es soll da Überschneidungen geben, aber so genau will ich das gar nicht wissen – und sagen Sie denen, in der Stadt hätten die Leute alle schon mal eine Schule von innen gesehen. Den Witz können Sie denen vortanzen, da haben Sie keine Chance.

Wenn wir das jetzt noch schaffen, hier etwas gegen Dumpinglöhne auf dem Bau zu tun und die Arbeitskräfte von Anfang an mit einer soliden Ausbildung an den Beruf zu binden, dann haben wir etwas erreicht, was als Vorbild für Erziehung und Pflege herhalten kann. Das dürfte ein bisschen länger dauern, aber es ist auch noch nicht aller Tage Abend. Wenn wir hier in Deutschland nicht immer nur meckern und Sündenböcke suchen und für alles eine einfache Erklärung parat haben, die sich nicht einmal realisieren lässt, dann kommen wir auch voran. Dieses ganze Befindlichkeitsgefasel, das geht mir jedenfalls schon lange auf die Nerven – hier zählt doch letztlich, ob jemand Verantwortung übernehmen will. Wir haben das selbst in der Hand. Das stärkt jedenfalls die Demokratie mehr als so ein paar politische Sonntagsreden. Und wissen Sie was? Das deutsche Bauhandwerk ist so gut, die nächste Mauer ziehen wir in der mexikanischen Wüste hoch. Einer muss doch diese armen Menschen schützen – gegen Trump!“