„Und deshalb will er sich jetzt an Söder rächen?“ „Man muss damit rechnen, ja.“ „Aber mal ehrlich, finden Sie das nicht ein bisschen aufwendig, selbst für einen manisch veranlagten Typen wie ihn?“ „Sie wissen doch, was er bisher unternommen hat, um Merkel zu schaden. Und Sie wissen, was er macht, wenn er sich ins Knie geschossen hat?“ „Weiter?“ „Eben.“
„Aber jetzt nehmen wir mal an, Sie haben recht und er macht das alles nur mit dem Ziel, Söder die Landtagswahl so richtig zu versauen.“ „Meinen Sie nicht, dass er da auf einem verdammt guten Weg ist, das Ding in die Grütze zu reiten?“ „Ja und nein. Natürlich ist er erfolgreich, das sieht man schon an den 35 Prozent, die er der CSU eingebrockt hat.“ „Und das sind nur Momentaufnahmen – geben Sie dem Mann noch drei, vier Wochen Zeit, dann kann sich die Partei als Wurmfortsatz der AfD an der Fünf-Prozent-Hürde entzünden.“ „Ja, mag sein, aber das ist doch ein Himmelfahrtskommando. Wenn Seehofer den Christsozialen ein solches Debakel verursacht, dass sie mit den Grünen regieren müssen, weil es sonst nur für SPD und Linke reicht, dann holen doch die Parteigranden die Flinte aus dem Schrank und veranstalten ein Schützenfest.“ „Seit wann hat Seehofer interessiert, was er mit seinen Handlungen verursacht?“ „Noch nie.“ „Und dann soll er kurz vor dem grandiosen Finale seiner Karriere als Knalltüte vom Dienst damit anfangen?“
„Was würde er denn damit erreichen, wenn Söder abgesägt wird?“ „Der wird nicht abgesägt, der muss vor der kompletten Partei den Schwanz einkneifen und zurücktreten. Die Demütigung wird ihm keiner abnehmen.“ „Gut, was hätte er von Söders Rücktritt?“ „Er wird seine braunen Brezeln überall da installieren, wo noch Stühle frei sind.“ „Ich will das ja gar nicht abstreiten, aber was ist das für ihn für eine Zukunft?“ „Warten Sie doch mal ab. Er schraubt Dobrindt und Scheuer und diese ganzen Aushilfskellner auf den Sesseln fest, und die werden sich schon für ihn verwenden.“ „Sind Sie sich da so sicher, dass das passiert?“ „Aber ja, das kriegen die schon hin. Sie dürfen nicht vergessen, die CSU hat ein besonderes Verhältnis zu derart eindeutigen Schuldfragen: es interessiert sie einfach nicht.“ „Wie, das interessiert sie nicht?“ „Sie brauchen einen Sündenbock, den kriegen sie mit Söder geliefert – erst jubeln sie ihn hoch, dann rebellieren sie, das ist gut für die Verdauung, eine Maß drauf, und gut. Und wenn jemand schuldig ist, also objektiv schuldig im Sinne von: keine grobe Fahrlässigkeit, sondern mit voller Absicht vergeigt, mehrmals, abstreiten, leugnen, und dann mit einem großen Knall abhauen, was meinen Sie? Den holt man im Triumphzug zurück. Weil er einer der Ihren ist, und die lässt man nicht im Stich.“
„Fast hätten Sie mich überzeugt.“ „Fast? also bitte, das ist doch ein absolut ausgeklügelter Plan, das ist doch die…“ „Eben.“ „Verflucht, Sie haben recht! Das passt nicht zu Seehofer!“ „Das ist der Punkt, und haben Sie darüber nachgedacht, dass es nicht genau umgekehrt sein könnte?“ „Also Söder will Seehofer eins auswischen!?“
„Denken Sie mal darüber nach: Söder hat immer wieder gesagt, dass er Ministerpräsident werden will.“ „Gesagt ist gut, er war das personifizierte Spruchband.“ „Genau, und was ist dann plötzlich passiert?“ „Er wurde Ministerpräsident.“ „Mit der Folge, dass er, der bisher eine für CSU-Maßstäbe fast normale Karriere als Gartenzwerg mit schwerer Profilneurose hingelegt hatte, plötzlich vorne an der Rampe stand.“ „Das stimmt. Auf einmal musste er liefern.“ „Und dann hat er geliefert. Was er bisher mit Majestätsbeleidigung und Medienschelte unter sich gelassen hatte, das waren kleine Talentproben, ob er’s drauf hat, sich bis auf die Knochen zu blamieren und mit erhobener Nase abzugehen. Das hat ihm Seehofer vorgemacht, und das hat er sehr gut verinnerlicht.“ „Aber ich verstehe immer noch nicht, warum das Söders Rache sein soll.“ „Warten Sie ab. Er hat sich mit der Kreuzdebatte, mit dem Gepöbel um Asyltourismus oder die Anti-Abschiebe-Industrie bei allen unbeleibt gemacht, sogar bei der Kirche.“ „Naja, wenn man’s kann.“ „Jetzt merkt Söder, ihm ist das Amt drei Nummern zu groß. Und das zahlt er Seehofer heim.“
„Die beiden haben aber doch so harmonisch gemeinsam an dem Ast gesägt, auf dem die CSU über dem Abgrund schaukelt.“ „Natürlich, zwei wie Pech und Schwefel.“ „Was die Wirkung für den Freistaat angeht, dürften Sie recht haben.“ „Und dann ist die Sache gekippt. Söder hat mit seinem Fimmel um religiöse Symbole die Atmosphäre angeheizt, er hat Seehofer nicht zurückgehalten, schlimmer noch: er hat seinem Parteichef auch noch öffentlich Loyalität signalisiert, wie man das in einem kontrovers geführten Wahlkampf eben so tut. Und er hat genau gewusst, das geht schief.“ „Sie meinen also, er wolle diese Katastrophe bei der Landtagswahl nicht nur nicht verhindern, sondern sie im Gegenteil aktiv herbeiführen?“ „Richtig. Dann ist er weg, nirgends ist adäquater oder etwas weniger adäquater Ersatz auszumachen, und Seehofer muss mit dem ganzen Schlamassel fertig werden.“ „Immerhin ist er noch Parteivorsitzender.“ „Und das wird er genauso bereuen, wie Söder seinen Wunsch, Ministerpräsident zu werden. Dann ist er geliefert, weil er nicht mehr zur Seite ausweichen kann wie sonst. Und dann kommt Merkel.“ „Furchtbar! Hoffentlich hat die Partei ein Einsehen und hilft ihm.“ „Die CSU? Das glauben Sie doch selbst nicht.“ „Wer reden von denen? Ich meine die AfD!“
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