
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
War es ein Mangel an Sitzgelegenheiten? Rrt lief nicht nur zweimal zum Buntbeerenstrauch, er stromerte ziellos am Bächlein herum, latschte in konzentrischen Kreisen um den Tümpel und guckte in die Wolken, und schon war der Tag herum. Die Restsippe freute sich dementsprechend, denn wer dichtete jetzt die Fenster der Eigentumshöhle? Wer machte Feuer? Die Klagen gegen den Müßiggänger begannen sich zu häufen. Nicht einmal der Häuptling hatte noch Zugang zu ihm, denn Rrt war einfach mal weg, inklusive des Gruppengefüges. Dass die arbeitsteilige Gesellschaft ohne Urlaubsanspruch eine einseitig beschlossene Zeitsouveränität nicht ohne Weiteres verträgt, hatte sich noch nicht herumgesprochen. Das Wandern blieb nicht des Troglodyten Lust.
Nicht die zweckfreie Bewegung stand am Anfang des Problems, sie wurde zum Problem, und das unter mehrerlei Gestalt. Wäre der gemeine Depp noch unterwegs, weil sein Maultier gerade in der Werkstatt gewartet wird, er bekäme Pardon. Doch die in neandertaleskes Schuhwerk gestopfte Masse, meist in diversen Abstufungen von Beige bis Kariert verkleidet, hat es nicht anders verdient. Windstärkenunabhängig schwappt aufdringliches Liedgut über zertrampelte Wild- und Waldwege, es naht sich der organisierte Mob mit Knotenstock und Butterbrot, die Landplage aus der Jugendbewegung von vor hmzig Jahren. Wer auch immer durch die Gaue tapert, hat mit der Kultur abgeschlossen und lebt seine niederen Instinkte durch Belästigung der Umwelt aus. Hier schnitzt der rüstige Rentner sein Monogramm in wehrloses Gehölz, dort schmoddert der geneigte Konsument die Hinterlassenschaften seines Alkoholkonsums in die Gegend, gemeinsam verstören sie Brut und Aufzucht der Fauna, die ihnen nur in Form von Wurstwaren und Fotografie in den Sinn käme. Aus dem edlen Wilden wurde ein dekadenter Naturverbraucher, der Nachschub will und jeden Quadratmeter dieses Planeten mit seiner Präsenz entnervt.
Der Hominide neigt bekanntlich zum Extrem, einmal nicht aufgepasst, schon waren ganze Völker auf Achse. Immerhin haben die spätantiken Stämme bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Architektur am Wegesrand korrigiert oder die Eigentumsverhältnisse anderer Menschen an ihre eigenen Bedürfnisse angeglichen, aber was ist das gegen eine Kohorte enthemmter Endsechziger, die in polartauglicher Funktionskleidung durch den Westerwald stampft, als wolle sie die kontinentalen Höhenzüge auf Normalnull nivellieren. Die Naturbegeisterung des Bildungsbürgers war ein durchaus ehrenwertes Moment, aber dafür hätte ein bisschen Gewackel durch den Stadtpark gereicht, ab und zu eine Bootspartie oder ein Spaziergang durchs Gewächshaus. Gerade der Teutone aber geht brutalst gründlich ans Werk. Zwischen Nacht- und Nacktwandern lotet er die Manie leistungsbezogen aus, den Schwellenzustand zwischen Selbsthass und zelebrierter Grobheit. Ohne Schmerzen ist dieses offenporige Gebaren nicht zu erklären.
Das Grauen hält bereits als Wandertag Einzug in den Bereich schulischer Bußübungen – im Pulk wälzt sich der Klassenverband durch Wald und Heide im quasi militaristischen Gewaltmarsch, Gepäck und Verbandskasten am Mann, um Durst und Blasenwurf nicht verlegen – auf dass der Ekel vor dem Landstrich möglichst lange anhalte. Kein geistig gesunder Bürger käme sonst auf die grenzwertige Idee, Jugendliche im Verbund durch die Gegend zu prügeln, es sei denn kurz vor der Kapitulation und mit einer Flak auf der Achsel. Hier aber blüht das Wesen der tiefschwarzen Pädagogik in schillernden Farben. Erst spät bis kurz vor dem Abkippen wählt der Vollverkalkte aus reiner Vergangenheitsverklärung wieder die Fortbewegung in Zeitlupe, bar jeder Scham und in ritueller Horde, weil er alleine nicht mehr überlebensfähig wäre. Und so greift das mobile Einschwatzkommando dann auch in der Innenstadt zu Knobelbecher und Tropenhelm, seilt sich vorschriftsmäßig im Museum an und plant drei Tage mit Halbpension wie Survivaltraining, gerade im Ausland, wo er nicht sicher sein kann, dass er deutsche Bratwurst und deutsche Kopfkissen kriegt. Andererseits schlurft er in Sandaletten im Himalaya umher, weil ihm sein verschwiemeltes Hirngestrüpp nicht mehr zwischen körperlicher Wirklichkeit und Glitzereinhornland zu unterscheiden erlaubt. Nur wenige entweichen seitlich ins Nordic Walking, in geringer Quote werden fußkranke Jammerlappen in den Kegelsport abgeschoben und verschonen die Öffentlichkeit mit ihrer institutionalisierten Sucht. Ratten und Dünen, ja. Nieren. Falken, okay. Aber wozu die vorläufige Sackgasse der Evolution, der Trockennasenaffe, der gewerbsmäßig sein Habitat in eine Kloake umbaut, auf seinen Hinterpfoten über die Krume stolpert, wird wohl ewig sein Geheimnis bleiben. Not tut es jedenfalls nicht.
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