
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Jede Wette, es sind fünf bis zwölf Männerchen, alle nicht mehr frisch, aber sie hocken nun mal auf den respektiven Hintern um diesen Tisch herum und nagen sich die Ellenbogen ab. Früher hätten sie noch leichtes Spiel gehabt und wären ihrem Auftrag nachgekommen, des Deutschen Glotzkasten mit Buntbewegtbildern zu befüllen, Fußball oder ein literarisches Quartett, aber seitdem Ballsport nur noch dazu dient, korrupten Funktionären die Gefahr des frühzeitigen Ablebens zu versüßen, gibt es keinen nachvollziehbaren Grund mehr, vor einer Flimmerkiste zu sitzen. Das Interwebnetz und die anderen Kanäle überschwemmen die Hirne der Masse längst mehrdimensional mit Serien, an die kein mit Bordmitteln zusammengeschwiemeltes Zeugs à la Lindenstraße mehr reicht. Die Evolution wurde offenbar nicht im Fernsehen gezeigt. Die Affen liegen immer noch auf dem Sofa, kratzen sich oder wen auch immer an der Rückseite, und nichts wird sie als treue Junkies in den warmen Schoß der Verbrauchergemeinschaft zurückholen. Höchstens Nazi-TV.
Es sollte längst einen eigenen Knopf auf der Fernbedienung geben für die Gruselgrütze vom Oberschmalzberg, der den Mageninhaltsauswurf von hinten unten flutet. Einmal eingeschaltet, zack! brettert ein Blitzkrieg Adolfs verseiften Kleister in die Wohn- und Wahnzimmer. Hitlers Helfer, Hitlers Hunde, Hitlers Hackfresse rülpst sich im Dauerstakkato aus dem Gerät. Als wäre es nur noch zu ertragen, wenn wir nicht alle ganz genau gewusst hätten, dass der Bettnässer aus Braunau in Wahrheit ein entspanntes Verhältnis zu Grießpudding hatte, seinen Schreibkräften die Backen tätschelte und gewaltig einen an der Wunderwaffel hatte. Ja, er hat ganz Europa in einen unsinnigen Krieg getrommelt, aber wie hätten wir weiterleben sollen, wenn wir nicht gewusst hätten, dass er Eva eine Handtasche geschenkt hat?
Wird die deutsche Geschichtsbesessenheit, falls es sie denn tatsächlich geben sollte, als Argument für den Braunfunk ins Feld geführt, warum berieselt man die intellektuelle Unterschicht nicht mit Karl dem Großen? Karls Frauen, Karls Kriege, Karls Bildungsreformen und was davon übrig blieb – viel wird’s nicht gewesen sein, sonst wäre es in die Top Ten der Fragen an die Historie eingegangen. Hatte Bismarck Läuse im Bart? Konnte Napoleon unter dem Tisch durchlaufen? War Augustus ein mieses Arschloch im Gewand des moralinsauren Mieslings – oder war’s umgekehrt? Gerne hätte der geneigte Zuschauer auch die finanzpolitischen Verheerungen vor der Französischen Revolution begriffen, an denen der verschwendungssüchtige Hof ebenso beteiligt gewesen war wie das Militär. Ebenso wäre er am Niedergang des mittelbyzantinischen Reichs interessiert gewesen, das nicht durch die Expansion des Islams von der Platte geputzt wurde, sondern der blutigen Barmherzigkeit mordender Christen zum Opfer fiel. Freilich ließe sich eine Sendung über das Ende des Prager Frühlings auch gut in die Agenda schmuggeln, oder lustige Anekdoten über die RAF. Aber man muss auch die Quote denken.
Sie sprechen mit gespaltener Zunge. Denn einerseits ist der ständige Faschismusblubber die Reduktion der Historie auf die Hysterie, auf omnipräsenten Nervenkitzel, der mit wohligem Schauer konsumiert werden kann. Uns geht’s ja gold, wir haben Apfelsinen und müssen uns im Frieden nicht mit dem Hirnplüsch der Berufsirren auseinandersetzen, es ist vorbei, es taugt schon für die gröberen Entertainmentformate. Womit dann andererseits die grassierende Normalisierung des NS-Irrsinns einsetzt, denn so schlimm kann es ja gar nicht gewesen sein, wenn die Leute noch Zeit gefunden haben, den Führer beim Verspeisen der arischen Herrenkartoffel zu filmen. Und so gerinnt die Aufnahme eines Karnevalszuges mit SS-Tröten – als hätte dies einen Neuigkeitswert – zur quasi folkloristischen Schilderung unserer Leidkultur, immer auch offen für eine Opferhaltung, da man sich damals nicht hatte aussuchen können, ob man den Nazis eine reinzimmert oder aus Gründen des Überlebenswillens lieber nur den rechten Arm hebt.
Und weiter klömpert der Quatsch aus der Röhre, emotionaler Schmodder über den Polenfeldzug, die uninteressantesten Aufnahmen aus Wolfsschanze und Reichssicherheitshauptamt, und nur, dass es sich um Schwarzweißbilder handelt von Typen in Heinrich-Himmler-Gedenkschädelfräse, sorgt noch für ein pelziges Verfremdungsgefühl, wenn man einmal einen Moment nicht genau aufgepasst hat, was da aus dem Volksempfänger suppt. Es geht nicht um den Gewinn, es geht um zielgerichtete Vernichtung von Erkenntnis, falls es die jemals gegeben haben sollte. Bis dahin wird der Brüllmüll mit dem lustigen Bart zum launigen Märchenonkel, der für uns alle auf den Schlussstrich geht, damit das Tätervolk endlich in die ewigen Jagdgründe verschwinden kann. Und sollte er eines Tages wiederkommen, er wird nicht sagen: ich bin wieder da, er wird sagen: ich war nur mal kurz weg. Ich habe den Sender gewechselt. Ihr wolltet doch den totalen Krieg. Wir haben da mal etwas vorbereitet.
Satzspiegel