„Ob die Frau Nahles zu sprechen ist, wollte ich wissen. Die ist doch jetzt, also zumindest müsste sie um diese Uhrzeit, ich rufe ja immer so am späten Vormittag durch, dann ist sie – wie? Homeoffice? Das ist doch ein Scherz, oder?
Ja, ich warte. Hallo? Meine Güte, ich kann doch dieses Dossier nicht alleine rausgeben, ich muss doch Rücksprache halten mit dem… – Hallo? Gut, dass ich Sie dran habe, Frau Nahles, ich wollte den Teil über die Qualifizierung von Arbeitslosen über 58 noch mal… – Hallo? Hört mich überhaupt einer in diesem Saftladen? Ich meine, es ist die SPD, da redet sich jeder irgendeinen Quatsch zusammen und weiß, dass sowieso keiner zuhört, aber ich muss das hier bis morgen verschicken!
Hallo? Na endlich, ich warte hier ja nun schon eine halbe… – Ach, Sie sind es gar nicht. Dann geben Sie mir doch mal Herrn Scholz, irgendeiner muss den ganzen Spaß doch bezahlen. Mäht gerade den Rasen? Haben Sie im Willy-Brandt-Haus jetzt keine Gärtner mehr, die Sie zum Mindestlohn befristet beschäftigen können? Irgendwer wird sich doch finden lassen, der mir sagen kann, wie wir die berufliche Bildung von Arbeitnehmern mit mehr als einem Vermittlungshemmnis… – Klar, wenn’s ans Eingemachte geht, ist wieder keiner zuständig, und wenn die Sache in die Hose geht, sind sie alle nicht schuld, weil von Anfang an keiner zugehört hat. So müsste ich mal arbeiten, dann säße ich aber schon längst unter der Brücke. Hallo? Ja, hier auch, jetzt stellen Sie mich gefälligst zu Herrn Scholz durch, der ist doch da? Sie haben doch eben gerade gesagt, der ist draußen und mäht den… Wie, zu Hause? Der ist nicht zu sprechen? Der Bundesfinanzminister ist ab sofort mittwochs im privaten Arbeitszimmer und nur nach Rücksprache erreichbar? Haben Sie noch alle Tassen im Schrank!?
Das musste ja irgendwann so kommen, Gabriel hat das damals schon vorexerziert. Samstags gehört Vati mir. Jetzt lassen sich die feinen Herrschaften gar erst nicht mehr im Büro blicken, jetzt haben sie alle die digitale Arbeitswelt entdeckt, die sie bei anderen so schön abwürgen können, weil es für eine anständige Infrastruktur kein Geld gibt. Ganz groß!
Hallo? So, und jetzt stellen Sie mich gefälligst an Herrn Heil durch, der ist doch für Soziales noch zuständig? Also gestern war er’s noch, was er heute treibt, will ich gar nicht… Joggen? Ganz davon abgesehen, dass ich die Bilder nicht mehr aus dem Kopf kriege, wieso joggt der Mann? Haben Sie mal auf die Uhr geschaut? Nein, das hat nichts damit zu tun, dass es für die SPD immer zu spät ist, ich will wissen, wie ein Minister am helllichten Tag, am Werktag wohlgemerkt, wie der jetzt joggen kann? Mobiles Arbeiten? Wie soll ich mir das vorstellen, Herr Heil schleppt sich schwitzend durch den Tiergarten und zwei Staatssekretäre rennen mit dem Notizblock hinter ihm her, um seine Geistesblitze mitzuschreiben? Wollen Sie mich verarschen!?
Ja, ich warte. Wir können das den ganzen Tag machen, meine Zeit ist das ja nicht, die hier gerade abläuft. Erklären Sie mir doch einfach mal, was der ganze Kram hier soll, die einen sitzen zu Hause, die anderen arbeiten von unterwegs aus, keiner ist mehr erreichbar – das soll die Zukunft dieser Republik sein? Sie wollen das erst mal an sich selbst testen? Sonst haben Sie keine Sorgen? Ja, ich weiß auch, dass es um die Zukunft Deutschlands geht, aber Sie verwechseln das mit der Zukunft der SPD. Obwohl ich auch hier nicht gerade das Gefühl habe, dass Sie wissen, was Sie da tun. Langsam habe ich den Eindruck, diese Partei ist ein Zombie. Die übersteht jeden Suizid.
Können Sie mich nicht einfach mal an jemanden durchstellen, der wenigstens körperlich anwesend ist? Ist da überhaupt noch jemand? Herr Kühnert? Ach Gottchen, Kevin allein zu Haus – nee, lassen Sie mal gut sein. Der schreibt es auch nur auf einen Zettel und der nächste schmeißt den dann in den Schredder. Das können wir uns sparen.
Meine Güte, wer hat denn Telefondienst in diesem Saftladen? Herr Maas? Das ist doch nicht zu fassen, der Mann ist… – Nachmittags? Was genau heißt das bei Ihnen? Der Botschafter? Wie, Sie haben den afghanischen Botschafter ins Saarland gefahren, weil der Außenminister am Vormittag das diplomatische Personal nur in seinem Bungalow empfängt? Was kommt denn als nächstes, alle Staatssekretäre nur noch in Teilzeit? Und der Bundespräsident macht das dann als geringfügige Beschäftigung? Ich schätze mal, das macht den Job dann auch für Alleinerziehende wieder attraktiv, richtig? Hallo? Hallo?
Wenn sie wenigstens nicht diese verfluchte Musik in der Warteschleife hätten – ‚Brüder, zur Sonne, zur Freiheit‘, ja, das könnte Euch passen, ich hocke hier im Büro und Ihr macht Euch einen gemütlichen Tag, was? Das soll der Linksruck sein? dass ich nicht lache! Mehr haben Sie nicht zu… – Sie haben ein Beschwerdemanagement? Verstehe, und wie soll das funktionieren? Wer macht das? Herr Steinbrück? Entschuldigen Sie mal, das ist doch… – Wie, schriftlich? Ich soll die Beschwerde schriftlich einreichen, und dann entscheidet der Vorstand, wann ich noch mal anrufen soll? Sagen Sie mal, hören Sie mir überhaupt zu? Sie haben dieses verdammte Dossier zum Arbeitslosengeld bei mir angefordert und mir gesagt, wenn ich nicht bis… –
Warteschleife. Jetzt wird es mir aber zu bunt hier, stopfen Sie sich doch den Mist sonst wo rein! Und wenn Sie irgendwas vorher selbst ausprobieren wollen, dann nehmen Sie gefälligst Ihre verfluchte Grundrente!“
Satzspiegel