Gernulf Olzheimer kommentiert (CDLI): Profilierungsneurotische Politiker

15 02 2019
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Das waren noch Zeiten, als die politische Klasse sich vor allem mit öffentlichen Angelegenheiten zu befassen verstand und sie mit eherner Zunge auf den Foren bewarb. Wenige Jahrtausende später saß das zwar hübsch überdacht in Häusern mit durabler Bestuhlung und pöbelte sich justiziabel an, hatte aber immer noch vornehmlich eines im Sinn, das politische Geschäft, nicht zu sagen Verwaltung und Gestaltung von Gebietskörperschaften samt deren Eigenschaften. Klingt anspruchsvoll, ist es aber auch. Zum Glück, denn sonst wären an den mählich ausfransenden Rändern dieses Soziotops früher oder später Parallelexistenzen eingesickert, die dümmlich aus der Wäsche sowie in die Gegend gucken, fiepende Flusenlutscher, die Unterseite des gerade noch Erträglichen. Die schlechte Nachricht ist, dass dieser Schmodder längst die Parlamente geentert hat und die Kabinette besetzt hält, laute Sprecher und leise Treter, kurz: die Plage der profilierungsneurotischen Politiker.

Für diese Erscheinungsform bedarf es keiner Existenzberechtigung durch Notwendigkeit, sie ist und ist deshalb doppelpluswichtig, zumindest tut sie so, als könne sie es jedem Dackel in die Ohren blasen. Im Regelfall schwafelt das freistehend und ohne Frischluftzufuhr, aber nicht für die Galerie, sondern größtenteils für sich selbst. Genau hier liegt der Unterschied zur üblichen Profilneurose, die sich aus komplexer Minderwertigkeit speist. Der Profilierungsneurotiker palavert nicht aus reinem Blößenwahn, er will tatsächlich handeln, und das meist mit dem Rammbock der populistischen Vereinfachung: gegen Hagel, Regen, Missernten, Teuerung, Ladendiebstahl und Bildungsnotstand hilft noch immer „Ausländer raus“. So will es das Gesetz der Dummen.

Denn Suppenkasper auf Sündenbocksuche sind meist von Macht und Ämtern getrieben, die sie noch nicht haben oder gegen zurechnungsfähige Konkurrenz verteidigen müssen; sie üben ihr schmieriges Gewerbe aus für Parteien, in die sie als Teil einer Degenerationskohorte untrennbar verschwiemelt mitmarschieren, bis der ganze Scheiterhaufen sich das Gesicht am Boden der Tatsachen wegscheuert. Gilt in der traditionellen Politik die Kunst des Kompromisses als Maß der Vernunft, so greint der Neurotiker mit der Abrissbirne als einzigem Werkzeug dem Volke die Ohren voll, weil er mit seinem Torfschädel nicht schnell genug durch die Wand kommt. Jeder Erfolg wird zerredet, jedes gemeinsame Ziel als Übel deklariert, nur damit der Ehrgeizkragen nicht mit anderen zusammen das Angestrebte erreichen muss.

Die gefährlichste Spezies ist die von jeder Fach- und Sachkenntnis ungetrübte Talentdetonation, die über jedes Thema redet, und wenn ihr das Thema ausgeht, redet sie weiter. Diese intellektuelle Ausschussware, maximal mit einem Studium der Rechtswissenschaft ausgestattet und daher nicht zwingend auch zu unfallfreiem Denken befähigt, hat als vornehmstes Ansinnen nur die Lufthoheit über den Stammtischen im Sinn, und so weimern sich die Schimmelhirne auch hauptsächlich von einer verbalen Grenzwertüberschreitung zur nächsten, um ja nicht die Herrschaft über die Agenda des politischen Handelns zu gefährden – der gemeinen Heulboje reicht es schon, mit ihrem Geseier in den Schlagzeilen zu kleben, doch wo der klinisch realitätsfremde Sozialsimulant die Axt in die Hand nimmt, braucht er Verluste, um auf sie keine Rücksicht mehr nehmen zu müssen.

Der Größtsprecher weckt bei durchschnittlich möblierter Kundschaft Erwartungen, die er nicht erfüllen kann, turnt es aber so hin, dass nicht er selbst mit seiner Inkompetenz krachend scheitert, sondern nur Opfer der Verhältnisse wird, weil er den Ausgang seines Handelns nicht hatte ahnen können. Dies diffamiert nicht weniger als Ziel und Maßnahmen der eigenen politischen Führung – im Gedächtnis bleibt schließlich nur, von flennenden Faulpelzen gelinkt worden zu sein, die für ein bisschen Theater sich selbst verkauft haben. Es bedarf keines Frühwarnsystems, um zu checken, wann diese Berufsirren Unfug von sich geben, der Anschein einer Lippenbewegung ist meist ein hinreichend gutes Symptom. Aus ihnen kleckern nicht einmal Nachrichten, sie rülpsen lediglich Content, Laberknete für Klickstrecken, mit denen redaktionelle Hohlhonks ihr geistig nicht minder demoliertes Publikum aus dem Dämmerschlaf knüppeln. Politik funktioniert für sie wie drittklassige Werbung, in der sie nur lauter als alle anderen zu schreien brauchen, um ihre Marke in den Meinungsmarkt zu drücken – mehr als eine hastig hingeschunderte Verpackung ist es indes selten, was sich da als Produkt produziert, und muffige Leere bleibt danach, wenn das bisschen Dünnsinn aus der Schachtel gepladdert ist. Dass das Zeitalter der Parteien mit dieser Trümmertruppe in die Knie geht, wird nicht überraschen. Noch weniger, dass alles, was da nachfolgt, auch nicht besser ist. Immerhin kann dieser Dreck auf Beinen nicht einmal handeln. Der Rest sollte, etwas Glück vorausgesetzt, Schweigen sein.


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