Gernulf Olzheimer kommentiert (CDLII): Toxische Männlichkeit

22 02 2019
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Es war ein lauer Frühlingsmorgen und Uga schlug sein Wasser direkt vor der Sippenhöhle ab. Das hatte der Fortschritt den DNA-Klumpen schon beigebracht, sie konnten es im Stehen, und also taten sie es. Zwar sorgte der beißende Geruch stets für Irritationen, doch war das nicht ganz ungewollt: hier, so verlautbarte der Sickerfleck im Splittboden, begann das Revier eines aufrechten Mannes, der gern und jederzeit bereit war, einem Konkurrenten das Gesicht neu zu arrangieren. Dass das Weib im Innern der Behausung sich über die in den Koch- und Schlafbereich ziehenden Dünste nicht freute, ließ ihn kalt; sie war ja bloß das Weib. Etwaige Kausalitäten zu ihrer Reproduktionsbereitschaft pflegte Uga zu ignorieren, zumindest tat er so. Im Wesentlich fielen ihm derlei Kleinigkeiten nicht mehr auf, wenn er in sanfter Morgensonne vor dem Eingang stand und schaute, ob sein Geschäft auch genug Beachtung fände, denn auch und vor allem darauf kam es ja an. Sie waren Männer, und damit fängt der Schlamassel an.

Der toxische Mann wehrt sich mit allen zur Verfügung stehenden Fingernägeln gegen diesen Ausgang aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Denn nichts ist ihm lieber als das zu Primatenzeit in Schmierkäse geschnitzte Image des ganzen Kerls, das er rücksichtsfrei auslebt, stets dessen im Bewusstsein, dass er ein weimernder Waschlappen ist, der vor lauter Kraft nur noch dazu kommt, seinen demnächst erfolgenden Untergang als Spezies anzukündigen, den er als Opfer eines Krieges sämtlicher Paralleluniversen gegen ihn allein nicht mehr aufhalten wird. Die Korrelationen zum autoritären Persönlichkeitstypus, wie er immer wieder zu einem braunstinkenden Mob gerinnt, sind kaum zufällig; hier haben sie ihren psychischen Ursprung, ein gemeinsames Instrumentarium und die gemeinsame Dummheit als deren Urgrund.

Toxische Männlichkeit ist das Ausleben wirr verschwiemelter Gewaltvorstellungen, wiewohl kaum ein Männchen zugäbe, dass es in der streng hierarchischen Vorstellung eines quasi nach Potenz gegliederten Systems außer einem Führer nur noch Unterworfene geben kann, die sich mit Getrete nach allen Seiten ihre Neurose vom Leib halten, immer in der wackelnden Balance aus Kompetenz- und Machtstreitigkeiten, die ausgefochten werden wollen, um den Abstand zum Alphatierchen zu definieren. Ab und zu dickt sich die Materie ein, es entstehen Vereine, Ämter oder Parteien, und wenn alles schief geht, mutiert das Konglomerat aus manischem Selbsthass und latenter Todessehnsucht zur Religion.

Womit das Thema der Sexualität auch gleich abgehandelt wäre, denn sie ist eine der letzten Bastionen, in denen der Mann noch Täter sein darf, alles an Niveau unterkellernd, weil es auch hier um Macht geht. Führt nun die Embryonalintelligenz planmäßig zu blinden Flecken, da es auch in diesem Konstrukt vorwiegend Rangordnungen gibt, so hat der Giftzwerg wenigstens maximale Freiheit, da er an der gesellschaftlichen Tabuierung seiner Verfehlungen eifrig mitgearbeitet hat, um sich in den Gräben seiner Trümmerburg noch wie die handelsübliche Wildsau zu benehmen. Andererseits assoziiert er jede Beschneidung seiner körperlichen Triebe – Tempolimit, Steuergerechtigkeit, Feminismus – reflexartig mit der Kastration, vor der ihn das eingeschrieben mütterliche Über-Ich gewarnt hat. Es ist also egal, ob ihm die Böse beim Pinkeln über die Schulter schaut oder wenn er gerade Asylbewerberheime anzündet, alles wird zur Bedrohung des Rechts auf freie Entfaltung seines Niedrighirnniveaus.

Doch die Zugehörigkeit wird nicht etwa durch Geburt und Status verliehen, um dann bis zum Ende aller Tage zu bleiben. Was der toxische Mann erwirbt, um es zu besitzen, braucht Grenzerfahrung, beispielsweise das blutige Aufnahmeritual in den Männerbund, der die gegenseitige Abhängigkeit durch albernes Geprotze verherrlicht, als sei die Resterampe der mählich verfettenden Nachtjacken ein Flor holden Knabentums. Sie wähnen sich noch solidarisch in ihrer Unterwürfigkeit, fest in diesem Opfermythos gefangen und Feind der restlichen Entwicklung, an der sie nicht teilgenommen haben. Aber sie sind nichts als kleine Hackenbeißer, jäh aufgehetzt von formunschönen Strebern, die Krieg spielen, weil die intellektuellen Bordmittel für eine zivilisatorische Ankunft einfach nicht ausreichen. Was haben Frauen nicht inzwischen alles erreicht; sie dürfen ohne Begleitung Straßenbahn fahren, Brot und Aktien kaufen, Konzerne leiten, Schiffe und Flugzeuge, kurz: das ganze Teufelszeug, das so nicht vorgesehen war, als der toxische Mann in der Steinzeit anhub, sich gegen die Evolution zu stemmen. Und was passiert schon mit einem Mann, dessen Erfahrungshorizont größtenteils davon geprägt ist, vor der Höhle zu stehen und gegen den Wind zu urinieren. Man kann es sich schönreden, weil es kurzfristig wärmt. Aber irgendwann ist das Es müde. Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Und wer macht den ganzen Dreck wieder weg?