Rattenfänger

31 03 2019

Es handelt sich natürlich nur um eine interne Anweisung: wer sich als deutscher Staatsbürger bei der Wohnungsgenossenschaft Hameln um ein Mietobjekt bewirbt und den Fragebogen ausfüllt, bekommt schon mal eine negative Auskunft – auf dem verkehrten Bogen, der für Mitarbeiter gedacht ist. Mit der handschriftlichen Notiz: „Leichter Zigeunereinschlag; besser nichts anbieten!“ Da sind wir beruhigt, der offensichtlich institutionelle Rassismus einer Genossenschaft in der Heimat der Rattenfänger richtet sich gar nicht gegen die Bevölkerung, die als Bittsteller auftritt. Vermerke dieser Art sind nur für den Dienstgebrauch. Da sind wir aber mal froh, dass Juden, Ausländer und Demokraten nicht gleich Hausbesuch bekommen. Alle weiten Anzeichen, dass die Unterwanderung der Polizei durch Faschisten uns alle beruhigen sollte, wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • volksborn: Es hat auch sein Gutes, wenn man Nazis frühzeitig die Kinder wegnimmt.
  • kommunikative ebene: Öfters auch mal schief.
  • sarrazin arschloch: Die Partei passt sich an alles an.
  • klötenkasper: … a.k.a. AKK.
  • globalisierung chemtrails: Für einen halben Äquator lohnt sich’s ja nicht.
  • afd lügenpresse: Ohne die Partei müsste man ja immerzu die Wahrheit schreiben.




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CDXXXVI)

30 03 2019

Emilia sitzt sinnend in Zwoos
im Wäldchen bei Pilzen im Moos,
fragt philosophierend
ins Baumgeäst stierend:
„Was mach ich? Ich sitze hier bloß!“

Alberto, der Wirt in Fiesole,
spricht: „Wenn ich beim Streit etwas hole,
ist’s erst mal ein Messer,
und wird es nicht besser,
dann kommt ganz zum Schluss die Pistole.“

Ein Dach deckt Jan in Wissowatten
gewöhnlich auf zahlreichen Latten,
die noch auf dem Laster
im Stau. Ja, die hasst er,
die Latten, die sie jetzt nicht hatten.

Es plant Boško in Berlovine,
dass er bald schon viel Geld verdiene.
„Am Waldrand, da wohn ich,
und hier ist viel Honig.
Deshalb halt ich mir eine Biene.“

Fährt Nelli aufs Feld raus in Zauche,
hat sie einen Hänger voll Jauche.
Die ist für die Nachbarn,
die ihr immer nachfahrn.
„Weil ich’s für mein Beet gar nicht brauche.“

Baudouin hat viel Stress in Sombreffe.
„Treff ich im Geschäft meinen Chef,
spricht er nicht sehr leise
und fragt alle Preise –
die kennt er doch aus dem ff.!“

Es sitzt Władysław in Tuchlinnen
bei sehr gutem Wetter stets drinnen,
nicht, um dort zu lesen,
zu schlafen, zu dösen,
er bringt seine Zeit zu beim Spinnen.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CDLVII): Der Rückzug ins Irrationale

29 03 2019
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Die Aufklärung hat ganze Arbeit geleistet. Die breite Masse ließ den Glauben an Geister und Dämonen und begann, wenn auch in beschränktem Maße, da es sich nicht einfach einstellte, zu denken. Messen, Zählen und Wiegen bestimmten den Umgang mit den Dingen, der Hominide hörte auf, sich die Welt nach vorgefertigten Erklärungen zu deuten, und gewöhnte sich an die Vorstellung, dass das Wissen begrenzt, aber ausbaufähig ist, während das Glauben vornehmlich transzendente Welten zu bieten hat, die nicht zu verstehen sind und daher den Trost der Machtlosigkeit bieten. Kein Mensch muss sich um die Dinge sorgen, die er nicht ändern kann, lautet das besänftigende Credo vor der Wende, und ihrer sind viele. Dass die zunehmend komplexe und ins Unordentliche treibende Welt als Vorstellung trotzdem dem Willen sich entzieht und nicht wie der Baukasten eines sich selbst ermächtigenden Schöpfers planbare Strukturen offenbart, sorgt für die Reprise des Dämlichen; die Aufgabe, Freiheit auszuhalten, braucht ein solides Fundament auf den Gründen der Humanität, und wo sie nicht ist, wird auf Sand gebaut. Nichts ist so logisch in dessen Folge wie der galoppierende Rückzug ins Irrationale.

Nicht die Globalisierung ist das Feindbild der Ängstlichen, sondern die Vorstellung einer gänzlich liberalen Welt, in der jede Entscheidung nicht auch noch hinterlegt werden muss mit dem Goldgrund moralischer Werte; zwar bietet das Bröckeln der ethischen Unterfütterung in Staat und Wirtschaft auch eine gute Vorlage für die Frustration der Massen, doch das ließe sich durch Gegenwehr kompensieren. Allmählich wird es zum sich selbst organisierenden Prozess, dass die Bürger in einer zu sehr verwalteten Welt sich plötzlich besorgen und nach Ordnung schreien, aber nach einer alten, die sie bereits im Scheitern erlebt haben – sie bleiben unbelehrbar, aber wie im Drang, die vertrauten Fehler noch einmal zu perfektionieren, denn der Abgrund, auf den sie zusteuern, ist doch wenigstens bekannt. Und so füllen sie das Vakuum mit neuen Ängsten, die nach altem Muster funktionieren: die Übermacht des Ungewohnten bietet angenehme Machtlosigkeit, in der sich Unterwerfungsfantasien zusammenbasteln lassen, der Sekundenschlaf der Vernunft gebiert Ungeziefer, die subkutan ins Hirn kriechen und ein Weltbild vorfinden, in dem sich allerlei Unfug schwiemeln lässt: homöopathische Ersatzreligionen aus Rassen-, Verschwörungs- und unkritischer Theorie, Führerglaube und das Recht des Stärkeren, kurz: der konzertierte Rückfall in die offenporige Anschauung des Vormodernen, die ein unbeschränktes Dunkel lieferte, um Spielraum für wirre Deutungen zu schaffen. Die liberale Welt, die jedem Deppen die grundsätzliche Freiheit lässt, sich als intellektuelle Randerscheinung zu erfinden und zu benehmen, macht diese Sache nicht einfacher, sie scheint nur so, wenn man sie nicht hinterfragt, und wer, der sich freiwillig für die Rolle des Narren entscheiden würde, täte das schon.

Längst haben ideologische Erfüllungsgehilfen sich zu dem aufgeschwungen, was sie für Macht halten, damit sie anderen die befreiende Sklaverei anbieten können. Dass sie die Erscheinungsformen der neuen Bedrohung nicht nutzen, kommt nicht von ungefähr; natürlich könnten sie die drohende Klimakatastrophe zur Ersatzreligion aufpusten, doch wer würde schon eine Eschatologie der Ohnmacht entwerfen, die komplett ohne Hoffnung auskäme. Sie setzen auf alternative Verfahren und heilen durch Handauflegen, wobei sie trickreich den neoliberalen Turn ausnutzen, dass der nicht geheilt wird, der zu wenig an die Therapie glaubt. Zum Ausgleich ängstigen sie sich vor Chemtrails als Emanation eines infernalischen Machtapparats wie die Steinzeitler beim Anblick des Wetterleuchtens, denn ohne Teufels Beitrag ist die Ordnung einfach nicht zu deuten, wenn sie hinreichend komplex sein soll. Das Böse erfüllt seinen Zweck, wenn es nur genügend abstrakt sein kann, und was wäre besser geeignet als eine Idee, die allein zu diesem Zweck entworfen wird. Als das Fremde, als unbekannte Variable, beliebig einsetzbare Störgröße oder von den selbstverständlich bösen Machthabern verfügte Setzung ist sie der letzte Grund, auf dem sich noch bauen ließe: die Opferrolle lässt den Bekloppten wieder in beschaulicher Ruhe klagen, dass er die Dinge nicht ändern kann, die er gar nicht ändern will, weil er auch gar nicht wüsste, wozu. Aber er hat ein Motiv, sich zu beklagen, und allein das reicht aus, um es laut zu tun, hinter der Monstranz der eigenen Machtlosigkeit schreitend und den gewohnten Abgrund fest im Blick. Dass die Menschheit sich abschafft, ist ausgemacht, es steht nur zu fragen, wie lange sie dazu braucht. Wer daran schuld sein wird, ist eine müßige Überlegung, denn wer wäre hinterher noch da, um es wissen zu wollen. Aber vielleicht hocken wir dann ja alle gemütlich in der Hölle und wundern uns, dass wir nicht eher auf den Gedanken gekommen sind, in einem mies geplanten Gedankenexperiment zu existieren. Jemand muss Schnaps in das Fass gegossen haben, als unsere Gehirne schon darin lagen.





Harzreise

28 03 2019

Es knatterte, als zöge jemand den Handrasenmäher über einen Kiesweg. Am Rollo zeichneten sich schemenhafte Gestalten ab. „Warten Sie“, murmelte Breschke. „Ich stelle mal schärfer.“ Das Bild wackelte ein wenig, dann sah man deutlich, wenn auch in ausgeblichenen Farben, den beinahe jugendlichen Doktor Klengel, wie er weit ausholte und mit Schwung die Kugel auf die Kegelbahn schlenzte.

Die meisten Filmspulen waren unter einer dicken Staubschicht verborgen gewesen, die der Hausherr beim Frühjahrsputz eigentlich hatte entfernen wollen. Nach und nach gab das flockige Sediment die alten Schätze oben auf dem Regal frei, mehrere Dutzend Metallrollen, schwarz und grau, darin die seit Jahrzehnten lagernden Streifen aus der alten Handkamera. „Wir hatten ja damals nichts“, erklärte der pensionierte Finanzbeamte. „Und so eine Handkamera, damals musste man die mit der Kurbel aufziehen, alles rein mechanisch, also das war schon ein Luxusgerät.“ Der ehemalige Hausarzt jubelte nach einem gelungenen Wurf in die Linse und schwenkte sein halb volles Glas. Es gab wohl Bowle, wie man dem trüben Inhalt des Gefäßes entnehmen konnte.

Die Luft roch nach verbranntem Staub. „Ganz bekommt man es wohl nie weg“, bemerkte ich. Er schüttelte den Kopf. „Dabei habe ich jede einzelne Rolle sorgfältig mit dem Pinsel gesäubert, wissen Sie, ich hatte da noch einen alten Rasierpinsel in der Garage.“ Ich nickte zustimmend; genau da hätte ich einen Rasierpinsel auch aufbewahrt. Immerhin glänzten die Spulen, und die Zelluloidstreifen hatten sich erstaunlich gut gehalten. Hier und da waren noch die Klebeetiketten mit den dünnen Bleistiftzahlen des Aufnahmejahrs vorhanden, manche sogar halbwegs lesbar. Horst Breschke hatte den Projektor gestoppt und das Licht wieder angeknipst, um die Rolle zurückzuspulen. „Das muss im Harz gewesen sein, meine Frau war über Ostern zu ihrer Schwester gefahren.“ Anders war diese Herrenpartie wohl auch nicht zu erklären.

„Das Gerät“, sagte der Filmpionier nicht ohne einen gewissen Stolz, „haben wir uns damals neu gekauft. Also wirklich neu – einschließlich der Ersatzbirne. Gute Ware, sonst würde es ja auch nicht mehr laufen.“ Die Birne im Projekttor neigte ein kleines bisschen zum Flackern, hier und da ein winziger Aussetzer, aber nur ein winziger, und bisher war ja auch alles gut gegangen. „Geben Sie mir mal die graue Spule mit dem – ja, genau.“ Das Schildchen war nicht mehr zu entziffern. Was sich dahinter wohl verbergen würde? Augenblicke später, Breschke hatte den Film mit der präzisen und nonchalanten Professionalität des Operators eingelegt und das Deckenlicht gelöscht, tanzten die schwarz und weißen Zahlen über die wackelnde Fensterverkleidung, bis langsam in blassem Grün und Käsegelb das jugendliche Fräulein Breschke vor dem Weihnachtsbaum ein Blockflötensolo zum Besten gab. „Warten Sie mal“, sinnierte der Vater, „das war in dem Jahr, da hatten wir im Sommer die Waschmaschine gekauft, Lenzmeier und Söhne, aber da ist heute ja dies Fitnessstudio.“ Das Spiel der Gymnasiastin war künstlerisch sicher wertvoll, vor allem wusste sie sich mit dem Blasinstrument sehr effektbewusst zu bewegen. Ein schneller Schwenk des Kameramannes in Richtung Familie – „Das ist jedenfalls Tante Adelheid, die muss da noch gelebt haben!“ – offenbarte, mit welcher Konzentration das Publikum dem festtäglichen Konzert lauschte. Sie rissen sich mächtig zusammen, anders war das Mienenspiel der Damen nicht zu erklären.

„Was ich fragen wollte“, schnitt Herr Breschke den nächsten Punkt an, während er die Pappkiste nach einer bestimmten Filmrolle durchsuchte, „Sie kennen sich ja mit dieser modernen Technik aus: Man kann diese Filme auch als Video abspielen?“ „Sie meinen digital“, berichtigte ich ihn. „Ja, das geht ohne Weiteres, allerdings mit einem gewissen Aufwand und nicht kostenlos. Sie bekommen das dann als Datenträger und können sich die einzelnen Filme anschauen.“ „Natürlich nicht alle“, wehrte er ab, „dazu sind es auch zu viele. Ich verkaufe nicht Haus und Hof, um die alle auf… – Ja, das muss er sein.“ Womit Breschke eine Rolle aus dem Kistchen nahm und auf die Achse des Projektors setzte. Sorgfältig fädelte er den Film ein. „Wir haben am Samstag einen Ausflug auf den Wurmberg gemacht und einen Schinken aus Braunlage mitgebracht.“ Er löschte das Licht. Jäh blendete das Bild auf. „Das muss an der Talstation der Seilbahn sein.“ Die Kegelbrüder von der ersten Rolle hatten sichtlich dem Schnaps zugesprochen, vom Schinken war nicht mehr viel bemerkbar, und Doktor Klengel trug einen lustigen Hut. Insgesamt sah diese Szene auch eher aus wie im Hotelzimmer gedreht, allenfalls in einer luxuriös ausgestatteten Jugendherberge. Ein gänzlich unbekannter Herr im karierten Oberhemd winkte aufgekratzt in die Linse. „Ich weiß nicht“, grübelte Herr Breschke, „wann habe ich das denn aufgenommen?“ Die Kamera fuhr langsam auf die Tür zu, wo ein kleiner Mann in einem engen Kleid ins Zimmer stakte, durchaus geschmackvoll mit Make-up versehen, eine Handtasche schwenkend und sichtbar in Sektlaune. „Das ist ja…“ Breschke griff schon nach dem Projektor, da gab die Birne mit einem leisen Knall den Geist auf. Bange Stille lag in der Dunkelheit. „Wir könnten die Filme ja alle mal…“ „Ach nein“, wehrte Breschke ab. „Wer weiß, was da noch alles drauf ist. Man muss die Vergangenheit auch mal ruhen lassen.“





Die Revolution bespaßt ihre Kinder

27 03 2019

„Jetzt gucken Sie nicht so gelangweilt, Sie wollen neue Anhänger generieren. Also los, schön in die Kamera, und dann: ‚Tod den Imperialisten!‘ Meine Güte, Sie sagen das wie vor einer Schulklasse!

Das Problem ist ja, die meisten Teilnehmer haben nicht nur absolut kein Charisma, sie sind auch total unfähig, sich selbst zu radikalisieren. Es gibt einige Fälle, in denen kommt auch das Internet an seine Grenzen. Oder die Leute können halt überhaupt keine klare Ideologie entwickeln, die sich für Amokläufe, Attentate und solche Aktionen verwerten ließe. Da setzen wir dann an und helfen mit Grundlagenwissen: was mache ich mit Medien, wenn die Medien schon nichts aus mir machen? Wir brauchen diese Kompetenzen einfach. Die meisten Nachwuchsterroristen sind nämlich absolut ahnungslos von diesen Zusammenhängen, die haben keinen Plan und wundern sich dann, wenn sich nach einem Anschlag die öffentliche Meinung selbst innerhalb der eigenen extremistischen Subkultur gegen sie kehrt. Das kann man verhindern, man muss nur wissen, wie.

Sie gehen jetzt mal mit dieser Waffe in den Raum rein, und dabei halten Sie die Kamera immer auf die Mitte des Raums. Und Action! Mitte, habe ich gesagt. Die Mitte! Das macht doch einen ganz anderen Blickwinkel. Ja, so ist es gut. Erst mal nicht schießen, das können wir später immer noch erledigen. Sie müssen den Überfall schon sehr gut inszenieren, damit Sie hinterher schnittfähiges Material liefern können. Die blutigen Szenen für den harten Kern, den Rest zum Anteasern. Das ist Marketing, kapieren Sie das mal. Wir machen doch dieses Spektakel nicht zur Unterhaltung. Also nicht nur zur Unterhaltung.

Wenn Sie sich über unsere Teilnehmer wundern, das ist gelebte Koedukation. Warum sollen wir dieselben Kurse zweimal abhalten für Islamisten und Nationalsozialisten, wenn selbst wir die beiden nicht mehr voneinander unterscheiden können? Erstens kriegen wir damit mehr Kurse schneller voll, wir haben ja den Ruf zu verteidigen, dass sich niemand schneller radikalisiert als unsere Anhänger, und zweitens können beide Seiten immer noch etwas voneinander lernen. Sie haben ja denselben Feind, die liberale, demokratische Gesellschaft. Da tauscht man sich gerne mal aus über Erfahrungen mit dem Gegner.

Zeigen Sie mal Ihren Twitter-Account. Nein, das ist viel zu früh! Nicht einsteigen, ein paar Szenegrößen folgen und dann sofort einen Anschlag auf ein Flüchtlingsheim ankündigen – erstens ist das unglaubwürdig, weil die Botschaft schon viel zu elaboriert daherkommt, als würden Sie diesen Kanal nur für vorgefertigte Meinungen nutzen, und dann haben Sie auch noch nicht genug Resonanz. Das ist immer wichtig: entwickeln Sie sich. Nur wer sich radikalisiert, der bleibt sich treu. Die Revolution bespaßt ihre Kinder, aber irgendwann will sie eben mehr von ihnen.

Werden Sie ein Mem, bevor die öffentliche Meinung sich gegen Sie kehrt, vor allem: bevor es die anderen tun. Also die Selfies ruhig ein paar Sekunden länger, wackeln Sie nicht so, das muss vernünftige Standbilder bringen für die Printmedien mit der Massenauflage – das liegt auf den Massen wie Mehltau, und es muss Ihre Signatur tragen. Wenn die angeheizten Jugendlichen das spannend finden, sind wir auf dem richtigen Weg.

So, und jetzt noch mal zu Ihnen. Kamera fertig? Dann noch mal mit etwas mehr Verve: ‚Tod den Imperialisten!‘ Gut, das war jetzt schon ein bisschen überzeugender, aber immer noch unter Ihren Möglichkeiten. Was haben Sie denn jetzt nicht verstanden? Was Imperialismus ist? Das kann Ihnen doch völlig egal sein, wenn Sie Ihr Gesicht für ein Konsumprodukt ins Fernsehen halten, muss es Ihnen ja auch nicht schmecken. Sie wollen die jungen Leute nicht zur Diskussion auffordern, Sie wollen einen Fußabdruck in der Fresse hinterlassen, an den sie sich erinnern, wenn sie das nächste Mal den Sinn ihrer überflüssigen Existenz suchen. Sie sind doch hier nicht dazu auserkoren, den Leuten mit Überzeugung auf die Nerven zu gehen. Der Rattenfänger diskutiert auch nicht mit den Ratten.

Ich sehe das jetzt auch nicht als großes Problem, wenn einer von denen zwischendurch die Seiten wechseln sollte, der Gegner bleibt ja, wie gesagt, derselbe. Wichtiger ist, dass Sie Ihre Pressekontakte aufbauen und immer weiter nutzen. Lassen Sie die Journalisten ruhig ein Stück weit an sich heran, das ist nur die Lügenpresse, wenn Sie sie als solche bezeichnen. Ansonsten ist das ein willfähriges Instrument, das gegen seine Bedeutungslosigkeit kämpft und jeden Strohhalm nutzt, um sich wichtig zu machen – also durchaus mit Ihrer Situation zu vergleichen. Sie werden Gehör finden, wenn Sie es richtig anstellen.

Und, ganz wichtig: setzen Sie auf Nachahmer. Geben Sie ihnen ein einfaches Handlungsmuster für komplexe Sachverhalte. Sie sind mit ihrem Leben nicht zufrieden, also müssen Menschen sterben. Erklären Sie es meinetwegen mit ideologischen Versatzstücken, aber niemals so kompliziert, dass sie sie nicht rücksichtslos aus dem Zusammenhang reißen können, um ihre eigene Ideologie damit zu begründen. Mit etwas Glück sprengen Sie eine Synagoge in die Luft und ernten dafür eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung, warum sich die Opfer nicht in die europäische Leitkultur integrieren wollen. Triggern Sie das Paradoxe, es wartet nur auf Sie. Und jetzt noch mal, Beine auf Schulterbreite, Brust raus: ‚Tod den Imperialisten!‘ Na also. Geht doch.“





Kanonen statt Butter

26 03 2019

„… gegen mehrere Politiker der AfD-Führung ermittle. Die dabei im Raum stehenden Vorwürfe der illegalen Parteienfinanzierung nehme man bei der Staatsanwalt sehr…“

„… die einzige Möglichkeit, die finanziellen Mittel der Partei in standesgemäßer Höhe zu halten. Gauland habe einen Angriffskrieg zu diesem Zweck bisher immer ausgeschlossen, könne sich nach den jüngsten Angriffen der Justiz allerdings auch eine Änderung seiner…“

„… erst die Spender ausfindig machen müsse, bevor man von einem Gesetzesverstoß ausgehen könne. Maier kenne sich als Jurist gut aus mit der Strafprozessordnung und werde sich daher auch nicht an sie…“

„… damit entschuldigt habe, dass die meisten Parteimitglieder vornehmlich zur Sicherstellung der eigenen Bezüge in die Politik gegangen seien. Die Stückelung der Spendensummen sei für die Parteiführung ein notwendiges Übel gewesen, da die Schatzmeister größere Geldbeträge sonst reflexartig auf ihre privaten…“

„… habe die Partei keine Spendengelder bekommen, diese aber nach einer Wartezeit von wenigen Wochen sofort zurückgegeben und…“

„… es sich gar nicht um illegale Parteienfinanzierung handeln könne, da die AfD legal in den Reichstag gelangt sei. Meuthen kritisierte im Gegenzug die Altparteien, die nicht den Willen des deutschen Volkes, sondern nur im Auftrag von Migranten, Negern, Homosexuellen und anderen rassisch…“

„… lege die AfD großen Wert darauf, dass sie die anonymen Spenden viel schneller zurückgezahlt hätte, wenn diese tatsächlich nicht anonym, sondern von denen gespendet worden seien, die man wegen ihrer namentlichen Nennung als Spender als die tatsächlichen Spender der anonym gezahlten…“

„… reiche es der AfD vollkommen aus, als Partei Rechtsstaatlichkeit und Gesetzestreue zu fordern, solange sie selbst diese nicht auch noch in eine…“

„… sich eine Drittrolex habe kaufen müssen. Für Weidel sei dies ein Akt der Notwehr gewesen, da inzwischen jede Ausländerin aus einem minderwertigen Kulturkreis mit einer teuren…“

„… müsse man die Geldbeträge immer in Relation zu anderen sehen. Höcke betrachte die an die AfD gespendeten Summen als viel zu gering, als dass man damit den dringend notwendigen Staatsstreich unternehmen könne und wolle damit alle Verfahren wegen Geringfügigkeit sofort im…“

„… viele anonyme Personen behauptet hätten, die Alternative für Deutschland zu unterstützen. Storch sehe dies als Beweis, dass die Partei eine Stimme der schweigenden Mehrheit sei, die sich gegen das politische System der BRD GmbH in seiner von Gendergaga und linksfaschistischer Umvolkungsagenda mit allen Mitteln…“

„… es keine Beweise für eine Strafbarkeit von Spenden gebe, da diese auch aus Mildtätigkeit heraus gegeben worden sein könnten. Gauland sehe darin eine Verankerung der AfD im christlichen Abendland, die sich durch steuerliche Vorteile…“

„… die deutschen Tugenden bedroht seien. Höcke fordere im Falle eines Verbots von finanzieller Unterstützung die Rüstungsindustrie auf, nach dem Motto Kanonen statt Butter das Vaterland direkt durch Sachspenden vor dem drohenden Volkstod zu…“

„… die Steuerhinterziehungen von Gauland nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Spendenaffäre stehe. Es sei jedoch denkbar, dass er seine einbehaltenen Beträge anonym an die…“

„… immerhin keine eigenen Scheinfirmen für die Umlenkung von Spendengeldern gegründet habe, wie dies von Storch stets unternehme, wenn sie ihre privaten Geldflüsse verschleiern wolle. Weidel betrachte dies als Beweis, dass keinerlei Fahrlässigkeit im Umgang mit den…“

„… es keine Rückschlüsse auf natürliche Personen gebe. Aus dem nationalsozialistischen Flügel gebe es daher die Gewissheit, dass es sich nicht um Mitglieder der Identitären…“

„… habe die AfD die Spenden ursprünglich nur zum Aufbau von Rücklagen angenommen. Juristen hätten vorab gewarnt, dass die Annahme der Gelder Grund zu hohen Strafzahlungen sein könnten, was die Partei ja erst auf den Gedanken gebracht habe, Rücklagen in Höhe von mindestens einer…“

„… dass es aber keinen Grund gebe, an der Verfassungstreue der AfD zu zweifeln. Da die Verfahren der Parteienfinanzierung jedoch nicht durch das Grundgesetz bestimmt seien, könne Maaßen hier keinen Konflikt mit der…“

„… keinen politischen Schaden für die AfD befürchte. Gauland wisse, dass die Partei nicht wegen ihrer gesetzestreuen Handlungen wegen gewählt würde, sondern wegen einer Schicht geistig stark zurückgebliebener Asozialer, die sich von…“

„… sich für Maaßen nicht die Frage stelle, ob die AfD mit einzelnen kriminellen Strukturen als Ganzes gegen die Verfassung verstoße. Ziel der politischen Auseinandersetzung müsse es für ihn im Gegenteil sein, dass zuerst das Grundgesetz abgeschafft werde und dann erst die…“





Zielgruppenbewusstsein

25 03 2019

„Demokratenpack?“ „Ich würde den Fokus nicht so stark auf die Demokratie legen. Das mehrt am Ende Wünsche danach.“ „Also einfach nur irgendwas mit linken Vögeln?“ „Es sind ja auch Parteimitglieder darunter.“ „Eben.“ „Wir können ja nun mal schlecht mit hochrangigen Politikern werben, die sich der Meinung dieser von amerikanischen Konzernen gesteuerten…“ „Kollegen, Ihnen ist schon klar, dass wir den Slogan für das neue CDU-Plakat suchen?“

„Was ist denn jetzt an ‚Geht endlich sterben‘ unverständlich?“ „Klingt irgendwie jung und sehr zielgruppenbewusst.“ „Ja, das passt nicht zu uns.“ „Wollen Sie hier etwa noch herumdiskutieren?“ „Er ist noch nicht so lange dabei.“ „Man muss so etwas viel subtiler ausdrücken, das kommt sonst beim Wähler nicht richtig an.“ „Wieso subtil?“ „Wenn Sie sagen, das sind alles irgendwelche dummen Transen, dann haben Sie nur eine kleine Zielgruppe verprellt, die für den Sieg der Union eh nicht relevant ist.“ „Wieso subtil!?“ „Wenn Sie das jetzt ausdrücken wie die neue CDU-Trulla, dann haben Sie schon mal einen Teil der sympathisierenden Bevölkerung mitbeleidigt, das ist medial sehr viel ökonomischer.“ „Wieso subtil?“ „Sie meinen AKK, richtig?“ „Wieso denn jetzt subtil? Die ist doch nicht subtil, die ist einfach nur peinlich.“ „Aber wenn sie nicht ständig irgendwelche Reden hält, kann man sie eventuell sogar noch ertragen.“ „Das verstehe ich jetzt nicht.“ „Naja, da sind Sie schon mal nicht alleine.“

„Also ich bin nach wie vor für ‚Ihr seid nicht das Volk‘.“ „Das floppt.“ „Kann ich mir auch nicht vorstellen.“ „Wieso nicht?“ „Vermutlich zu subtil.“ „Quatsch, der ist ganz klar auf Rechte gemünzt, das würde man den besorgten Bürgern entgegenhalten, wenn sie wieder gegen die 0,2% Ausländer hetzen, die gerade das Land überschwemmen.“ „Und was stört Sie daran? dass diese Typen sich jetzt als Rechte diffamiert fühlen?“ „Nein, damit würden sie doch genau zu unserem angestrebten Wählerkern gehören, und wie klingt das denn: ‚Ihr seid alle CDU-Wähler‘.“ „Eben, viel zu subtil.“ „Wobei das doch noch gehen würde, wenn man das für die Junge Union aufbereitet.“ „Weil das so bescheuert ist?“ „Nein, weil es struktureller Rassismus ist.“ „So viel Intellekt dürfen Sie diesem Diätversager auch nicht unterstellen, sonst würde er nicht das Märchen von der Grenzöffnung erzählen.“ „Gerade das ist doch das Interessante, das muss man den Leuten immer wieder erklären.“ „Und wer glaubt das am Ende?“ „Keiner.“ „Nee, nur die, die doof genug sind.“ „Also der angestrebte Wählerkern.“

„Wobei ich mit dem Volksbegriff hier ja ein Problem habe. Der fliegt uns doch möglicherweise um die Ohren.“ „Weil die gekauften Demonstranten rein rechtlich doch zum Volk gehören?“ „Das wäre dann ja wenigstens nicht subtil.“ „Ach Quatsch!“ „Das könnte man bei einer Koalition mit der AfD dann bestimmt nicht trennscharf herausarbeiten.“ „Weil es hier um Ausgrenzung von Ausländern oder Deutschen mit Migrationshintergrund geht?“ „Hat das die Partei jemals bestritten, dass wir alles, was nach Minderheit riecht, unbedingt als Sündenbock brauchen?“ „Warum sollten wir denn dann nicht mit dem nationalsozialistischen Volksbegriff arbeiten?“ „Weil wir zurückrudern müssen.“ „Zurückrudern?“ „Wie beim Vogelschiss. Jeder weiß hinterher, dass das eine klare Bezugnahme auf den Faschismus ist, und die, die uns wählen, weil sie sich selbst nicht trauen, Flüchtlingsheime anzuzünden, halten uns hinterher vor, dass wir vor dem Sprechverbot des linksradikalen Mainstream kapitulieren.“ „Ich dachte, die Sprechverbote kommen immer von dieser gekauften Vogelscheuche, die unsere Partei für ihren persönlichen Vorteil in den Sozialismus führt und billigend in Kauf nimmt, dass die Ehre der Deutschen dafür der Islamisierung geopfert wird.“ „Er ist wirklich noch nicht so lange dabei.“

„Wer uns wählt, ist ein Stück Scheiße!“ „Ja, damit kommen wir der Sache schon näher.“ „Ist das jetzt Ihre persönliche Meinung oder hatten Sie sich das als Slogan vorgestellt?“ „Macht das noch einen Unterschied?“ „Persönliche Meinungen haben meines Wissens nach in der Partei nichts zu suchen, schließlich sind die ja von oben verboten.“ „Weshalb wir ja auch eine neue Vorsitzende haben, die verhindert, dass nicht alles unterdrückt wird, was nicht Merkels Meinung entspricht.“ „Also nur noch das, was ihrer eigenen zuwiderläuft?“ „Kann man so sagen.“ „Und das dient jetzt also dazu, das konservative Profil zu schärfen?“ „Das rechte.“ „Ist da ein Unterschied?“ „Das ist mir jetzt zu subtil.“ „Im Grunde geht es doch nur darum, dass wir die Kernwählerschaft ansprechen und dauerhaft an uns binden.“ „Um Mehrheiten jenseits der Mitte zu finden?“ „Wer erklärt es ihm?“ „Das könnte etwas länger dauern.“ „Schauen Sie mal, was wollen wir denn als Partei?“ „Gute Politik machen?“ „Haben Sie ihn mal gefragt, warum er sich nicht einfach irgendein anderes Hobby sucht?“ „Das wäre ihm vermutlich zu subtil.“ „Wir wollen Menschen, und zwar solche, die unsere Politik mittragen. So weit klar?“ „So weit klar.“ „Und genau deshalb wollen wir unsere Kernwählerschaft bedienen – das sind die Leute, denen es vollkommen egal ist, was wir machen, im Wahlkampf oder wo auch immer. Die Leute, die uns unterstützen, auch wenn wir ihnen sagen, dass wir alles, was wir machen, gegen sie unternehmen. Die nicht fragen, keine Diskussion anfangen, sondern blind folgen. Haben Sie das jetzt einigermaßen verstanden.“ „Sie wollen, dass die Menschen uns einfach glauben?“ „Okay, Sie haben es kapiert.“ „Gott sei Dank! Und ich dachte schon, ich sei in der falschen Partei gelandet.“





Kritik des praktischen Konservativismus

24 03 2019

Vielleicht erscheint professionellen Christen
die Zukunft leichter planbar. Insgesamt
denkt man, sie können alles überlisten,
was nicht direkt aus ihrem Glauben stammt.

Die Welt geht, wie wir sehen, vor die Hunde,
doch das ist ganz egal. Sie haben Zeit,
und wenn nicht jetzt, dann in der nächsten Runde,
und wenn nicht dann, dann in der Ewigkeit.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CDXXXV)

23 03 2019

Natürlich war Jan in Voigtskrosse
seit Jahren ein treuer Genosse.
Nur sah man bei Wahlen
den Guten niemalen,
er kannte halt zu viele Bosse.

Es sammelte Djimon in Ouidah
von Vögeln nicht buntes Gefieder.
Das kann er gut leiden,
doch zum Unterscheiden
merkt er sich vielmehr ihre Lieder.

Da grummelte Ondřej in Tuschkau:
„Ich sag das nur einmal noch: kusch! Frau,
es sichert die Gelder,
ich brauch keinen Melder,
wenn ich im Geschäft manchmal Pfusch bau!“

Yvonne musiziert in Hell-Bourg
Klavier spielend in einer Tour.
Meist bleibt sie in Moll und
klingt leise noch voll rund,
doch dann wechselt sie jäh zu Dur.

Simona kriegt in Ahornsäge
die Rechnungen und die Belege.
Verrechnet sie alles
im Falle des Falles,
so bleiben meist krumme Beträge.

Schert Bjørnar die Schafe in Hjelle
betrachtet er sorgsam die Felle.
Bei manchen sind Kleckse
und viel Lichtreflexe,
bei manchen ist’s nur eine Stelle.

Wenn František hungert in Wrasch,
sind ihm die Diäten zu lasch.
„Ich brauche die vollen
und harten Kontrollen,
weil ich zwischendurch sonst nur nasch!“





Gernulf Olzheimer kommentiert (CDLVI): Die Krankenhausserie

22 03 2019
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Erst kam die Felszeichnung, dann Papyrus, zwischendurch kurz Kintopp, davor das klassische Drama mit Trallala und Katharsis, irgendwann hat die Menschheit darauf verzichtet, die Kurve zu kriegen, und erfand als Vorstufe zum Untergang die Fernsehunterhaltung. Ans Lesen dachte da schon längst keiner mehr. Wozu auch, die meisten Dinge waren sowieso verfilmt, und was da nachproduziert wurde, bedurfte bis heute keiner besonderen Aufmerksamkeit. Das Triviale hatte die Oberhand, Gilgamesch und die Nibelungen waren kurzerhand abgemeldet – kein Wunder, waren ihre Abenteuer auch so fürchterlich unvorhersehbar für offenporige Hühnerbirnen – und die Lücke des Existenziellen zwischen Leben und Tod musste mit anderem Zeug gestopft werden. Nach waren Denkgewohnheiten mehr an der Gewohnheit orientiert, Denken fand vorsichtshalber nicht statt, und die Zerstreuung hinterließ gröbere Partikel im öffentlichen Raum. Null Chance, der soi-disant Arztroman hat längst ausgedient, es bleibt die Klinikserie.

Bis heute hält sich in den hinteren Ecken der Totholzdistribution für banale Bedürfnisse der Doktor-Kliebenschädel-Novellenklumpatsch, der aus Surrogat geschwiemelten Schmonzes in die Druckerpresse schwallt: pilchersches Blech in hehrem Weiß, kochbar, ausgestattet mit dem ganzen Paket Gender- und Rollenstempelmaterial, das sich seit der Entwicklung einer modernen Wissenschaftsmedizin zurechtgeknöchert hat, der über den Wolken der bürgerlichen Gesellschaft schwebende Chefarzt und seine selbstvergessene Sprechstundenhilfe, die klaglos den Onkel Doktor bedient wie die Haushälterin den alkoholisierten Pfarrer, damit er an imaginierten Pickeln leidende Komtessen wieder in ihre Sphären aus Spulwurm und Größenwahn zurückschicken kann.

Dumm nur, dass es heute keiner mehr versteht. Der Arzt hat an Charme verloren und ist nur ein Dienstleister unter vielen, man kennt seine Aufgabe in einer vom Profit regierten System und braucht auch keinen überhöhenden Faktor mehr. Allenfalls einigt sich die Medienindustrie auf die Klinik als Lieferanten für Konflikt und Getöse, wie es besser kein Klempnerbetrieb sein könnte. Und schon hat die Serie als betriebswirtschaftliches Instrument für generatives Storytelling die Konsumopfer eingeseift und abrasiert, denn wo sonst lohnt sich noch die Charakterzeichnung als im Kontext, der als die Wiederholung der Wiederholung Ewigkeit im Sinne Nietzsches fordert und fördert, tiefe, tiefe Ewigkeit?

Wie putzig, dass in der ganzen Klischeepampe keine chronische Erkrankung vorkommt, die von den behandelnden Halbgöttern als Privatvergnügen abgekanzelt und zu Selbstzahlung verdonnert wird. Kein garstiges Leiden, Leberzirrhose dank Schnaps und Wein, Darmverschluss oder Thrombose, nichts kommt in der schröcklichen Welt drohlicher Dinge unter und setzt das Leben gesetzlich Versicherter aufs Spiel – nicht einmal ein eingewachsener Fußnagel tritt in den frisch gefeudelten Kliniken auf, die bis in die Ecken antiseptisch riechen und keine entnervte Teilzeitkraft an der Aufnahme kennen, keine Pflegehelferin mit permanenter Doppelschicht, keinen Praktikanten, der von den dementen Gallenleidern permanent aufs Maul zu bekommen droht. Hätte man ominöses Gedöns wie Schwindsucht und Frieselfieber nicht aus dem Inventar der Medizin gekärchert, noch immer litte die Hälfte der wohlweislich adeligen Zippen an Auszehrung oder Rotlauf. Was immer den fachlich festgedengelten Hintergrund des Personals angeht, schwatzt ab und zu eine Chirurgendarstellerin von kardiopulmonalem Links-Rechts-Syndrom, bevor sie die Blutwerte bekommt, weil sofort ein OP frei ist. Mit Glück findet die Röntgenuntersuchung gleich auf dem zufällig vorbeidüsenden Raumschiff statt, da Assistenzärzte ihre üppig bemessene Freizeit sowieso in der Erdumlaufbahn verbringen, wenn der Golfplatz gerade nicht geöffnet hat.

Dass noch keine Produktschmiede für seichten Kommerzschrott auf die Idee gekommen ist, das wahre Leben angehender Fachkräfte als hässliches Beispiel für die kognitive Grätsche zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu schildern und die Intellektverweigerung der politischen Steuerung im Gesundheitswesen in den Diskurs einzubringen, lässt sich nur als großen Verlust empfinden, fragt sich bloß, für wen genau. Letztlich braucht es nicht mehr als das permanent um sich selbst kreisende Groschenheft, das aus der literarischen Mikrowelle poppt und die Todessehnsucht der ästhetisch Amputierten kleckerweise in einem Stillstand aus Entwicklungslosigkeit und Bauschaum-Content festzementiert. Nicht einmal das Ausweichen in historische Inszenierung vermag uns die Lust am heldenhaften Heilen vermiesen, jene naive und sentimentalische Undichtung, aus der die Abwässer unserer Wunschvorstellungen rinnen. Das Leben ist schwer genug, wozu brauchen wir dann noch die Wahrheit. Doktor Schiwago, übernehmen Sie.