„Ich wollte aber nur die Äpfel!“ Horst Breschke ließ sich nicht umstimmen; und schließlich hatte der Laden ja auch selbst schuld, dass er sein Obst in Kunststofffolie verpackt feilbot.
„Dieses ganze Plastikzeugs“, erregte sich der Alte, „warum muss man denn die Äpfel derart in Klarsichthüllen einschweißen, dass ich mehr Plastik kaufe als Obst?“ Er packte seinen Einkaufskorb aus und verstaute die Waren in den Vorratsschränken. „Sie gehen immer zu Supikauf?“ Er nickte, während er drei Dosen Pustermanns Beste aus dem Korb hob, ein verzehrfertiger Hühnereintopf mit zugegebenermaßen erkennbaren Spuren von Resthuhn. „Wegen des Fahrwegs. Es ist besser für die Umwelt, wenn wir nicht so weit fahren müssen, außerdem geht es ja auch schneller, gerade jetzt am Wochenende, wo jeder einkauft.“ „Kaufdas liegt in der anderen Richtung“, überlegte ich. „Aber Sie könnten sogar zu Fuß da hin, wenn Sie die Abkürzung durch den Kastanienpark nehmen.“ Er überlegte kurz und angestrengt. „Immerhin“, fuhr ich fort, „haben die komplett auf Papiertüten umgestellt, wenn Sie Obst und Gemüse abwiegen.“ „Das könnte Ihnen so passen“, knurrte der pensionierte Finanzbeamte. „Sie wissen doch nie, ob jemand die Sachen vorher angefasst hat – nein, mein Lieber, das muss ich nicht haben.“ Und er legte ein Päckchen Zucker in die Schublade.
Es war damit zu rechnen, dass sich der Filialleiter von Supikauf früher oder später wieder beruhigen würde. Immerhin hatte er ein kleines Einzugsgebiet und musste den Kunden in jeglicher Hinsicht entgegenkommen, auch solchen, die die sorgsam verschweißten Packungen gleich im Laden entfernten, weil sie nur das Obst zu kaufen beabsichtigten. Auf die Frage, warum er die Folie gleich im Laden entsorgen wollte, hatte der alte Herr selbstbewusst erklärt, das sei sein gutes Recht als Verbraucher; außerdem reiche es ja, die Äpfel im Einkaufswagen an die Kasse zu bringen und das von der Kunststofffolie abgezogene Etikett aufs Laufband zu legen, damit die Kassiererin es über ihren Scanner ziehen könne. Vor so viel Logik kapitulierte der junge Mann und wie seinen Kunden darauf hin, dass sein Vorgehen mindestens unüblich, wenn nicht sogar merkwürdig sei. Er hatte nicht mit Breschkes Kenntnissen des Verbraucherrechts gerechnet – die mir in diesen Zusammenhang bisher auch unbekannt gewesen waren – und dieser nicht mit der Hausordnung von Supikauf.
„Es gibt diesen anderen Laden“, überlegte ich, „unten bei der alten Sparkasse, wie hieß der noch?“ Doch Breschke schüttelte den Kopf. „Ich finde das Angebot durchaus akzeptabel“, verkündete er, „aber es ist dort alles so unübersichtlich eingerichtet. Man muss den halben Vormittag verbringen mit der Suche nach einem Becher Schlagsahne. Ich bin doch kein Trüffelschwein!“ Kurz kam mir der Gedanke, Bismarck mit einer Sondergenehmigung ausstatten zu lassen, damit der dümmste Dackel im weiten Umkreis auch im Kaufladen seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen konnte, nämlich seinem Herrn zwischen den Beinen herumlaufen und ihn in der Leine verheddern, aber das wäre nun wirklich zu viel Aufregung gewesen, vor allem für Herrn Breschke. „Immerhin können Sie in dem Geschäft kleine Kunststoffsäckchen mit Zugband kaufen, in denen Sie Obst und Gemüse abwiegen, und man kann die immer wieder verwenden.“ „Kaufen“, ereiferte sich Breschke, „ich höre immer nur: kaufen! Was denn noch alles, soll ich jetzt für den Einkaufswagen auch noch einen Mietvertrag abschließen?“
Jetzt hatte er einen Papiersack mit Kartoffeln aus dem Korb gehoben. „Sehen Sie“, sagte ich, „das wäre doch ein guter Kompromiss: Verpackung ja, aber wenn, dann aus Papier.“ Entrüstet sah er mich an. „Das glauben Sie!“ Und er wies mich auf einen kleinen Netzeinsatz aus Plastik hin, der auf dem Kartoffelsack angebracht war. „Den muss man immer erst ausschneiden“, erklärte Breschke. „Das macht auch Arbeit – stellen Sie sich mal vor, ich würde den einfach so in den Papiercontainer werfen!“ Vor meinem geistigen Auge erschien der Apfelkäufer, der Äpfel und Folie trennte, um danach Papier und Plastik in die Wiederverwertung zu schmeißen. „Wenn sich das herumspricht“, sagte ich düster, „dann zeigen die Leute bestimmt mit dem Finger auf Sie.“
Ein Glas Rollmöpse hatte noch den Weg in den Kühlschrank gefunden, dann war der Einkaufskorb leer. „Sie halten mich vielleicht für überkandidelt“, bemerkte Herr Breschke. „Aber wenn ich mir die jungen Leute ansehe, die ständig für die Umwelt demonstrieren, dann muss man sich doch auch mal seine Gedanken machen, wie man dass in seinem eigenen Haushalt unterstützen kann.“ Breschke hatte sich also auf Müllvermeidung und Trennung gestürzt, ein kleiner Beitrag zur Rettung der Natur vor den Auswirkungen der Konsumgesellschaft, aber immerhin ein Anfang. „Man kann immer etwas unternehmen“, bestärkte ich ihn. „Und wenn es nur eine Obstverpackung ist.“ Er nickte. „So, dann will ich Sie auch nicht länger aufhalten. Übrigens fahre ich gleich noch auf den Wochenmarkt. Soll ich Ihnen etwas mitbringen?“
Satzspiegel