„Also man muss doch jetzt endlich mal…“ „Das gefährdet Arbeitsplätze.“ „Sie wissen doch noch gar nicht, was ich Ihnen…“ „Egal. Das gefährdet sicher Arbeitsplätze. Alles, was Sie vorschlagen, gefährdet Arbeitsplätze. Das ist nun mal so in der Wirtschaft.“
„Dann können wir im Grunde genommen nichts tun, weil es sonst Arbeitsplätze gefährden würde.“ „Doch, können wir schon. Es darf nur halt keine Arbeitsplätze gefährden.“ „Dann verraten Sie mir doch mal, was heißt das denn, Gefährdung. Was bedeutet das konkret?“ „Dass so ein Arbeitsplatz nach Meinung eines Experten, manchmal auch nur eines Politikers, in Gefahr sein könnte, sobald es gesellschaftliche Bewegungen gibt, die diesen Arbeitsplatz gefährden.“ „Das ist ein Zirkelschluss, oder?“ „Das mag sein, aber ich möchte nicht darauf eingehen. Es könnte ja Arbeitsplätze gefährden.“
„Nehmen wir nur einmal den Energiesektor, es liegt doch auf der Hand, dass wir durch den Verbleib in der Kohle eine viel größere Anzahl an Arbeitsplätzen in der Erzeugung regenerativer Energie…“ „Nein.“ „Wie, nein?“ „Also erstens ist es diese linksgrüne Solarspinnerei, die die Jobs in der Kohleverstromung gefährdet, und dann kann es ja gar keine Gefahr geben für die Windkraft oder so.“ „Warum nicht?“ „Die Arbeitsplätze gibt es gar nicht, wie sollen die denn dann gefährdet sein?“ „Aber Sire sind doch immer für den technischen Fortschritt, wie können Sie denn dann den…“ „Das täuscht. Wir wollen nichts gefährden. Für eine Entwicklung ist immer noch Zeit genug, wenn alles zu spät ist.“ „Warum ist denn dann die Atomenergie keine Gefahr für die Kohleförderung?“ „Kernkraft ist doch selbst von diesen stalinistischen Schweinen bedroht, die die Sonne verstaatlichen wollen – Sie werfen hier mal wieder Äpfel und Birnen in ein Fass, das schlägt doch dem Boden die Krone aus!“
„Also ist neue Technologie niemals eine reale Gefahr für die Arbeitsplätze?“ „Das würde ich nie sagen, schließlich bringen neue Technologien auch immense Wachstumspotenziale, aus denen ganz neue Jobs entstehen können.“ „Also zum Beispiel die ökologische Landwirtschaft.“ „Naja, das ist nun etwas einseitig gewählt.“ „Weil die Menschen dann länger leben und die Bestatter nichts mehr zu tun haben, richtig?“ „Sie und Ihr Zynismus! natürlich nicht, es hängen Jobs in der Pharmaindustrie dran und bei den Düngemitteln.“ „Und bei der Chemie.“ „Ja, auch.“ „Und bei Onkologen, die den ganzen Krebs wieder wegoperieren dürfen.“ „Die Medizin ist auch ein Wachstumsmotor, vergessen Sie das nicht!“ „Deswegen wollen Sie auch Patienten, die so kerngesund sind, dass sie möglichst noch Organe spenden können, richtig?“ „Ach, lassen wir das.“
„Nein, mal im Ernst: wenn Sie so für neue Technologien sind, warum sträuben Sie sich dann derart vehement gegen den Netzausbau?“ „Tun wir gar nicht.“ „Weil das keine Arbeitsplätze gefährdet, aber Deutschland sämtliche Wettbewerbschancen vermasselt.“ „Das sehen Sie völlig falsch.“ „Ah, jetzt habe ich begriffen: Sie haben dieses uralte Netz noch immer in Betrieb, damit wir niemals mit Robotik und ähnlichen Produktionsinstrumenten konfrontiert werden.“ „Das ist ja nun ausgemachter Unsinn. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es mit Robotern ganz neue und viel bessere Möglichkeiten gibt, dem Markt durch qualitative und quantitative Innovation einen eigenen Stempel aufzudrücken.“ „Aber im Bereich der Produktion selbst heißt das erst einmal, dass wir sehr, sehr viele Jobs in den untersten Lohnkategorien verlieren werden.“ „Das mag sein, aber die Politik steuert dagegen, indem sie Arbeitnehmern erlaubt, sich weiterzubilden.“ „Und das schützt Arbeitsplätze in der Produktion?“ „Zunächst einmal in der Weiterbildung. Und dann natürlich auch in der Politik.“
„Im Grunde ist ihr Weltbild doch nichts anderes als permanentes Gejammer, dass es früher besser war.“ „Das kann man so natürlich auch nicht sagen. Es braucht halt immer ein gewisses Korrektiv, aber man tut gut daran, wenn man nicht zu früh alle Überzeugungen über Bord wirft.“ „Wann tun Sie das?“ „Normalerweise warten wir damit, bis es zu spät ist.“ „Es gab noch vor fünfzig Jahren in den USA Verbände, die finanzielle Hilfe vom Staat bekamen, weil die Postkutsche abgeschafft wurde.“ „Der Verbrennungsmotor hat es da in gewisser Hinsicht besser. Den kann sich heute auch der Durchschnittsbürger leisten.“ „Und wenn es eine technologische Entwicklung gäbe, die das Auto überflüssig machen würde?“ „Das wird niemals passieren. Es gefährdet zu viele Arbeitsplätze.“
„Wir sollten mal über die Rüstungsindustrie…“ „Das gefährdet Arbeitsplätze!“ „Ohne Rüstung oder Waffenexporte gäbe es weltweit viel weniger Kriege oder Konflikte.“ „Das würde natürlich viele Arbeitsplätze in der Bundeswehr gefährden.“ „Aha, und das bei der miesen Ausstattung.“ „Und die Berater! was meinen Sie, wie viele Berater ihren Job los sind, wenn einer das Ruder herumreißt.“ „Das heißt, bei einer einigermaßen vernünftigen Führung wäre eine komplette Branche plötzlich total überflüssig?“ „Es gibt keinen Beweis für diese Behauptung.“ „Und wenn Sie nicht diese vielen Auslandseinsätze hätten, könnte man auch die vielen Kampfeinsätze des…“ „Die steigern das Bruttosozialprodukt!“ „Und die Menschen in…“ „Jeder Flüchtling, der dadurch zu uns gelangt, braucht eine Wohnung, Brot, Kleider, eine Versicherung, einen Fernseher, ein Auto, eine…“ „Wissen Sie was? Ich möchte Ihnen so gerne eins aufs Maul geben.“ „Nur zu. Machen Sie ruhig.“ „Gefährde ich da nicht einen Arbeitsplatz?“ „Ich bin Politiker. Das wächst einfach nach.“
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