„Und, haben Sie sich schon entschieden, wie Sie Ihr Portfolio zusammenstellen?“ „Ich würde gerne noch mal die Preise sehen.“ „Aber das ist doch ein Gesamtpaket, da müssen Sie nicht auf das Volumen achten. Sie stellen Ihr Angstportfolio zusammen und wir liefern.“
„Ich verstehe nur nicht, was uns das bringen soll.“ „Wie lange machen Sie jetzt schon Politik?“ „Ich bin verhältnismäßig neu, auf den Posten bin ich auch nur gekommen, weil mein Vater eine sehr einflussreiche Person in der…“ „Gut, das ist eine andere Baustelle, für die gibt es andere Helfer. Wir sind Angstdienstleister und sorgen dafür, dass Ihre Politik immer den richtigen Impact in der Wählerschaft hat.“ „Den was?“ „Den Impact. Das muss reinknallen, verstehen Sie? Politik mit Seitenaufprallschutz ist doch für Warmduscher, auf Dauer setzt sich nur rücksichtsloser Populismus durch.“ „Sie machen mir Angst!“ „Das ist mein Job. Wir sind Angstdienstleister, und wir halten, was versprechen. Hand drauf.“
„Aber Angst machen kann man doch letztlich nur mit realen Fakten, oder wenn man wenigstens einen Aufhänger hat.“ „Seit wann waren Sie noch mal in diesem Zirkus?“ „Kann man denn Angst erzeugen? Das muss doch auf irgendetwas beruhen, oder irre ich mich da?“ „Die Frage ist doch nicht, dass man einen Auslöser hat, die Frage ist doch: was macht man aus dem Material?“ „Und wie funktioniert das nun konkret?“ „Nehmen wir mal ein Beispiel: es kommen ganz viele Menschen nach Deutschland, weil sie hier Asyl suchen.“ „Das ist so nicht ganz richtig, die Zahl der Asylanträge sinkt in den letzten Jahren kontinuierlich.“ „Das muss ja keiner erfahren. Und dann ist es immer noch die Frage, in welchem Mix transportiert man das? Hier setzt Ihr Angstportfolio ein.“ „Das was?“ „Ihr Angstportfolio. Sie stellen sich einen individuellen Mix zusammen, wie genau Sie die Ängste in der Bevölkerung auslösen und wie Sie darauf politisch reagieren. Ganz simple Sache.“ „Dann muss man die Grenzen schließen.“ „Sie haben das Konzept nicht begriffen. Wenn keine Flüchtlinge kommen, können Sie mit Grenzschließungen nichts erreichen, es sei denn, Sie kündigen eine lückenlose Kontrolle der Außengrenzen an, um viele hundert Flüchtlinge im Monat zurückzuhalten.“ „Momentan waren es in Bayern gerade mal drei in ein paar Monaten.“ „Aber auch die drei können pro Tag pro Kopf eine Straftat begehen!“ „Meistens handelt es sich dabei um ausländerrechtliche Vergehen, beispielsweise den ungesetzlichen Aufenthalt in…“ „Sie machen mich noch fertig! Jeder dieser Asylanten ist ein potenzieller Schwerverbrecher, der Ihnen an die Wäsche will! Das muss ganz klar kommuniziert werden, sonst glaubt es an die Fakten, und wir können keine Kfz-Maut einführen, weil wir die Ausländer auf den deutschen Autobahnen nicht mehr haben wollen.“ „Wir sollen deshalb Touristen aus Deutschland vergraulen?“ „Jeder Ausländer ist ein potenzieller Schwerverbrecher! Raus, alle raus aus Deutschland!“ „Auch die Milliardäre aus Saudi-Arabien, die in München zum…“ „Sie gehen mir auf den Geist, merken Sie das!?“ „Pardon!“
„Es ist doch letztlich Aufgabe der Politik, die Bürger mit Angst zu versorgen, also bauen Sie die richtigen Ängste zusammen.“ „Und die wären?“ „Arbeitsplätze, das zieht immer.“ „Aber die machen doch keine Arbeitsplätze kaputt.“ „Sie nehmen uns aber die Arbeitsplätze weg. Deutsche haben keine Jobs mehr, weil die Asylanten vor der Fabrik Schlange stehen.“ „Dann machen vielleicht nur die Deutschen etwas falsch, wenn die Afrikaner ihnen die Jobs wegnehmen.“ „Sie denken zu kompliziert. Die Ausländer sind schuld, fertig.“ „Und dafür brauche ich einen Dienstleister?“ „Einmal für den medialen Spin, und dann natürlich für das ganze Portfolio. Das Volk muss ja auch wissen, dass uns die Islamisierung droht.“ „Momentan kommen sehr viele aus Eritrea, das sind größtenteils orthodoxe Christen.“ „Der Neger an sich vergewaltigt ja gerne die weiße Frau. Allerdings sollte man damit sehr vorsichtig sein.“ „Das ist pure Volksverhetzung.“ „Das wirft ein schlechtes Licht auf die Polizei, wenn die meisten Vergewaltigungen gar nicht von Ausländern verübt wurden.“ „Außerdem taucht das gar nicht in der Kriminalstatistik auf.“ „Sie sind echt noch nicht lange in der Politik. Erstens sind da alle angezeigten Straftaten, also auch alle Anzeigen, die sich später nicht als Straftaten herausstellen, und zweitens kümmern wir uns nicht um Fakten, wir haben alternative.“ „Das müsste man doch merken.“ „Sehen Sie diesen enormen Boom an Wohnungseinbrüchen? Spüren Sie diese Angst vor Ausländerbanden, die ganze Reihenhaussiedlungen ausplündern und harmlose Rentner im Schlaf zu Blutsuppe prügeln?“ „Das wirft auch kein gutes Licht auf die Polizei, oder?“ „Unterbrechen Sie mich gefälligst nicht. Die Einbrüche finden nicht statt. Aber Sie brauchen uns als Angstdienstleister, damit die Wähler eine reale Sorge spüren, die Sie als Politiker aufnehmen.“ „Durch mehr Umsatz in der Sicherheitsindustrie.“ „Zunächst einmal durch eine freundliche Haltung gegenüber vorbestraften Gewalttätern, die sich in einer privaten Bürgerwehr rehabilitieren wollen. Und dann natürlich bei einer verstärkten Überwachung. Die meisten Terroristen sind ja als solche kaum noch zu erkennen, es läuft nicht jeder freiwillig mit blauen Haaren durch die Gegend.“ „Und das sorgt für zufriedene Bürger?“ „Ach was, das kann keiner.“ „Und was kann das dann?“ „Das sichert Ihnen Ihre Wiederwahl.“ „Wo muss ich unterschreiben?“
Satzspiegel