„Besteht denn jetzt ein Grund zur Beunruhigung?“ „Ich würde da vorerst nicht von einer unmittelbaren Gefahr für die Bevölkerung sprechen wollen.“ „Können wir Entwarnung geben?“ „Ich würde doch sagen, schon. Der Täter ist ja gefasst.“
„Wobei wir auch nicht mit Sicherheit sagen können, dass es wirklich der Täter ist.“ „Gut, in einem Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung, auch wenn wir ungern den Eindruck erwecken, dass die Polizei den Falschen festnimmt.“ „Aber wenn es der Schlüssel zu einem rechtsextremistischen…“ „Jetzt malen Sie mal nicht den Teufel an die Wand. Da hat vielleicht ein junger Mann mal ein bisschen über die Stränge geschlagen, und von einem Terrornetzwerk kann doch überhaupt nicht die Rede sein.“ „Warum reden Sie dann darüber?“ „Ich? Das wird ja von der Presse so aufgebauscht. Tatsache ist, dass diese Vereine, von denen da berichtet sind, dass die nicht einmal ordentlich nach deutschem Vereinsrecht gegründet worden sind, sonst hätte man sie ja schon verbieten können.“ „Und deshalb kann man nicht von einer Terrorzelle sprechen?“ „Deshalb kann man auch nicht von einer Terrorzelle sprechen, ja.“
„Müssen wir denn jetzt Angst haben vor einer neuen RAF?“ „Ich versteh den Vergleich nicht. Diese Wirrköpfe in den Siebzigern, die haben ihre Attentate ja gegen Politiker und Wirtschaftsbosse ausgeführt, weil sie dachten, dass hier alles von Faschisten unterwandert sei.“ „Und heute?“ „Sind wir etwa von Faschisten unterwandert? Das wäre ja eine lächerliche Vorstellung, und außerdem wüsste ich nicht, warum dann ein paar national gesinnte Männer das aufhalten wollten.“ „Vielleicht weil sie meinen, dass Deutschland heute linksradikal sei.“ „Auch das kann ich mir nicht vorstellen. Dann wäre ja die komplette Politik unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes, und dafür gibt es gar nicht ausreichend Personal.“ „Aber wenn es jetzt eine rechte Terrororganisation gäbe?“ „Auch die ließe sich gar nicht mit der RAF vergleichen. Die hat das ganze Land in Angst und Schrecken versetzt, vor allem die Generation, die schon in der NSDAP sehr viel zu leiden hatte.“ „Und heute?“ „Ich habe bisher noch keine ernstzunehmenden Mordaufrufe gegen Spitzenpolitiker der AfD gesehen, die nicht sofort von der Justiz bekämpft worden sind.“
„Es gibt aber auch Stimme, die behaupten, die Rechten seien jetzt eine ernste Gefahr, weil man sie nicht mehr gewähren ließe.“ „Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass wir mehr Toleranz gegen Rechte üben. Je rechter, desto mehr Toleranz.“ „Können dann nicht normale rechtskonservative Aktivisten wie der AfD-Flügel der CDU weiter nach rechts abrutschen?“ „Da hilft dann eben nur noch mehr Toleranz, verstehen Sie?“ „Im schlimmsten Falle könnten die sich radikalisieren.“ „Dagegen gibt es Mittel und Wege, beispielsweise die striktere Kontrolle des Internets und die Einschränkung der Diskussionsfreiheit in Zeiten der enthemmten Meinungsäußerung.“ „Das würde dann aber zu Lasten aller Bürger gehen.“ „Ach Gottchen, wir müssen alle unser Opfer bringen.“
„Wobei sich jetzt sehr viele Politiker entsetzt über diese brutale Gewalttat äußern.“ „Machen Sie sich keine Sorgen, das ebbt irgendwann ab. Nach dieser Mordserie an Migranten, die noch immer den Verfassungsschutz dafür verantwortlich machen, obwohl es bis heute keinen Beweis dafür gibt, nach diesen Einzelschicksalen hat sogar die Kanzlerin mit Aufklärung gedroht.“ „Ja, ich erinnere mich.“ „Und, hatten wir etwas zu befürchten?“
„Das Bundskriminalamt geht von zwölftausend gewaltbereiten Neonazis in Deutschland aus.“ „Das muss man natürlich auch wieder in Relation sehen zur tatsächlichen Zahl an Straftätern. Wissen Sie, wie viele Schwarzfahrer es in Deutschland gibt und wie viele von denen nicht einmal in Haft sind?“ „Aber das lässt sich doch gar nicht vergleichen.“ „So eine aus dem Ruder gelaufenen politische Auseinandersetzung, wenn ein Politiker vielleicht einmal zu sehr das Grundgesetz verteidigt – wir können das nicht beweisen, aber zu einem Fehler gehören immer zwei, und der Typ wurde ja sicher nicht aus Versehen abgeknallt, wenn Sie verstehen, was ich meine – das ist ja eine Einzeltat, bei der wir den Täter auch psychologisch verstehen müssen. So ein Schwarzfahrer schädigt aber immer gleich die ganze Volksgemeinschaft. Und ich habe noch nie einen gesehen, der unabsichtlich schwarz gefahren wäre.“ „Das heißt, wir müssen diesen Mord…“ „Noch haben wir kein Urteil, also Vorsicht mit irgendwelchen Schuldzuschreibungen.“ „Dann müssen wir diese Tat gar nicht strafrechtlich oder so bewerten?“ „Der Staat sollte das viel sportlicher sehen. Ein bisschen Schwund gibt’s bekanntlich immer.“ „Sportlicher? also eine Art Herreneinzel?“ „Das klingt nicht schlecht, ja.“ „Und die Bürger?“ „Solange sie nicht unangenehm aufgefallen sind, als Migranten oder wegen übertriebener Treue zur Verfassung, müssen sie gar nichts befürchten. Gut, in der Nähe eines Asylantenheims würde ich jetzt auch nicht wohnen wollen, aber da kann man sich ja auch zu helfen wissen.“ „Wie denn das?“ „Wenn Sie da den Eindruck haben, dass jemand häufiger mal vorbeiläuft mit Hakenkreuztattoos oder einer Schusswaffe, grüßen Sie einfach freundlich und gucken Sie ansonsten weg.“ „Und dann?“ „Wie, und dann? Gar nichts. Dass Sie es haben kommen sehen, das können Sie immer noch sagen. Also hinterher.“
Satzspiegel