„Wenn Sie den richtigen Tarif wählen, zahlen wir Ihnen sogar eine Sehhilfe, die Voraussetzung ist nur, dass die Ihnen vom Cranio-Sakral-Therapeuten angepasst wird. Wir könne da ja nicht einfach irgendwelche Schulmediziner ranlassen, wenn Sie auf konventionelle Mittel setzen.
Im Prinzip kriegen Sie bei unserer Kasse jetzt alles, was die anderen nicht zahlen. Also Reiki bei schwerem Schielen, da müssen Sie eine Ersatzkasse schon erpressen, bevor die sich rührt. Ihre EsoKK übernimmt das alles. Der linksgrüne Mainstream, Sie verstehen das. Jede Knalltüte kann sich heute privat versichern, aber was das kostet! Da ist es doch besser, man baut an der richtigen Stelle ab und bringt nur noch die Leistung, die der Kunde auch nachfragt. Und genau das machen wir von der EsoKK. Sie sollten mal Ihre Chakren testen lassen, kostenloses Einführungsangebot!
Für die meisten hört Alternativmedizin ziemlich schnell auf nach Globuli und solchem Zeugs. Wir verkaufen das natürlich auch, die Salze und diese Blüten und was die Leute halt haben wollen, aber das ist es ja noch nicht. Um sich einen nachhaltigen Markt zu erschließen, brauchen wir mehr Auswahl. Die menschliche Vorstellungskraft ist bekanntlich nur sehr unscharf begrenzt und franst am Rand aus. Wir nutzen diese weichen Strukturen, um die Interessen unserer Versicherten immer neu zu wecken. Im Gegensatz zur Schulmedizin, da gibt es ja immer Diagnose und Therapie, Blinddarm, zack! OP, fertig – wir sind da viel flexibler. Wenn Sie bei uns mit Kopfschmerzen zum Arzt kommen, liegt das entweder an permanenter Überarbeitung oder einem gestörten Verhältnis zu Ihren verstorbenen Ahnen, von denen einer vielleicht eine psychisch bedingte Halswirbelfehlstellung gehabt haben könnte. Jetzt müssen Sie sich nur noch entscheiden, ob Sie das durch Handauflegen oder Geistheilung beseitigen wollen, und schon haben wir Sie auf einen selbstbestimmten Weg in Richtung allseitige Gesundheit begleitet. Also ein Stück weit.
Holotropes Atmen gegen eingewachsene Fußnägel kann ich Ihnen sehr empfehlen, da hat bis jetzt auch keiner gemeckert. Wir würden dem auch gar nichts antworten, wer der ganzen Wissenschaft sowieso schon so skeptisch gegenübersteht, der liest braucht ja auch keine Erklärung. Wenn es nicht hilft, machen wir mit biografieorientiertem Turnen weiter oder es gibt Kräutertee für Geburtstraumata und transpersonale Hautmuster – nee, das war jetzt alles umgekehrt, ich kenne mich damit auch nicht aus. Ist ja auch egal, die Leute bezahlen das.
Problematisch wird es aber nicht, wenn Sie jetzt plötzlich irgendeine ganz normale Krankheit haben, sagen wir mal: Herzinfarkt. Oder Krebs. Hat ja heutzutage eigentlich jeder irgendwann. Das kann man so oder so behandeln. Problematisch wird es immer dann, wenn Sie plötzlich der Ansicht sind, so eine ganz normale Herztransplantation sei doch besser als Eigenurintherapie. Das haben wir von den anderen Krankenkassen gelernt. Da können Sie auch regelmäßig zum EKG und zur Kur, etwas Salsa im Sauerland, regelmäßig Rückenschule. Zur Belohnung hoch potenzierte Tropfen gegen den nächtlichen Fußschweiß, und dann, bäm! jodelt die Bauchspeicheldrüse das Lied vom Tod. Dann ist die ganze betriebswirtschaftliche Rechung total im Eimer. Jetzt stellen Sie sich das mal bei unseren alternativmedizinischen Ansätzen vor. Da rennt einer zwei, drei Jahre lang mit eigentlich klar zu erkennenden Symptomen zum Heilpraktiker, der guckt sich das an und sagt: daran stirbt man nicht, zumindest nicht so schnell, dass man nicht vorher noch ein paar Runden biodynamisches Schröpfen machen könnte oder Klangschalenmassage im Quantenfußbad, was weiß ich, da wird ja alle paar Tage irgendwas erfunden, damit sich die ganzen Krankheiten nicht so langweilen, und dann ist es ein ganz ordinärer Leberschaden. Meinen Sie, das können wir uns noch leisten?
Also Sie dürfen sich bei uns noch ganz normal das Bein brechen, aber den Gips bezahlen Sie dann halt selbst. Solche schulmedizinischen Sachen sind bei uns nicht als Kassenleistung definiert, und das muss auch ganz klar sein. Sonst könnte ja jeder in die EsoKK eintreten und sich nach Belieben mit schulmedizinischen Heilverfahren kurieren lassen und nur bei Bedarf auf die kostenlosen Globuli zurückgreifen, die uns die Marktstellung sichern. Ein bisschen Gemeinschaftsgeist muss auch in einer weniger solidarischen Solidargemeinschaft sein, wenn Sie mich fragen.
Der nächste Schritt wird dann die Pflege auf alternativmedizinischer Basis sein. Handauflegen ist okay, aber mehr als energetische Impulse dürfen Sie da nicht mehr erwarten. Ab und zu noch etwas Aromatherapie mit dem guten Fichtennadelöl von Großmütterchen, das hat damals nicht geschadet. Man spart ja auch eine Menge an Materialeinsatz, und mal ehrlich, merken Sie, ob da ein Profi vor Ihnen steht und die Energieströme fließen lässt, oder reicht Ihnen Hildegard, die Ihnen die Flossen auf die Schultern legt? Sehen Sie, das ist dann auch betriebswirtschaftlich wieder eine vernünftige Entscheidung und rechnet sich auch für den kleinen Geldbeutel. Etwas Homöopathie, ein bisschen Tape bei Zipperlein, perfekte Bedingungen. Wie meinen Sie das, eine Krankenkasse, deren Wirkung nicht über den üblichen Placeboeffekt hinausgeht? Und was bitte haben wir jetzt!?“
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