Starker Tobak

15 07 2019

„Aber weswegen denn jetzt genau?“ „Das lässt sich so genau gar nicht sagen. Er passt halt nicht mehr.“ „Sehe ich auch so.“ „Das geht doch nicht – mit der Begründung können Sie sich scheiden lassen, aber doch nicht Sarrazin aus der Partei werfen!“

„Der Mann hat ein geschlossen rechtes Weltbild.“ „Obwohl er nicht ganz dicht ist?“ „Ich würde sagen, immerhin hat er eins, in der Partei ist das ja inzwischen auch eher eine Seltenheit.“ „Jetzt kommen Sie mir nicht mit billigen Witzen, der Mann glaubt das, was er sagt.“ „Klar, sonst wäre er ja nicht in der SPD.“ „Lassen Sie mich das präzisieren: dieser Mann glaubt selbst an den ganzen gottverdammten Scheiß, den er da von sich gibt!“ „Lassen Sie mich das präzisieren: sonst wäre er ja nicht in der SPD.“ „Sehe ich auch so.“

„Aber diese Ausländerfeindlichkeit, das ist doch nicht mit unseren Grundsätzen zu vereinen.“ „Wenn es danach ginge, müsste die Partei eigentlich die Hälfte ihrer Mitglieder rauswerfen.“ „Sie meinen die obere Hälfte?“ „Die Führungsspitze würde mir schon genügen.“ „Sehe ich auch so.“ „Wir können es uns als Partei der sozialen Bewegung doch nicht erlauben, dass wir so einen Rassisten bei uns als Mitglied beherbergen!“ „Sogar Helmut Schmidt wollte nicht mehr Ausländer in Deutschland.“ „Aber der will ja gar keine mehr!“ „Das sehen Sie falsch, er möchte nur halt keine Kopftuchmädchen produzierenden Gemüsetürken.“ „Die sind aber wenigstens nicht arbeitslos, schaffen sogar noch sozialversicherungspflichtige Jobs…“ „Aber nur für Türken.“ „Und die laufen alle diesem türkischen Hassprediger hinterher.“ „… und waren früher mal treue SPD-Wähler.“ „Schlimm genug.“ „Und sie sind das Rückgrat des Einzelhandels.“ „Das kann doch wohl kein Argument sein!“ „Sind Ihnen denn Rumänen lieber, die ganze Hochhaussiedlungen verdrecken?“ „Das sind wenigstens Europäer.“ „Stimmt, die gehören zum christlichen Abendland.“ „Im weitesten Sinne, ja.“ „Und gegen die Chinesen hatte ja Helmut Schmidt im Prinzip auch nichts.“ „Wieso nicht? weil die so schön demokratisch regiert werden und ihre Dissidenten hier viele nette Restaurants aufmachen?“ „Naja, das muss man halt auch akzeptieren.“ „Ist halt eine ganz andere Kultur und so.“ „Andere Länder, andere Sitten.“ „Ist doch schön, so als Kontrast – immer nur Sauerkaut und Lederhose ist doch auch viel zu eintönig.“

„Das mit den 4,25 Euro haben Sie bestimmt auch schon vergessen.“ „Da hat er allerdings mal etwas richtig gemacht.“ „Sehe ich auch so.“ „Wie bitte!?“ „Man musste den Leuten doch irgendwie beibringen, dass wir Hartz IV überwinden wollten.“ „Dazu brauchten wir ein glaubwürdiges Gesicht.“ „Ich höre wohl nicht richtig?“ „Das war natürlich strategisch etwas kompliziert eingefädelt, aber irgendwie mussten wir das angehen.“ „Sie glauben bestimmt auch, dass wir seit Jahren vor den Wahlen so viel Müll erzählen, damit wir nicht zu viele Stimmen bekommen.“ „Genau.“ „Wenn man es von uns am wenigsten erwartet, dann wird die SPD zum großen Schlag ausholen, und dann werden wir dies Land gewaltig umkrempeln.“ „Sonst geht es Ihnen aber gut?“ „Natürlich ist das erst mal starker Tobak, dass man sich als Arbeitsloser von 4,25 Euro am Tag ernähren soll.“ „Aber das ist ja auch nur als vorübergehende Lösung gedacht.“ „Und wenn man dann nach ein paar Jahren Mangelernährung und totaler sozialer Isolation wieder ins Arbeitsleben einsteigt, ist man halt schon so geschädigt, dass man nicht lange durchhält.“ „Dafür hat man sich dann aber schon an die Mangelernährung gewöhnt.“ „Das ist also das Menschenbild der SPD.“ „Wer nicht arbeitet, soll halt auch nicht essen.“ „Hat schon Müntefering gesagt.“ „Also in der Hinsicht kann ich echt nicht sagen, dass wir das kritisieren müssten.“

„Das mit den Wohnungen…“ „Das hätte einem Senator von der FDP natürlich auch passieren können, dass er Landeseigentum verscherbelt, damit die Kasse wieder stimmt.“ „Fragt sich dann bloß, wessen Kasse.“ „Stimmt auch wieder.“ „Aber grundsätzlich ist er doch im Wirtschaftsmodell der SPD angekommen, und das ist nun mal neoliberal.“ „Das geht Ihnen so einfach über die Lippen?“ „Wir müssen uns doch alle Optionen offen halten für eine Koalition.“ „Dann wäre ich mal sehr gespannt, mit dem Sie noch koalieren wollen, wenn Sie Sarrazin als Türöffner in der Partei behalten.“ „Wenn er in die AfD eintritt, hat er doch für seine Bücher auch kein Alleinstellungsmerkmal mehr.“

„Ich verstehe jetzt nur nicht, warum wollen Sie ihn überhaupt loswerden?“ „Sie haben immer einen, der die Partei in den Schlagzeilen hält.“ „Und Sie müssen nie Sorge haben, dass er tatsächlich bei den Nazis Mitglied wird.“ „Also offizielles Mitglied, bis jetzt ist er ja noch…“ „Ja, ich habe verstanden! Sie müssen es nicht erklären, ich habe verstanden, weil ich den ganzen Mist schon mehrmals gehört habe, als die SPD ihn vor die Tür setzen wollte!“ „Und warum hat sie es nicht längst getan?“ „Weil sich die Partei an die Entscheidungen ihrer eigenen Mitglieder hält.“ „So wie bei der Große Koalition, oder verwechsle ich das wieder?“ „Da ging es aber eher um die Gremien.“ „Geht es hier auch.“ „Dann war das Urteil ja beide Male okay.“ „Aber jetzt ist mal Schluss mit diesem rassistischen Gelaber!“ „Meine Güte, jetzt lassen Sie den alten Mann doch – er hat doch selbst gesagt, der Niedergang der SPD wird nicht zu verhindern sein, und da…“ „Er hat was gesagt!?“ „Wir, die älteste Partei Deutschlands, sollen diesen Nestbeschmutzer in unseren Reihen dulden?“ „Dieser sabbernde Saftsack hat in der SPD nichts zu suchen!“ „Aber…“ „Sehe ich auch so.“ „Fegt das weg!“ „Das muss sich die Partei ja nun nicht bieten lassen.“ „Niederlagen, gut und schön, aber Defätismus? nur über unsere Leichen!“