Perpetuum immobile

11 08 2019

für Erich Kästner

Es waren zehn Länder, die waren sich eins:
den Krieg darf es nimmermehr geben.
Sie schworen zur Gründung des Ländervereins
aufs friedliche, gütliche Leben.

So gingen die Jahre. Die Väter sind tot,
jetzt stellen die Söhne die Weichen
und finden, das manches nach altem Gebot
ganz neu scheint und nicht zu vergleichen.

Es waren zehn Länder, doch dachte sich dies,
das vornehmer war als die andern,
dass es besser jenen Verein schnell verließ,
um freiheitlich weiter zu wandern.

Von jenen neun Ländern, da fühlte sich nun
das kleinste durchaus überflutet
von Menschen, die hätten da doch nichts zu tun.
Was hat man ihm da zugemutet.

Von achten, da dachte sich eins, dass der Krieg
nun lange vorbei und verdrängt sei.
Bevor man aus allen Verträgen ausstieg,
betont man, dass man nun gekränkt sei.

Es waren von allen, historisch gesehn,
noch in dem Verein ganze sieben,
doch wollte ein Land es historisch verstehn,
und ist nur aus Trotz nicht geblieben.

Da waren es sechse. Das eine war stolz
und pries sich als Erbe von Vätern,
die damals geschnitzt waren aus jenem Holz,
das blutig umgeht mit Verrätern.

Von fünfen war eines, das wusste sich satt
und sorgt für der anderen Speise,
doch ließen sie hungern, wer selber nichts hat.
Sie nannten das groß und auch weise.

Es waren noch viere, da zog man den Zaun
um eines wohl hoch, zu verschließen
die Grenzen. Jetzt will man noch Mauern dort baun.
Die haben auch Scharten zum Schießen.

Von dreien, da wählte sich eines sogar
zum Führen den Sumpf der Betrüger.
Die kreischten, das Land sei in höchster Gefahr,
doch wäre bald Krieg, sei man Sieger.

Es sind nur noch zwei, und sie streiten sich wüst,
dass keiner die Spaltung geahnt hat.
Für alles hat keiner von ihnen gebüßt,
nur der, der zur Einheit gemahnt hat.

Dann kam wohl der Krieg. Keiner hatte Geduld,
und kurz war die Wut, lang die Reue.
Natürlich trug keiner daran eine Schuld.
Und wieder begann es aufs Neue.

Es waren zehn Länder, die waren sich eins:
den Krieg darf es nimmermehr geben.
Sie schworen zur Gründung des Ländervereins
aufs friedliche, gütliche Leben.