Nationaliban

2 10 2019

„Also glaubt er auch nicht an den Endsieg? Strenge Disziplinierung, und zeigen Sie keinerlei Gnade mit ihm. Das darf gar nicht erst im Landesverband bekannt werden, sonst zieht dieser Defätismus noch Kreise und es klappt nie mit der Machtübernahme. Und das so kurz vor den Landtagswahlen!

Ja, die Digitalisierung schreitet immer mehr voran, wir als Alternative für Deutschland nutzen natürlich die Vorzüge dieser Kommunikation: stets anonym, damit man Mut zur Wahrheit haben kann, und ansonsten kann einen dafür auch keiner zur Rechenschaft ziehen. Dieses Internet ist schon eine feine Sache. Und dass diese Volksverräter das auch nutzen, das werden wir schon irgendwie abstellen.

Da reicht mir der Kollege aus Hessen gerade eine Meldung rein. Nicht die übliche Denunziation von Parteikollegen, das wird ja irgendwann auch langweilig, das geht gegen die Parteiführung. Ich schätze, die sehen gerade nicht ein, dass wir mit aller Macht gegen Klimawandellüge stoppen und die Massen mobilisieren müssen, damit wir dann irgendwann, wenn die Flüchtlinge nicht mehr kommen, oder wenn wir gemerkt haben, dass die schon seit längerer Zeit nicht mehr gekommen sind, jedenfalls, dann müssen wir ja gegen irgendwas protestieren. Der hier befindet sich in einem sehr tiefen Konflikt zwischen Vernunft und politischer Überzeugung, und er kann Gauland nicht mehr sehen, ohne sich sofort zu erbrechen. Das geht auch anderen so, aber das darf man doch nicht öffentlich sagen! schon gar nicht, wenn parteifremde Kräfte anwesend sind! Also müssen wir jetzt mit einem Ordnungsverfahren retten, was zu retten ist. Wenn sich hier jeder seine eigenen Gedanken macht und auf eigene Faust irgendwelche wissenschaftlichen Meinungen einbringt, die nicht durch die Parteilinie gedeckt sind, dann haben wir hier bald ein Problem, und das müssen wir auf jeden Fall verhindern!

Diese Meldeportale für volksfremde Elemente wurden irgendwann einfach zu aufwendig, verstehen Sie? Wenn man die Daten der ganzen oppositionellen Kräfte in Deutschland sammeln will, dann macht man das übers Meldewesen oder gar nicht. Wollten die Knalltüten in der Parteispitze natürlich nicht kapieren, oder vielleicht wollten sie auch einfach nur, dass wieder irgendeine von ihren bescheuerten Ideen an die Wand fährt, damit sie die Opferrolle kriegen – wir wissen das nicht, hier an der Basis erfährt man ja nichts. Das ist ein Problem im Führerstaat. Damit müssen wir leben.

Oder hier, mangelndes Nationalbewusstsein. Am Vorabend eines deutschen Feiertages hängt man doch als Kameradschaftsmitglied gefälligst eine Reichskriegsflagge aus dem Fenster. Und ich rede hier nicht von diesem billigen Vereinigungsmist, der uns das Reich in den Grenzen von 1942 vorenthalten will, es geht um Führers Geburtstag, das ist ein Skandal! Es ist doch gut, dass wir diese Meldestelle rechtzeitig genug eingerichtet haben, malen Sie sich nur mal aus, was sonst passieren würde: Machtergreifung, alles putzt seine Stiefel zum Fackelzug, und dann haben diese Nulpen ihre Reichskriegsflagge nicht griffbereit! Wir stehen wir als Alternative für Deutschland denn dann vor der Welt da? Die denken doch am Ende, wir wollen die Demokratie!

Selbstverständlich haben wir hier auch wieder jede Menge privater Rachsucht, wie das in einem völkischen Staat nun mal ist. Die Leute haben ja beim letzten Mal geglaubt, wenn sie nur genügend andere Leute als Volksverräter ans Messer liefern, dann bleiben sie selbst verschont. Ist ja dann auch größtenteils so gewesen. Aber es ist, wie es ist, die ganzen Arbeit bleibt halt doch an uns hängen. Hier haben wir zum Beispiel eine Rentnerin aus Sachsen mit einer Beschwerde über eine Parteikollegin, die den Verdacht hegt, sie – die Kollegin – könnte aus niederen Beweggründen bei der Landtagswahl für eine Systempartei gestimmt haben. Das ist ein so schwerer Vorwurf, das können wir ja gar nicht aufklären, das müssen wir einfach mal so glauben. Jetzt würde natürlich der Parteiausschluss der zum Volksverrat bereiten Parteigenossin ähnlich schwer wiegen wie die Enttäuschung einer Volksgenossin, die meint, sie könnte einen Parteiverrat melden. Da müssen wir nun sehen, was wir machen. Und im Zweifel sind die Mitgliederzahlen unserer Partei auch nicht ganz unwichtig, zumal bei Mitgliedern, die schon seit längerer Zeit in der rechten Szene unterwegs sind.

So, gucken Sie mal, das ist aber ein einfacher Fall, sieht zunächst nicht so aus, aber ist nun mal recht einfach. Da beschwert sich einer über Gauland. Dementes Arschloch, versoffene Sau, Holocaustleugner, Faschist, der soll die verdammte Judenfresse halten – das geht natürlich gar nicht. Unseres Wissens nach ist der Mann weder jüdisch verwandt noch verschwägert, das sollte also für ein Parteiausschlussverfahren reichen. Und Sie wissen ja, das geht schnell bei uns.

Wenn Sie Kritik an unseren Maßnahmen anmelden wollen, dann steht Ihnen das jederzeit frei. Wir brauchen nur Ihren Vor- und Zunamen, Wohnort, Geburtstag und Datum, gerne auch Beruf und Arbeitgeber, und dann beschäftigen wir uns gerne mit Ihnen. Verlassen Sie sich darauf.“