Gernulf Olzheimer kommentiert (CDLXXXV): Die Heroisierung des Bösen

11 10 2019
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Vermutlich war er ein armes Würstchen, lebte noch im jungen Mannesalter bei Mammi und nagte verzweifelt an den blutigen Fingernägeln: er war ein Waschweib, durchdrungen von der eigenen Größe, aber unfähig und nicht in der Lage, seinem verpfuschten Leben einen sozial kompatiblen Kurzschluss zu verpassen. Also wartete er einen Tag ab, historisch bedeutend und von leicht zu merkendem Datum, um sich durch ein Verbrechen ins öffentliche Interesse zu bringen, wie es nur dem widerlichen Auswuchs eines kranken Hohlschädels entspringen würde. Er wurde nach kurzer Fahndung gefasst, offenbarte seine Motivlage und bekam sauber aufs Maul. Keiner würde sich heute noch an seinen Namen erinnern, hätten nicht Cicero und Plutarch den weinerlichen Wurm Herostratos am Überleben gelassen. Die Tatsache, dass der Mensch an sich nicht lernfähig ist, zeigt sich allgemein und im besonderen Fall in jüngster Vergangenheit, wo Arschlöcher wie die faulen Zähne in einer Reihe sich den Keim weitergeben, transportiert durch abstoßende Verbrechen aus nicht einmal verlorener Ehre, in einer asozialen Sukzession die durch die Selbstheroisierung des Terrors fröhlich von einem zum anderen wandert.

Jeder Zeitschriftentitel hält sich sklavisch an die Ikonografie: der dreckige Schuft auf schwarzem Grund dräut aus dem Höllenabgrund, dezent durch die nachleuchtende Aura aufgehübscht. Denn alles strahlt durch den finsteren Hintergrund, und wo ein Heldenbild an der Mauer pappt, da ist auch der Nachahmer nicht weit. Das Schwarz, das den vermeintlichen Kämpfer einsaugt, ist immer Feind und damit nicht stark genug, der Willenskraft des Killers standzuhalten – kichernd kneift sich die Opferhaltung in die Ecke, weil sie weiß, dass sie wieder einmal alles gewonnen hat: seit frühester Geschichte ist die mediale Inszenierung des Täters eine zentrale rhetorische Strategie, das Opfer spielt keine Rolle. Es ist, wenn überhaupt Beifang der Erzählung, denn seit wann würden Tote faszinieren.

Es stellt sich eine Frage, die schnell entschieden sein muss: Einzeltäter oder ausführendes Organ? Nichts stellt schneller klar, werde die Gesinnung des Verbrechens verinnerlicht hat und aus eben diesen Gründen verbreitet. Der Einzeltäter ist der Prototyp eines von jeher unverstandenen und daher nichts wirklich verstehenden Individuums, das unter Umständen einem höchst bedauerlichen Missverständnis aufgesessen ist: es hat die Propagandalügen seiner geistigen Brandstifter blind geglaubt, klebt wie das Insekt an der Leimrute und zappelt sich einem sozialen Ableben entgegen, und das aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit heraus. Hätte er sich nicht aus larmoyantem Gefasel ein Weltinnenbild zurechtgeschwiemelt, er hätte vielleicht erkannt, dass wahre Helden ihren Mist nicht aus pimpeligem Geheul verzapfen, sondern stets im Auftrag einer höheren Macht – Volk, Nation, Gerechtigkeit, im Zweifelsfall eher Kohle. Aber was erwartet man von Hominiden unterhalb der Zivilisationsgrenze.

Im schlimmsten Fall wird der Bösewicht von seinen Gesinnungsgenossen zum einsamen Wolf gedisst: Arschkarte mit goldenem Knickrand. Die Pathologisierung eines Verbrechers als verwirrter Einzeltäter will nur entpolitisieren, verharmlosen, abschwächen. Die Heroisierung aber pumpt den Mörder zur Überlebensgröße auf, zwar auch als Entmenschlichung, doch eben mit der mythischen Qualität, aus der sich Gefolge gebiert. Denn sie ist keine Distanzierung, sondern reine Vereinnahmung. Heute läuft die Auseiandersetzung mit dem Täter schließlich in eine Gamifizierung hinein, die den Attentäter zu einem stylishen Avatar formt, den sich leicht infizierbare Knalltüten leicht über die Hohlrübe stülpen können, um nicht in ihrem pissigen Jugendzimmerverlies zu verrotten. Sie sind in der Kohlenstoffwelt Ersatzbankhocker, schnell vergessene Versager mit drolligen Gewaltfantasien, aber dahinter verbirgt sich die Frustration leerer Hüllen, die beim Platzen gewaltigen Druck von sich geben. Ihre Accessoires können sie nach Belieben aufsetzen, Mimikry als Masken, hinter denen das Terrorbaby die Maske verschanzt. Entsprechend simpel reagiert auch die etablierte Politik auf die Egoshooterwelt der Täter: sie versucht nur die ästhetischen Vorbilder zu kriminalisieren, statt die Ideologie der Mörder zu bekämpfen.

Aber auch ihr Gerede ändert nichts an der Tatsache, dass die mediale Sensationsgier sich ihr degeneriertes Publikum heranzüchtet und mit dem reproduzierten Blutgeruch anfixt: auch Du kannst hier vom Titel Angst und Schrecken speien, Du musst es nur wollen. Der geronnene Schrei und die mühsam nachgetanzte Jagd nach dem Delinquenten verlieren nie, es sei denn, man vergäße ihre Namen. Man vergäße alle ihre Namen und erinnerte sich nur dran, dass ein kleiner pädophiler Bettnässer mit kreisrundem Haarausfall und blutig gebissenen Nägeln Dutzende Menschen niedergestreckt hat, bevor man ihn zum Verrotten in den Knast gestopft hat. Keiner weiß mehr, wie er heißt. Wozu auch.