Vorteilszone

25 11 2019

„Langfristig ist es natürlich beschissen, dass Sie in der Grundsicherung landen, obwohl die Propaganda in den höchsten Tönen jubelt, dass Sie das Land vor der Vernichtung durch alle rassefremden Elemente schützen. Sie bekommen keine Rente, weil Sie nun mal keine Festanstellung haben, und als Beamten will ein geistig minderbemitteltes Arschloch wie Sie auch kein normaler Mensch. Finden Sie sich damit ab. Willkommen bei der Polizei!

Das geht erst mal nur hier im Osten, in den alten Ländern würde man jemanden wie Sie nicht in die Nähe der regierungsnahen Behörden lassen. Eher einen Hamster, die Viecher sollen gelehrig sein. Da sind Sie als freischaffender Polizist allerdings schon sehr privilegiert, denn Ihnen steht hier eine Karriere offen, die Sie in anderen Staatsämtern so nicht erwarten können, immer vorausgesetzt, Sie haben nicht das passende Parteibuch. Mit Ihren Anlagen hätten Sie als Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag noch gewisse Chancen, aber ich fürchte, Ihre Leberwerte sind zu gut.

Wie gesagt, freischaffender Polizist. Das bietet eine Menge Vorteile, nicht unbedingt für Sie, aber das ist jetzt nicht der Punkt. Für uns als Behörde ist es vor allem eine dienstrechtliche Frage, wie wir unsere Kräfte einsetzen. Ob Sie die entsprechende Ausbildung nun mitbringen oder nicht, ist uns erst mal egal, Sie können Ihre Kenntnisse auch während der Tätigkeit erwerben. Wenn Sie sich mal andere Polizisten anschauen, dann merken Sie, so selten ist das gar nicht. Und da rede ich noch nicht mal von den IT-Kenntnissen unserer Ermittler.

Schauen Sie mal, wir haben da möglicherweise eine Demonstration, die konnten wir leider nicht verhindern, weil wir es nämlich gar nicht versucht haben, und die müssen wir jetzt durch genügend Bereitschaftspolizei absichern. Also nicht die Demo selbst, sondern Demonstranten, die zum Beispiel gegen das Grundgesetz demonstrieren. Wenn die kommen, die die entgegengesetzte Meinung haben, also linke Schwerverbrecher, dann muss man die natürlich auch entsprechend behandeln. Das kann man auf Dauer keinem Polizisten zumuten. Das sind auch Menschen. Bei Ihnen merkt man das nicht so, Sie machen es halt vornehmlich, weil Sie diesen Job brauchen. Sie kommen vom Arbeitsamt, das ist noch mal eine Ecke mehr, und jetzt kriegen Sie gleich so eine Chance – sehen Sie, da sind wir schon mal in der Vorteilszone. Sie haben jetzt einen vernünftigen Arbeitsplatz, tragen eine Waffe, gut, das ist nichts Neues, aber jetzt ist es legal.

Das ist das Spannende am Polizistenberuf, da sind Sie als Freiberufler gleich mitten im Leben. Heute noch auf der Kreuzung den Verkehr geregelt, morgen schon Tuchfühlung mit alten Kameraden. Das macht Ihnen keiner nach. Für diese Flexibilität brauchen wir Sie, das kriegen wir nicht mit einer normalen Bürgerwehr hin. Das Personal mag da engagierter sein, sicher sind die Strukturen da auch irgendwie homogener, aber Sie wissen ja, die sind im Einsatz an der falschen Stelle übermotiviert. Die haben nichts zu verlieren. Für Sie, der hier um seine Altersvorsorge kämpft und nicht nur für rassereine Verhältnisse in der Nachbarschaft, ist das schon eine andere Situation.

Das fängt ja auch mit der Weisungsbefugnis an. Sie sind in dem Sinne kein Arbeitnehmer, sonst wäre es nämlich Scheinselbständigkeit, und das will ja keiner. Wenn Sie beispielsweise bei so einer ganz normalen Personenkontrolle im fußläufigen Verkehr ausschließlich Ausländer rausziehen oder solche, denen man das zutrauen könnte, dann könnte man das als Pflichtverstoß ahnden und disziplinarische Maßnahmen ergreifen. Muss man aber nicht. Wir verweisen dann lediglich an Sie als das ausführende Organ und empfehlen eine Strafanzeige. Da sind Sie dann schon durch Ihre Uniform geschützt, das ist ausnahmsweise mal Ihr Vorteil.

Oder denken Sie an den Fall von Amtshilfe, wo wir als Rechtsstaat nicht weiterkommen, weil wir die Befugnisse haben, die aber trotz ihrer eindeutig verfassungswidrigen Art nur deshalb nicht klappen, weil wir ein technisches Problem haben. Konkretes Beispiel: wir verdächtigen einen beliebigen Bürger, dem wir bisher keine Straftaten nachweisen können, und müssen dazu Abhörprogramme auf seinem Computer installieren. Die Installation ist nicht das Problem, wir haben das so idiotensicher gemacht, dass einer von dreißig Beamten das innerhalb eines normalen Werktags hinkriegen sollte. Was uns viel mehr Schwierigkeiten macht, sind die juristischen Feinheiten. Einer muss in die Wohnung, die meist verschlossen ist – wenn aber das SEK ankommt und die Tür wurde schon eingetreten, dann kann man aus polizeirechtlicher Sicht nicht mehr viel machen, weil ja Gefahr im Verzuge ist. Wenn der Computer schon angeschaltet wurde, bevor die Polizisten die Wohnung betreten, ist das sicher ein Zufall, den man nicht ungenutzt lassen sollte, nicht wahr? Und so weiter. Bis Sie das einer Bürgerwehr beigebracht haben, worum es hier geht, haben die schon die komplette Bude abgefackelt.

Noch Fragen? Gut, dann legen Sie ab morgen los. Es gibt genug zu tun, so einen Rechtsstaat darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Und wenn Sie wirklich zu blöd sind für den Job, ab und zu brauchen wir immer mal Staatssekretäre.“