In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CDLXXXII)

29 02 2020

Es säbelte Petru in Benden
ein Schwein klein. Besonders die Lenden
verdarb er durch Schnitte,
quer, längs und zur Mitte.
Es war davon nichts zu verwenden.

Tauama kauft Bier in Vailele.
„Was ich allerdings nicht verhehle,
bei solch einem Wetter
ist’s irgendwie netter,
das Bier ist nur für meine Kehle.“

Wenn Dumitru manchmal in Keisd
als Sohn eines Busfahrers reist,
trägt er dessen Mütze.
Er meint, das beschütze
vorm Zahlen ihn. Pfiffig, doch dreist.

Hamideddine wäscht in Le Kram
sich Wäsche. Vom Auswringen klamm
hängt er’s auf die Leinen,
doch will’s ihm nie scheinen,
als sind diese ausreichend stramm.

Es kellnert Mirela in Großschenk.
„Wenn ich manchem Gast einen Kloß schenk,
erwarte ich Größe,
weil ich sonst die Klöße
für Undank direkt auf die Hos lenk.“

Da Võ gerne sich in Phan Thiết
aus Tabak ein Kippchen selbst dreht,
muss er, um zu rauchen,
Maschinchen gebrauchen.
Er weiß auch nicht, wie es sonst geht.

Laurențiu, dem fehlte in Kreisch
diätbedingt ständig das Fleisch.
„Er mangelt an Braten,
ich kann’s nicht entraten,
womit ich verzweifelt auch heisch.“





Gernulf Olzheimer kommentiert (DIII): Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

28 02 2020
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Irgendwann nach dem Urknall müssen sich Materie und Strahlung entkoppelt haben, dann begann die Bildung der Galaxien, große Gaswolken kollabierten zu Sternen, die Planeten gingen auf die Umlaufbahnen, dann entstanden Jahreszeiten, Ebbe und Flut. Trüb guckte der Troglodyt in den Regen, in die Nacht. Heute hockt der Hominide wie doof vor dem visuellen Endgerät und lässt Werbepausen an sich vorüberwabern, bevor der Filmdreck ihm wieder die Synapsen verkleistern darf. Das Konzept Zeit hat sich auch makrokosmisch durchgesetzt, ist aber in der Art Gesellschaft, die den Namen nicht unbedingt rechtfertigt, nicht mehr Grundgröße, nur selten von eigenem Wert, ansonsten nutzbares Zeug und nachwachsender Rohstoff. Es ist noch nicht einmal hinreichend geklärt, ob wir die Zeit verloren haben oder sie uns. Und niemand weiß, ob eine Antwort auf diese Frage es nicht schlimmer machen würde. Viel schlimmer.

Noch vor wenigen Jahrhunderten besaß nicht jeder das Bewusstsein, ein Individuum zu sein, indes er teilte seine Existenz in zwei Phasen ein, die vorübergehende in der Kohlenstoffwelt, eine nicht vergängliche im metaphysischen Ereigniskomplex. Letzterer gibt heute nur noch sporadisch Hoffnung und wird bisweilen ausgeblendet, wo in der reinen Zeitdilatation der Augenblick selbst sich zerdehnt wie Kaugummi unter einen Kinositz. Wir haben gerade noch so viel Zeit, dass wir jedem sagen können, wir hätten keine mehr. Die rigide Struktur neuzeitlicher Verwertungslogik hat uns abgerichtet, wir unterwerfen uns nicht mehr den Zeiten, sondern der Uhr, ihrer Weiterung ins Minutiöse, das als geldwerte Einheit überhaupt unsere Würde als wirtschaftliche Subjekte bestimmt. Als Teil einer kapitalistischen Nutzerbringung ist der Mensch in der Pflicht, seine Zeit in den Dienst des Marktes zu stellen, weil dieser Markt ihn sonst nicht überleben ließe, auch nicht in der resultierenden Restzeit, in der man atmet und schläft, isst und wohnt, nach Möglichkeit aber als Verbraucher seine Zeit auch im Interesse der Wirtschaft einsetzt, weil sich sonst die verlorene Zeit endgültig nicht mehr lohnen, das heißt: rechnen würde. Die Berechtigung zu ein paar Stunden Freigang erhält der ökonomisch getriebene Bürger nur, wenn er sie gegen die Käfighaltung der Leistungsethik eintauscht. So will es das Gesetz.

Als ungesetzlich, da unmoralisch, gilt sogleich alles, was die Verwertbarkeit abstreitet, indem es dem Gut Zeit einen inneren, untilgbaren Wert beimisst, als ob sie eine eigene Würde besäße. Der Arbeitslose wird nicht wegen seines mangelnden Beitrag am BIP geschmäht, man wirft ihm vor, seine Lebenszeit autonom zu nutzen, für sich selbst und verdachtsweise auch in eigenem Interesse. Der Bettler schon unterlag der verschwiemelten Ausbeutungssystematik, denn er unterlag noch immer dem grob gerasterten Stundenschlag, Auf- und Untergang der Sonne, Morgen-, Abendläuten sowie den Elementarkräften, die sich nicht beugen wollten, wenn die Börse es verlangte. Sie wurden frühzeitig als schlechte Vorbilder für die Jugend und die konditionierte Arbeiterklasse von der Gasse gefegt, eingesperrt und ins Werkhaus gestopft, um fortan nach dem Rhythmus der Industrialisierung den Fluss der Dinge zu erfahren. Noch heute zwingt die Maßnahme des Erwerbslosen, sich ans Maß zu gewöhnen, Struktur in den Tag und also in die reine Gegenwärtigkeit des Schaffens zu bringen, auch wenn dies den Wert der Person am Markt mindert.

Als reine Provokation bleibt das klassische Ideal der Muße auf der Strecke, ohne den Künste und Wissenschaft, namentlich die Philosophie nie den hohen Stellenwert im abendländischen Konstrukt gewonnen hätten, den ihm die Bildungsstelzen bis heute zuschreiben. Allerlei larmoyantes Wirrwerk mit Lufthaken dengeln sich die ökonomisierten Triebkraftprotze zusammen, als könne es Freiheit nur im Knast der Stechuhren geben, Wohlstand der Wenigen durch die Vertaktung der Vielen dabei fadenscheinig ausblendend. Dass eine ehedem heilige Zeitordnung des Immateriellen durch eine noch viel sakrosanktere Tempovorschrift ersetzt wird, verdeckt mühselig, wie wenig man das Motiv für Entdeckung und Innovation: die Faulheit ernst nimmt und ihren Endzweck erkennen will, nämlich die Auslastung der Maschine, der man gar nicht erst ein Ethos zusammendichten muss, um sie in eine pseudoreligiöse Sphäre zu hieven. Ohnehin hält der Apparat besser und treuer den Takt, kennt er doch keinerlei Barmherzigkeit, Herrenfeste oder Urlaub.

So bestrafen wir, dass wir die Ordnung der Vernunft verlassen haben, an denen, die noch an ihr festhalten, statt sich paradoxaler Beschleunigung hinzugeben, die in einem geschlossenen Kreis gar nicht funktionieren kann, da es Gesetze gibt, Gesetze und Grenzen, nicht nur in der Genauigkeit, auch in der Größe. Bei der Lichtgeschwindigkeit ist dann spätestens Schluss, nicht nur zufällig, sondern als Folge der Rahmenbedingungen. Sie werden das nicht ändern, auch nicht bei Sonnenaufgang. Sie hätten sich einen anderen Urknall suchen müssen.





Betriebswirtschaftliche Grundlagen

27 02 2020

„Jetzt gucken Sie nicht wie eine Kuh, wenn’s donnert – Sie dürfen hier nicht einfach den Leuten die Fußnägel schneiden oder Grabsteine putzen, das ist Deutschland. Wenn Sie hier irgendetwas ohne behördliche Genehmigung machen, dann landen Sie schneller im Knast, als Sie einen Brandsatz in die Flüchtlingsunterkunft schmeißen können.

Deshalb der staatlich geprüfte Diplom-Terrorist, da weiß man, was man hat. Keine halben Sachen. Die Regelung kriegen wir sogar mit der CDU durch die Innenministerkonferenz, wir sagen denen einfach, dass in letzter Zeit die Ausländer oder die, die nach Ansicht konservativer Kreise eigentlich gar keine Deutschen sein können, uns auf dem Gebiet die Jobs wegnehmen. Und schon ist Ruhe im Karton. Die Prüfung zum Diplom-Terroristen setzt die deutsche Staatsbürgerschaft voraus, wir legen das übrigens auch migrationskritisch aus, also einfach einwandern, einbürgern lassen und sofort losbomben, das geht so nicht. Da müssen Sie schon mindestens zwei Generationen warten.

Sprengstoffkunde ist natürlich unerlässlich, es gibt nichts Unangenehmeres, als wenn Sie mit einer Rohrbombe ein Wahlkreisbüro in Schutt und Asche legen wollen, und dann muss trotzdem noch mal der Baustatiker kommen, weil nicht klar ist, ob das Haus einsturzgefährdet ist. Das nervt wirklich. Und die Versicherung findet das auch nicht witzig. Da geht enorm viel Arbeitszeit verloren. Wenn jetzt alle herumballern würden wie damals die RAF, die auf keinen Rücksicht genommen haben, oder wie der NSU, würde das enorm hohe volkswirtschaftliche Schäden nach sich ziehen. Deshalb haben wir auch minimalinvasiven Einsatz von Explosionsmaterial in den Lehrplan aufgenommen. Das verringert die Risiken für nicht beteiligte Dritte, weil sonst die Akzeptanz in der Bevölkerung auch nicht mehr so hoch sein dürfte, auf Dauer gesehen.

Ideologische Theorie haben wir jetzt auch in den Fächerkanon aufgenommen. Sie ahnen nicht, was wir manchmal von den Leuten hören, auch in den Chatgruppen, da fallen Sie um! ‚Wir wollen das Land befreien‘ – und deshalb machen die einen Anschlag auf eine Bank! ‚Gegen den Volkstod der deutschen Herrenrasse‘, das müssen Sie sich mal vorstellen! Damit weckt man doch kein Verständnis in der Hauptverhandlung, wenn man danach von der Polizei geschnappt wird. Damit kommt man höchstens in den Boulevardmedien auf den Titel, aber als Oberknalltüte. Da muss man schon regional und nachhaltig argumentieren: Dezimieren der volksfremden Invasoren im Landkreis Marburg-Biedenkopf zu anteiligen Steigerung der Geburten biodeutscher Vorfahren. So kriegt man die Leute, so und nicht anders.

Alleine dieses Gehampel, wenn nationalistische Terrorgruppen irgendeine linksradikale Aktion vortäuschen und dann ein paar Studenten aus der Juso-Hochschulgruppe vor dem Wohnheim die Kleinwagen anzünden. Da kann ich mich jedes Mal so aufregen! Ohne eine anständige ideologische Schulung kriegen diese Idioten nie ein passables Bekennerschreiben hin. Ist doch peinlich!

Und betriebswirtschaftliche Grundlagen, die dürfen heutzutage nicht fehlen. Wie schnell hat man sich bei einem Projekt verschätzt, was Vorbereitung und die notwendige Zeit im Untergrund oder in einer konspirativen Wohnung angeht – da lagern Sie dann die Fässer mit dem Unkrautvernichter in der Tiefgarage, die letzten paar Wochen kriegt man die Miete nicht mehr zusammen, dann müssen alle Hals über Kopf fliehen, irgendeiner kriegt kalte Füße beim Verfassungsschutz, lässt die Kollegen auffliegen, und schon ist wieder irgendwas in der Presse, dass es angeblich einen Anschlag geben sollte, der erst in allerletzte Sekunde habe verhindert werden können.

Das mit dem Verfassungsschutz haben Sie übrigens nicht von mir, klar?

Aber auch sonst muss man das mal in den Griff kriegen. Es gibt nun mal Berufe, die sind für die Gesellschaft wichtig, Pflegeberufe, Feuerwehr, die Polizei, und dann gibt es, nur mal als Beispiel, Investmentbänker oder Unternehmensberater. Ohne die würde es uns allen auch besser gehen. Da wäre es doch nicht gerecht, wenn man ausgerechnet die Terroristen sozial an den Rand drängen würde. So ein Terrorist verursacht an Sachschäden in seiner ganzen Karriere sicher nicht halb so viel, wie ein Aktienmanager in einer Woche verbrennt. Und das mit den Menschenleben, ich meine, es sind ja zum großen Teil keine Staatsbürger, und wenn, da kann man auch das wieder in Relation setzen. Wer von denen war beispielsweise nicht gegen Grippe geimpft? Da könnte man auch mal ausrechnen, wer sich gesellschaftsschädlicher verhält.

Und natürlich der deutsche Arbeitsmarkt. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir viel weniger Konkurrenz aus dem Ausland erhalten werden. Die üblichen Terrorgruppen haben sich größtenteils vom Markt zurückgezogen, jetzt haben wir wieder die Dominanz auf dem nationalen Markt – nur noch ein paar Jahre, dann haben wir professionelles Terrordienstleistungsmanagement, die ersten Jobs werden von offiziellen Stellen angeboten, weil wir öffentlich-private Partnerschaften haben, dann wird Terror auch preiswerter, die Leistungen werden viel besser, weil der Konkurrenzdruck höher ist, dann können Sie sich sogar als kleiner Mittelständler den Top-Terror leisten, um missliebige Konkurrenz von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Das geht nur mit deutscher Qualität. Sie sehen, es hat auch Vorteile, hier in Deutschland zu leben. Denn was wir machen, das machen wir richtig.“





Arztromane

26 02 2020

Siebels sackte kurz nach vorne, fing sich aber und saß dann wieder kerzengerade auf dem Holzbrett, das als Bank an die Stationswand genagelt worden war. „Echtzeit“, murmelte er. „Aber das Konzept ist nun mal gut, und wir ziehen das jetzt auch durch. Gnadenlos.“

Schwester Petra schob den Wagen in Richtung Westflur. Das Kamerateam zog mit, schon mehr aus Gewohnheit als in wirklichem Interesse mit der Tätigkeit der stellvertretenden Stationsleiterin. Ich blickte in meinen Plastikbecher. Dieser lauwarme Automatenkaffee, von dem der große TV-Producer locker einen Liter pro Nacht in sich hineinschütten konnte, wurde und wurde nicht weniger. Aus einem mir nicht erklärlichen Grund kühlte sich das Zeug auch nicht ab. Vielleicht waren wir hier in einem Bereich, in dem die Entropie ausgeschaltet war oder wo die Relativitätstheorie keine Gültigkeit hatte. Ich wusste es nicht und wollte es gar nicht wissen. Ich wollte nur endlich begreifen, warum ich damals zugesagt hatte, mit Siebels beim Dreh einer seiner Serien zuzusehen. „Krankenhaus“, hatte er gesagt. „Wir machen etwas total Neues. Revolutionär auf dem deutschen Fernsehmarkt. Sie werden es nicht für möglich gehalten haben.“

Im Glaskasten gegenüber sah man den Pfleger akribisch Medikamente in eine Liste eintragen. „Das würde natürlich viel schneller gehen, wenn man es nicht handschriftlich erledigen müsste, aber Vorschrift ist nun mal Vorschrift.“ Ich hatte ihm die Tüte mit den Pfefferminzbonbons rübergeschoben, er hatte zufällig den Aktendeckel offen gelassen. „Wenn es der Versuch sein sollte, jemanden an der Schrift zu erkennen, ab drei Zeilen sind Sie ohne jede Chance.“ Zimmer 602 bekam heute jedenfalls eine Thrombosespritze. Bisher war Siebels für die zwölf Staffeln von Klinik in der Südsee und die großen Weihnachts-Specials mit Rudolf Bumsbäumer als Professor Paul Schneckenschmidt in der Kardiologen-Serie Doktor der Herzen verantwortlich gewesen. Dreh stets in den Weihnachtstagen, tropische Kulisse, Luxus und Alkohol inklusive, der geübte Nichttrinker hatte mit den Stars und Sternchen leichtes Spiel. Jetzt also dies. „Achtung“, zischte der Maestro unvermittelt. „Oberarzt auf sechs Uhr!“

Doktor Wilcke sah man die Doppelschicht auch schon auf mehrere Meter an. „Es ist momentan bei uns recht ruhig“, sagte er mit glasigen Augen. „Wir hatten gestern einen Herzstillstand und zwei nicht so richtig erfolgreich verlaufene Thoraxeingriffe, Schwester Olga desinfiziert gerade die Zimmer, und jetzt kam noch eine verpfuschte Schönheits-OP dazwischen. Rückflug aus Bulgarien. Geplatzte Silikonhupen.“ Der Mikrofonmann verzog keine Miene. Doktor Wilcke schloss kurz die Augen. „Es muss ja irgendwie weitergehen, nicht wahr?“

„Gut, haben wir“, murmelte der Kameramann. Siebels nickte. War das etwa ein Anflug von Kichern in seinem Gesicht? „Immerhin“, sagte er maliziös, „immerhin müssen wir uns hier nicht an ein Drehbuch halten.“ Schwester Petra ging auf quietschenden Gummisohlen wieder in den Ostflur zurück. Plötzlich zerriss ein schriller Pfiff in der Glaskanzel die schläfrige Stille. „622“, rief der Pfleger. Wie elektrisiert rannten die Schwester und der Oberarzt zu dem roten Blinklicht am Ende des Korridors. „Lungenentzündung“, erklärte der Pfleger. „Wenigstens war das gestern der letzte differentialdiagnostische Sachstand, wenn ich das entziffern kann, was der Kollege notiert hat.“

Ich hatte den restlichen Kaffee heimlich in den Kübel mit den plastiniert aussehenden Ficusästen entsorgt und suchte nun irgendeine Möglichkeit, auch den Plastikbecher in ein nicht für Bio- oder Krankenhausmüll reserviertes Depot zu schmeißen. „Die Dokumentation ist schon wichtig“, erklärte der Pfleger. „Wir haben nur nie Gewissheit, dass sie auch irgendeiner liest. Stellen Sie sich vor, es käme zu Unregelmäßigkeiten. Der Pneumothorax aus 614 ist letal. Ein Beinbruch überlebt die Nachtschicht nicht. Doktor Wilcke zeichnet den ganzen Scheiß ab, weil er ins Bett muss.“ Mich fröstelte. „Es ist wie Überwachungskameras. Das spart jede Menge Polizistengehälter, verspricht aber nur die schnelle Aufklärung von Verbrechen, die man vorher hätte verhindern können – und auch das ist Selbstbetrug, denn wer gibt hinterher schon durch Ermittlungen zu, dass er vorher jahrelang und aus Gier versagt hat.“ Siebels nickte. „Das ist der Punkt.“ Er zog ein Streichholz aus der Manteltasche und schob es sich zwischen die Zähne. „Genau deshalb stopfen wir den Leuten mit schmalzig verfilmten Arztromanen die Augen zu, damit sie nicht nachdenken über das Gesundheitssystem, in dem Ärzte und Pfleger auf Verschleiß gefahren werden.“ Der Kameramann schwenkte zu Schwester Petra. „Hypovolämischer Schock“, sagte sie knapp. „Herr Doktor Wilcke ist noch an der Dokumentation, bitte warten Sie mit dem nächsten Notfall noch eine Viertelstunde.“

Meine Zunge fühle sich trocken an. Der Pfleger schrieb Nachrichten mit der Kollegin aus der Säuglingsstation. Der Tontechniker schien sich mit einer spontanen Depression anzufreunden. Doktor Wilcke ließ eine Packung filterlose Zigaretten in die Kitteltasche gleiten und nickte in die Runde. „Ja“, grummelte Siebels, „gut. Gut, gut.“ Ich fühlte nach Kleingeld in meiner Hosentasche, als er sich plötzlich zu mir wandte. „Wenn Sie in den nächsten drei Tagen nichts vorhaben, wir drehen in der Mordkommission.“





Nicht integrierbar

25 02 2020

„… ein zeitgemäßes Modell für die CDU zu finden, die sich nach den Auseinandersetzungen offenbar neu erfinden müsse. Kramp-Karrenbauer halte eine Fortsetzung der bisherigen Strategie derzeit für nicht zielführend und könne sich eine…“

„… neu aufgestellt werden müsse. Merz wisse nicht, was das bedeute und könne auch kein für die Mehrheit der Wähler attraktives oder sinnvolles Angebot machen, beharre aber auf einer Führung der Partei und lasse dazu seine…“

„… aus der Regierung gewählt werden könnte. Röttgen sehe hier eine große Chance, weil man dann für alles, was innerhalb oder außerhalb der CDU, durch ihre Mitwirkung oder ohne diese, im Zusammenhang mit dieser Partei oder aber nicht geschehe, die Schuld bei linken Kräften finden könne, die für sämtliche…“

„… sei eine Beschränkung der Partei auf den Landesverband Nordrhein-Westfalen durchaus denkbar. Laschet fürchte allerdings, dass er dann überhaupt keine Chance mehr habe, politische Arbeit ohne Linder und seine FDP im…“

„… dass die Umwandlung der Partei in eine nationale Nichtregierungsorganisation durchaus auch steuerliche Vorteile berge. Merz könne die CDU dahin gehend beraten, dass eine Fusion mit einem Vermögensverwalter langfristig als…“

„… der Rückzug aus dem politischen Geschäft auch Vorteile für die Mitglieder biete. So könne ein kleiner Teil der Mitglieder, die nach der Aufgabe ihrer Regierungsämter nicht wegen mangelnder Kompetenz in der Erwerbslosigkeit endeten, viel schneller in der Wirtschaft als führender…“

„… plane Spahn die Gründung eines Konzerns für Pflegedienstleistungen. Er habe innerhalb des ersten Quartals durch Crowdfunding bereits zehn Euro der veranschlagten drei Milliarden für den…“

„… nicht davon abhalte, sich als Mitarbeiter in den Bundesministerien zu betätigen. Nach einer aktuellen Übersicht fehle es den meisten Ministern zwar an einer fachlichen Ausbildung, um in einer der Behörden eine Beschäftigung oberhalb von Hilfsdiensten oder Wachpersonal zu…“

„… habe sich Kramp-Karrenbauer noch nicht entschieden, ob sie vor oder nach der Auflösung der CDU zur Klimaschutzbewegung wechseln wolle. Im Ergebnis sei beides vollkommen wirkungslos, weshalb sie auf eine möglichst klimaneutrale…“

„… auch eine Frage des Niveaus sei. RTL habe die Planung für das kommende Dschungelcamp fertiggestellt, könne zu den folgenden Ausgaben der Sendung jedoch noch keine verbindliche…“

„… nicht in die Deutsche Bahn AG oder in die Deutsche Bank integrierbar seien. Es liege natürlich keinesfalls an wirtschaftlichen Überlegungen, da es beiden Unternehmen bis zu diesem Augenblick hervorragend gehe, was sich aber innerhalb sehr kurzer Zeit als schwerwiegendes…“

„… sich die Mehrheitsbeteiligung an einem Wachschutzunternehmen mit Spezialisierung auf Asylbewerberunterkünfte als wirtschaftlich nicht haltbare Investition erweisen könnte. Merz gehe fälschlicherweise davon aus, dass die Partei in jeder politischen Konstellation und aus jedem Gewerbe heraus wie eine Marionette des spätkapitalisch organisierten…“

„… eine Fusion mit der AfD nicht ratsam sei, da diese weiterhin an einer Vertretung in deutschen Parlamenten festhalte. Auch Gaulands Vorschlag, die CDU für die parlamentarische Arbeit zu benutzen und die eigenen Bemühungen auf die Einnahme der Diäten zu reduzieren, könne mit den Vorstellungen einer ökonomisch arbeitenden…“

„… an einen Fast-Food-Konzern sehr hohe Ansprüche gestellt würden, die durch einen neuen Markennamen nicht kompensiert würden. Altmaier sei in der Kommission auch mit dem Vorschlag gescheitert, die Republik mit Food-Trucks zu überziehen, die ausschließlich mit Dieselmotoren für die Erhaltung der…“

„… wolle sich Klöckner eventuell für einen Aufsichtsratsposten zur Verfügung halten. Keiner halte sie für fachlich oder persönlich geeignet, es sei jedoch für die Quote eine durchaus…“

„… könne sich Merz auch eine privatisierte Form von Justizvollzugsanstalten vorstellen, die durch die Kriminalisierung bis heute noch als vollkommen normal bekannter Handlungen eine Rendite von bis zu…“

„… entscheidende Bereiche nicht mit genügend ausreichend qualifiziertem Personal besetzen könne. Die Deutsche Telekom AG rate statt einer Karriere als Kundenberater eher zum Eintritt in den Polizeidienst im Freistaat Sachsen, so inzwischen auch Hilfsarbeiter ohne jegliche…“

„… das Problem im Raum stehe, dass sämtliche Führungskräfte der CDU geschlossen zurücktreten müssten, um die Partei in eine NGO umzuwandeln. Klöckner sehe darin ein massives Hindernis, ebenso Spahn, da beide ohne ihre Ministerämter keinerlei Bedeutung mehr für die wirtschaftlichen…“

„… die private Altersvorsorge als ergänzende Maßnahme zu einer privaten Krankenversicherung zu den Bürgerpflichten gehöre. Merz sehe ein sehr großes Potenzial in der Entwicklung der Aktie, die sich durch mehrere tausend hauptamtliche Drücker im Haustürgeschäft bis zur nächsten Wahl um mindestens…“





So jung kommen wir nie wieder zusammen

24 02 2020

„‚Dass wir als Deutsche nach diesen schrecklichen Ereignissen‘ – haben Sie? Wieso kann man nicht ‚schreckliche Ereignisse‘ sagen? Was hatte ich beim letzten Mal gesagt? Sehen Sie mal, daran können Sie sehen, dass sich meine Haltung seit dem letzten Mal nicht geändert hat.

Natürlich ‚Wir als Deutsche‘, oder stehe ich hier als Ausländer? Ich bin nun mal Deutscher, und ich vertrete ja auch die Gesellschaft, warum soll ich dann nicht ‚Wir als Deutsche‘ sagen? Also ‚Ich als Deutscher‘ wäre doch noch bescheuerter, und ich kann mich selbst hier nicht als Maßstab nehmen. Das ist eine offizielle Rede, deshalb müssen wir die ganze Gesellschaft – nein, eigentlich nicht, es geht ja um uns Deutsche, aber deshalb ist doch ‚Wir als Deutsche‘ erst recht richtig. Das ist mir auch total egal, ob da jemand irgendeine Kollektivschuld in die Formulierung reininterpretiert, ich meine dieses ‚Wir‘ ja inklusiv. Kommt nicht so rüber? Das ist dann Ihr Problem, ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen da nicht irgendwas reininterpretieren.

‚Was geschehen ist, macht uns fassungslos.‘ Das können Sie doch gar nicht beurteilen, ob ich das schon emotional verarbeitet habe. Meine Güte, Sie müssen doch auch mal… ‚Macht mich traurig.‘ Ja, das ist natürlich viel subjektiver, aber ich kann doch nicht, wissen Sie, wenn wir als Deutsche, da… – ‚Das macht uns zornig.‘ Das klingt doch gleich viel entschlossener. ‚Wir als Deutsche‘, und dann so eine Emotion, das ist viel glaubwürdiger. Na gut, nicht viel, ein bisschen weniger unglaubwürdig, das ist für den Anfang schon mal nicht schlecht. ‚Sie sind voller Trauer, sind ratlos, Sie fühlen sich allein gelassen.‘ Psychologisch ist das doch gar nicht so verkehrt. Die wissen nicht, was gerade passiert ist, ich weiß auch nicht, wo es langgeht. Sie müssen die emotionale Parallele begreifen. Die Leute lieben so etwas, daran merken sie, das wir Politiker auch nur Menschen sind, verstehen Sie?

‚Gerade deshalb tut es gut, hier zu sein an diesem Ort.‘ Ich habe Ihnen doch gesagt, nicht wieder irgendwas reininterpretieren. Man muss das doch subtil ansprechen, nicht so als Wohlfühlzeug, eher auf die feinfühlige Art. Ja, feinfühlig. Ich bin mit mir im Reinen, wir als Deutsche doch auch, und ich kann ganz einfach zu den Leuten… Meine Güte, fällt Ihnen denn etwas Besseres ein? ‚So jung kommen wir nie wieder zusammen‘, bei Ihnen piept’s wohl! Unverschämtheit! Das ist die größte Geschmacklosigkeit, die man sich als Politiker in dieser Rolle, also in der Rolle des Politikers, Sie wissen schon, aber doch nicht so!

‚Wir spüren, dass es diese Gemeinschaft gibt, die Entsetzen und Wut teilt‘ – haben Sie? Was ist denn jetzt schon wieder verkehrt? Natürlich ist das eine Gemeinschaft, man kann doch nicht immer nur als Fußballfreunde zusammenstehen oder wenn man eine Bundestagswahl vergeigt hat, das ist doch der Sinn einer Gesellschaft, und gerade wir als Deutsche sollten doch wissen, wenn man mal so richtig Scheiße baut, dann… – Jetzt werden Sie aber kindisch! Dass wir als Deutsche unsere Wut teilen, das ist doch nicht negativ. Und ich habe das Wort ‚Wutbürger‘ hier mit keiner Silbe erwähnt, das wollen wir mal klarstellen. Mit keiner Silbe! Es geht uns um die Gemeinschaft, und das ist auch als Appell zu verstehen. ‚Eine Gemeinschaft, die aber eben auch Trauer, Anteilnahme und Solidarität zeigt.‘ Was stört Sie jetzt schon wieder? Was ist denn bitte verkehrt an Anteilnahme? Das ist doch praktisch dasselbe wie Solidarität, oder wissen Sie jetzt schon nicht mehr, wie man sich bei solchen schrecklichen Ereignissen verhält? Na also.

Sie machen mich noch porös mit Ihrem ewigen Gemecker. Nein, Anteilnahme ist nicht dasselbe wie Solidarität, auch nicht umgekehrt. Aber zwei starke Begriffe hintereinander sind eben sprachlich viel stärker als einer. Sprachlich? ja, ich habe das so… – Es geht doch hier um Sprache, oder wollen Sie das auch noch hinterfragen? Ich kann in dieser Situation doch nicht den Kölner Dom tanzen, oder wie stellen Sie sich das vor? ‚Eine Gemeinschaft, die wir alle brauchen, die jede Gesellschaft braucht – eine Gemeinschaft, die zusammenhält.‘ Wir als Deutsche sind eine Gemeinschaft, die… – Wie soll ich das jetzt verstehen? Sie halten die Deutschen für eine Gemeinschaft, die die Gesellschaft… – Das würde letztlich bedeuten, dass wir nicht die Gesellschaft sind, sondern nur… – Sie bringen mich total durcheinander. Natürlich sind wir die Gesellschaft, aber im Moment solidarisieren wir uns als Deutsche aus Anteilnahme mit den… –

Okay, dann noch einen drauf: ‚Heute ist die Stunde, in der wir zeigen müssen: Wir stehen als Gesellschaft zusammen.‘ Natürlich müssen wir das, jetzt fangen Sie nicht auch noch da mit Ihrer doofen Krittelei an! Als Deutsche! wir als Gesellschaft! Das schließt auch andere Gemeinschaften ein, die sonst nämlich nicht ausgeschlossen… Nee, Moment mal, das ist ja gar nicht, ich muss das anders, aber nicht wie am Anfang.

‚Darum bitte ich Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, im Angesicht des Grauens heute und in dieser schweren Stunde.‘ Ich kann nicht wieder mit ‚schrecklichen Ereignissen‘ kommen, das geht pro Rede nur einmal. Sonst denken die Leute doch, das sei nicht authentisch gemeint. Wir müssen von der Bevölkerung auch verlangen, dass sie uns ernst nehmen, aber dafür müssen wir dann halt auch authentisch sein. Und mit ‚Grauen‘ muss ja keine unlösbare Aufgabe gemeint sein, die Leute gruseln sich vor Gott weiß was. Und hier muss dann der Aufruf zur Entschlossenheit kommen, hier ist der Moment, wo wir als Betroffene den anderen Betroffenen in unserer Betroffenheit ganz klar sagen: ‚Zeigen Sie Rücksichtnahme, zeigen Sie Solidarität!‘ Nicht Anteilnahme, das haben Sie schon ganz richtig gehört, hier brauchen wie eine bessere Vokabel. Solidarität, das ist ein ethisch gut vertretbares Ziel, jeder kann das auf seine Art in den Alltag integrieren, und es kostet nichts. Wenn nicht das, was dann? ‚Wir als Deutsche‘ – da bin ich in der Zeile verrutscht. Das ist auch kein guter Schluss, das Aktivierende muss am Ende noch mehr in den Vordergrund. ‚Wir stehen zusammen.‘ Ja, ich finde das richtig. Wir haben das schon öfter so gesagt, es ist ja auch nie verkehrt, wenn man bei solchen Gelegenheiten, und gerade bei solchen Gelegenheiten, die nach schrecklichen Ereignissen kommen, dass man da zusammensteht. Das macht man halt so, und es ist auch richtig, weil wir damit unsere Verbundenheit zeigen, wir als Deutsche, mit einer Gesellschaft, die wir so erhalten wollen, wie sie ist. – So, und jetzt drucken Sie die Scheiße aus, heften Sie es ab, und sagen Sie mir mindestens eine Stunde vorher Bescheid, wo ich die Rede halte.“





Abwägung

23 02 2020

für Heinrich Heine

Dieser eine meint, er meine
alles so, wie er’s nicht sage,
also trifft ihn keine Klage,
die ihm je berechtigt scheine.
Ganz genau aus diesem Grunde
redet er, um sich zu hören,
und wenn alle sich dran stören,
strömt’s nur fort aus seinem Munde.
Auch wenn’s anders ihm erschien,
das prädestiniert ihn nicht
für die Führung, wo man spricht:
Mene
    tekel
        u-parsin.

Jener Alte sagt, er habe
Weisheit mit dem Beil gefressen.
Ihn bedrückt nichts, andre messen
sich an seiner Rednergabe.
Nur vom Reden wird nichts fertig.
Wahrlich kann er nur salbadern,
andern friert’s in ihren Adern,
und sie wissen: minderwertig.
Kurz davor ergreift es ihn,
knapp vorm Ziel gibt er noch auf,
denkt: erst nun komm ich darauf,
dass ich nicht genug verdien.
Mene
    tekel
        u-parsin.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CDLXXXI)

22 02 2020

Pflanzt Bohumil gerne in Rohn
sich Blumen an, wird es meist Mohn.
Es ist recht bekannt, wo
er sich dann entspannt. So
ein Blümchen verspricht reichen Lohn.

Gaspard trägt Geschirr in La Penne
zum Flohmarkt. „Wenn ich mich schon trenn
von Töpfen und Tassen,
kann ich es nicht lassen,
dass ich damit auch dann noch renn.“

Jan schmuggelte jüngst in Potfohre
Antikes. Doch dient die Amphore
nicht nur altertümlich
als Kunst, nein: auch rühmlich
versteckt er darin manche Sore.

Doudou, der in Boutilimit
beim Orgeln nicht mehr so gut sieht,
spielt virtuos Liszt – er
erahnt die Register
mehr, als dass weiß, was er zieht.

Dass Eliška in Rabenseifen
bestand auf ein Paar weißer Reifen,
bringt ob ihrer Launen
die Werkstatt zum Staunen.
Am Ende bekam ihr Rad Streifen.

Es liegt Kwame in Mankoadze
auf einer recht alten Matratze.
Doch wie er sich bettet,
ist, wie er sich rettet:
er richtet sich nach seiner Katze.

Sieht Nepomuk manchmal in Sahr
im Schuheinzelhandel Gefahr,
so klaut er von allen
nur einen. Gefallen
empfindet man stets nur am Paar.





Gernulf Olzheimer kommentiert (DII): Der Mythos von der Fremdenfeindlichkeit

21 02 2020
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Simsalabim, bumm-bumm, keiner weiß, wann es wo passiert, nur hinterher wusste jeder es schon vorher. Plötzlich muss sich ein beliebiger Fleck auf der Landkarte für einen Ausbruch von Hass und Gewalt, die angeblich nie zuvor da gewesen waren, öffentlich rechtfertigen, und es fällt ihnen nichts ein außer der üblich offenporigen Selbstbemitleidung, die hinter dem zusammengebissenen Kampfbegriff steckt, der da heißt: Fremdenfeindlichkeit. Weil es ja nie der Täter ist, den man alleine für seine Tat zur Verantwortung ziehen darf, sondern immer mindestens auch alle anderen zusammen.

Und natürlich, denn nichts anderes insinuiert der aus intellektuellem Bauschaum hingeschwiemelte Wortmüll, auch das Opfer – hätte es sich nicht aus reinem Zufall, für den ja der Täter nichts kann, sondern auch noch wahllos an der Schlumpfstraße Ecke Gartenzwergallee aufgehalten, als der Schuss aus der Knarre knallte, welche Diskussionen hätte er unserer Gesellschaft erspart, die sich gerade von Leitkultur, Fußball und anderen Dramen auf die Plomben gehen lässt. Der Ermordete ist das Schwein, und wollen wir es nicht glauben, werden wir es noch und nöcher in die Birne gedroschen kriegen. Der Fremde ist schuld, warum sonst will keiner neben ihm wohnen?

Fremdheit ist die subjektiv gewählte Distanz einer Person zu den Merkmalen einer oder mehrerer anderer, die sich nicht ansatzweise an Maßstäbe hält. Von Bad Gnirbtzschen aus macht es durchaus einen Unterschied, ob der Nachbar in Aleppo geboren wurde und fließend in der Landessprache zu kommunizieren versteht oder aus Rovaniemi stammt und außer Nicken und Grinsen keinerlei Kenntnisse der hiesigen Kulturtechniken kennt. Der Finne, so weiß die volkstümelnde Literatur, kann so fremd nicht sein, sonst hätte er ja längst versucht, eine minderwertige Kultur loszuwerden, mit der er aufgewachsen ist. Dasselbe gilt noch für die Söhne der Söhne, die denselben Familiennamen tragen wie die einstmals zugezogenen Umwohner, sie sind nicht zugehörig; tritt man ihnen giftig entgegen, dann ist ihre Fremdheit der Auslöser für den Hass, während die eigentliche Fremdheit doch von denen ausgeht, die es trotz langer Ansässigkeit nicht auf die Kette gekriegt haben, das Vertrauen der neu Zugewanderten zu gewinnen. Wen wundert es da, dass sie von Fremden feindlich gesehen werden.

Wie das Konzept Rassismus nur funktioniert, wenn man auf Sozialentzug die Menschheit willkürlich in Rassen einteilen will, so ist auch der Begriff der Fremdenfeindlichkeit ein billiges Feigenblatt. Er setzt Othering voraus, eine Strategie künstlicher Verfremdung, die in jedem nicht Erwünschten irgendeine Differenz entdeckt, auch und gerne zufällig erfunden, die aber nur da zählt, wo sie den Ich-bin-kein-Nazi-aber-Nazis in den Kram passt, wenn sie sich nicht gerade als sowieso unverdächtige Popel gerieren, die ja auch Ausländer unter ihren Freunden haben und trotzdem nicht jeden Tag eine Moschee in Brand stecken, um sich vor dem Untergang des Kartoffelvolks zu schützen. Heißt der Nachbar Szyczymsky, handelt es sich je nach politischer Großwetterlage um einen ostischen Untermenschen aus einem Ballastvolk oder um die blutmäßige Verwandtschaft, die selbst durch braune Abluft auftreten darf. Fällt der andere durch seine Hautfarbe auf, steht seine Fremdheit fest, und es ist quasi reflexhaftes Naturrecht, ihn aus der Umgebung zu verjagen, um das Überleben der jammernden Herrenmenschen zu sichern, auch wenn der Fremde gar nicht fremd ist, sondern schon drei Generationen länger hier lebt als Szyczymsky und seine degenerierten Ableger.

Neben der Weigerung, generell alles Fremde als Feind anzusehen, belästigt der gemeine Rassist die Außenwelt ebenfalls gerne als Fremder, denn nichts anderes sind seine touristischen Heimsuchungen, in denen er andere Länder mit seinen eigenen Unsitten zu überziehen versucht unter chronischem Verlust jeglicher Moral. Nie käme es ihm in den Sinn, dass man den Bürgern anderer Staaten damit als sinnreduziert geratenes Müllbeutelimitat vor die Optik läuft und dann allmählich, Generation nach Generation, zum Inbegriff kulturell tiefstbegabter Ungezieferprävention in larmoyanter Polyesterpelle wird, über die man irgendwann keine Witze mehr macht, weil der Gedanke schon schlimm genug ist, so auszusehen. Außerdem würde es sie wirklich in den Wahnsinn treiben, merkte der Feriengast die Verachtung und würde sich aus reiner Gewohnheit in sein beschissenstes Selbstmitleid schmeißen, das man nicht mehr aus der Netzhaut kratzten kann. Es gibt keine Hoffnung, sie treiben ihm die Vorurteile nicht mehr aus, denn er wurde doof geboren, hat sich beharrlich zu lernen geweigert, weil schon seine Vorväter alles besser wussten, und allem Anschein nach war seine Kultur schon immer der untere Dreckrand seines Kontinents. Rassenwahn ist das nicht, nur Empirie. Aber keiner würde es ihm sagen. Am Ende hat er spontane Fantasien von Verbrüderung und marschiert wieder ein. Man würde sich ja glatt wieder fremd fühlen, sogar im eigenen Land.





Synergieeffekte

20 02 2020

„… sehr viele Staatsanwaltschaften nicht über eine ausreichend große Personaldecke verfügen würden, um anhängige Verfahren gegen rechtsextremistische Straftaten zur Gänze zu…“

„… dass inzwischen 482 Terrorverdächtige nicht festgenommen werden könnten, obwohl ein Haftbefehl gegen sie vorliege. Da es sich jedoch nur zu etwa einem Prozent um Tötungsdelikte handele, könne sich die Sicherheit in der Bundesrepublik derzeit nicht dramatisch…“

„… wolle die Regierung mehr Rechtssicherheit durchsetzen und sehe aus diesem Grunde das Mittel der Strafverschärfung als beste Möglichkeit, in der öffentlichen Diskussion mehr Zufriedenheit zu…“

„… kaum noch Überlebende gebe. Die mit der NS-Justiz vertrauten Beamten seien größtenteils nicht mehr am Leben und könnten daher die Ermittlungen nicht unterstützen. Seehofer habe angeregt, ein Kompetenzzentrum für rechte und extremistische historische…“

„… nicht zu Lasten der Einbruchdiebstähle gehen dürfe, die immer noch zu häufig verübt würden. Neue Staatsanwälte einzustellen werde daher nur dann befürwortet, wenn die Arbeit gleichmäßig auf sämtliche…“

„… dünn besetzte Abteilungen zur Leitkultur gehörten, solange sie sich mit rechter Kriminalität befassen müssten. Eine zügige Ermittlung sei für die meisten Bürger mit Sozialismus assoziiert und dürfe sich daher keinesfalls mit dem…“

„… dass mehr rechtsextremistische Taten verübt würden, wenn die Täter durch die Strafverfolgung ausgezeichnet und damit in den eigenen Reihen eine höhere Glaubwürdigkeit als…“

„… habe Gauland vom Ministerium gefordert, einschlägig vorbestrafte AfD-Mitglieder als Hilfe für die Ermittlungen bei Morddrohungen und geplanten Kapitalverbrechern einzusetzen, um die Synergieeffekte besser auszunutzen. Als einzige Gegenleistung verlange die Partei, alle Daten von Personen einzusehen, die durch Strafanzeigen gegen faschistische…“

„… gebe es Überlegungen, Pflegepersonal zu Kriminalermittlern umzuschulen. Spahn wolle daher zunächst thailändische Polizeibeamten nach Deutschland holen, die nach einer mehrjährigen Eingewöhnung, der Ausbildung in der Pflege sowie zehn Jahren Berufspraxis endlich in den…“

„… mit einem evidenzbasierten Ereignisplan gegen die anscheinend vorhandene Bedrohung vorgehen wolle. Seehofer werde die terroristischen Bedrohungsszenarien sofort nach dem ersten als Anschlag klassifizierbaren Zwischenfall in die…“

„… innerhalb der vergangenen Jahre aber auch sehr viele Straftäter mit rechter Gesinnung in Haft genommen habe. Seehofer bestehe darauf, dass es statistisch als erwiesen gelten müsse, dass mehr als tausend Personen, von denen etwa zehn Prozent ein geschlossenes rechtsradikales Weltbild hätten, durch Justizermittlungen in eine für sie…“

„… nicht richtig recherchieren wolle. Seehofer habe nach der Mitteilung der Linken-Fraktion im Deutschen Bundestag klargestellt, dass in Halle nur zwei volksdeutsche Bürger einen Nachteil erlitten habe, eine Person davon mutmaßlich durch eine geistige Behinderung, was einem Selbstverschulden nicht unähnlich sei. Angehörige fremdartiger Kulturen, die muslimische Lebensmittel zu sich nehmen oder in einem jüdischen…“

„… den Strafrahmen für Beleidigung auf drei Jahre Freiheitsentzug anheben wolle. Im Gegenzug erwarte die Bundesregierung, dass derartige Delikte von den Gerichten nun regelmäßig als nicht von öffentlichem Interesse eingestuft und daher ins…“

„… in den Fokus gerückt seien. Zufällig habe der Verfassungsschutz beim turnusmäßigen Schreddern alle Personalakten vernichtet und könne nicht mehr sagen, ob sich unter den Mitarbeitern Personen befinden würden, die mit Haftbefehl…“

„… sich zahlreiche Ausländerfeinde, die Brandanschläge wegen angeblicher Vermischung des arischen Erbguts durch minderwertige Völker verübt hätten, in ostasiatische Staaten abgesetzt hätten, wo sie nach der Gründung einer Familie mit einer einheimischen Frau langjährige Haftstrafen wegen gefährlicher…“

„… das Bundeskriminalamt die Stellen sofort aufzustocken gedenke. Durch eine gleichzeitige Streichung im Ausbildungsbereich hoffe man aber, das aktuelle Niveau schon 2036 wieder…“

„… auch zahlreiche Haftbefehle gegen linke Straftäter vorliegen müssten. Lindner sehe es als erwiesen, dass Straftaten wie Obdachlosigkeit oder mangelnder Nationalstolz verantwortlich seien für sinkende Wahlprognosen der…“

„… auch für unbescholtene Bürger eine Gefahr darstelle. Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe diese Befürchtung zurückgewiesen, man habe allen Mitarbeitern im rechtsextremistischen Bereich befohlen, keine Personen zu bedrohen, die sich nicht durch antideutsche oder anderweitig demokratisch veranlagte Hetzpropaganda in der…“

„… die Polizeiarbeit gegen antikapitalistische Kräfte nicht mehr ausgebremst werden dürfe. Vor allem die CSU hoffe, dass sich dadurch eine abschreckende Wirkung auf die linkslinken…“

„… von nicht bereichsgebundenen Kräften in der Staatsanwaltschaft auch Delikte wie Betrug, Steuerhinterziehung oder Vorteilnahme bearbeitet werden könnten. Ein fraktionsübergreifender Kompromiss zu weiteren Einsparungen in der Rechtspflege sei daher nur noch eine Frage der…“