Selbstamputation

16 03 2020

„Da haben Sie bestimmt etwas falsch verstanden. Wir beobachten erst einmal nur den Flügel, aber auch das ausschließlich ergebnisoffen. Man würde uns sonst Voreingenommenheit vorwerfen können, und dann würden wir die Ergebnisse hinterher nicht mehr verwerten dürfen. Das will doch keiner.

Natürlich muss man hier differenzieren, es ist ja nicht jeder in der AfD Rechtsextremist. Und nicht jeder, der rechtsextremistische Überzeugungen hat, ist auch Mitglied in diesem Flügel. Das ist sowieso sehr schwierig, weil es keinerlei Mitgliederlisten für diese Gruppierung gibt. Wenn wir von der Chefetage den Befehl bekommen hätten, sämtliche Nazis in der Partei zu beobachten, dann hätten wir uns ein Mitgliederverzeichnis schicken lassen, und fertig ist die Laube. Aber so? Ich würde jetzt nicht gleich sagen, dass wir die AfD beobachten und gleichzeitig nicht beobachten sollen, aber ein bisschen paradox ist diese Situation schon.

Vor allem, weil man ja auch nicht weiß, ob es jetzt viele Mitglieder gibt, die eine Beobachtung abschreckt oder die sich jetzt Gedanken machen, ob sie nicht eventuell doch mit einer demokratischen Einstellung besser leben können. Dazu müssen Sie gar nicht Beamter sein, manche Leute möchten halt nicht jeden Morgen in ihren Rasierspiegel kotzen. Die würden wir als Verfassungsschutz dann einfach so mitbeobachten, obwohl wir gar nicht wissen, wie die denken. Schwierig. Auf der anderen Seite ist so eine Mitgliederliste nicht erschöpfend, da kann es durchaus passieren, dass einer gar nicht öffentlich gesagt hat, dass er Teil des Flügels ist, dass er die rechtsextremistische Einstellung dieser Leute teilt oder sich eventuell erst noch radikalisiert, weil er dazugehören will, bevor alles verboten wird. Da können wir gar nichts machen. Stellen Sie sich mal vor, man würde diese Menschen diskriminieren, sie durch gesellschaftliche Ächtung oder Berufsverbote ausgrenzen – schrecklicher Gedanke, das möchte ich nie verantworten müssen.

Stellen Sie sich mal vor, in der Partei gäbe es jetzt eine Art Selbstamputation: die Führung sägt alle ab, die sich nicht mehr auf dem Boden der Verfassung befinden, und verlangt von sämtlichen Mitgliedern ein schriftliches Bekenntnis zum Grundgesetz und zur Genfer Flüchtlingskonvention, und dann kündigt sie an, dass sie mit diesen ganzen demokratiefeindlichen Spielchen wie in Thüringen aufhört und nur noch konstruktive parlamentarische Sacharbeit leistet. Dann würde sich eine weitere Beobachtung natürlich erübrigen. Also nicht, weil sie dann in der demokratischen Gesellschaft angekommen ist, sondern weil sie mit ihren paar Hasardeuren, Pleitiers und Schreihälsen so etwas gar nicht auf die Kette kriegt und innerhalb von wenigen Jahren wieder aus den Parlamenten kippt. Dann hat sie nicht mehr den politischen Einfluss, den sie für eine tatsächliche Beseitigung der FDGO bräuchte, und damit ist ein Verbot der AfD vom Tisch. Das war es ja, was Karlsruhe an der NPD gefunden hat. Ganz nebenbei müsste die komplette Parteiführung sich selbst vom Hof jagen. Wer macht das schon.

Das mit den linken Provokateuren, das ist auch so eine Sache. Da gibt es ja teilweise Vollidioten in der AfD, wenn Sie hören, was die so alles vom Stapel lassen, gehen Sie sicher nicht davon aus, dass es sich um geistig gesunde, zurechnungsfähige Staatsbürger handelt, die aus Sorge um unsere Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen von 1990 politisch tätig sind, größtenteils finanziert von dem Staat, den diese Damen und Herren für nicht existierend halten und von dem sie dennoch ihre Bezüge erhalten. Wenn das nicht irgendwelche Linken sind, die sich als Nazis verkleiden, welche Erklärung sollte es denn dann geben? Es sollen ja auch Ex-NPD-Mitglieder in die AfD eingetreten sein, dann sind das bestimmt die, die sich plötzlich als Linke verkleiden, damit sie gegen eine andere rechtsextremistische Partei angehen können. Das ist doch dann auch sehr unfair, wenn man die ganze Partei nur wegen rechtsextremistischen Mitgliedern ein Verbotsverfahren anhängt, obwohl noch nicht einmal feststeht, ob es echte Rechtsextremisten sind oder nur falsche Linke. Wenn wir als Behörde hier einigermaßen authentisch bleiben wollen, können wir doch gleich echte Linke beobachten, oder aber alle Linken gleich verbieten. So kompliziert kann das doch nicht sein.

Und man muss sich auch mal Gedanken machen um den Staat als Ganzes. Wenn wir die AfD als Ganzes beobachten, dann haben wir auch nur die Möglichkeit, sie als Ganzes zu verbieten. Es gibt da so viele Ausländerfeinde, Holocaustleugner, Leute, die gerne mal jemandem mit einer anderen Religion oder Hautfarbe ein ganzes Magazin in den Schädel ballern wollen, und solche, die als Reichsdeutsche das Privileg fordern, Frauen zu vergewaltigen. Die kriegen Sie nicht zurück ins bürgerliche Lager. Wir haben hier eine staatspolitische Verantwortung, und das ist ja ansonsten auch die Domäne der AfD. Ich bin mir nicht sicher, ob wir da einfach so eingreifen dürfen.

Aber das ist es ja noch gar nicht. Stellen Sie sich das mal vor, Sie sind bei der Steuerfahndung, Sie fangen die bösen Jungs, die den Staat und die ganze Gesellschaft berauben, gemeinschaftsschädigende Elemente, die alle Tricks kennen, um die Ärmsten der Armen aufs Kreuz zu legen und es dann auch noch als Notwehr auszulegen, weil sie sich in einer Opferrolle sehen, und dann drückt man Ihnen eine Adresse in die Hand, und es ist der elterliche Betrieb, in dem Sie lange genug selbst gearbeitet haben. Schon doof, oder?“


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