Gernulf Olzheimer kommentiert (DVIII): Der Markt

3 04 2020
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Uga hatte manchmal das Glück, bei der Suche nach Buntbeeren auf den Großen Prickelpilz zu stoßen, der bei knapper Dosierung lustig machte. Ein mittelgroßes Exemplar reichte für einen recht gemütlichen Abend in der Einfamilienhöhle, und fand er mal zwei, so konnte er in durchschnittlichen Sommern eine gute Keule von der Säbelzahnziege für den Schwamm eintauschen. Natürlich half es, die Nester im kleinen Wäldchen bei der westlichen Felswand gut zu kennen. Kaulauch und Hasen hatte Rrt unter Kontrolle, diese Segmente schienen längst abgesteckt. Aber die Wirtschaftsteilnehmer wussten es schon damals, der Markt regelt alles.

Wenn man ihn denn lässt. In den meisten Fällen besteht er aus dreißig Bestattungsinstituten in einer Hundert-Seelen-Gemeinde, die sich karnickeloid vermehren und nach Staatshilfen plärren, weil ihnen keine verraten hat, dass mit Gewerbefreiheit nicht gemeint war, nach Belieben als Unternehmen am Markt aufzutreten, wenn dies keinen Erfolg zu versprechen droht. Manche schwenken sofort um auf Nagelstudio, Musikschule, Feng-Shui-Bude oder notfalls Unternehmensberatung, weil das jede Knalltüte hinkriegt – doch nicht jede Lücke, in die nach Motivationsgeplärr des Analysten Mut suppt, ist auch als Standort der Vernunft bekannt. Der voodooeske Betriebswirtschaftlerzauber, nach dem Nachfrage und Angebot vollkommen unabhängig voneinander im luftleeren Raum existieren, hier wird er Ereignis.

Wie sonst könnte es grundsätzlich gesteuerte Märkte geben wie den Arbeitsmarkt, auf dem sich die Anbieter degradieren lassen müssen, indem man sie als Arbeitnehmer bezeichnet. Nach unverdünnt aufgetragener Marktlogik könnten derzeit alle Kassierer im Einzelhandel, alle Gesundheits- und Krankenpfleger, Lkw-Fahrer sowie angeschlossene Branchen sich lässig zurücklehnen, ihre staubigen Tarifverträge mit mildem Lächeln in den Schredder kloppen und die verschwiemelten Ausflüchte der sogenannten Tarifpartner – outgesourcte Zwerge für russisches Roulette mit Lohnempfängern – schlicht ignorieren, denn was wäre dieses Land, würde nicht das zehnfache Brutto monatlich rüberwachsen. Aber wen kümmert schon die Definition, wenn man doch klarmachen kann, dass es überall geistig schwer gestörte Brechbeulen gibt, die nur da nach den Regeln spielen, wo sie sie nach Belieben ignorieren können.

Tatsächlich sehnen aufmerksamkeitsgestörte Hackfressen sich nur nach dem Scheinoligopol, in dem sie als arbeitsscheue Anteilsschmarotzer den Preis für systemrelevante Leistungen durch gezielte Verknappung so weit in die Höhe zwiebeln können, dass sie das Gleichgewicht halten: nicht zu geringe Erlöse unter Berücksichtigung aller vorsätzlich hinterzogenen Steuern und Abgaben, keine zu niedrigen Verluste in der Verbraucherschicht, um zu kompensieren, dass man nicht jedem, der wegen eines überteuerten Medikaments verstirbt, vorher noch ins Gesicht hat spucken können.

Sollten sie sich im Vollsuff einmal zu hart mit dem Gesichtsversuch in die Tischecke gelegt haben, so werden sie angenehm erfreut sein, dass es auch an Sonn- und Feiertagen einen Notdienst für die Esszimmerreparatur gibt. Eigennutz, wusste auch der geneigte Nazi, ohne es zugeben zu wollen, geht ja stets vor Gemeinnutz, und der Taxifahrer, der den letzten Zug am Bahnhof abwartet, tut dies nicht aus reiner Philanthropie: beide wollen ihren Kredit abbezahlen und schielen kalt auf die Zuschläge, die sich in einem ausgedünnten Angebot wie von selbst ergeben. Zuverlässig anwesende Hühner lachen bei Gelegenheit, wenn der Preis sich durch etwaige Kaufverweigerung einpendeln sollte – mit dem vereiterten Zahn hockt der Nanodenker freilich ein ganzes Quartal vor des Dentisten Tor, bis die Kasse ein Machtwort lispelt, und gibt es kein Brot, frisst der geneigte Kunde auf Befehl Kuchen.

Die komplett unsichtbare Hand, die sich nur in einem Paralleluniversum zeigt, regelt nur bei denen ihren Schlamassel, wo der Brägen auf Halbmast hängt. Auf einem perfekten Markt gäbe es keine Märkte, das Volumen wäre begrenzt, da es sich in einem abgeschlossenen Kreislauf befindet, das den Energieerhaltungssatz auch durch schamanisches Hüpfen nicht abschafft, und das religiös verehrte Wachstum wäre eine Folge von Lack on the rocks, den die im Oberstübchen verseiften Soziopathen zur Aufrechterhaltung ihrer Laberzirrhose nötiger haben als die Dünnluft zum Atmen. Kaum ist für sie der Spargel in Gefahr, plärren die Waschweiber im Chor nach Mammi, die ihnen die Windeln wechselt, weil sich diese verdammte Realität nicht an die Vorstellungen hält, die man nach einer Tüte Tanzdragees entwickelt. Sicher gibt es Wachstum, ungebremste Progression ohne Rücksicht auf alle anderen Faktoren, freie Entfaltung durch gezielte Zerstörung der Umgebungsvariablen. Im gut sortierten Fachhandel heißt das Zeug Krebs, und wer es sich selbst wegbeten will, kommt früher oder später zum Arzt. Und sei es, mit etwas Glück für alle anderen, zum Sterben.