„Dreizehn Lamm, dreizehn Steinbeißer, Kartoffeln extra, und ich will jetzt endlich diese verdammte Rosmarinsauce!“ Bruno hieb mit dem Handtuch auf die Tischplatte, dass Petermann zusammenzuckte. Fast hätte er sich geschnitten. Die Nerven lagen offensichtlich blank in Bücklers Landgasthof.
„Es ist das erste Mal seit zwei Wochen“, stöhnte Hansi, der jüngere der beiden Brüder, während er einen neuen Sack voller Styroporboxen aus dem Vorratskeller in die Küche trug. Wo sonst in drei bis vier Reihen edles Porzellan auf die Kreationen von Bruno, genannt Fürst Bückler, wartete, da standen nun Schaumschachteln, in denen Zander und Entenconfit landeten, feine Salate, sautierter Grünspargel an Blutorangenfilets. „Immerhin läuft es ganz gut.“ Die Küchenhilfe hebelte Maultaschen in die Boxen. Hansi nickte. Aus dem Hintergrund kam Luzie, ganz nebenbei immer noch die gutböse Seele einer gewissen Kanzlei, klappte geschwind die Behältnisse zu und gab sie in einen Korb. „Elf fünfundvierzig“, schrie Petermann, der Entremetier und Bücklers sturmerprobte rechte Hand, obwohl ich nur eine Armlänge – zu kurz, aber wir waren ja bei der Arbeit – von ihm entfernt stand und der Kollegin die Schachteln anreichte. „Sieben“, rief Bruno, „dazu noch sechs Seeteufel, ein Filet, die Suppen und Obstsalat!“ Luzie Freese, lange Jahre heimliche Leiterin vom Empfang aus, warf ihm ein Handtuch zu, nicht dazu aufgefordert, doch sie sah, es war gut so. Bruno tupfte sich die Stirn.
„Wir servieren alle fünfzehn Minuten“, erklärte der Küchenchef. „Es ist nicht dasselbe, aber wir haben unsere Kundschaft, gerade in diesen Tagen.“ Zwischendurch drapierte die Küchenhilfe hurtig Spiegeleier für zwanzig Portionen Labskaus auf die Platten. Petermann rief die beiden Aushilfen für den Service an, und sie packten die Boxen umgehend in die Transportkörbe für den Kunden im Gasthof, der schlacksige Junge mit dem unbeholfenen Grinsen, der noch nicht wusste, ob er alles richtig machte, und Horst Breschke.
Der pensionierte Finanzbeamte stapelte eine Portion über die andere, wie man es ihm gar nicht zugetraut hätte. „Außerdem habe ich mir mal ihre Bücher angesehen“, berichtete er. „Man kann da ein paar Sachen sparen, und sie schenken der Steuer zu viel.“ Ich runzelte die Stirn. Würde Herr Breschke auf seine alten Tage etwa gegen den ehemaligen Dienstherrn vorgehen? „Jedenfalls müssen wir die Bewirtungsbelege für einige Herrschaften nochmals prüfen, und da kommt eine Menge Arbeit auf die Kollegen in der Oberfinanzdirektion zu.“ Er legte einen neuen Korb auf, in den Luzie sogleich den Topf mit der Rosmarinsauce stellte. „Steinbeißer kommt“, schrie Bruno, obwohl er direkt neben uns stand. „Ich werde schon einmal den Kofferraum öffnen“, sagte Herr Breschke. „Sie kommen dann gleich nach, sobald auch die anderen Sachen fertig sind?“ Ich reckte den Daumen in die Höhe. Bruno packte ein Handtuch mit Vorlegebesteck neben die Fischboxen, dann kümmerte er sich um den Rest der Bestellung. „Andere hat es erheblich schwerer getroffen“, meinte Hansi. „Salzmanns Sterneladen an der Kranichkuppe wird nicht überleben.“ „Das sind die mit den neunzehn Gängen?“ Er nickte. „Wie will man eine geschmolzene Schalotte im Lakritzrauch außer Haus servieren?“
Die letzten beiden Körbe waren verladen, Luzie schloss die Klappe des Kofferraums und setzte sich auf den Beifahrersitz. Ich telefonierte. Dann fuhren wir los. „Nicht zu schnell“, warnte ich. „Es wird nichts verrutschen“, beruhigte mich Breschke, „Hansi hat den Kofferraum mit Gummimatten ausgelegt, und dann…“ „Aber wir sitzen zu dritt in einem Auto, und ich möchte mich nicht erwischen lassen.“ Luzie hielt den Bestellzettel in die Höhe. „Wir dürfen das.“ Ich las: Bücklers Landlieferdienst für Speisen und Getränke. „Um die rechtliche Seite macht Ihr Euch mal keine Sorgen, ich habe eine blühende Fantasie. Und ich weiß ganz gut, wo welche Paragrafen stehen.“
Herr Breschke fuhr sachte um den Kreisverkehr am Ortsausgang und bog auf die Landstraße ein. „Ich werde bis Wiebelrade fahren und dann auf die Bundesstraße bis Knöckelsdorf, ab da ist es ein Katzensprung bis zur Försterei.“ „Aber bis zur alten Schäferkate und dann über Gruntzwede wäre es kürzer.“ Er wiegte bedächtig den Kopf. „Kurz vor der Napoleonbuche ist ein Kontrollposten. Von mir haben Sie das nicht, und Staatsanwalt Husenkirchen hat hier keiner erwähnt, oder haben Sie etwa gerade den Namen gehört?“ Luzie grinste.
„Da ist es ja!“ Bedächtig bog Breschke auf den Waldweg ein, dass es nicht zu sehr rumpelte. Ein hübsches kleines Rund von dreizehn Partyzelten stand gut versteckt hinter dem Forsthaus auf der Wiese. Jeder dieser weißen Tuchbauten war mit einem Tischchen nebst Geschirr und Tafelsilber, Gläsern und Blumenschmuck ausgestattet. Frau Breschke seufzte erleichtert auf, Doktor Klengel hob zum Gruß sein Glas und deutete eine leichte Verbeugung an. „Da wir in keinem geschlossenen Raum sitzen“, sprach Staatsanwalt Husenkirchen, „sehe ich hier die Verhältnismäßigkeit als durchaus gewahrt an, nicht wahr?“ Anne schluckte. „Ich hatte mir meinen Geburtstag etwas anders vorgestellt“, sagte sie. „Aber man muss die Feste eben feiern, wie sie fallen.“ Herr Breschke verteilte Brot auf die Teller. „Warum ist das keinem früher eingefallen?“ Doktor Klengel kicherte und stellte sein Glas auf den Tisch. „Ich weiß nicht. Vielleicht ging es uns zur gut.“
Satzspiegel