
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Wir alle kennen einen von ihnen, auch wenn wir zu keinem von ihnen Kontakt haben oder diesen je freiwillig gesucht hätten, geschweige denn suchen würden. Milde Formen von Verschrobenheit sind in diesem Phänotyp zwar enthalten, doch nicht jeder, der als Fensterrentner kontinuierliche Stasifizierung seiner Nachbarschaft betreibt, bis er sich langsam in Richtung Müllstocherer bewegt und mit Stalking in soziale Isolation treibt, wo sein Spleen eigentlich erst richtig logisch erscheint, nicht jede dieser rein organisch betrachteten Parallelexistenzen hat das Zeug zum Ekelpaket, das der ganzen Gesellschaft den Krieg erklärt, um mit gezogenem Schwert in den Untergang zu reiten. Die meisten Knalltüten lassen sich wegignorieren. Nicht aber der echte und professionell agierende Querulant.
Sehr gut lässt sich das Benehmen dieser Spezies demonstrieren, wo ein Glascontainer im mittelbaren Wohnumfeld steht. Werktags fristet der Streithansel seine Zeit in irgendeinem Büro, am Samstag aber kauert er mit Chronometer und Pfeife ausgerüstet hinter dem Baum neben dem Wurftrog, von wo er dreißig Sekunden vor acht Uhr trillernd aus der Deckung prescht und jeden anpöbelt, der es wagt, alte Flaschen einzuschmeißen. Unflat und wirre Warnungen quellen aus seinem zitternden Schlund, dessen Schallpegel weit oberhalb des Zulässigen, also auch oberhalb des glaswurfbedingten Krachs die Morgenluft durchzetert. Nach getaner Arbeit ist er vorläufig befriedigt, bis er sich pünktlich zwölf Stunden später wieder auf die Lauer legt, um die peinliche Befolgung der Höchsteinwurfdauer mit Methoden zu kontrollieren, mit denen nicht einmal die Zuverdienstgrenzen beim Arbeitslosengeld II überwacht werden. In der Zwischenzeit widmet er sich übrigens dem Nachmessen der Abstände von Altglascontainervorderwand zu Grundstücksgrenze, die sich als millimetergetreu falsch erweisen, so dass er handrückendicke Konvolute aus Gutachten zu Altstoffentsorgung und Lärmschutz nebst einer auf babylonischem Verfassungsrecht basierenden Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Regierung abfasst und einliefert. Nicht selten dräut er der Behörde, in der er selbst tätig ist.
Manche dieser Verhaltensweisen lösen wohl in zutraulichen Zeitgenossen Regungen aus, die auch bei Anwendung alttestamentarischer Körperstrafen kaum einzudämmen wären, weit über das Übliche hinausgehen – an den Augenlidern aufhängen und zum Blinzeln zwingen oder Verarbeitung ganzer Personen zu feinem Brät vermittelst einer einzigen Stecknadel – und bei schweren Soziopathen, denen in der Hölle ein Sitzplatz am Kamin sicher ist, eine gewisse verschwiemelte Anerkennung hervorrufen.
Frühere Zeiten lebten davon, dass der Streithahn seine Abende im Theater verbrachte und damit eine ganze Branche nährte: Leserbriefredakteure, die in Erwartung zünftiger Hassausbrüche die Reaktionen auf die offizielle, aber nie intellektuell ausreichende Rezension des hauptberuflichen Mitarbeiters in Blei stampften, was nebenbei auch schroffe Verachtung für den ganzen Kulturschmonzes, Kunst, Kino samt Kokolores zum Ausdruck brachte. Hatte der Autor das Blatt einmal in der Hand, wetterte er gleich in einem Aufwasch noch gegen politische Leitartikel, Börsennachrichten und alles andere, wozu keine Journaille ihm befähigt erschien, inhaltlich oder nur verbal, und drohte damit, das Blatt künftig nicht mehr anzufassen – was Verlag und Redaktion kaum erwarten konnten, das aber selten in Erfüllung ging. Die heutigen Kommentarspalten mit ihrem grell polarisierenden Auftrieb rumpelnder Trollbirnen lässt noch einen matten Abglanz davon erahnen.
Der Querulant läuft fortwährend als Verteidiger seiner selbst durch eine Feindwelt, darin anderen Hohlpfosten wie Reichsbürgern oder Nazis ähnlich, da auch er weiß, dass er nur im Recht sein kann in einer Welt, die außer ihm ausschließlich aus Idioten besteht. Der Buchstabe des Gesetzes ist seine DNA, mit dessen Hilfe er gegen alles und jeden klagt, mosert, meckert, nörgelt, nicht nur auf die Gefahr hin, vor Gericht abzublitzen oder zu scheitern, auch unter der steten Bedrohung, selbst vor den Kadi geschleift und dort zusammengefaltet zu werden. Nicht die technische Schwankungsbreite normativer Gebindegrößen und rechtlich zulässige Werte ober- wie unterhalb des bunt aufgedruckten Mittelwerts 1000 Blatt sind seine Realität, er muss zur Kontrolle festmeterweise Zehnerpakete von ein- bis vierlagigem Papier erobern, wutverbissen in der zugehamsterten Wohnhöhle, deren Boden knirscht, dessen Decke den Teppich im Obergeschoss bereits merklich auszuwölben beginnt, ausrollen, um eine handrückendicke Kampfschrift an die Hersteller der Hygieneartikel zu senden, ihnen etwas anzudrohen, wogegen Hiroshima ein Kindergeburtstag war. Er wird sich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wiederfinden, mit etwas weniger Glück auch vor dem Internationalen Strafgericht. Für jemanden, der uns diese Misere eingebrockt hat und sich dabei noch im Recht fühlt, wird keiner Mitleid übrig haben. Warum auch, es besteht kein Anspruch darauf. Wer es anders sieht, dem steht der Klageweg selbstverständlich offen.
Satzspiegel